Diese Arbeit ist im Rahmen des Intensivseminars „China: Politische und ökonomische Entwicklung in der Transformationsgesellschaft“ des Instituts für Soziologie der RWTH Aachen entstanden.
Mit dieser Arbeit haben wir den Versuch unternommen, das Danwei-Phänomen in der Volksrepublik China im Detail zu untersuchen und darzustellen.
Im ersten Kapitel geht es um die Geschichte der Danwei. Die Vorreiter des heutigen Danwei-Systems bilden die Dorf- und Klanstrukturen auch die konfuzianische Sozialethik. Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Systeme sollen an dieser Stelle herausgearbeitet werden. Ein weiteres einflussnehmendes Element bildet die konfuzianische Sozialethik, die ebenfalls betrachtet wird. Zudem erfolgt ein Blick in die mögliche Zukunft der Danweis in China.
Im zweiten Teil dieser Arbeit soll anhand der Systemtheorie erläutert werden, welchen Einfluss der Staat der Volksrepublik China auf das Bestehen des Danwei-Systems nimmt. Die einzelnen Einflussfaktoren des Staates sollen zeigen inwiefern die Danweis durch den Staat beeinflusst oder gar manipuliert werden.
Den Abschluss der Arbeit bildet eine Zusammenfassung. Diese dient einer abschließenden Betrachtung unserer gemeinsamen Überlegungen.
Zu Beginn müssen wir zunächst noch eine Einschränkung vorgenehmen. Die Danwei bildet die grundlegende Sozialstruktur der chinesischen Gesellschaft. Die Zahl der vorhandenen Danweis in der Volksrepublik China ist riesig groß und es soll nicht unsere Aufgabe sein, die Danwei in allen ihren Erscheinungsformen darzustellen und zu analysieren, das würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Aus diesem Grund beschränken wir uns hauptsächlich auf die Analyse und Darstellung der Danweis in der Stadt.
2. Die Geschichte der Danwei – von den Ursprüngen bis zum Blick in die Zukunft
Dieses Kapitel befasst sich mit der Geschichte der Danwei. Diese beginnt mit den Ursprüngen der Danwei, dem Dorf, dem Klan und mit der konfuzianischen Sozialethik, und endet mit einem Blick in die mögliche Zukunft der Danweis in China.
Zum besseren Verständnis der Thematik wird zu Beginn kurz erläutert, was unter dem Begriff ‚Danwei’ überhaupt zu verstehen ist und wie wir uns das Leben und Arbeiten in eben so einer Danwei vorzustellen haben.
Inhalt
1.Einleitung
2. Die Geschichte der Danwei – von den Ursprüngen bis zum Blick in die Zukunft
2.1 Die Danwei heute – eine kurzer Einblick
2.1.1 Die Danwei – eine Begriffserklärung
2.1.2 Die Aufgaben und Funktionen der Danwei
2.1.2.1 Soziale und materielle Fürsorge
2.1.2.2 Demokratie, Strafen und Sanktionen
2.1.3. Freiwilligkeit vs. Zwang: Die Vor- und Nachteile der Danwei-Organisation im heutigen China
2.2 Die Ursprünge der Danwei
2.2.1 Konfuzianische Sozialethik
2.2.2 Das Klansystem
2.2.3. Das Dorf
2.2.3.1 Das Traditionelle Dorf
2.2.3.2 Das Dorf in der Volksrepublik China
2.2.4 Das Sozialsystem
2.2.5 Gesetz, Ordnung und soziale Kontrolle
2.2.6 Politische und wirtschaftliche und soziale Aufgaben
2.2.7 Abhängigkeit
2.2.8 Zusammenfassung
2.3 Die Zukunft der Danwei
2.3.1 Der Wandlungsprozess der Danweis
2.3.2 Traditionen und Vergangenheit
2.3.3 Individualisierungs- und Wandlungsprozesse
2.3.4 Die Faktoren Mensch und Zeit, eine Zusammenfassung der Erkenntnisse
2.4 Zusammenfassung
3. Danwei und Systemtheorie
3.1 Systemtheorie nach Talcott Parsons
3.2 Systemtheorie nach Niklas Luhmann
3.2.1 Soziale Systeme
3.2.2 System – Umwelt – Beziehung
3.2.3 Strukturelle Kopplung
3.2. Wie wird die gesellschaftliche Steuerung innerhalb der Danwei
ermöglicht?
