Bei kaum einem Autor lassen sich so eindeutig autobiografische Züge in den Werken finden wie bei Hermann Hesse. Ob „Siddharta“, „Kurgast“ oder „Klingsors letzter Sommer“ – Hesses Selbstdarstellung in seinen Werken ist deutlich erkennbar. Herausstechend werden die Ähnlichkeiten zu Hesses eigenem Leben jedoch im „Steppenwolf“, in welchem eine Zeit aufgegriffen wird, in der Hermann Hesse einen neuen Weg suchte, nachdem er einmal in der Hingabe in der Kunst und ein anderes Mal in der Hingabe im Leben an Grenzen gestoßen oder gescheitert war.
„Mein Beruf, meine Reisen und Studien, meine Ehe, alles das hatte seine Werte und seine Freuden, und war doch alles schon beschattet und nur halb wirklich, erfüllte mich nicht ganz, ließ viel Leere, schmeckte oft fad und verlogen.“ (Vorwort zum Steppenwolf, in: Hermann Hesse – Sämtliche Werke (Bd. 4), Volker Michels (Hrsg.), Frankfurt am Main 2001, S. 208)
Begierig nach dem Tod dürstete Hermann Hesse nach dem Leben. So antithetisch wie sein Innerstes waren auch sein Leben und sein Werk „Steppenwolf“.
Im Folgenden werde ich einige Daten, Fakten oder Ideen herausgreifen und erörtern, welche die biografischen Parallelen zwischen Hermann Hesse und Harry Haller, der Hauptfigur des „Steppenwolf“ und dem Steppenwolf selbst, deutlich machen. Nicht nur die sich natürlich nicht zufällig gleichenden Initialen der beiden regen an, diesen Vergleich vorzunehmen, sondern auch die zahlreichen und offensichtlichen Bezüge der beiden Steppenwölfe untereinander. Nachfolgend gestalte ich also den Versuch, Hermann Hesse im „Steppenwolf“ eindeutig in der Person des Harry Haller zu finden. Für dieses Vorhaben ist es nötig, eine oberflächige Interpretation des „Steppenwolf“ zu geben, die ich im Verlauf der Arbeit immer wieder einfließen lasse.
Gliederung
1 Einleitung / Kurze Einordnung Hermann Hesses Leben zur Zeit der Entstehung des „Steppenwolf“
2 Vergleich der physischen und psychischen Gegebenheiten des Hermann Hesse und Harry Haller
3 Biografische Überschneidungen im Leben Hermann Hesses und Harry Hallers
3.1 Kindheit
3.2 Alter
3.3 Liebesbeziehungen
3.4 Kunst
3.4.1 Musik
3.4.2 Literatur
3.4.3 Malerei
3.5 Alltag
3.5.1 Beruf
3.5.1.1 Finanzielle Lage
3.5.1.2 Schriftstellerischer Werdegang
3.5.2 Tagesablauf
3.6 „Entgleisungen“
3.6.1 Alkohol
3.6.2 Drogen
3.6.3 Maskenbälle
4 Hermann Hesse und Harry Haller – Selbstmörder?
5 Schlussbetrachtungen
6 Literatur
Anmerkung:
Alle im Text genannten und in Klammern gesetzten Seitenzahlen beziehen sich auf folgende Suhrkamp Taschenbuchausgabe des „Steppenwolf“:
Der Steppenwolf, Hermann Hesse, Frankfurt/M. 1977
1 Einleitung / Kurze Einordnung Hermann Hesses Leben zur Zeit der Entstehung des „Steppenwolf“
Bei kaum einem Autor lassen sich so eindeutig autobiografische Züge in den Werken finden wie bei Hermann Hesse. Ob „Siddharta“, „Kurgast“ oder „Klingsors letzter Sommer“ – Hesses Selbstdarstellung in seinen Werken ist deutlich erkennbar. Herausstechend werden die Ähnlichkeiten zu Hesses eigenem Leben jedoch im „Steppenwolf“, in welchem eine Zeit aufgegriffen wird, in der Hermann Hesse einen neuen Weg suchte, nachdem er einmal in der Hingabe in der Kunst und ein anderes Mal in der Hingabe im Leben an Grenzen gestoßen oder gescheitert war.
