Die Geschichte des Zappelphilipp, die der Frankfurter Arzt 1845 veröffentlichte, ist heute wohl jedem bekannt. Dort wird ein Kind beschrieben, dass einfach nicht stillsitzen will und auch nicht auf die wiederholten Ermahnungen seiner Eltern hört, bis es von seinem Stuhl fällt und das gesamte Essen unter sich begräbt.
Heute wird das Verhalten von aufmerksamkeitsgestörten Kindern ähnlich beschrieben. In dieser Arbeit geht es um Kinder mit dem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom in Kombination mit Hyperaktivität. Da diese Störung immer häufiger in den Medien diskutiert wird und sie in der Praxis gehäuft auftritt, soll sie Gegenstand dieser Arbeit werden. Ist das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom mit Hyperaktivität eine Krankheit der Gesellschaft? Sind hyperaktive Kinder einfach nur schlecht erzogen oder haben sie wirklich eine Krankheit? Welche Möglichkeiten gibt es, vor allem in der Pädagogik, um diesem Verhalten entgegenzuwirken und es zu verändern? Um diese Fragen soll es hauptsächlich in dieser Arbeit gehen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Begriffsbestimmungen
2.1 Das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom ohne Hyperaktivität
2.2 Das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom mit Hyperaktivität
2.3. Diagnostik von ADHS
2.4. Verlauf von ADHS in der Kindheit
2.4.1. Säuglingsalter
2.4.2. Kleinkindalter
2.4.3. Schulalter
2.5. Kindheit
2.5.1. Sozialisation in der Kindheit
2.5.2. Sozialisation in der Familie
2.5.3. Sozialisation im Kindergarten
2.5.4. Sozialisation in der Schule
2.6. Abweichendes Verhalten nach Lamnek
2.7. Zusammenfassung
3. Ätiologie
3.1 Biologische Faktoren
3.2.Organische Faktoren
3.3.Ökologische Faktoren:
3.4 Psychosoziale Faktoren
3.4.1 Ökonomisch-kulturelle Bedingungen
3.4.2 Die Bedingungen des sozialen Umfeldes
3.4.3 Psycho-emotionale Bedingungen
3.5. Zusammenfassung
4.Einleitende Interventionen für pädagogisches Handeln
4.1. Anamnese
4.2. Beratung
4.2.1. Beratung der Bezugspersonen des Kindes
4.2.2. Beratung der Eltern
4.2.3. Beratung der Erzieher/Lehrer
4.2.4. Beratung des Kindes
4.3. Das Hilfeplanverfahren in der sozialpädagogischen Familienhilfe
4.4. Zusammenfassung
5. Sozialpädagogische Familienhilfe
5.1. Ansätze der Sozialpädagogischen Familienhilfe
5.2. Handlungs- und Arbeitsprinzipien der SPFH
5.3. Lebensweltorientierung als Handlungsfeld pädagogischer Arbeit
5.4. Zusammenfassung
6. Weiterführende Interventionen
6.1. Systemische Familientherapie
6.1.1. Das System/ der systemischer Ansatz
6.1.2. Merkmale systemischer Familientherapie
6.1.3. Techniken der Familientherapie
6.1.4. Zusammenfassung systemische Familientherapie
6.2. Der Funktionsteilige Klassenraum nach Hewett
6.2.1. Das Entwicklungsstufenmodell und das Lerndreieck
6.2.2. Die Lernumgebung
6.2.3. Zusammenfassung von Hewett
6.3. Verstärkerplan
6.3.1. Tokens
6.3.2. Vorgehensweise
6.3.3. Zusammenfassung des Verstärkerpls
7. Sonstige Interventionsmöglichkeiten
7.1. Kognitive Verhaltenstherapie
7.1.1. Kognitive Therapie nach Beck
7.1.2. Problemlösetraining
7.1.3. Selbstinstruktion
7.2. Medikamentöse Behandlung
7.3. Zusammenfassung
8. Fazit
9. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die Geschichte des Zappelphilipp, die der Frankfurter Arzt 1845, veröffentlichte ist heute wohl jedem bekannt. Dort wird ein Kind beschrieben, dass einfach nicht stillsitzen will und auch nicht auf die wiederholten Ermahnungen seiner Eltern hört, bis es von seinem Stuhl fällt und das gesamte Essen unter sich begräbt.
Heute wird das Verhalten von aufmerksamkeitsgestörten Kindern ähnlich beschrieben. In dieser Arbeit geht es um Kinder mit dem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom in Kombination mit Hyperaktivität. Da diese Störung immer häufiger in den Medien diskutiert wird und sie in der Praxis gehäuft auftritt, soll sie Gegenstand dieser Arbeit werden. Ist das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom mit Hyperaktivität eine Krankheit der Gesellschaft? Sind hyperaktive Kinder einfach nur schlecht erzogen oder haben sie wirklich eine Krankheit? Welche Möglichkeiten gibt es, vor allem in der Pädagogik, um diesem Verhalten entgegenzuwirken und es zu verändern? Um diese Fragen soll es hauptsächlich in dieser Arbeit gehen, die sich in drei Schwerpunkte gliedert. In dem ersten Schwerpunkt geht es um die allgemeinen Klärungen zum Thema des Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom mit Hyperaktivität, die belegen soll, dass die meisten Kinder wirklich an einer Krankheit leiden und nichts für ihr Verhalten können. Der zweite Schwerpunkt liegt auf den pädagogischen Handlungsmöglichkeiten bei Kindern mit dem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom mit Hyperaktivität und der dritte Schwerpunkt stellt Möglichkeiten der Intervention vor, die nicht ausschließlich pädagogisch sind.
