Schon in der antiken Literatur finden sich zeitgenössische Schilderungen von spinnenden und webenden Frauen. Archäologisch gesehen wurden durch hunderte oder gar tausende Befunde Nachweise prähistorischer Weberei erbracht. Webstuhlreste, Spindeln oder andere Webutensilien sind seit dem Neolithikum von Nord- bis Südeuropa verbreitet. Vor allem in der Eisenzeit verfeinern sich die Techniken textilen Handwerkens. Aus dieser Zeit sind auch bildliche Darstellungen überliefert, die andeuten, dass es sich bei Spinnerei und Weberei um mehr als um bloßes Handwerk handelt. Es kann davon ausgegangen werden, dass diese „typische Frauenarbeit“ einen sehr hohen sozialen und sakralen Stellenwert hatte.
Im folgenden Text soll eine Auswahl historischer griechischer Quellen und archäologischer, vornehmlich eisenzeitlicher Quellen von Süd- bis Osteuropa vorgestellt werden, um sich dem Phänomen der Textilproduktion zu nähern und seine Bedeutung für die Rolle der Frau in der Ur-und Frühgeschichte zu erschließen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Kurze Begriffserklärung des Spinnens und Webens
3. Historische Quellen
4. Archäologische Quellen
4.1 Griechenland
4.2 Italien
4.3 Österreich
4.4 Slowenien
4.4.1 Exkurs: Mondhörner und Webgewichte als Steckkalender?
4.5 Ungarn
5. Fazit
6. Abbildungen
7. Literatur
1. Einleitung
Schon in der antiken Literatur finden sich zeitgenössische Schilderungen von spinnenden und webenden Frauen. Archäologisch gesehen wurden durch hunderte oder gar tausende Befunde Nachweise prähistorischer Weberei erbracht. Webstuhlreste, Spindeln oder andere Webutensilien sind seit dem Neolithikum von Nord- bis Südeuropa verbreitet. Vor allem in der Eisenzeit verfeinern sich die Techniken textilen Handwerkens. Aus dieser Zeit sind auch bildliche Darstellungen überliefert, die andeuten, dass es sich bei Spinnerei und Weberei um mehr als bloßes Handwerk handelt. Es kann davon ausgegangen werden, dass diese „typische Frauenarbeit“ einen sehr hohen sozialen und sakralen Stellenwert hatte.
Im folgenden Text soll eine Auswahl historischer griechischer Quellen und archäologischer, vornehmlich eisenzeitlicher Quellen von Süd- bis Osteuropa vorgestellt werden, um sich dem Phänomen der Textilproduktion zu nähern und seine Bedeutung für die Rolle der Frau in der Ur-und Frühgeschichte zu erschließen.
2. Kurze Begriffserklärung des Spinnens und Webens
Zum besseren Verständnis der im Folgenden vorgestellten historischen und archäologischen Quellen sollen nun in Kürze die Arbeitsvorgänge des Spinnens und Webens erläutert werden.
Spinnen ist die Herstellung von Garnen aus einzelnen Fasern. Sie werden gereinigt, gemischt und parallel gelegt. Der Faden wird durch Verziehen und Verdrehen gebildet und anschließend aufgespult. Das Spinnen von Hand erfolgt entweder mit bloßen Händen oder aber mit einer Handspindel1. Die Rohfaser wird dabei auf einem Rocken befestigt, um die Faser geordnet zu halten. Einzelne Fasern werden dann herausgezogen und durch die ständige Drehung der Spindel verzwirnt. Ein Spinnwirtel dient dabei der Spindel als Schwungmasse.
Die Weberei ist eine Technik zur Herstellung von Textilien. Es werden mindestens zwei Fadensysteme rechtwinklig verkreuzt, wobei die vorgespannten, mit Webgewichten beschwerten Kettfäden den Träger bilden, in den sukzessiv die Schussfäden von einer Webkante zur anderen eingezogen werden.2 Oftmals sind nur noch tönerne Spinnwirtel und Webgewichte als Zeugen der gesamten Arbeitsvorgänge erhalten, da Spindeln und Webstühle meist aus Holz gefertigt waren.