3.2.1 Die Beziehung zwischen Danwei und Staat
3.2.2 Das Steuerungselement: Ideologie
3.2.3 Steuerungselement: Administrative Macht
3.2.4 Steuerungselement: Festlegung der sachbezogenen Aktivitäten
3.2.5 Steuerungselement: Materielle Macht
3.2.6 Steuerungselement: Symbolische Macht
3.2.7 Steuerungselement: Physische Macht
3.2.8 Steuerungselement: Kampagne
3.3 Zusammenfassung
4. Abschlussbemerkung
Literaturverzeichnis
1.Einleitung
Diese Arbeit ist im Rahmen des Intensivseminars „China: Politische und ökonomische Entwicklung in der Transformationsgesellschaft“ des Instituts für Soziologie der RWTH Aachen entstanden.
Mit dieser Arbeit haben wir den Versuch unternommen, das Danwei-Phänomen in der Volksrepublik China im Detail zu untersuchen und darzustellen.
Im ersten Kapitel geht es um die Geschichte der Danwei. Die Vorreiter des heutigen Danwei-Systems bilden die Dorf- und Klanstrukturen auch die konfuzianische Sozialethik. Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Systeme sollen an dieser Stelle herausgearbeitet werden. Ein weiteres einflussnehmendes Element bildet die konfuzianische Sozialethik, die ebenfalls betrachtet wird. Zudem erfolgt ein Blick in die mögliche Zukunft der Danweis in China.
Im zweiten Teil dieser Arbeit soll anhand der Systemtheorie erläutert werden, welchen Einfluss der Staat der Volksrepublik China auf das Bestehen des Danwei-Systems nimmt. Die einzelnen Einflussfaktoren des Staates sollen zeigen inwiefern die Danweis durch den Staat beeinflusst oder gar manipuliert werden.
Den Abschluss der Arbeit bildet eine Zusammenfassung. Diese dient einer abschließenden Betrachtung unserer gemeinsamen Überlegungen.
Zu Beginn müssen wir zunächst noch eine Einschränkung vorgenehmen. Die Danwei bildet die grundlegende Sozialstruktur der chinesischen Gesellschaft. Die Zahl der vorhandenen Danweis in der Volksrepublik China ist riesig groß und es soll nicht unsere Aufgabe sein, die Danwei in allen ihren Erscheinungsformen darzustellen und zu analysieren, das würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Aus diesem Grund beschränken wir uns hauptsächlich auf die Analyse und Darstellung der Danweis in der Stadt.
2. Die Geschichte der Danwei – von den Ursprüngen bis zum Blick in die Zukunft
Dieses Kapitel befasst sich mit der Geschichte der Danwei. Diese beginnt mit den Ursprüngen der Danwei, dem Dorf, dem Klan und mit der konfuzianischen Sozialethik, und endet mit einem Blick in die mögliche Zukunft der Danweis in China.
Zum besseren Verständnis der Thematik wird zu Beginn kurz erläutert, was unter dem Begriff ‚Danwei’ überhaupt zu verstehen ist und wie wir uns das Leben und Arbeiten in eben so einer Danwei vorzustellen haben. Dies soll aber nur einem kurzen Einblick dienen, da das Hauptaugenmerk dieses Kapitels auf den Ursprüngen und der Zukunftsperspektive der Danweis liegen soll. Es sollen hier lediglich die Punkte angesprochen werden, die für die spätere Analyse des Ursprungs der Danwei von Bedeutung sind.