Zu Beginn wird der Begriff des Aufmerksamkeitsdefizitsyndroms erläutert, da es in zwei verschiedenen Varianten auftreten kann, nämlich sowohl ohne, als auch mit Hyperaktivität und diese Begrifflichkeiten die Grundlage für diese Arbeit darstellen. Im weiteren Verlauf wird erklärt, wie die Diagnostik für die Aufmerksamkeitsstörung mit Hyperaktivität aussieht und wie die Störung in den verschiedenen Stationen des Kindesalters verläuft. Da das Kindesalter im Vordergrund dieser Arbeit steht, soll der Begriff Kindheit zunächst definiert werden. Des Weiteren soll die Sozialisation des Kindes und diese in den einzelnen Sozialisationsinstanzen erklärt werden, da die Erläuterung der Sozialisation erst deutlich macht, warum die Intervention in den einzelnen Instanzen ansetzt beziehungsweise notwendig macht. Des Weiteren wird die Theorie des abweichenden Verhaltens nach Lamnek erläutert, da diese den Bedarf des pädagogischen Handelns begründet. Anschließend folgt die Ätiologie. In diesem Kapitel soll dargestellt werden, an welchem Punkt die Ursachenforschung für das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom mit Hyperaktivität ansetzt. Deswegen werden die einzelnen Ursachenfelder, zu denen die biologischen, organischen ökologischen und psycho-sozialen Faktoren gehören genauer erläutert, um zu verdeutlichen, wie das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom mit Hyperaktivität entstehen kann.
Im zweiten Schwerpunkt dieser Arbeit geht es um die pädagogischen Interventionsmöglichkeiten, mit denen der Aufmerksamkeitsdefizit- Hyperaktivitätsstörung entgegengewirkt und es vermindert werden kann. Intervention bedeutet wörtlich übersetzt das Eingreifen oder Dazwischentreten in einer bestimmten Situation mit dem Ziel ein Problem zu lösen oder es in eine andere Richtung zu lenken.[1] Dies soll auch hier geschehen. Zu Beginn jeder Intervention ist es nötig eine Anamnese durchzuführen, um herauszufinden wo die Schwierigkeiten des Kindes mit dem Aufmerksamkeitsdefizit- Hyperaktivitätsstörung liegen und wie diese in Erscheinung treten. Ein weiterer wichtiger Punkt der Intervention ist es, eine Beratung durchzuführen, die dem Kind, den Eltern und den Erziehern oder Lehrern des Kindes verdeutlicht, was aufmerksamkeitsgestörtes Verhalten überhaupt bedeutet und was sie für Möglichkeiten haben dementsprechend zu intervenieren. Danach wird das Hilfeplanverfahren näher vorgestellt, da dies Grundlage für die weitere pädagogische Vorgehensweise ist. Im Anschluss daran wird die sozialpädagogische Familienhilfe, als Maßnahme der Hilfe zur Erziehung, bei dem die Bezugspersonen des Kindes dabei unterstützt werden sollen ihr Verhalten dem Kind gegenüber zu ändern und es so zu akzeptieren, wie es ist. Dabei wird auch die Lebensweltorientierung als Handlungsfeld der pädagogischen Arbeit miteinbezogen. Anschließend folgen zwei weiterführende pädagogische Interventionsmöglichkeiten. Zuerst die familienzentrierte Intervention, anhand der systemischen Familientherapie, bei denen hauptsächlich das Kind und die engsten Bezugspersonen mit einbezogen werden. Danach wird das Konzept des funktionsteiligen Klassenraums nach Hewett näher dargestellt, welches vor allem für den schulischen Sektor konzipiert wurde. Es wird erläutert, wie er funktioniert und mit welchen Mitteln er arbeitet. Da der Verstärkerplan ein Bestandteil dieses Konzeptes ist, wird er ebenfalls dargelegt. Im letzten Teil der Interventionsmöglichkeiten werden vier weitere Methoden dargestellt, die jedoch nicht ausschließlich pädagogisch sind. Dazu gehören die kognitive Verhaltenstherapie nach Beck, das Problemlösetraining, die Selbstinstruktion und die medikamentöse Behandlung. Auch wenn diese Interventionsmaßnahmen nicht ausschließlich pädagogisch sind, haben sie eine große Bedeutung bei der Intervention von Kindern mit dem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom mit Hyperaktivität. Besonders die medikamentöse Behandlung ist eine der bekanntesten Möglichkeiten das Verhalten des Kindes zu ändern. Da dieser Behandlungsform immer mehr Bedeutung in der heutigen Gesellschaft zukommt, muss sie auch in dieser Arbeit erwähnt werden.
2. Begriffsbestimmungen
In der Literatur wird neben dem Begriff Aufmerksamkeitsdefizitstörung auch häufig von dem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom gesprochen. Wobei hier eine strikte Abgrenzung zum Begriff Syndrom zur sonstigen Verwendung dieses Begriffes stattfinden muss, „[…] da der Ausdruck „Syndrom“ weniger spezifisch als Störung oder Krankheit gilt.“[2] In neueren wissenschaftlichen Abhandlungen wird deutlich, dass das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom eine Krankheit und keine Störung ist.[3]
Das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom hat verschiedene Ausprägungen. Die zwei Haupttypen hierbei sind Aufmerksamkeitsdefizitstörungen ohne Hyperaktivität (ADS) und Aufmerksamkeitsdefizitstörungen mit Hyperaktivität (ADHS).