Hesse suchte nahezu rastlos nach einer neuen Heimat und fand eine solche schließlich in Montagnola, wo er für die Zeit von 1919 – 1931 eine Vierzimmerwohnung in der „Casa Camuzzi“ mietete.[1]
Für Hesse bedeutete die erste Zeit in seiner neuen Heimat eine Art Rückzug vom bisherigen Leben. Die Öffentlichkeit suchte er nur noch, wenn es seine finanzielle Lage forderte und er verschiedene Lesungen abhielt. Erst im Jahre 1923 begann er, sich wieder weiter in die Welt hinauszuwagen, was sich in den räumlichen, aber auch in den zeitlichen Entfernungen von Montagnola verdeutlicht, die in seiner Biografie fortan zu bemerken sind.
Doch das Gefühl, ein nicht passendes Glied in der Gesellschaft zu sein, verstärkt sich mit jedem Schritt Hesses. Die Scheidung von seiner ersten Frau Maria Bernoulli1923 bestätigt ihn in diesem Punkt einmal mehr. Trotz seiner eigens erörterten „Ungeeignetheit zur Ehe“[2] lässt er sich dazu hinreisen, die Bekanntschaft mit Ruth Wenger, welche seit den Anfängen in Montagnola existiert hatte, in einer Ehe zu festigen, die selbst nie wirklich vollzogen wurde. Die zwanzig Jahre jüngere Ruth Wenger konnte den schwierigen, sich selbst suchenden Hermann Hesse nicht (be)greifen und wurde, wohl nicht unbegründet, mehrere Jahre physisch und psychisch betreut, bevor sie am 02. 05. 1927 in Basel von Hermann Hesse wieder geschieden wurde. Selbst dieses Gericht bezeichnete Hesse als einen „Sonderling, Neurotiker, Schlaflosen und Psychopathen“[3] und bestätigte Hesse so in seinem Selbstbild. Hinzu kam der schwindende Anklang Hesses Werk in der Öffentlichkeit, der nicht zuletzt durch die erstarkende nationale Bewegung in Deutschland begünstigt wurde.
Doch nicht nur jene schimpften ihn einen verdrehten Träumer. Auch in wissenschaftlichen Kreisen wurde er für seine Wahnvorstellungen eines untergehenden Europas und eines Selbstfindens in Indien verlacht. Hesse reagierte auf die Denunziationen aus Deutschland, indem er resignierend die schweizerische Staatsbürgerschaft beantragte, um diese schließlich am 26. November 1924 bestätigt zu bekommen.[4]
Der Bruch mit Deutschland war endgültig und kompromisslos und gipfelte schließlich im Austritt aus der Preußischen Akademie der Künste, nachdem er im Jahr zuvor eine letzte Lesung in Deutschland hielt.[5]
Begierig nach dem Tod dürstete Hermann Hesse nach dem Leben. So antithetisch wie sein Innerstes waren auch sein Leben und sein Werk „Steppenwolf“.
„Mein Beruf, meine Reisen und Studien, meine Ehe, alles das hatte seine Werte und seine Freuden, und war doch alles schon beschattet und nur halb wirklich, erfüllte mich nicht ganz, ließ viel Leere, schmeckte oft fad und verlogen.“[6]
Im Folgenden werde ich einige Daten, Fakten oder Ideen herausgreifen und erörtern, welche die biografischen Parallelen zwischen Hermann Hesse und Harry Haller, der Hauptfigur des „Steppenwolf“ und dem Steppenwolf selbst, deutlich machen.
Nicht nur die sich natürlich nicht zufällig gleichenden Initialen der beiden regen dazu an, diesen Vergleich vorzunehmen, sondern auch die zahlreichen und offensichtlichen Bezüge der beiden Steppenwölfe untereinander. Nachfolgend gestalte ich also den Versuch, Hermann Hesse im „Steppenwolf“ eindeutig in der Person des Harry Haller zu finden. Für dieses Vorhaben ist es nötig, eine oberflächige Interpretation des „Steppenwolf“ zu geben, die ich im Verlauf der Arbeit immer wieder einfließen lasse.
2 Vergleich der physischen und psychischen Gegebenheiten des Hermann Hesse und Harry Haller
Zunächst möchte ich mich der physischen und psychischen Begebenheiten Harry Hallers annehmen, denn bereits in den ersten Zeilen des „Steppenwolf“ ist eine Einschätzung des äußeren Erscheinungsbildes und Gesundheitszustandes sowie der Eigenarten des Protagonisten gegeben.