Anschließend folgt eine Analyse der Hintergründe der Danwei-Entstehung. Diese beinhaltet eine Aufstellung der Gemeinsamkeiten zwischen dem Klansystem und der Danwei und dem Dorf und der Danwei, aber auch eine kurze Einführung in die konfuzianische Sozialethik, die sich als roter Faden durch die Entwicklungsgeschichte der chinesischen Gesellschaftsstruktur zieht und eine eben so große Bedeutung für die Danwei hat, wie das Dorf und der Klan.
Im Anschluss daran folgt ein Blick in die Zukunft der Danweis. Dieser Blick basiert auf hypothetischen und theoretischen Aussagen verschiedener Autoren. Natürlich gibt es für ihre Aussagen auch Indizien und Argumente, aber wir alle wissen, dass sich die Zukunft niemals einhundertprozentig genau vorhersagen lässt. Somit können wir nur Vermutungen anstellen. In diesem Unterkapitel geht es nicht um die genaue Darstellung einer möglichen Zukunft der Danwei, sondern eher um die Beantwortung der Frage, ob die Danweis als soziales und gesellschaftliches Gebilde überhaupt eine Zukunftsperspektive hat und welche Faktoren dafür bzw. dagegen sprechen.
Den Schluss dieses Kapitels bildet ein zusammenfassendes Resümee.
2.1 Die Danwei heute – eine kurzer Einblick
Der Begriff ‚Danwei’ ist der zentrale Begriff innerhalb dieser Arbeit, deshalb soll zu Beginn dieses Kapitels an dieser Stelle ein kurzer Einblick in das Wesen der Danwei gegeben werden. Dies soll zum einen das bieten, was die Überschrift bereits aussagt, nämlich einen Einblick, zum anderen stellt dieser Einblick das Bindeglied zwischen den Ursprüngen der Danwei und dem Blick in die Zukunft dar. Außerdem sollen auf diese Weise die wichtigsten Informationen des ersten Kapitels noch einmal zusammengefasst werden.
In der chinesischen Gesellschaft ist seit Urzeiten nicht das Individuum die Grundeinheit der Gesellschaft, sondern die Gemeinschaft. Die Struktur der chinesischen Gesellschaft ist ein Ganzes, bestehend aus unzähligen Zellen, die sich als Staatsinstitution vertikal ausbilden und zur Spitze hin zentralisieren (vgl. Link, Jian 1988: 40). Diese Zellen werden allgemein als Danwei bezeichnet. Dieses Gesellschaftsphänomen und seine Entstehungsgeschichte soll hier näher untersucht, erklärt und gedeutet werden.
2.1.1 Die Danwei – eine Begriffserklärung
Der Begriff ‚Danwei’ wird als ‘Einheit’ oder ‘Arbeitseinheit’ übersetzt. Sie ist ein die Familie übergreifendes Segment (vgl. ebd.: 32), doch was ist, was tut diese ‚Einheit’?
Diese Einheit stellt im gegenwärtigen China eine Größe dar, die dem Sozialgefüge der Familie im Alltagsgeschehen an Bedeutsamkeit in nichts nachsteht (vgl. Link/ Jian 1988: 39f.) Kurz gesagt sind die chinesischen Danwei die politischen, wirtschaftlichen und administrativen Bausteine der chinesischen Gesellschaft (vgl. Kahn-Ackermann, 1981: 86). Die Zahl der Danweis ist groß. Ein Student gehört der Universitäts-Danwei an, ein Arbeiter einer Fabrik-Danwei usw. Die Aufgaben dieser Danweis liegen zunächst in der Organisation und Durchführung von Produktionen, geht aber weit darüber hinaus. Die Danwei ist eine Lebensform (vgl. ebd.: 86f.). Die Danwei kann auf eigenen Wunsch gewechselt werden, oder einen andere kann zugeteilt werden, aber ein Chinese kann nie außerhalb seiner Danwei leben, sie ist Teil der Identität (vgl. ebd.: 87). Der Chinese ist nur Mensch innerhalb einer Danwei.
