Zwei bedeutende Faust-Verfilmungen sollen in dieser Arbeit miteinander verglichen werden, die von Peter Gorski aus dem Jahre 1960, die die Gründgens-Inszenierung von Goethes „Faust“ am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg aus dem Jahr 1960 praktisch „ohne Hinzufügungen und Veränderungen wiedergibt“ , und die von Dieter Dorn, der seine Verfilmung von 1988 eng an seine eigene Inszenierung der Goethe-Vorlage in den Münchner Kammerspielen anlehnte. Dies soll allerdings nicht im Hinblick auf die filmischen Elemente geschehen, wie es beispielsweise Michael Staiger in seinem Aufsatz „Faust verfilmt“ unternimmt, sondern hinsichtlich der Inszenierung, die in beiden Fällen der Verfilmung zugrunde liegt. Ich werde also nicht auf die filmspezifischen Aspekte, wie Kameraführung und Ähnliches eingehen, sondern mich auf das beschränken, was die Inszenierung ausmacht.
Von einem Vergleich mit der Tragödie von Johann Wolfgang von Goethe soll hier, abgesehen von der Untersuchung der Textauswahl der beiden Inszenierungen, weitestgehend abgesehen werden. Dies geschieht im Hinblick auf die Tatsache, dass, wie Michael Staiger bemerkt, „[e]ine Literaturverfilmung (…) nicht als Übersetzung zu verstehen [ist], sondern als Ausdruck einer Interpretation, einer subjektiven Lesart des schriftlich fixierten Textes“ . Dasselbe gilt ja auch schon für die Inszenierung an sich. Es soll also nicht darum gehen, die Inszenierungen von Gründgens und Dorn auf ihre Textnähe hin zu untersuchen, sondern sie als eigenständige Interpretationen aufzufassen, die ihre Vorlage deuten und auslegen, und nicht etwa nur als bloße Wiedergabe, geschweige denn in einem 1:1-Verhältnis. Angesichts dieser Prämisse wird der Vergleich der beiden Inszenierungen zu einem Vergleich von zwei Interpretationen ein und desselben Stoffes.
Da für einen Vergleich der beiden Inszenierungen insgesamt hier der Raum fehlt, soll der Vergleich exemplarisch an einer Szene festgemacht werden, an der Hexenküchen-Szene, deren unterschiedliche Bearbeitung in den beiden Inszenierungen sehr augenfällig ist, und die aufgrund der klaren, leicht erkenntlichen Unterschiede und des zeitlichen Umfangs, den sie in den Inszenierungen einnimmt, meiner Ansicht nach für die Behandlung im Unterricht besonders geeignet ist.
Des Weiteren sollen, im zweiten Teil der Arbeit, Perspektiven für die Interpretation im Unterricht der Sekundarstufe eröffnet werden. Auch dies geschieht im Hinblick auf den Interpretationscharakter der Inszenierungen.
Inhalt
1. Inszenierung als Interpretation
2. Vergleich der „Faust“-Inszenierungen von Gustaf Gründgens und Dieter Dorn am Beispiel der Szene „Hexenküche“
2.1. Die szenische Darstellung
2.1.1. Kulisse
2.1.2. Die Hauptfiguren
2.1.2.1. Mephisto
2.1.2.2. Faust
2.1.2.3. Die Hexe
2.1.3. Musik
2.2. Textauswahl
3. Der Vergleich der beiden Inszenierungen im Unterricht der Sekundarstufe
4. Anhang
5. Filmographie und Bibliographie
1. Inszenierung als Interpretation
Zwei bedeutende Faust-Verfilmungen sollen in dieser Arbeit miteinander verglichen werden, die von Peter Gorski aus dem Jahre 1960, die die Gründgens-Inszenierung von Goethes „Faust“ am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg aus dem Jahr 1960 praktisch „ohne Hinzufügungen und Veränderungen wiedergibt“[1], und die von Dieter Dorn, der seine Verfilmung von 1988 eng an seine eigene Inszenierung der Goethe-Vorlage in den Münchner Kammerspielen anlehnte. Dies soll allerdings nicht im Hinblick auf die filmischen Elemente geschehen, wie es beispielsweise Michael Staiger in seinem Aufsatz „Faust verfilmt“[2] unternimmt, sondern hinsichtlich der Inszenierung, die in beiden Fällen der Verfilmung zugrunde liegt. Ich werde also nicht auf die filmspezifischen Aspekte, wie Kameraführung und Ähnliches eingehen, sondern mich auf das beschränken, was die Inszenierung ausmacht.