Der erste Teil des „Steppenwolf“ ist aus der Sicht des fingierten Herausgebers des Buches geschrieben, der sich als Neffe Harry Hallers Vermieterin vorstellt und seine Erzählung bei der ersten Begegnung mit Harry Haller beginnt.
Das Weltfremde im Erscheinungsbild der Hauptfigur überwiegt beim ersten Zusammentreffen zwischen Haller und dem Neffen der Vermieterin in einem solchen Maß, dass dieser Harry Haller trotz seiner Höflichkeit und Unkompliziertheit, welche sich beim Mieten der Wohnung zeigt, einen unangenehmen, irgendwie unpassenden Eindruck erhält. Nur durch kleine Gegebenheiten und vor allem das Gesicht lässt dieser sich davon überzeugen, dass Haller eine gute Wahl als Mieter der Wohnung seiner Tante wäre. Auffallend ist hier auch das Herausgreifen des Gesundheitszustandes, welcher wohl bereits bei der ersten Begegnung in den Fokus des Betrachters rückt.
Hesse vollzieht bereits an dieser Stelle eine Selbstbeschreibung seiner Person. Die „Fremdheit“ (S. 9), die er so oft und auch synonymisch verwendet, bleibt zentrale Eigenschaft des Harry Haller und war auch zentrale Eigenschaft Hesses Empfinden seiner selbst. Nicht nur hielt Hesse auch für Außenstehende fest, dass seine „seelische Spannung gegen die Umwelt […] so verzweifelt und leidvoll“[7] sei und er nach einem Weg suche, nicht mehr fortwährend der Außenseiter zu sein.
Fakt ist jedoch auch, dass Hesse ebenso wie Haller das Bürgerliche nicht abstößt und sich über jenes stellt, sondern dass er sich oft wehleidig seiner traurigen Unangepasstheit bewusst wird.
Auch der gesundheitliche Zustand Harry Hallers lässt auf Hesse selbst schließen. Der auffällig seltsame Gang Harry Hallers könnte auch der Hermann Hesses gewesen sein, welcher nachweislich an Gicht litt. Gicht ist eine Krankheit, deren äußerliche Folge unter anderem eine schmerzhafte Gelenkverformung ist, die sich so auch beim Gehen eines Gichtkranken bemerkbar macht. Dass das „Mühsame und Unentschlossene“ (S. 9) im Gang Harry Hallers krankheitsbedingt ist, wird später durch Textstellen, wie „Tage […] mit den Gichanfällen“ (S. 30), unterstrichen, ist aber nicht ausschließlich auf die Gicht zurückzuführen, sondern auch eine Widerspiegelung der Eigenart Hesses Gangs.
Doch nicht nur diese Krankheit Hesses wird im „Steppenwolf“ thematisiert, sondern auch die Migräne und das Magenleiden Hesses, sowie in einiger Undeutlichkeit auch das Augenleiden.
Hesse erschafft sich absichtlich ein Abbild seiner Person, welches er zusätzlich mit seinen eigenen Eigenschaften spickt. Die „außergewöhnliche Bildung“ (S. 12), die weit reichende und fortwährende Suche nach Weiterbildung (S. 10) und die „zarte und sensible“ (S. 12) Seele seien an dieser Stelle nur als Beispiele Hesses Selbstinszenierung genannt.
[...]
[1] Hermann Hesse – Dichter, Sucher, Bekenner, Joseph Mileck, München 1992, S. 141
[2] ebenda, S. 143
[3] Hermann Hesse – Eine Werkgeschichte, Siegfried Unseld, Frankfurt am Main 1973, S. 111
[4] Joseph Mileck, Hermann Hesse – Dichter, Sucher, Bekenner, München 1992, S. 147
[5] ebenda, S. 150
[6] Vorwort zum Steppenwolf, in: Hermann Hesse – Sämtliche Werke (Bd. 4), Volker Michels (Hrsg.), Frankfurt am Main 2001, S. 208
[7] Brief an Walter Schädelin vom 29. 01. 1924, erschienen in: Hermann Hesse – Gesammelte Briefe, Zweiter Band 1922 – 1935, Ursula und Volker Michels (Hrsg.), Frankfurt am Main 1979, S. 81
- Citation du texte
- Jessica Wildenauer (Auteur), 2007, Hermann Hesses "Steppenwolf" - Der Steppenwolf in Hermann Hesse, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87696
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