Danweis werden in verschiedener Weise systematisiert. Vier verschiedene Systematisierungen sind dabei gängig: a) die Unterscheidung der Danwei nach ihrer Funktion: Verwaltungs-Danwei, Produktions-Danwei und Basis-Danwei; b) die Gliederung nach der Verwaltungsebene: Regierungs-Danwei, Betriebs-Danwei, und öffentliche Danwei; c) die Einteilung nach dem Eigentum: Staatliche Danwei und kollektive Danwei; d) die Unterteilung danach, ob eine Danwei Arbeitskräfte beschäftigt oder nicht (vgl. Hebel 1997: 11).
Die Danwei ist eine sehr junge Erfindung innerhalb der chinesischen Gesellschaft. Sie entstand in den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts. Sie ist also gerade erst einmal gute 50 Jahre alt. Dass sie aber keine vollkommen neue Erfindung ist wird sich im Laufe dieser Arbeit zeigen.
2.1.2 Die Aufgaben und Funktionen der Danwei
Die Danwei ist mehr als nur eine Lebensgemeinschaft, in der die Mitglieder leben und arbeiten, die Danwei übernimmt auch eine Vielzahl von Aufgaben und Funktionen. Dazu gehören soziale und materielle Fürsorge, aber auch die Kontrolle über Recht und Unrecht. Wie diese Aufgaben im Einzelnen aussehen, soll nun noch einmal kurz dargestellt werden, um die Gemeinsamkeiten zwischen Danwei, Dorf und Klan anschließend besser verdeutlichen zu können.
2.1.2.1 Soziale und materielle Fürsorge
Die Danwei übernimmt eine Vielzahl sozialer Funktionen. Sie sorgt sich um die Betreuung der Alten und Kinder, ist verantwortlich für die politische Erziehung und fachliche Qualifikation ihrer Mitglieder (vgl. Kahn-Ackermann1981: 88). Aber die Danwei hat auch Mitspracherecht in allen wichtigen Lebenssituationen: Sie nimmt Einfluss auf das persönliche und berufliche Leben ihrer Mitglieder; entscheidet über Zuteilung einer Wohnung; erlaubt oder verweigert ein Hochschulstudium (vgl. ebd.: 88f.).
Zusätzlich zu den sozialen Funktionen übernimmt und organisiert die Danwei auch den gesamten Bereich der materiellen Fürsorge. Dazu gehören die Krankenversicherung und die Altervorsorge, aber auch die Unterhaltung von Kliniken, Clubs oder Kinos (vgl. ebd.: 89). Außerdem gewährt sie Kredite, baut Wohnungen, und verteilt Bezugsscheine für rationierte Güter (vgl. ebd.: 89).
Zusammengefasst verschafft die Danwei ihren Mitgliedern einen Raum materieller Sicherheit und Ruhe, der sie von unzähligen Widrigkeiten und Unsicherheiten entlastet, und einen Raum emotionaler Geborgenheit, Vertrautheit und sozialer Orientierung.
Die Führung der Danweis obliegt dabei einzig und allein dem zuständigen Parteikomitee. Diese Führung drückt sich dadurch aus, dass die Parteikomitees es sind, die zu Kritikversammlungen aufrufen, Inhalte vorgeben, Kampagnen starten uvm. (vgl. Romich 1984: 38).
Am Rande sei hier angemerkt, dass der Staat nicht nur durch die Danwei-Organisationen in den Städten Sozialleistungen erteilt. Trotz der riesigen Bevölkerungszahl versucht der Stadt sich um alle Menschen zu kümmern, dazu gehören auch die, die in ländlichen Gebieten in Danweis oder danweiähnlichen Organisationen leben. Die Gegenleistung dafür ist immer Loyalität gegenüber der Partei.