Von einem Vergleich mit der Tragödie von Johann Wolfgang von Goethe soll hier, abgesehen von der Untersuchung der Textauswahl der beiden Inszenierungen, weitestgehend abgesehen werden. Dies geschieht im Hinblick auf die Tatsache, dass, wie Michael Staiger bemerkt, „[e]ine Literaturverfilmung (…) nicht als Übersetzung zu verstehen [ist], sondern als Ausdruck einer Interpretation, einer subjektiven Lesart des schriftlich fixierten Textes“[3]. Dasselbe gilt ja auch schon für die Inszenierung an sich. Es soll also nicht darum gehen, die Inszenierungen von Gründgens und Dorn auf ihre Textnähe hin zu untersuchen, sondern sie als eigenständige Interpretationen aufzufassen, die ihre Vorlage deuten und auslegen, und nicht etwa nur als bloße Wiedergabe, geschweige denn in einem 1:1-Verhältnis. Angesichts dieser Prämisse wird der Vergleich der beiden Inszenierungen zu einem Vergleich von zwei Interpretationen ein und desselben Stoffes.
Da für einen Vergleich der beiden Inszenierungen insgesamt hier der Raum fehlt, soll der Vergleich exemplarisch an einer Szene festgemacht werden, an der Hexenküchen-Szene, deren unterschiedliche Bearbeitung in den beiden Inszenierungen sehr augenfällig ist, und die aufgrund der klaren, leicht erkenntlichen Unterschiede und des zeitlichen Umfangs, den sie in den Inszenierungen einnimmt, meiner Ansicht nach für die Behandlung im Unterricht besonders geeignet ist.
Des Weiteren sollen, im zweiten Teil der Arbeit, Perspektiven für die Interpretation im Unterricht der Sekundarstufe eröffnet werden. Auch dies geschieht im Hinblick auf den Interpretationscharakter der Inszenierungen.
2. Vergleich der „Faust“-Inszenierungen von Gustaf Gründgens und Dieter Dorn am Beispiel der Szene „Hexenküche“
An der Szene der Hexenküche sollen nun die Unterschiede der Inszenierung und damit auch der unterschiedlichen Interpretation der beiden Verfilmungen deutlich gemacht werden, zuerst im Hinblick auf die szenische Gestaltung, d.h. die sehr abweichende Kulisse, die Kostüme und das allgemeine Äußere der Figuren, wie auch ihre Gestik und Mimik, und die musikalische Untermalung der Szene, gewissermaßen das unmittelbar äußerlich Wahrnehmbare, das vom Publikum auch bewusst aufgenommen und gedeutet werden kann. Die szenische Gestaltung soll Assoziationen wecken und Eindrücke vermitteln, beispielsweise durch Musik, auffällige Attribute am Kostüm, wie beispielsweise bei Mephisto, und die vor allem in der Inszenierung von Dorn stark auffällige Farbgestaltung.
Daraufhin scheint es sinnvoll, die Textauswahl der Szene zu untersuchen, da sie genaueren Aufschluss über die Interpretationsansätze und Ideen der Dramaturgen geben kann. Denn gerade die Textauswahl kann für das Verständnis der Interpretation des jeweiligen Dramaturgen von Bedeutung sein, jedoch darf man annehmen, dass die wenigsten Zuschauer bewusst wahrnehmen, was ausgelassen wurde. Von einer akribischen Analyse soll jedoch zugunsten einiger zentraler Textstellen abgesehen werden.