Im Folgenden werden die beiden Ausprägungen näher erläutert wobei der Begriff ADS nur kurz aufgegriffen wird, da der Schwerpunkt der Arbeit auf der Thematik des Aufmerksamkeitsdefizitsyndroms mit Hyperaktivität liegt. Anschließend wird die Diagnostik von ADHS vorgestellt, damit eine eindeutige für ADHS gestellt und andere Krankheiten ausgeschlossen werden können. Des Weiteren geht es in diesem Kapitel um den Verlauf von ADHS, um deutlich zu machen inwiefern sich ADHS auf die einzelnen Lebensabschnitte des Kindes auswirkt. Im Anschluss daran wird die Sozialisation in der Kindheit, der Familie, dem Kindergarten und der Schule näher erläutert, da die Sozialisation die Entwicklung des Kindes darstellt und diese in den verschiedenen Sozialisationsinstanzen Familie, Schule und Kindergarten stattfindet und die pädagogische Intervention auch in diesen Instanzen eingreift, um eine Verhaltensänderung des Kindes herbeizuführen. Danach wird die Theorie des abweichenden Verhaltens nach Lamnek vorgestellt, da ein Kind mit ADHS sich abweichend verhält und die Interventionsmöglichkeiten an diesem Verhalten ansetzen und sich somit auch begründen.
2.1 Das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom ohne Hyperaktivität
Die Aufmerksamkeitsdefizitstörung ohne Hyperaktivität, auch Hypoaktivität genannt, ist gekennzeichnet durch Impulsivität, Unaufmerksamkeit, als auch oft durch eine Aktivitätsminderung. Mädchen sind häufiger von dieser Form betroffen, als Jungen.[4] Kinder mit ADS werden meist nicht als solche erkannt, da die Kinder im Unterricht häufig nicht so stark auffallen, wie hyperaktive Kinder, sie ein verlangsamtes Arbeitstempo haben und oft verträumt und in sich gekehrt wirken. Sie haben eine mangelnde, nicht altersgemäße Konzentrationsspanne und können somit Angefangenes nur selten zum Ende bringen. Des Weiteren sind Kinder mit Hypoaktivität fahrig und zerstreut, lassen oft Sachen liegen und vergessen schon kleinste Anweisungen. Ähnlich wie bei Kindern mit Hyperaktivität, werden auch Kinder mit Hypoaktivität häufig isoliert, denn sie neigen ebenfalls zu heftigen Stimmungsschwankungen und Wutanfällen, sind aufgrund der Konzentrationsstörungen in der Schule leistungsschwach und werden deshalb schnell als dumm und/oder faul abgestempelt.[5]
2.2 Das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom mit Hyperaktivität
Das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom hat viele verschiedene Bezeichnungen und Erklärungsansätze. In Deutschland werden am häufigsten die Begriffe minimale cerebrale Dysfunktion, kurz MCD, hyperkinetisches Syndrom, kurz HKS, und Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom, kurz ADS verwendet.[6]
Die Aufmerksamkeitsdefizitstörung mit Hyperaktivität, wird kurz ADHS genannt. ADHS ist als Krankheitsbild nicht neu, denn schon Dr. H. Hoffmann beschrieb Mitte des 19. Jahrhunderts die Geschichte des „Zappelphilipp“, dessen Verhalten starke Ähnlichkeiten zum ADHS aufweist. Heute ist ADHS eines der Krankheitsbilder im Kindes- und Jugendalter, von welchem am häufigsten berichtet wird. Experten gehen davon aus, dass ADHS im Schulalter mit einer Häufigkeit von etwa drei bis zehn Prozent auftritt, wobei die Variabilität der Häufigkeitsangaben von den verwendeten Diagnosekriterien, der Symptombewertung etc. abhängt. Jungen sind dabei drei- bis neunmal häufiger von ADHS betroffen als Mädchen.[7] Die verminderte Fähigkeit zur Selbststeuerung bei Kindern und Jugendlichen wird als ADHS beschrieben, wobei die Störungen hauptsächlich in drei Bereichen auftreten:[8]
1. Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen
2. ausgeprägte körperliche Unruhe und Bewegungsdrang (Hyperaktivität)
3. impulsives und unüberlegtes Handeln
2.3. Diagnostik von ADHS
Es gibt unterschiedliche Diagnosestandards, um das Krankheitsbild ADHS zu diagnostizieren. Dazu sind festgelegte Kriterien nötig, welche sowohl im ICD 10, einem weltweit angewandten internationalen Klassifikationsschema der Weltgesundheitsorganisation, als auch im DSM IV, dem diagnostischen und statistischen Manual psychischer Störungen der American Psychiatric Association, niedergelegt sind.[9] Diese beiden Klassifikationsschemata sind nicht identisch, stimmen aber in den Kernpunkten überein.
Im Folgenden sollen die einzelnen Symptomatiken in weitere Kriterien unterteilt werden, anhand derer versucht wird, eine signifikantere Unterteilung und Einteilung vorzunehmen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1[10]
Es ist wichtig, bei diesen Kriterien zu beachten, dass jeweils mehrere der oben beschriebenen Symptome (a) deutlich ausgeprägt sein müssen, (b) über einen Zeitraum von sechs Monaten bestehen, (c) in mehreren Lebensbereichen auftreten, (d) im Vorschulalter begonnen haben und (e) von der altersgemäßen Entwicklung abweichen. Jedoch können die hier genannten Verhaltensweisen abgeschwächt und in alters- und entwicklungsabhängiger Form bei allen Kindern auftreten und müssen nicht unbedingt auf ADHS hinweisen.[11] Viele Eltern beobachten bei ihren Kindern häufig eine ausdauernde und ausgeprägte Trotzphase mit häufigen Wutanfällen, ein plan- und rastloses Spielverhalten, sowie eine geringe Ausdauer im Einzel- und Gruppenspiel. Des Weiteren sind Kinder mit ADHS häufiger von motorischen Teilleistungsstörungen betroffen. Im Laufe der Zeit kann sich das Sozialverhalten der Kinder mit ADHS ebenfalls gestört entwickeln, so dass bei einem Teil der Kinder das Verhalten nicht vorhersehbar ist und sich in aggressivem Verhalten äußern kann. Zunehmende Isolation des betroffenen Kindes kann schlussendlich die Folge sein. Aber auch in der Schule kommt es aufgrund von steigenden Anforderungen zu Schwierigkeiten. Das Kind ist schnell abgelenkt, zeigt wenig Ausdauer und stört anhaltend den Unterricht. Wutanfälle des Kindes sind häufig die Reaktion auf Ermahnungen, oder es spielt den Klassenclown, um Zuwendung und Aufmerksamkeit zu erhalten. Da auch dieses Verhalten Ermahnungen und Bestrafungen nach sich zieht, ist die Grundstimmung des Kindes unglücklich und sein Selbstbewusstsein schwindet.[12]
2.4. Verlauf von ADHS in der Kindheit
Im Laufe der Jahre verändert sich die Symptomatik des Aufmerksamkeitsdefizitsyndroms mit Hyperaktivität. Diese ist bei jedem Kind unterschiedlich und nicht generell bei allen so zu finden, wie beschrieben. Die Symptome unterscheiden sich von Kind zu Kind und stehen in Wechselwirkung miteinander.