2.1.2.2 Demokratie, Strafen und Sanktionen
Kahn-Ackermann führ in seinem Werk „China – Drinnen vor der Tür - Erfahrungen mit dem chinesischen Alltag“ an, dass sich das System der Danwei als humaner und vor allem wirklichkeitsnäher als etwa unser menschenfeindlicher und bürokratischer Justizapparat erweist, solange es gelingt, Konflikte innerhalb der geschlossenen Öffentlichkeit so zu lösen, dass das Resultat für alle Beteiligten akzeptabel oder wenigstens erträglich ist (vgl. Kahn-Ackermann 1981: 95). Aber wie funktioniert diese Methode der chinesischen Konfliktbewältigung? Und geht sie immer so glimpflich aus, dass alle Beteiligten mit dem Resultat einigermaßen zu Recht kommen?
In der Danwei herrscht das Grundgesetz, die Krankheit zu behandeln und den Patienten zu retten, was durch den wechselseitigen Prozess von Kritik und Selbstkritik erreicht werden soll. Dabei soll der Beschuldigte Reue zeigen und die Danwei soll bereit sein, ihn wieder in die Einheit zu integrieren (vgl. Romich: 1984: 383). Gewöhnliche Fälle von moralischem oder politischem Fehlverhalten, oder auch kleinere Delikte werden in der Regel danweiintern geregelt. Aber auch bei Gerichtsprozessen wird die Danwei hinzugezogen und in vielen Fällen wird die Verhandlung sogar in die Danwei des Straftäters verlegt (vgl. Kahn-Ackermann 1981: 95).
Laut Kahn-Ackermann wird die Danwei wohl auch in Zukunft die wichtigste Instanz zur Lösung alltäglicher sozialer Konflikte bleiben. Das Repertoire der Eingriffsmöglichkeiten der Danwei ist vielseitig. Es reicht vom guten Zureden bis zur Kritikversammlung unter Hinzuziehung des Nachbarn oder Arbeitskollegen (vgl. ebd.: 96).
2.1.3. Freiwilligkeit vs. Zwang: Die Vor- und Nachteile der Danwei-Organisation im heutigen China
Die oben angeführten Faktoren führen nicht nur dazu, dass die Mitglieder einer Danwei sich nicht nur zu Hause und geborgen fühlen, sondern auch höchst eingeengt und in der persönlichen Entfaltung und Entwicklung eingeschränkt (vgl. Weggel 1994: 53), denn sie sind, wie Weggel es in seinem Buch „China“ formuliert „in erster Linie nicht Individuen, sondern Mitglieder kleiner überschaubarer Gemeinschaften“(ebd.: 52). Sie können ihr Leben zwar frei gestalten, aber immer unter Anleitung der Partei, die die Basisdemokratie und Selbstverwaltung der Danwei lenkt (vgl. Romich 1984: 387).
Kahn-Ackermann formuliert diese Diskrepanz zwischen Freiwilligkeit und Zwang noch drastischer:
Die menschlichen Seiten des Systems der „Einheit“ sind nicht zu trennen von seinen brutalen. Sie
sind Ausdrucke der gleichen Logik. Kontrolle und Disziplin, die notwendig sind, um ein so großes
und disparates Land umzuwälzen, schlagen ständig um in Schikane und Zwang, Fürsorge in
Terror. Die Grenzen des Systems „Einheit“ liegen nicht nur dort, wo „Kritik und Selbstkritik“ zu
persönlichen oder politischen Zwecken mißbraucht wird, sondern vor allem dort, wo der
gesellschaftliche Auftrag der „Einheit“ und persönliche Interessen ihrer Mitglieder in einen
unauflösbaren Konflikt geraten. Die Folgen können katastrophal sein, sie können seelisches
Zerbrechen oder Selbstmord bedeuten. (ebd.: 97f.)