2.1. Die szenische Darstellung
2.1.1. Kulisse
Sehr augenfällig sind die vollkommen abweichenden Kulissen bei Gründgens (Vgl. Abb. 1) und Dorn (Vgl. Abb. 2). Während Dorn das bedrohliche, düstere Ambiente der Hexenküche zeichnet, scheint Gründgens ihre verrückte Andersartigkeit hervorheben zu wollen, und stellt sie als einen bunten, schillernden und skurrilen Ort da, dem man entfernte Ähnlichkeit mit einem Kinderspielplatz zuschreiben könnte, allerdings „genügen spärliche Kulissenteile“[4] um diesem Raum seinen Charakter zu geben. Die in der gesamten Gründgens-Inszenierung als „spartanisch“[5] zu bezeichnende Dekoration besteht aus bunten Blumen, Netzen und Tüchern an den Einrichtungsgegenständen der Hexenküche, unter anderem findet sich eine Papagenoschaukel, auf der Mephisto hin und her schwingt, während er auf Fausts Verjüngung wartet. Edda Kühlken sieht in den Requisiten, „Zierat, Plüsch und Spiegeln“, gar die Gegenstände „eines verkommenen Bordells“[6]. Diese Ansicht scheint jedoch übertrieben, die genannten Einrichtungsgegenstände unterstreichen wohl eher die Andersartigkeit und Seltsamkeit der Hexenküche. Der eigenartigste unter ihnen ist vielleicht der Zauberspiegel, der sich in der Mitte des Raumes befindet und mit zwei in bunten Strümpfen steckenden Frauenbeinen, die in die Höhe ragen, dekoriert ist (Vgl. Abb. 1 im Hintergrund). Die Kulisse wirkt insgesamt alles andere als bedrohlich, eher farbenfroh und kindlich verspielt.
Ganz im Gegensatz dazu gestaltet Dorn die Kulisse der Hexenküche als einen düsteren, unheimlichen Ort, den man sich viel eher als die Küche einer Hexe vorstellen kann. Wie fast durchgehend in der gesamten Inszenierung spielt die Szene in einem „Guckkasten“[7], „einem riesigen Schuhkarton gleich“[8], was den Eindruck räumlicher Enge hervorruft. In der hinteren Wand befindet sich ein kreisrundes Loch, in dem Faust das Spiegelbild der schönen Jungfrau sieht sieht. Die Wände sind giftgrün bis neongelb, zeichnen sich jedoch im Vergleich zu den anderen Szenen, in denen diese Farben vorherrschen, durch schmutzige Grautöne aus, die die grelle Farbe abdunkeln und eine düstere Atmosphäre geben (Vgl. Abb. 2). Das Zusammenwirken des in den Augen schmerzenden Neongrüns und des schmutzigen Schwefelfarbtons taucht das Geschehen in eine gleichermaßen gefährliche und verstörende, wie auch vergiftete Atmosphäre. Man gewinnt als Zuschauer eine Vorstellung von dicker, stinkender Luft, die wie ein Pesthauch die gesamte Hexenküche erfüllt. Außerdem starren die Mauern vor Schmutz und horrorfilmartigen Dekorationsstücken, die an halb verweste, aber immer noch lebendige Lebewesen erinnern. Auch in dem brodelnden und Dämpfe verbreitenden Kessel befindet sich eine lebendige, deformierte kleine Kreatur, wie in der ersten Einstellung der Hexenküchenszene in der Nahaufnahme sichtbar ist. Es wird deutlich, dass die hier hausende Hexe schwarze Magie betreibt. An der Wand kann man bei genauerem Hinsehen seltsame Schriftzeichen und Zahlen ausmachen, an der linken Wand befinden sich Sitzplätze und vergilbte Zeitungen. Wenn Faust und Mephisto dort am Anfang der Szene die Hexe erwarten, soll eindeutig die Assoziation eines ärztlichen Wartezimmers hervorgerufen werden, was zweifellos auf einen komischen Effekt hinzielt. Bei der Zubereitung des Trankes scheint allerdings eine hygienischere Umgebung vonnöten, als allgemein in der Hexenküche gegeben ist. Bei der Einstellung auf die in einen Chemikerkittel gekleideten, mit sauberen Gläsern agierenden Hexe scheint die Kulisse eher wie ein Laboratorium, kommt aber sofort wieder in die dreckige, Ekel erregende Gesamtheit der Hexenküche zurück. Die gesamte Einrichtung beweist, dass diese Hexe tätig ist, die Formeln an der Wand und die Ergebnisse ihrer Versuche an den Wänden zeugen davon (Vgl. Abb.2). Im Gegensatz zu Fausts und Mephistos Skepsis besteht zumindest für den Zuschauer kein Zweifel daran, dass sie nicht nur Hokuspokus treibt wie die Hexe der Gründgens-Inszenierung, sondern dass sie gewissermaßen eine erfolgreich praktizierende Hexe ist.
