In meiner Zwischenprüfungsarbeit werde ich auf das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom bei Kindern eingehen. Dieses Thema ist für mich besonders interessant, da ich ein Praktikum in einer pädagogischen Tageseinrichtung in Wollershausen absolviert habe. Die Einrichtung versteht sich als eine familienunterstützende Institution zwischen ambulanter und stationärer Erziehungshilfe. Dort habe ich selbst erfahren, wie unterschiedlich die Krankheit von Kindern und Eltern angesehen wird und mich näher mit dem Thema beschäftigt.
Zuerst werde ich näher auf die Diagnosekriterien der Hyperaktivitätsstörung eingehen sowie die Entstehung der Krankheit beschreiben. Des Weiteren gehe ich auf die Kernsymptome sowie zusätzlich auftretende Störungen ein. Zudem stelle ich Interventionskonzepte vor, zu denen medizinische und psychologische Ansätze gehören.
In Kapitel 5.4 gebe ich einen kurzen Einblick in die Arbeit der Tagesgruppe in Wollershausen und schließe ein Fazit im sechsten Kapitel.
Inhaltsverzeichnis
1. Diagnosekriterien für eine Aufmerksamkeitsdefizit / Hyperaktivitätsstörung
2. Wie entsteht das Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätssyndrom?
3. Die Kernsymptome
3.1 Unaufmerksamkeit
3.2 Hyperaktivität
3.3 Impulsivität
4. Zusätzlich auftretende Störungen Entwicklungs-, Lern- und Teilleistungsstörungen
5. Interventionskonzepte
5.1 Medizinische Ansätze
5.2 Psychologische Ansätze
5.2.1 Das Selbstinstruktionstraining
5.2.2 Die Selbstmanagement- Methode
5.3 Elternzentrierter Ansatz
5.4 Pädagogische Ansätze der Tagesgruppe Wollershausen
6. Ausblick
7. Bibliographische Anlagen:
In meiner Zwischenprüfungsarbeit werde ich auf das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom bei Kindern eingehen. Dieses Thema ist für mich besonders interessant, da ich ein Praktikum in einer pädagogischen Tageseinrichtung in Wollershausen absolviert habe. Die Einrichtung versteht sich als eine familienunterstützende Institution zwischen ambulanter und stationärer Erziehungshilfe. Dort habe ich selbst erfahren, wie unterschiedlich die Krankheit von Kindern und Eltern angesehen wird und mich näher mit dem Thema beschäftigt.
Zuerst werde ich näher auf die Diagnosekriterien der Hyperaktivitätsstörung eingehen sowie die Entstehung der Krankheit beschreiben. Des Weiteren gehe ich auf die Kernsymptome sowie zusätzlich auftretende Störungen ein. Zudem stelle ich Interventionskonzepte vor, zu denen medizinische und psychologische Ansätze gehören.
In Kapitel 5.4 gebe ich einen kurzen Einblick in die Arbeit der Tagesgruppe in Wollershausen und schließe ein Fazit im sechsten Kapitel.
1. Diagnosekriterien für eine Aufmerksamkeitsdefizit / Hyperaktivitätsstörung
„Hyperaktivität“, „Hyperkinetisches Syndrom“ und „Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom“ sind wohl die geläufigsten Bezeichnungen. Die aktuell im deutschen Sprachraum verwendete Bezeichnung für das Krankheitsbild lautet ADHS, was Aufmerksamkeitsdefizit/ Hyperaktivitätsstörung heißt und aus dem amerikanischen „Attention Deficit Hyperactivity Disorder“ übersetzt wurde. Die Bezeichnung soll deutlich machen, dass es sich primär um eine Aufmerksamkeitsstörung handelt und die Hyperaktivität je nach Ausprägung hinzukommen kann oder auch nicht. In meiner Arbeit verwende ich zumeist häufiger die Abkürzung ADHS verwenden.