3. Historische Quellen
Um einen lebendigen Eindruck von dem Vorgang und der Bedeutung des Webens in frühgeschichtlichen Zeiten zu gewinnen, kann man sich schriftlicher Quellen bedienen. Die frühesten niedergeschriebenen Zeugnisse der Textilverarbeitung dürften von Homer stammen. Der berühmte griechische Dichter beschrieb schon im 8. Jahrhundert v. Chr. das Leben in der Antike. Diese Quellen lassen sich nur bedingt auf Gegebenheiten außerhalb der homerischen Welt übertragen, bieten jedoch einen guten Ausgangspunkt, um die mit dem Weben verbundenen Wertvorstellungen zu erfassen.
In der „Odyssee“3 erscheinen immer wieder Hinweise auf das Textilhandwerk in Verbindung mit Frauen. So zum Beispiel sagt Telemachos, der Sohn des Odysseus zu seiner Mutter Penelope:
„Aber gehe nun heim, besorge deine Geschäfte, Spindel und Webestuhl, und treib an beschiedener Arbeit Die Mägde zum Fleiß! Der Bogen gebühret den Männern, Und vor allen mir; denn mein ist die Herrschaft im Hause! “4
Er betont dabei die Trennung einer männlichen und einer weiblichen Sphäre, ein Nebeneinander der Umgangsbereiche. Umgangsbereiche, die im antiken Griechenland der Frau vorbehalten waren, sind neben den Textilien Getreide, Wasser, Feuer und das Hausinnere. Aufgabe der Männer war die Arbeit draußen, auf dem Feld oder aber eben die Jagd und der Krieg. Die Trennung in weibliche und männliche Wirkungssphären entstand weniger aufgrund von Über- und Unterordnungsverhältnissen, sondern durch unterschiedliche Sachkenntnisse und Fähigkeiten. Es herrschte geschlechtlich getrennte Arbeitsteilung, wobei die Arbeit der Frauen keinesfalls weniger Wert besaß, wie später noch näher erläutert wird.
In der Odyssee bekommt der Leser auch einen Einblick in das häusliche Leben der Frau. So z.B. erblickt Odysseus Aréte, die Königin der Phaiaken, beim Spinnen: „Sie sitzt am glänzenden Feuer des Herdes, Drehend die zierliche Spindel mit purpurfarbener Wolle, An die Säule gelehnt; und hinter ihr sitzen die Jungfraun.“5
An anderer Stelle wird beschrieben, wie Helena, Königin von Sparta, ihren Platz im Haus einnimmt:
„Wallte Helena her aus der hohen duftenden Kammer, Artemis gleich an Gestalt, der Göttin mit goldener Spindel. Dieser setzte sofort Adraste den zierlichen Sessel; Und Alkippe brachte den weichen wollichten Teppich. Phylo brachte den silbernen Korb [...]
Eine goldene Spindel im länglichgeründeten Korbe, Der, aus Silber gebildet, mit goldenem Rande geschmückt war. Diesen setzte vor sie die fleißige Dienerin Phylo, Angefüllt mit geknäueltem Garn, und über dem Garne Lag die goldene Spindel mit violettener Wolle. Helena saß auf dem Sessel; ein Schemel stützte die Füße.“6
Dies geschieht auf eine sehr zeremonielle Art. Dienerinnen eilen zu Hilfe, richten der Hausherrin Helena ihren Arbeitsplatz her und reichen ihr ihr Repräsentationsobjekt: die goldene Spindel. Sie wird zum Symbol von Kunstfertigkeit aber auch Macht. Helena spinnt in Gegenwart von Gästen, sie präsentiert, dass ihr die Textilproduktion des Oikos unterliegt, was ihren Wert und ihre Würde bezeugt. Sie ist in diesem Moment auf ihrem Sessel Mittelpunkt des Geschehens.
Die goldene Spindel ist auch Attribut der jugendlichen Göttin Artemis und somit Symbol für Weiblichkeit, was an anderer Stelle der Odyssee, bei der Beschreibung der Göttin Kirke, ebenfalls Ausdruck findet:
„Und sie standen am Hofe der schöngelocketen Göttin, Und vernahmen im Haus anmutige Melodieen.
Singend webete Kirke den großen unsterblichen Teppich, Fein und lieblich und glänzend, wie aller Göttinnen Arbeit.“7
Sie bietet dem Betrachter ein Bild der anmutigen Schönheit, ihr Gesang verspricht Odysseus und seinen Männern Frieden und Geborgenheit.