So erweckt die Szene von Dieter Dorn viel stärker den Eindruck von schwarzer Magie und böser Zauberei, als die Darstellung von Gründgens, die sich zu weigern scheint, die Hexenküche als einen bedrohlichen Ort der Alchemie und Hexerei ernst zu nehmen. Dorn scheint es vielleicht wichtig zu sein, Fausts Übergang von der weißen Magie, die er ja auch schon vor seiner Begegnung mit Mephistopheles betrieben hat, zur schwarzen Magie hervorzuheben.[9]
2.1.2. Die Hauptfiguren
2.1.2.1. Mephisto
Die Gründgens-Inszenierung zeichnet sich durch einen sehr wenig menschlich gezeichneten Mephisto aus, der durch sein maskenartiges, vollkommen weiß geschminktes Gesicht, die tiefroten Lippen, die dazu in krassem Kontrast sehen, und die durch eine schwarze Kappe ersetzte Haartracht eindeutig als unmenschlich und übernatürlich gekennzeichnet ist. Durch die aufgemalten, unnatürlich schräg stehenden Augenbrauen gewinnt sein Gesicht einerseits einen boshaften, gefährlich wirkenden Ausdruck, andererseits aber auch die spöttischen, abschätzigen Züge, die auch seinen Worten zueigen sind. Das Kostüm des Teufels ist durchgehend schwarz und tiefrot, erfährt allerdings im Handlungsverlauf mehrere Wandlungen. So nimmt die Anzahl der roten Kleidungsstücke mit Fortschreiten der Handlung tendenziell zu. Dieses gestalterische Mittel scheint zur Verdeutlichung seiner Machtzunahme eingesetzt zu werden, so wird sein anfangs kurzer roter Mantel durch einen längeren ersetzt, die roten Puffärmel kommen hinzu. Des Weiteren scheint die Farbe rot auch zur Darstellung der Blendung durch den Teufel eingesetzt zu werden, beispielsweise in seiner Szene mit Marthe und Gretchen. Die rote Gerte als Attribut des Mephistopheles weckt die Assoziation von Gewalttätigkeit. (Vgl. Abb. 3)
[...]
[1] Seeßlen, Georg: Faust – Materialien zu einem Film von Peter Gorski, Duisburg: Atlas Film + av, 1992, S. 67
[2] Staiger, Michael: Faust verfilmt. Gründgens – Murnau – Clair in: Der Deutschunterricht 1/99, S. 120-127
[3] Staiger, S. 2 oder 3, Hervorhebungen durch den Autor
[4] Mahl, Bernd: Goethes Faust auf der Bühne, Stuttgart; Weimar: Metzler, 1998, S. 142
[5] Staiger, S. 123
[6] Kühlken Kühlken, Edda: Die Klassiker – Inszenierungen von Gustaf Gründgens, Meisenheim am Glan: Verlag Anton Hain, 1972 (= Bd. 15 Deutsche Studien, Hg. Flemming Willi und Wagner, Kurt), S. 134
[7] Neues Deutschland, 10. Juni 1991, eine Kritik zu Faust I von Goethe an den Münchner Kammerspielen, auf der Seite www.berliner-schauspielschule.de/faust2.htm
[8] Mahl, S. 188
[9] Vgl. Bach, Rudolf: Faust-Tagebuch. In: Leben mit Goethe. München, 1960, S. ????
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- Christine Reff (Author), 2005, Vergleich zweier Inszenierungen von Goethes "Faust" - Dieter Dorn und Gustaf Gründgens, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88017
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