Alle Kinder haben Phasen, in denen sie laut, zappelig, unkonzentriert oder vergesslich sind. Wenn wir ein extrem lebhaftes vierjähriges Kind, das ständig zwischen Aufgaben wechselt und vor bestimmten Spielaktivitäten ausweicht mit einem zweijährigen Kind vergleichen, bei dem das gleiche Verhalten auftritt, so werden wir die Merkmale bei dem jüngeren Kind als weniger ungewöhnlich empfinden. Bei manchen Kindern scheint es sich aber um einen Dauerzustand zu handeln. Was Eltern und Bezugspersonen beklagen, ist oft nicht so sehr ein Mehr an Aktivität als vielmehr Aktivität am falschen Platz: in Situationen, in denen sie nicht erwartet wird. Sie träumen vor sich hin, vergessen wichtige Dinge, sind nicht zu motivieren und wissen nichts mit sich und ihrem Spielzeug anzufangen. Ständig fallen sie durch ihr unangepasstes Verhalten auf, das sich anscheinend jeder Erziehungsmaßnahme entzieht. Ein Großteil der Kinder fällt schon im Säuglingsalter durch Eß- und Schlafprobleme auf. Im Kindergarten- und Vorschulalter steht die motorische Hyperaktivität als hauptsächliche Symptomatik im Vordergrund, die Probleme wie mangelnde soziale Integrierbarkeit sowie eine erhöhte Unfallgefahr mit sich bringt.
Die Störungen der Aufmerksamkeit, der Aktivität und der Impulskontrolle müssen über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten in einem Ausmaß vorhanden sein, das zu einer Fehlanpassung führt und dazu dem Entwicklungsstand des Kindes nicht angemessen ist. Zudem sollte die beeinträchtigte Aufmerksamkeit und die gleichfalls geforderte Überaktivität situationsübergreifend, oder zumindest in mehr als einem situativen Rahmen - zu Hause, in der Schule etc.- auftreten, um die Diagnose zu rechtfertigen.
Um demnach eine Aufmerksamkeitsstörung zu diagnostizieren, müssen Eltern und Lehrer bestätigen, dass eine bestimmte Anzahl von speziellen Verhaltensauffälligkeiten bei dem Kind:
- seit mindestens sechs Monaten beobachtet werden kann,
- nicht mit dem Entwicklungsstand zu vereinbaren ist und
- als unangemessen anzusehen ist
Ab dem Alter von drei Jahren ist eine Abgrenzung des ADHS von Normvarianten des Verhaltens kleiner Kinder prinzipiell möglich, wenn auch im Einzelfall schwierig. Die Kinder werden bezüglich ihres Temperamentes oftmals als unausgeglichen und wenig adaptiv beschrieben. Sie fallen durch Ess- und Schlafprobleme auf und zeigen ein allgemein erhöhtes, instabiles Aktivitätsniveau auf.
Im Kindergarten- und Vorschulalter treten die motorische Hyperaktivität als hervorstechende Symptomatik sowie eine mangelnde soziale Integrierbarkeit auf. Teilweise zeichnet sich auch oppositionelles Verhalten den Eltern gegenüber ab. Mit der Einschulung verlagert sich die Problematik vor allem auf den Lern- und Leistungsbereich.
Aufmerksamkeitsstörungen äußern sich vor allem darin, dass Aufgaben hektisch, nachlässig, fehlerhaft und unzureichend bewältigt werden. Das beobachtbare Verhalten ist dabei oft nur wenig planvoll und undurchdacht. Es wird vorschnell gehandelt und nicht auf die Reihenfolge geachtet. Die Kinder neigen eher dazu, „verkürzte“ Problemlösungen zu suchen. Typischerweise treten die Symptome stärker in solchen Situationen auf, in denen von den Kindern eine längere Aufmerksamkeitsspanne vorausgesetzt wird. Im Unterricht können sie beispielsweise nicht abwarten, bis sie vom Lehrer aufgefordert werden und rufen stattdessen dazwischen.
Daneben finden sich immer wieder Situationen, in denen die Aufmerksamkeit nur wenig oder gar nicht beeinträchtigt ist. Dieses ist wenn z.B. der Fall, wenn die Kinder auf neue und anregende Inhalte treffen oder wenn es mit einem Erwachsenen alleine ist und das Verhalten des Kindes dadurch sehr direkt gelenkt wird.
Ihre Probleme treten stärker bei fremdbestimmten, z. B. im Unterricht, als bei selbstbestimmten Tätigkeiten wie z. B. beim Spielen auf. Unter unstrukturierten Bedingungen haben sie eher Schwierigkeiten als bei genauer Anweisung.
Sie reagieren bevorzugt auf hervorstechende Merkmale innerhalb einer Aufgabe und vernachlässigen die einfachen, jedoch lösungsrelevanten Bestandteile daran.