2.4.1. Säuglingsalter
Die Diagnose ADHS wird zumeist erst ab dem dritten Lebensjahr festgestellt, jedoch ist in der Anamnese von hyperaktiven Kindern erkennbar, dass sich erste Symptome bis ins Säuglinsalter erstrecken.
Die Babys mit ADHS schreien oft und viel und haben eine gesteigerte Aktivität. Sie leiden häufig unter Ess- und Schlafproblemen und werden als unausgeglichen beschrieben. Die Eltern-Kind-Beziehung wird häufig als schwierig beschrieben und ist durch eine gereizte Stimmungslage gekennzeichnet.[13]
2.4.2. Kleinkindalter
Bei Kleinkindern mit ADHS wird oftmals beobachtet, dass es zu Entwicklungsverzögerungen in der Motorik, der Sprache und den visuellen Wahrnehmungen kommt. Diese Kinder haben Probleme in der Feinmotorik und die motorische Unruhe nimmt zu. Sie haben nur eine geringe Spielintensität und -dauer und können sich nicht lange auf etwas konzentrieren. Kinder mit ADHS werden leicht wütend und beruhigen sich nur sehr schwer. Da diese Kinder oft jähzornig und streitsüchtig sind, schließen sie nur selten beständige Freundschaften. Diese Kinder haben ein gestörtes Verhältnis zu anderen Kindern und ihren Erziehern und kapseln sich häufig ab. Sie können nicht still sitzen und müssen ständig herum laufen. Des Weiteren werden Grenzen nicht eingehalten und das Verhalten Erwachsener gegenüber ist häufig trotzig und aggressiv.[14]
2.4.3. Schulalter
Besonders im Lern- und Leistungsbereich zeigt sich ADHS während der schulischen Laufbahn besonders deutlich. „Im Alter von sechs bis neun Jahren zeigt sich eine Stabilität der Störung zu 60 – 70 %.“[15]
Die Kinder sind geprägt von Unruhe, sind leicht ablenkbar und besitzen eine kurze Aufmerksamkeitsspanne. Sie stören häufig den Unterricht und sind sehr impulsiv. Diese Kinder können sich nicht lange auf etwas konzentrieren, vor allem wenn Aufgaben bewältigt werden müssen, die sie nicht freiwillig gewählt haben. Jedoch können sie sehr konzentriert an Dingen arbeiten, für die sie sich interessieren und dort auch gute Leistungen erzielen.[16] Durch ihr Verhaltensbild in der Schule sind Kinder mit ADHS oft Außenseiter und haben nur wenige Freunde. Dadurch sind die Sozialverhaltensprobleme umso gravierender ausgeprägt.[17] Mit Zunahme der Schulklassen verstärken sich die Probleme des Kindes, da es bei steigenden Leistungsanforderungen nicht mithalten kann und somit eine Zunahme der sozialen Probleme die Folge ist.[18]
2.5. Kindheit
Da es in dieser Arbeit um die Problematik ADHS in der Kindheit geht, muss dieser Begriff im Folgenden erst einmal genauer definiert werden.
Mehrere Sachverhalte werden in der deutschen Sprache als Kindheit bezeichnet. Zum einen bedeutet sie einen Abschnitt der menschlichen Entwicklung, dem eigentlichen Kindesalter, und zum anderen eine Phase des Lebenslaufes jedes Individuums, das dann von seiner persönlichen Kindheit spricht.[19] Da es verschiedene Auffassungen des Begriffes Kindheit gibt, wird im Alltagsverständnis, als auch im rechtlichen Bereich Kindheit in dem Alter von der Geburt bis zum vierzehnten Lebensjahr, also bis zum Beginn Pubertät beschrieben. Dabei wird die Einteilung Säugling, Kleinkind, Kindergartenkind und Schulkind vorgenommen. Biologische Modelle differenzieren nach dem Gesichtspunkt der körperlichen Entwicklung und kommen somit auch zu anderen Unterteilungen.[20] [21] So beginnt die Pubertät und endet die Kindheit heute früher, als noch vor einigen Jahren. Aufgrund dessen ist eine genaue Definition des Begriffes Kindheit nur schwer vorzunehmen, da sie von Individuum zu Individuum variiert und nicht an festen Altersstrukturen festgemacht werden kann. In dieser Arbeit bezieht sich der Begriff Kindheit auf den Zeitraum vom Säuglingsalter bis zum Beginn der Pubertät.
2.5.1. Sozialisation in der Kindheit
Da sich die Arbeit auf Kinder mit ADHS bezieht, sollen im folgenden Verlauf die verschiedenen Sozialisationsinstanzen dargestellt werden, die in dieser Lebensphase relevant sind.