Wie genau dieses Verhältnis von Freiwilligkeit und Zwang genau zustande kommt, welche Mittel der Staat einsetzt, damit sich die Danwei-Mitglieder konform verhalten, und damit sind nicht nur Sanktionen, sondern auch Belohnungen gemeint, werden unter dem Punkt 4. Danwei und Systemtheorie noch ausführlicher dargestellt.
Weiterführende Details zum Wesen der Danweis sollen an dieser Stelle nicht präsentiert und dargestellt werden, da das Hauptaugenmerk dieses Teils der Arbeit, wie bereits schon gesagt, auf die Ursprünge der Danwei und ihre Zukunft gelegt werden soll.
2.2 Die Ursprünge der Danwei
Fortan soll nun der Frage nach dem Ursprung der Danwei nachgegangen werden. Wie haben sie sich entwickelt? Gibt es Vorläufer? Dabei werden besonders das Dorf und der Klan genauer untersucht und herausgestellt, wo hier Gemeinsamkeiten gegeben sind bzw. ob sich ursprüngliche Traditionen aus dem Dorf oder dem Klan in der Danwei wieder erkennen lassen und ob und wie sich diese Traditionen weiterentwickelt und verändert haben.
Eine Auseinandersetzung mit dem neuen China, also der Danwei, steht immer in engem Bezug zum alten China. Eine Untersuchung des historischen Hintergrundes ist für die Untersuchung des Danwei-Phänomens unumgänglich, das stellt auch Hanlin 1991 schon fest (vgl. Hanlin 1991: 210).
„Die Handlungsweise der Danwei und der neuen Herrschaft ist nicht in isolierter Form analysierbar,
sondern nur in einem historischen und kulturellen Zusammenhang. Erst dieser analytische
Rahmen garantiert ein „richtiges“, d.h. ein wertfreies und unverzerrtes Bild der gegenwärtigen
chinesischen Gesellschaft.“ (Hanlin1991: 210)
Die wissenschaftlichen Meinungen bezüglich des Ursprungs der Danwei gehen auseinander. Weggel beispielsweise lässt es offen, ob die Danwei ihren Ursprung im Klan, in der Dorf- und Marktgemeinschaft oder Dörferverbindungen hat (vgl. Weggel 1994: 61). Hohenberg erwähnt noch einen dritten Faktor, der bei der Suche nach dem Ursprung der Danwei beachtet werden muss: die konfuzianische Sozialethik. Die konfuzianische Sozialethik ist mehr als 2000 Jahre alt und prägt das Land noch heute. Nach Hohenberg lassen sich auf dem Hintergrund dieser Ethik das heutige Alltagsleben und das Sozialverhalten der Chinesen erst verstehen (vgl. Hohenberg 2004: 15).
Wie wir im späteren Verlauf noch sehen werden beeinflussen sich das Dorf, der Klan und die konfuzianische Sozialethik auch gegenseitig, was wiederum ein Faktum ist, das nicht unbeachtet bleiben darf. In China war eine Idealgleichung weit verbreitet, die die Verbindung zwischen Klan und Dorf verdeutlicht: 1 Dorf = 1 Clan = 1000 Dorfbewohner = 1 gemeinsamer Ahne (vgl. Weggel 1997: 67).
Grundsätzlich lässt sich aber festhalten, dass der Ursprung Allens in der Familie liegt, auch, wenn heutzutage die Gemeinschaft, in die man eingebunden ist, nicht mehr so sehr die Familie ist, sondern die Danwei. Die Danwei ist aber von der Struktur her auch nichts anderes als eine große Familie (vgl. ebd.: 80).
