Die mit den jüngsten Ereignissen (Kosovo-Krieg, Afghanistan-Krieg, Irak-Krieg, „Krieg gegen den Terror“) wieder einsetzenden Debatten über ein imperialistisches Handeln der USA zeigen deutlich, dass auch in der heutigen Zeit, Charakterzüge des „Zeitalter des Imperialismus“ vorhanden sind.
Die Frage lautet, ob auch andere „Akteure der Weltpolitik“, wie Japan oder die EU, im imperialistischen Machtspiel mitmischen. Vor allem die Vermutung vieler Autoren, die Vereinigten Staaten verlören zunehmend an Macht und Einfluss zu Gunsten der anderen Akteure des Weltmarktes, lassen erahnen, dass wir es heute mit einem Wandel der Weltordnung zu tun haben.
Die USA, so ein häufiges Argument, stützen sich immer mehr auf ihre militärische Überlegenheit, da sie politisch und ökonomisch an Einfluss gegenüber ihren Konkurrenten in der Welt (Japan, EU, China, etc.) eingebüßt haben. Ein imperialistischer Wesenszug der Vereinigten Staaten sei klar zu erkennen: Nicht der Aufbau einer Demokratie im Irak, sondern die dortigen Ölvorkommen ließen die USA zur Waffe greifen.
Doch wird zu zeigen sein, dass nicht nur militärisch vorgegangen werden muss, um imperialistisch zu handeln. Denn die EU verfügt (noch) nicht über einen gesamteuropäischen Militärapparat, doch lassen sich imperialistisch gefärbte Vorgehensweisen in ihrer Politik erkennen. Wie diese aussehen, beziehungsweise sich beschreiben lassen, ist Gegenstand dieser Arbeit.
Inhaltsverzeichnis
1. Vorbemerkung
2. „Alter“ und „neuer“ Imperialismus – ein Vergleich
2.1 Das „Zeitalter des Imperialismus“
2.2 Der „neue Imperialismus“
2.2.1 Neue Kriege – Waffe des „neuen Imperialismus“?
2.2.2 Der IWF – Mittel für eine neoimperialistische Kapitalpolitik?
2.2.3 Eine neue Kapitalakkumulation – ein neuer Imperialismus?
2.3 Formwandel des Imperialismus
3. Die Europäische Union – imperialistischer Akteur?
3.1 Die Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU – eine (neo-)imperialistische Strategie?
3.2 Die EU-Osterweiterung – imperialistische Motive
3.3 Geostrategische Unternehmungen im Rahmen der europäischen Wirtschaftspolitik
3.4 Kapital-Imperialismus auf europäischer Ebene
4. Die EU und ihr Verhältnis zum neuen Imperialismus – Schlussbetrachtung
5. Literaturverzeichnis
1. Vorbemerkung
Historiker bezeichnen den Zeitraum vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg als das „Zeitalter des Imperialismus“. Zwar hatten schon die Großreiche der Antike das Bestreben, ihren Machtbereich über ihre eigenen Grenzen hinweg auf andere Staaten auszudehnen, und ab dem 16. Jahrhundert zeigten sich mit der Kolonialzeit Spaniens, Portugals und Englands ebenfalls imperialistische Tendenzen, doch spricht man von Imperialismus im engeren Sinne erst ab 1870. Dabei handelte es sich um eine „gesamteuropäische Erscheinung“[1], die ein Nationalismus kennzeichnete, der seinen humanen Charakter, seine ideale Zielsetzung verworfen hatte.[2]
Die Aufteilung der Welt in Kolonialreiche war gegen 1900 relativ abgeschlossen, die entstandenen Machtasymmetrien und machtpolitischen Streitereien zwischen den Nationalstaaten nahmen weiterhin zu und gipfelten schließlich in einer grausamen und tödlichen Auseinandersetzung – dem Ersten Weltkrieg. Mit ihm, so verschiedene Historiker, endete dann auch das imperialistische Herrschaftsstreben. Andere sehen es jedoch weiter bestehen in der Außenpolitik Hitlers bis 1944.
Als am Ende des Zweiten Weltkriegs die territorialen Grenzziehungen ein eindeutiges Erscheinungsbild erhielten, war wenig Raum für die Fortsetzung imperialistischer Abenteuer.
Der Vietnamkrieg Ende der 1960er Jahre war wiederum erneut Anlass, den Imperialismusbegriff nicht in den Schubladen verschwinden zu lassen.[3] Der Imperialismus war nun nicht mehr ausschließlich ein europäisches Phänomen, auch die US-Außenpolitik geriet verstärkt in den Blickpunkt.
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der endgültigen Etablierung der USA als hegemoniale und unilaterale Alleinmacht[4], verstärkte sich der kritische Blick auf möglicherweise imperialistische Aktionen der Vereinigten Staaten – der Golfkrieg 1991 bildete den Anfang.
Heute, angesichts der „neuen Kriege“ wie in Afghanistan oder im Irak, ist der Fokus mehr denn je auf ein eventuell imperialistisches Treiben der USA gerichtet. Einige Autoren verwenden dafür den Begriff des „neuen Imperialismus“[5].