Aufmerksamkeitsgestörte Kinder bevorzugen eher kurzfristig zu erreichende Belohnungen. Sie sind nur sehr eingeschränkt in der Lage, ihre Bedürfnisbefriedigung zugunsten attraktiverer, jedoch späterer Belohnungen zurückzustellen. Ihnen fällt es somit schwerer, sich an verzögert verfügbaren und weniger offensichtlichen Belohnungen zu orientieren.
Der Grund dafür liegt in der mangelnden Sensitivität für verhaltenssteuernde Hinweisreize. Dadurch benötigen die Kinder direktere und häufigere Rückmeldungen, um ihr Verhalten angemessen steuern zu können (Lauth / Schlottke 2002:23).
Die Prognose für ein Kind mit ADHS hängt demnach zum Einen vom Schweregrad der Symptomatik ab und zum Anderen von Beeinträchtigungen wie Aggressivität, Teilleistungsstörungen oder Verhaltensstörungen ab (von Mering, 1997:15).
Die Diagnose des ADHS lässt sich vor allem durch die Lebensgeschichte, also der Anamnese des betroffenen Kindes stellen. Ergänzend dazu haben sich Fragebögen in unterschiedlichem Ausmaß bewährt. Neben einer gründlichen körperlichen und neurologischen Untersuchung kommen dann verschiedene neuropsychologische Testuntersuchungen zur Durchführung. Studien haben gezeigt, dass die Diagnose einer Aufmerksamkeitsdefizitstörung im Kindesalter einen Risikofaktor für die Entwicklung einer antisozialen Persönlichkeitsstörung im Erwachsenenalter darstellt. Diese gilt speziell dann, wenn die Störung nicht in der Pubertät sozusagen „verschwindet“, also nicht behandelt wird. Eine unerkannte und unbehandelte Aufmerksamkeitsdefizit / Hyperaktivitätsstörung bedeutet demnach für die betroffenen Kinder sowohl kurzfristig als auch langfristig eine große Gefahr für eine gesunde Entwicklung.
Die genetischen Anteile spiegeln sich in der Verteilung der Betroffenen auf Jungen und Mädchen wider, wobei Jungen den größten Anteil der Betroffenen ausmachen. Sie sind ungefähr drei- bis fünfmal häufiger betroffen als Mädchen. Insgesamt trifft das Krankheitsbild bei etwa drei bis vier Prozent aller Kinder auf, Jugendliche sind etwa zu zwei Prozent betroffen.
Ein weiterer Unterschied zwischen Jungen und Mädchen, bei denen ADHS diagnostiziert wurde, ist, dass Mädchen weniger zu aggressivem Verhalten neigen und seltener durch aversives Auftreten auffallen (Barkley 1998:120). Die motorische Unruhe legt sich zwar in der Pubertät etwas, jedoch bedeutet dies nicht das Ende der Krankheit.
Die Aufmerksamkeitsstörung und die Impulsivität bestehen fort. Zudem sind Depressionen, leichte Beeinflussbarkeit, risikoreiches Verhalten (besonders im Straßenverkehr) sowie eine gestörte Selbstorganisation nur Beispiele für Symptome, die auch im Erwachsenenalter noch erkennbar sein können.
Aufmerksamkeitsgestörte Kinder können noch als Jugendliche beziehungsweise junge Erwachsene ausgeprägte Probleme aufweisen. Dazu zählen unter anderem Ruhelosigkeit, abrupte Lebensentscheidungen, konfliktreiche Sozialbeziehungen sowie eine unstete Lebensführung (Lauth / Schlottke 2002:32).
Mit dem Alter von 18 Jahren können noch immer etwa ein Drittel der im Kindes- bzw. Jugendalter betroffenen Personen am ADH- Syndrom leiden. Obwohl viele der ehemals als aufmerksamkeitsgestört/ hyperaktiv diagnostizierten jungen Erwachsenen ihr berufliches Auskommen finden, ist ihr erreichtes schulisches Niveau sowie ihr sozioökonomischer Status niedriger als das, was ihre „gesunden“ Geschwister oder andere junge Erwachsene erreicht haben (Steinhausen / von Aster1993:133).
2. Wie entsteht das Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätssyndrom?
Das Problem des hyperkinetischen Kindes gibt es nicht erst seit heute. Der Zappelphilipp aus dem 1845 erstmals erschienen „Struwwelpeter“ sowie die Figur des Hans- Guck- in- die- Luft des Frankfurter Kinderarztes Heinrich Hoffmann mögen hierbei als Beleg gelten.