Sozialisation bezeichnet den Prozess in dem Normen und Werte von dem Kind erlernt werden, dessen Gruppen, wie zum Beispiel Familie, peer-groups, Kindergarten, Schule etc. es angehört. Es lernt bestimmte Rollen, die mit Positionen verbunden und die notwendig sind, damit das jeweilige System funktioniert. Der Sozialisationsprozess dauert ein ganzes Leben, damit grundsätzliche Verhaltens- und Erfahrungsmuster der gesellschaftlichen Entwicklung aufrechterhalten werden kann.[22] Zusammengefasst bedeutet das, dass die Sozialisation die Entwicklung des Kindes zu einem eigenständigen Individuum darstellt. Das Kind durchläuft diese Entwicklung innerhalb, beziehungsweise mit Hilfe verschiedener Sozialisationsinstanzen. Die primäre Sozialisationsinstanz ist dabei die Familie und die sekundäre Sozialisationsinstanz sind der Kindergarten, die Vorschule, sowie die Schule.[23]
2.5.2. Sozialisation in der Familie
Wie bereits erwähnt, ist die Familie die primäre Sozialisationsinstanz, da die Familie den frühsten und meisten Einfluss auf die Entwicklung der Persönlichkeit des Kindes hat. Des Weiteren ist die Sozialisation in der Familie von besonderer Bedeutung, da die pädagogischen Interventionen, die im Verlauf dieser Arbeit vorgestellt werden, hauptsächlich in der Familie ansetzen. Außerdem entscheidet die Familie auch über die Schule, Schulform, oder den Kindergarten und somit zieht sich ihr Einfluss bis in die sekundäre Sozialisationsinstanz. Hurrelmann definiert den Begriff Familie als eine soziale Lebensform, die charakterisiert ist durch das dauerhafte Zusammenleben von einem Kind und mindestens einem Elternteil und in der die Beziehung geprägt ist durch Betreuung, persönliche Verbundenheit und Solidarität. Außerdem wird bei einem guten Kontakt zu den Eltern, beziehungsweise dem Elternteil, die Grundlage für den Aufbau eines gesunden Selbstwertgefühls gelegt und das Vertrauen in eigene Fähigkeiten wird stabilisiert.[24]
2.5.3. Sozialisation im Kindergarten
Aufgrund der ansteigenden Beteiligung von Frauen im Berufs- und Wirtschaftsbereich, längeren Ausbildungszeiten und ökonomische und kulturelle Entwicklung hat zu einer Wandlung der Familienstruktur geführt. So werden die Erziehungs- und Sozialisationsimpulse, die von außenstehenden Personen, wie Pädagogen und Erziehern an einem dafür geschaffenem Ort, ausgeführt werden immer größer. Damit gewinnt die sekundäre Sozialisationsinstanz, bei der Entwicklung der Persönlichkeit des Kindes, immer mehr an Bedeutung. Zur sekundären Sozialisationsinstanz gehören, neben der Schule, Kinderkrippen, -gärten, Horte, vorschulische Einrichtungen, Tagesmütter, sowie privat organisierte Bildungs- und Erziehungseinrichtungen. Ein Problem bei der Verbindung von Familie und Kindergarten ist der Zeitmangel, so dass sich Abstimmungen untereinander oft als schwierig gestalten. Das Defizit der Kleinkinderziehung entsteht durch den Mangel der gemeinschaftlichen zeitlichen und inhaltlichen Koordination der Impulse einzelner Sozialisationsinstanzen und –personen. Gut konzipierte pädagogische Kindergärten sind nicht nur eine notwendige und wertvolle Ergänzung der familiären Erziehung, sondern fördern auch die Kompetenzen für die schulische Bildung und unterstützen die Kinder bei der gesamten physischen und sozialen Erschließung. Im Bildungssystem hat der Kindergarten die Aufgabe, den Übergang in die Bildungsinstitution Schule vorzubereiten.[25] Da sich Kinder mit ADHS in dem Kindergarten oft ähnlich verhalten wie in der Schule, muss eine klare Kommunikation mit der Familie stattfinden. Zum Beispiel, welche Regeln gelten zu Hause und können auch auf den Kindergarten bezogen werden? Bei welchen Beschäftigungen kann das Kind konzentriert arbeiten? Außerdem sollte auch im Kindergarten eine feste Struktur herrschen, damit das Kind sich an feste Abläufe halten kann.
2.5.4. Sozialisation in der Schule
Der Schulbesuch ist rechtlich verpflichtend und kann dem Kind und den Eltern gegenüber mit Polizeigewalt durchgesetzt werden. Schule ist, nach dem Gesichtspunkt der Kinder und Eltern, die erste gesellschaftliche Institution, die den Übergang vom jungen Gesellschaftsmitglied in die Phase des verantwortlichen Erwachsenen symbolisiert. Vom ersten Tag an, werden die Wettbewerbs- und Leistungsanforderungen der Gesellschaft durch Beurteilung mit Zeugnissen und Zensuren, sowie Lob und Tadel, deutlich. Die Vorbereitung auf die Leistungsgesellschaft erfolgt durch die Grund- und weiterführende Schule. Die Vermittlung der wichtigsten Fertigkeiten und Kenntnisse für ein kompetentes Handeln in der Gesellschaft, ist die Aufgabe der Einrichtungen des Bildungs- und Erziehungssystems. Die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes soll systematisch durch die Leistungen des Bildungssystems geschult werden und fördert außerdem die Entwicklung der Fähigkeit zur Selbstorganisation.[26]
Die Erwähnung der sekundären Sozialisationsinstanz ist deshalb wichtig, weil im weiteren Verlauf dieser Arbeit Interventionsmöglichkeiten vorgestellt werden, die zum einen die Mitarbeit dieser Instanz erfordern und zum anderen in der Sozialisationsinstanz Schule stattfinden. Eine der Interventionsmöglichkeiten zeigt eine klare Struktur, wie der Schulalltag für ein Kind mit ADHS aussehen kann, damit es lernt mit seinen Schwierigkeiten umzugehen.