2.2.1 Konfuzianische Sozialethik
Bereits zur Zeit des Kaisertums lassen sich danweiähnliche Strukturen erkennen. Die kaiserliche Familie lebte in kleinen Häusern, die sich um einen Hof gruppierten und eine geschlossene Einheit bildeten. Der Kaiserpalast in Peking war so etwas eine Stadt in der Stadt. Innerhalb der Palastmauern gab es alles, was zum alltäglichen Leben nötig war: Zeremoniehallen, Wohngebäude, Gärten, Theaterbühnen, Ahnenschreine, Archive, Büros, Werkstätten, Küchen und vieles mehr (vgl. Hohenberg 2004: 16). Dies macht deutlich, dass bereits der Kaiser auf engstem Raum lebte mit allem, was lebensnotwendig machte. Der chinesische Kaiserpalast war bereits wie ein Dorf oder die heutige Danwei organisiert.
Diese engen Lebensgemeinschaften kommen nicht von ungefähr. Sie spielen eine zentrale Rolle in der konfuzianischen Ethik. Diese Sozialethik prägt China bis zum heutigen Tag. Die Unantastbarkeit der chinesischen Führung liegt in der konfuzianischen Lehre (vgl. Meder 2000: 45).
Konfuzius glaubte, dass für eine gesellschaftliche Ordnung die Ehrerbietung nach oben und die Verantwortung nach unten von hoher Bedeutung sind. (vgl. ebd.: 17). Während er allerdings die Abstufung noch nach sittlichen Maßstäben festlegen wollte, haben sich seine Nachfolger demgegenüber eher von Funktions-, Geschlechts- und Altershierarchien leiten lassen und das Beamtentum über das Volk, den Mann über die Frau und das Alter über die Jugend gestellt (vgl. Weggel 1997: 38).
Das Prinzip der Über- und Unterordnung herrscht auch innerhalb des Klansystems vor. Da es aber als solches in diesem Teil der Arbeit keine weitere Bedeutung hat, wird es im Kapitel über das Klansystem nicht weiter erläutert. An dieser Stelle möchte ich nur noch einmal darauf hinweisen, wie sich die konfuzianische Sozialethik wie ein roter faden durch die Entwicklung der chinesischen Gesellschaftsstruktur zieht und sich über Generationen hinweg gefestigt hat, was am Beispiel der Über- und Unterordnung, die sich auch in der Danwei wieder findet, deutlich zu erkennen ist.
Was Konfuzius die Chinesen gelehrt hat, war in erster Linie die Kunst, Emotionen im Zaum zu halten und die Natur nach einem Bauplan zu bearbeiten. Aber die zentralen und unter dem Aspekt der Danwei wichtigsten Punkte sind traditionsgerechtes Verhalten und „Gemeinschaftsförmigkeit“, wie Weggel es nennt (Weggel 1997: 13).
Nach dem Versuch, die traditionelle Welt des Konfuzianismus auszuschalten, was vor allem die Zeit der Kulturrevolution von 1966-1976 betrifft, hat die jetzige eher pragmatische, technokratische und flexiblere Führung der Volksrepublik[1] Konfuzius wieder zu Ehren gebracht (vgl. Gutheinz 1985: 145).
Die Lehre des Konfuzius ist in vorchristlichen Jahrhunderten bereits zur Staatsdoktrin erhoben worden und wirkt nun bereits seit mehr als 2000 Jahren. Hohenberg macht allerdings deutlich, dass seine Lehre in der heutigen Zeit in Verdrehung der ursprünglichen Intention gelebt wird, denn der Gehorsam nach oben wird betont, die Verantwortung nach unten jedoch vernachlässigt (vgl. ebd.: 17).
Dennoch ändert sich grundsätzlich an der Über- und Unterordnung auch innerhalb der Danwei nichts. Jeder hat seinen festen Platz innerhalb der Hierarchie. Der einzige Unterschied ist hier, dass es sich nicht mehr um die eigene Familie und Verwandtschaft handelt, sondern um eine Gruppe, die auf gemeinsamer Wirtschaft aufbaut (vgl. ebd.: 24). Weggel bezeichnet dies als eine „Hierarchisierungswut, die sich bis ins moderne China weitervererbt hat (Weggel 1997: 37).