Es gibt verschiedene Ansätze, um die Entstehung des ADHS zu erklären. Zum Einen gibt es den neurobiologischen Faktor. Hierbei wird nicht der Defekt in einem Verhaltens- oder Kognitiven Defizit gesehen, sondern die Störungen in der Beziehung zwischen Umweltereignissen wie Regeln und Konsequenzen sowie dem Verhalten vermutet.
Zum Anderen spielen psychosoziale Faktoren eine Rolle. Die Kinder haben Defizite in der Beziehung zwischen kindlichem Verhalten und steuernden Umweltreizen (Konrad 2000:28). Das bedeutet, dass ihr regelgesteuertes Verhalten weniger ausgeprägt ist als bei anderen „gesunden“ Kindern. Somit ergeben sich negative Konsequenzen für die sozialen Interaktionen der Kinder, beispielsweise im Elternhaus oder in der Schule.
Auffallend ist, dass die Kinder bei bestimmten Tätigkeiten keinerlei Schwierigkeiten haben, aufmerksam zu bleiben und konzentriert zu arbeiten. Manche Kinder, die an der Aufmerksamkeitsdefizit/ Hyperaktivitätsstörung leiden, sind chronisch unfähig, dem Schulunterricht dauerhaft Aufmerksamkeit zu widmen, sind jedoch andererseits in der Lage, stundenlang Sport zu treiben oder sich mit Videospielen zu beschäftigen.
Das Verhalten ist bei 30- 60 % der Kinder herausfordernd und trotzig sowie auch oppositionell, was besonders bei Jungen zu beobachten ist (Barkley 1998:98). Ihre Mütter wenden häufiger Kommandos, Kritik, Bestrafung und Supervision bei der Erziehung an als Mütter von Kindern, die nicht an dem Syndrom leiden. Daher ist es auch kein Wunder, dass sie überfordert mit ihrer Rolle als Erzieherin sind und ihr Leben somit als stressvoll bezeichnen.
Da die Eltern häufig überfordert sind, entstehen wiederum Probleme bei der Erziehung. Die Kinder setzen sich über familiäre Regeln hinweg, stehen häufig in Rivalität zu ihren Geschwistern und übergehen Verbote. Zudem kann es zu Schwierigkeiten kommen, wenn der gewohnte Tagesablauf unterbrochen wird und sich die ADHS- Kinder spontan auf eine neue Situation einstellen müssen.
Die Schulzeit stellt für die meisten Kinder mit ADHS die größte Herausforderung dar. Besonders bei Schulkindern ist zu beobachten, dass sie von einem Moment auf den nächsten ihren Platz verlassen, in der Klasse umherwandern und durch ständiges Reden und eine übermäßig laute Stimme auffallen. Im Grundschulalter dürften etwa ein bis drei Prozent einer Altersstufe am ADHS leiden (Steinhausen/von Aster1993:132).
Für eine erfolgreiche Schullaufbahn ist es jedoch essentiell, dass die Kinder in der Lage sind, still zu sitzen, aufzupassen, zuzuhören, zu gehorchen und zu kooperieren. Zudem sollten sie nicht durch impulsives Verhalten auffallen. Sie müssen Anweisungen Folge leisten, mit anderen Kindern gut auskommen und auch in der Lage sein, zu teilen. Viele Kinder treffen daher in ihrem sozialen Umfeld insbesondere in der Schule oder im Kindergarten auf Ablehnung. Ihre Gegenüber können mit dem unkontrollierbaren Verhalten des Kindes nicht umgehen und meiden es daher. Dieses aversive Verhalten kann bei den aufmerksamkeitsgestörten Kindern in der weiteren Entwicklung sogar zu Depressionen führen. Es ist daher kaum verwunderlich, dass sich oft hinter einem großtuerischen Gestus („Das ist babyleicht“) ein schlechtes Selbstbild verbirgt („Ich kann nichts“) - eine Entmutigung, die sich darin zeigt, dass sich das Kind aufgrund der anhaltenden Misserfolge im Kognitiven wie im Sozialen auf etwas kaum mehr einlässt.
[...]
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- Sandra Hein (Autor), 2008, Die Aufmerksamkeitsdefizit/ Hyperaktivitätsstörung bei Kindern, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88039