2.6. Abweichendes Verhalten nach Lamnek
Da Kinder mit ADHS sich nicht so verhalten (können), wie die Gesellschaft es von ihnen erwartet, wird dieses Verhalten als abweichend interpretiert. Aufgrund dessen soll an dieser Stelle das abweichende Verhalten nach Lamnek vorgestellt werden, welches den Bedarf der pädagogischen Intervention begründet. Dafür wird der Begriff Normen definiert, um dann zu erläutern, was abweichendes Verhalten bedeutet.
Normen regeln und leiten unser Verhalten und dienen als Orientierung für unser Leben. Sie sind die Ursache für abweichendes Verhalten und können mit Bewertungen gleichgesetzt werden. Es gäbe keine abweichenden Verhaltensweisen ohne positive oder negative Bewertungen von Verhalten ohne die Existenz von Normen. Normen beschreiben und umschreiben Werte und es werden in ihnen Verhaltensforderungen ausgedrückt. Der Geltungs- und Wirkungsgrad der Normen haben Einfluss auf das Verhalten eines Menschen. Der Geltungsgrad sagt etwas über die Akzeptanz einer Norm aus und der Wirkungsgrad beschreibt das Befolgen, beziehungsweise das Nichtbefolgen einer Norm. Der Toleranzbereich einer Norm entscheidet, wann Sanktionierungen erfolgen. Die Norm setzt ethische, moralische, politische und theoretische Überlegungen voraus.[27] Der Wirkungsgrad von Normen wird häufig nicht von Kindern mit ADHS befolgt, da sie den Geltungsgrad zwar verstehen, aber nicht befolgen können, beziehungsweise keinen Einfluss auf ihre Krankheit haben. Aufgrund dessen kann man Kinder mit ADHS auch als abweichend bezeichnen, da sie die Normen der Gesellschaft nicht befolgen. Sie können zum Beispiel nicht still sitzen und rufen in der Schule dazwischen, anstatt sich zu melden. Somit verstoßen sie gegen die Normen, die im Verhalten, besonders in der Schule, vorausgesetzt werden und verhalten sich damit abweichend.
Alle Verhaltensweisen, die nicht der „Norm“ entsprechen sind Formen von abweichendem Verhalten. Abweichendes Verhalten und Konformität sind gleichrangige Verhaltensweisen, die nur in verschiedenen Richtungen (andere Gesichtspunkte) verlaufen. Dabei ist das Verhalten abhängig von der Situation, der Motivation und der Verhaltenserwartung. Abweichendes Verhalten orientiert sich an Normen. Abweichendes Verhalten hängt von der Situation, der Position und der Kultur ab, denn ob ein Verhalten abweichend ist oder nicht, ist Ansichtssache und nicht eindeutig definierbar. Abweichendes Verhalten unterliegt den Normen der Gesellschaft. Unverschuldetes abweichendes Verhalten geschieht durch Unwissenheit oder andere Bewertung einer Norm, beziehungsweise im Fall von ADHS ein unfreiwilliges Nichtbefolgen.[28] Ein Beispiel hierfür wäre, wenn von einem Kind mit ADHS gefordert wird, dass es während des Unterrichts eine Stunde still sitzen soll, es dies aber nicht tut, weil es dazu nicht in Lage ist und aufgrund dessen die Norm nicht befolgen kann.
2.7. Zusammenfassung
Wie im Verlauf zu erkennen ist, treten häufig die gleichen Symptome auf. Die innere Unruhe des Kindes mit ADHS, sowie die mangelnde Konzentration, sind Faktoren die bei der Entwicklung eine große Rolle spielen. Kinder mit ADHS sind oft Außenseiter und ihr Verhältnis zu den Eltern ist, aufgrund der schwierigen Situation, häufig negativ belastet.[29] Die Kinder mit ADHS haben durch ihre Erfahrungen ein geringes Selbstwertgefühl. Sie fühlen sich nicht angenommen und ungeliebt, obwohl sie sich ihrer Meinung nach sehr bemühen. Aufgrund dessen entwickeln Kinder mit ADHS eine aggressive und trotzige Verweigerungshaltung, welche die negativen Rückmeldungen noch verstärkt.[30] Deswegen schließen sie sich Außenseitergruppen an, da sie hier die Anerkennung suchen, die ihnen in anderen Lebensbereichen verwehrt bleibt.[31] Aufgrund dessen ist eine frühzeitige Intervention von großer Bedeutung, damit die Kinder lernen mit ihrem Verhalten umzugehen und dieses besser zu kontrollieren. Auch spielt die Sozialisation des Kindes eine große Rolle. Vor allem die verschiedenen Sozialisationsinstanzen, die das Kind in seinen Lebensphasen durchläuft, haben einen großen Einfluss auf seine Entwicklung. Da ADHS ein abweichendes Verhalten darstellt, welches in den Sozialisationsinstanzen auftritt, die dem Kind häufig nicht bewusst sind, ist hier das Eingreifen durch pädagogische Interventionen von besonderer Bedeutung. Da Kinder mit ADHS sich abweichend verhalten und somit natürlich nicht den Normen und Wertvorstellungen der Gesellschaft entsprechen, benötigen sie Hilfe, um ihren Alltag zu bewältigen. Aus diesem Grunde, hat die pädagogische Arbeit besonders in den Sozialisationsinstanzen die Möglichkeit diese Kinder zu unterstützen.
3. Ätiologie
Die Ätiologie wird an dieser Stelle ausführlich erläutert, um herauszufinden, wo die Ursachen für ADHS liegen können. Erst wenn dies geklärt ist, kann geklärt werden, welche Interventionsmöglichkeiten für das Kind in Frage kommen.