Trotz dem doch sehr negativ belasteten Prinzip der Über- und Unterordnung hat die konfuzianische Sozialethik auch ihre guten Seiten. Ihrem hohen Alter und der altertümlichen Sprache in der sie zutage tritt zum Trotz, ist sie zeitlos geblieben und zeigt auch heute noch Wege auf, wie man regieren und handeln muss, um im Zeichen enger Räume, knapper Rohstoffe und wachsender Verteilungskonflikte am Ende trotzdem noch ein Maximum an Harmonie sichern kann (vgl. Weggel 1997: 15).
Die Lehren des Konfuzius haben eine enorme Bedeutung für China, auch heute noch. An keiner anderen Stelle tritt das spezifisch Chinesische so konzentriert in Erscheinung, wie in der Gesellschaftslehre des Konfuzius, so Weggel (vgl. ebd.: 14). Sie bildet die Konstante der chinesischen Staatsgeschichte (vgl. Meder 2000: 45).
Auch in Zukunft könnte sich Konfuzius Lehre als guter Ratgeber erweisen. Konfuzius, ein Kind der Not, erteilte Antwort auf die Frage, wie Verteilungskämpfe unblutig gelöst werden können und wie Formen dichten Zusammenlebens möglichst konfliktfrei gelöst werden können. Im Zeichen abnehmender Optionen und zunehmender Beengung könnte er sich auch in Zukunft als hilfreich erweisen (vgl. Weggel 1997: 129).
2.2.2 Das Klansystem
Das Wörterbuch beschreibt den Klan als Familie, Sippe, oder Verwandtschaftsverband (vgl. Grosswörtebuch 2003, NEUES GROSSES WÖRTERBUCH 2002), aber das chinesische Klansystem geht weit über unsere Vorstellung einer Familie hinaus.
Die der Familie übergeordnete Einheit konnte früher rein verwandtschaftlich definiert sein, als Klan. Der Klan war die Grundlage der sozio-psychologischen Struktur in weiten Bereichen Chinas (vgl. Bertelsmann 1973: 64) und er gilt als Grundzelle der traditionellen chinesischen Gesellschaft (vgl. Hanlin 1991: 44). Bereits an dieser Stelle wird die erste Parallele zur Danwei deutlich. Durch eine genaue Gegenüberstellung soll diese und weitere Parallelen aber noch deutlicher gemacht werden.
Der Klan ist Produktionseinheit, soziale Gemeinde, politisches Gefüge und Lebensgemeinschaft in einem. Dadurch, dass fast alle sozialen Funktionen in den Klan integriert sind, ist es ihm möglich, in selbständiger Weise zu existieren und zu überleben (vgl. ebd.: 44)
Kurz gefasst stellt die Familie in ihrer erweiterten Form als Klan einen Staat dar, in dem ein fester Kult vollzogen Erziehung vermittelt, Gesetze in Gestalt von ‚Familienermahnungen’ festgelegt, Rechtsfälle vom Familienoberhaupt entschieden, Strafen verhängt und nicht zuletzt auch Abgeben eingezogen werden konnten (vgl. Franke 1974: 339).
Die Wichtigkeit und Bedeutung des Klans wird von Franke folgendermaßen formuliert: „Er war ein Verband, der sich quer durch alle Klassen- und Standesschichten zog und eine große Zahl von Menschen in schwer abzuschüttelnder Verantwortlichkeit zusammenschloß“ (Franke 1974: 343).
[...]
[1] Im weiteren Verlauf als VR abgekürzt
- Citation du texte
- Katharina Hartenstein (Auteur), Sarah Blume (Auteur), 2006, Die chinesische Danwei, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88058
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