Alles in allem entsteht ein Bild der webenden Frau, das ihr Kunstfertigkeit, Wissen, Würde und Weiblichkeit zuschreibt. Die Textilienherstellung, erklärtes Gebiet der Frauen, genoss offensichtlich hohes Ansehen in Griechenland, was angesichts des Wertes der hergestellten Stoffe nicht weiter verwunderlich ist. Sobald die Textilproduktion den eigenen Bedarf überstieg, wurde sie gehortet, um als mobiles Familienvermögen zu dienen. Die Textilien wurden unter anderem als Opfergabe, Geschenk und Dienstleistungsentgeld verwendet. Auch, dass die Tätigkeit nicht nur von Mägden sondern auch von hochgestellten Frauen, gar Königinnen, ausgeführt wurde, lässt auf das mit ihr verbundene Prestige schließen.
Abschließend sei noch auf einen weiteren Aspekt verwiesen:
Penelope vertröstet ihre Freier während der Irrfahrt ihres Gatten, indem sie behauptet, sie müsse erst ein Totentuch für ihren Schwiegervater Laertes weben. Sie trennt allerdings jede Nacht wieder auf, was sie am Tage gewebt hat. Erst, als die Freier diese List durchschauen und Penelope das Tuch vollenden muss, kehrt Odysseus wieder. Zum Weben zieht sich Penelope, anders als Helena, ins Dachgeschoss, in ihre eigenen Räume zurück. Das Weben, das bei Helena der Repräsentation von Wohlstand und Status dient, ist ihr in diesem Zusammenhang eine sehr persönliche, aber auch ureigenst weibliche Handlung, die in einem abgesonderten Raum stattfindet. Ihre Weberei stellt im Epos offensichtlich eine Art grundlegende Rahmenhandlung dar, sie gibt den zeitlichen Rahmen der Handlung vor und markiert schließlich deren Ende.
4. Archäologische Quellen
4.1 Griechenland
Ein Befund, der eindrucksvoll die bei Homer geschilderten Webszenen illustriert, liegt auf dem in Makedonien „Toumba“ genannten Siedlungshügel bei Kastanas vor. Die Toumba weist insgesamt 28 Schichten auf, die von der frühen Bronze- bis Ende der Eisenzeit datieren, also in etwa 2500 bis 200 v. Chr. Der betreffende Befund liegt in Schicht 13 des 12. Jahrhunderts v. Chr., in der Übergangsphase von der späten Bronze- zur älteren Eisenzeit.
In dieser Schicht konnten anhand des archäologischen Quellenmaterials einige Veränderungen im Gegensatz zu vorangegangenen Siedlungsphasen konstatiert werden: Zum Hausbau wurde nun vorwiegend Flechtwerk anstatt Lehmziegel verwendet und die Keramikformen wurden vielfältiger. Von besonderem Interesse ist hier das Auftreten von Webutensilien, die zuvor an diesem Ort unbekannt waren.
Es wurden zwei Räume eines Hauses angeschnitten. In dem vom Ausgräber als „Hauptraum“8 titulierten Zimmer muß ein Webstuhl gestanden haben, worauf viele, auf eine Stelle konzentrierte Webgewichte hindeuten, die dort gefunden wurden.
Dieser Befund lässt an die oben geschilderte Szene denken, in der Helena das Megaron, den Hauptteil des Hauses, betritt und sich zum Spinnen niederlässt (s. Kap. 3).
4.2 Italien
Im italienischen Bereich, im ehemaligen Gebiet der Etrusker und angrenzenden Landschaften, sind etliche frühe archäologische Nachweise des Webens bekannt. Erwähnt seien hier zunächst nur zwei Nachweise von Webstühlen. Zum einen ein durchaus mit Kastanas vergleichbarer Fund eines Webstuhles in zentralen Räumlichkeiten: Die früheisenzeitliche Siedlung bei Luni sul Mignone, in der in einem monumentalen Gebäude auf der Akropolis neben Spinnutensilien auch Webgewichte gefunden wurden. Zum anderen die späthallstattzeitliche Höhensiedlung bei Santorso, in der eine zweigeteilte Kammer mit vertikalem Webstuhl nachgewiesen wurde. Hierzu später mehr (s. Kap. 4.5).
[...]
1 s. Abb. 1.
2 s. Abb. 2.
3 Homer 1990.
4 Ebd. 1, 356-359.
5 Ebd. 6, 305-309.
6 Ebd. 4, 121-136.
7 Ebd. 10, 222-225.
8 Hänsel 1989, 161.
- Citation du texte
- F. Büttner (Auteur), 2007, Gesponnenes Schicksal, gewebtes Leben - Textilproduktion in der Ur- und Frühgeschichte , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87726
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