Es wird vermutet, dass ADHS meistens einer Störung des Gehirns zu Grunde liegt und das Ergebnis einer angeborenen Veranlagung des Kindes ist. Umgang und Erziehung können zwar den Schweregrad der Störung beeinflussen, können sie aber nicht herbeiführen.
ADHS ist nie die Folge von nur einem oder mehreren Schadensereignissen. Sie manifestiert und bildet sich erst im Verlauf der Entwicklung, durch das Zusammentreffen verschiedener potentieller Verursachungs-, Auslöse- oder Verstärkungsbedingungen innerhalb der Dimensionen Organismus, Persönlichkeit und Umwelt heraus.[32]
Umwelt
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Organismus Persönlichkeit
Abb. 2.[33]
ADHS ist multifaktoriell, das heißt unterschiedliche Faktoren aus verschiedenen Bereichen wirken zusammen. Es lassen sich vier Faktorenbereiche unterscheiden.
Der erste Bereich ist der biologische Faktor, danach folgt der organische Faktor, anschließend der ökologische Faktor und abschließend der psycho-soziale Faktor.
3.1 Biologische Faktoren
Anhand von Zwillingsforschungen konnte bisher festgestellt werden, dass bei eineiigen Zwillingen, die identische Erbanlagen haben, häufiger beide Kinder von ADHS betroffen sind, als bei zweieiigen Zwillingen, die unterschiedliche Erbanlagen haben. Des Weiteren zeigte es sich, dass ADHS vermehrt im familiären Rahmen auftritt und teilweise ebenfalls die Eltern von ADHS betroffen sind.[34] Dies wird jedoch von Freiesleben und Schmole zurückgewiesen, denn ADHS ist ihrer Aussage nach lediglich eine anlagebedingte genetische Empfänglichkeit, so dass vielmehr „ein erhöhtes Risiko, das je nach Lebensumständen, Lebensführung und besonderen Umwelteinflüssen ausgelöst wird oder nicht. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist also auszuschließen, dass es ‚das Hyperaktivitätsgen’ gibt.“[35]
Als eine weitere Ursache bei den biologischen Faktoren sind die neurobiologischen Veränderungen, welche bisherigen Studien zufolge durch eine Störung im Dopaminhaushalt zustande kommt, zu nennen. Dabei kommt es zu einer Verminderung des Botenstoffes Dopamin im Gehirn. Botenstoffe sind erforderlich, um den Informationsaustausch zwischen den Nervenzellen zu regeln, da diese nicht miteinander verbunden sind und zwischen ihnen der so genannte synaptische Spalt liegt. Dopamin ist für die zielgerichtete Aufmerksamkeit, koordinierte Bewegung und emotionale Steuerung zuständig. Bei Kindern mit ADHS ist aus verschiedenen Gründen zu wenig vom Botenstoff Dopamin im Gehirn vorhanden. Dadurch können Reize ungefiltert auf das Kind einbrechen und nicht richtig verarbeitet werden. Die Folge daraus ist, dass es den Kindern schwer fällt ihre Aufmerksamkeit, ihre Gefühle und ihren Bewegungsdrang unter Kontrolle zu halten. Auf Grund dessen spricht man „von einer verminderten Fähigkeit zur Selbststeuerung.“[36]
3.2.Organische Faktoren
Die hier aufgeführten Hypothesen zur organischen Bedingtheit des Hyperkinetischen Syndroms, sind nicht so überprüft, dass sie als ausreichende Erklärung für die Entstehung von der Hyperaktivitätsstörung angesehen werden kann. Es gibt mehrere Verursachungsfaktoren, die zu Störungen der Gehirnfunktion führen können. Die wichtigsten hierbei wären der Neurotransmittermangel, die Hirn-verhaltensverschränkung, Hirndurchblutungsstörungen und die prä-, peri- oder postnatalen Komplikationen.[37]
Der Neurotransmittermangel bedeutet, dass bestimmte chemische Substanzen zur Steuerung kontinuierlicher Hirntätigkeiten fehlen. Dies stellt auch eine minimale cerebrale Dysfunktion dar, die verursacht wird durch pränatale Enwicklungsanomalien, oder durch die Unterschiede in der genetischen Substanz.
Das Fehlen von bestimmten Neurotransmitter bei hyperaktiven Kindern und die Wirkung dieser Stoffe auf das kindliche Verhalten sind jedoch nicht nachgewiesen.
Verhaltenseinschränkungen entstehen durch bestimmte Stoffwechselprozesse im Gehirn und führen zu einer Fehlerregung des Zentralnervensystems (ZNS). Es kommt dadurch entweder zu einer Übererregung, oder zu einer Untererregung im ZNS. Dies hat wiederum Auswirkungen auf das kindliche Verhalten. Die Fehlerregung im ZNS ist die Hauptursache des Störungsbildes von ADHS. Eine systematische Überprüfung dieser Hypothese wurde bisher noch nicht durchgeführt.
Hirndurchblutungsstörungen sind geringere Stoffwechselaktivitäten des Frontalhirns. Diese führen zu Störungen in der Großhirnrinde. Es bestehen zwar Zusammenhänge zwischen der Hirndurchblutung und ADHS, doch in welchem Ausmaß muss noch geklärt werden.
Die minimale cerebrale Dysfunktion hat prä-, peri- oder postnatale Komplikationen zur Ursache. Das bedeutet, dass die Ursachen vor (pränatal), während der Geburt und des Geburtsvorganges (perinatal) und nach der Geburt (postnatal) liegen. Somit wird die Hyperaktivitätsstörung auf eine rein organische Störung reduziert.
„Bisher wird die Verursachung überwiegend in einer leichten organischen Irritation des Gehirns gesehen, die während der Schwangerschaft und des ersten Lebensjahres abgelaufen ist.“[38]
Zwei Faktoren für die Aufmerksamkeitsdefizit– Hyperaktivitäts– Störung sind entscheidend. Zum einen „der Zeitpunkt der Schädigung […]“[39] und zum anderen „[…] die Wahrscheinlichkeit eines Sauerstoffmangels.“[40]
Hier muss jedoch noch einmal klar gesagt werden, dass dies Risikofaktoren sind, die zu dem hyperkinetischen Syndrom führen können jedoch nicht müssen. Jeder hier aufgeführte Faktor ist nie alleine Ursache von ADHS, sondern kann lediglich „[…] ein hyperaktives Verhalten in seiner Entstehung begünstigen.“[41]
3.3.Ökologische Faktoren:
Ökologische Faktoren sind Umwelteinflüsse, die Auslöser für das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom mit Hyperaktivität sein können. Sie ist jedoch unzureichend belegt und findet keine Anerkennung als feststehende, alleinige Ursache. Trotz allem, sollen diese Faktoren hier kurz erläutert werden.
Die Blei-Hypothese besagt, dass bei allen Kindern mit extremer motorischer Unruhe ein erhöhter Bleigehalt im Blut nachweisbar ist. Es entsteht eine Beeinträchtigung des Gehirnstoffwechsels durch eine Bleivergiftung, beziehungsweise durch einen extrem erhöhten Bleigehalt. In mehreren Untersuchungen wurde bisher nachgewiesen, dass Kinder sogar bei einer Bleibelastung unterhalb des Grenzwertes (40mg/100ml Blut) Konzentrationsstörungen aufweisen. Auch wenn man davon ausgeht, dass zwischen Hyperaktivität und Bleikonzentration im Blut ein Zusammenhang besteht, lässt sich keine gesicherte Kausalverbindung herstellen.[42]
Die Farbstoff-Hypothese geht davon aus, dass eine allergische Reaktion auf Lebensmittelfarbstoffe, die in Weizen, Kakao, Eiern, Milch Zucker und Südfrüchten vorkommen, und Nahrungsmittelzusätzen Grund für die Verhaltensauffälligkeit der Kinder ist.[43] Nur eine geringe Anzahl der Kinder mit ADHS war nach der Einhaltung der KP-Diät (Kaiser-Permanente-Diät) symptomfrei. Die KP-Diät, welche von Feingold 1973 entwickelt wurde, bezog sich auf den Verzicht von künstlichen Farb- und Geschmacksstoffen. Sie zeigte jedoch nicht den erhofften Erfolg. Die Farbstoff-Hypothese ist für den Großteil der Betroffenen keine Ursache.[44]
Die Phosphat-Hypothese besagt, dass eine allergische Reaktion gegenüber Nahrungsphosphaten vorliegt. Wie bei den vorangegangenen Hypothesen auch, liegt kein statistisch gültiger Zusammenhang zwischen den kindlichen Verhaltensstörungen und der Phosphatverabreichung, oder -eliminierung vor.[45]
[...]
[1] Vgl.: Stimmer, 2000, S. 343
[2] Vgl.: Dieplinger, 2003, S.39
[3] ebd.
[4] Vgl.: Hamburger Arbeitskreis, 2002, S.11
[5] Vgl.: Hamburger Arbeitskreis, 2002, S. 11
[6] Vgl.: Dieplinger, 2003, S.35
[7] Vgl.: Bargelé, 2004, S. 6
[8] Vgl.: BZgA, 2004, S.5
[9] Vgl.: BZgA, 2004, S. 10
[10] Vgl.: Dieplinger, 2003, S. 43f.
[11] Vgl.: BZgA, 2004, S.11
[12] Vgl.: Hamburger Arbeitskreis, 2002, S.12
[13] Vgl.: Dieplinger, 2003, S.57
[14] Vgl.: BZgA, 2004, S.13
[15] Zitat: Dieplinger, 2003, S.58
[16] Vgl.: BZgA, 2004, S. 13
[17] Vgl.: Dieplinger, 2003, S.58
[18] Vgl.: Brandl,2004, S. 48
[19] Vgl.: Stimmer, 2000, S.375
[20] Vgl.: Stimmer, 2000, S.376
[21] Vgl.: Schaub/Zenke, 2000, S.316
[22] Vgl.: Szepan/Teichmann, 1993, S.18
[23] Vgl.: Schaub/Zenke, 2000, S.520
[24] Vgl.: Hurrelman, 2002, S.127ff.
[25] Vgl.: Hurrelmann, 2002, S.189ff.
[26] Vgl.: Hurrelmann, 2002, S.197ff.
[27] Vgl.: Lamnek, 1999, S.13ff.
[28] Vgl.: Lamnek, 1999, S. 43ff.
[29] Vgl.: Dieplinger, 2003. S. 57
[30] Vgl.: BZgA, 2004, S. 13
[31] Vgl.: BZgA, 2004, S.14
[32] Vgl.: Bauer, 1986, S.20f.
[33] Vgl.: Bauer,1986, S.20
[34] Vgl.: BZgA, 2004, S.19
[35] Zitat.: Freiesleben/Schmole, 2002, S. 162f.
[36] Zitat: BZgA, 2004, S.19
[37] Vgl.: Vernooij, S.34ff.
[38] Zitat: Bauer 1986, S.22
[39] Zitat: Bauer, 1986, S.23
[40] Zitat: ebd.
[41] Zitat: Freiesleben/Schmole, 2002, S.121
[42] Vgl.: Dieplinger, 2003, S.52
[43] Vgl.: Dieplinger, 2003, S. 53
[44] Vgl.: Vernooij, 1992, S.36
[45] Vgl.: Vernooij, 1992, S. 36
- Citar trabajo
- Nicole Budzinski (Autor), 2007, Das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom bei Kindern unter besonderer Berücksichtigung pädagogischer Handlungsansätze, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87648
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