Wie dieser Begriff zu verstehen ist, werde ich in den folgenden Ausführungen erläutern. Dabei wird ein Vergleich zwischen dem „alten“ und „neuen“ Imperialismus helfen, Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu erfassen. Darüber hinaus wende ich meinen Blick von den USA weg und frage im zweiten Teil dieser Arbeit, ob auch die Europäische Union von (neo-)imperialistischen Handlungen Gebrauch macht. Dabei beschäftige ich mich mit dem Beziehungsverhältnis der EU zur NATO, dem europäischen Verfassungsentwurf und der damit verbundenen Sicherheitspolitik. Auch die EU-Osterweiterung wird auf imperialistische Motive hin überprüft.
Die mit den jüngsten Ereignissen (Kosovo-Krieg, Afghanistan-Krieg, Irak-Krieg, „Krieg gegen den Terror“) wieder einsetzenden Debatten über ein imperialistisches Handeln der USA zeigen deutlich, dass auch in der heutigen Zeit, Charakterzüge des „Zeitalter des Imperialismus“ vorhanden sind.
Die Frage lautet, ob auch andere „Akteure der Weltpolitik“, wie Japan oder die EU, im imperialistischen Machtspiel mitmischen. Vor allem die Vermutung vieler Autoren, die Vereinigten Staaten verlören zunehmend an Macht und Einfluss zu Gunsten der anderen Akteure des Weltmarktes, lassen erahnen, dass wir es heute mit einem Wandel der Weltordnung zu tun haben.[6]
Die USA, so ein häufiges Argument, stützen sich immer mehr auf ihre militärische Überlegenheit, da sie politisch und ökonomisch an Einfluss gegenüber ihren Konkurrenten in der Welt (Japan, EU, China, etc.) eingebüßt haben. Ein imperialistischer Wesenszug der Vereinigten Staaten sei klar zu erkennen: Nicht der Aufbau einer Demokratie im Irak, sondern die dortigen Ölvorkommen ließen die USA zur Waffe greifen.[7]
Doch wird zu zeigen sein, dass nicht nur militärisch vorgegangen werden muss, um imperialistisch zu handeln. Denn die EU verfügt (noch) nicht über einen gesamteuropäischen Militärapparat, doch lassen sich imperialistisch gefärbte Vorgehensweisen in ihrer Politik erkennen. Wie diese aussehen, beziehungsweise sich beschreiben lassen, ist Gegenstand dieser Arbeit.
2. „Alter“ und „neuer“ Imperialismus – ein Vergleich
2.1 Das „Zeitalter des Imperialismus“
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts setzte bei den führenden europäischen Großmächten (Großbritannien, Frankreich, Deutsches Reich, Italien, Österreich-Ungarn) ein Wettlauf um territoriale Eroberungen ein.[8] Der Anfang vom so genannten „Zeitalter des Imperialismus“ ist datiert auf das Jahr 1881, als sich Frankreich Tunesien einverleibte. Das frisch gegründete Deutsche Reich (1871) erwarb nur zwei Jahre später Schutzgebiete in Südost- und Südwestafrika, sowie Togo und Kamerun. 1882 hatte Großbritannien Ägypten okkupiert.
Ab 1885 „erfuhr dieser Prozess der Ausbreitung der europäischen Zivilisation plötzlich eine ungeheure Beschleunigung.“[9] Die noch freien Gebiete in Übersee wurden binnen weniger Jahre von den führenden Mächten erobert, worunter seit 1894 auch Japan und die Vereinigten Staaten agierten. Im Vergleich zu früheren Epochen hatte sich der Kolonialismus gewandelt: Waren bisher meist einzelne Kolonisatoren oder Kolonialgesellschaften aktiv gewesen, wobei sich die Regierungen militärisch und politisch sehr zurückhielten, begannen nun die europäischen Mächte zielbewusst auf den Erwerb neuer Kolonien hinzuarbeiten. Zwischen 1885 und 1894 dehnten die Briten beispielsweise ihre Herrschaft über Nigeria auf das afrikanische Hinterland aus, und 1890 sprach der deutsche Kaiser, Wilhelm II, von einer aktiveren Afrikapolitik.[10]
Das Sammeln von Inseln im Pazifik wurde zu einer beliebten Beschäftigung der imperialen Mächte und der Nahe Osten war ebenso Spielball europäischer Machtpolitik, wie Asien.
Es wurde mit aller Härte unterworfen, wovon sich Europas Machteliten einen Vorteil gegenüber den anderen Mächten erhofften. Die Installation grausamer und menschenverachtender Kolonialverwaltungen in den besetzten Gebieten gehörte zum Charakter dieses Zeitalters.
Bei den Besetzungen spielten wirtschaftliche Faktoren eine nicht unwichtige Rolle, wenn auch der Nutzen fragwürdig bleibt: „[D]ie Erweiterung der Produktionskapazität und die Akkumulation überschüssigen Kapitals brachten in allen großen Nationen einzelne Gruppen zu der Überzeugung, dass die Erschließung neuer Märkte, neuer Rohstoffquellen und neuer Gebiete für Kapitalinvestitionen notwendig sei.“[11] Wer bei dem „Rennen um die Vergrößerung der politischen und wirtschaftlichen Macht“[12] zurückbliebe, so die Befürchtung der Großmächte, verliere seine Stellung in der Weltherrschaft. Dabei schien es selbstverständlich, dass bei den Annexionen der überseeischen Gebiete fast überall europäische auf europäische Interessen stießen.[13]
Um 1900 war die Aufteilung der Welt in Kolonialreiche nahezu abgeschlossen. Es zeigt sich, dass die Peripheriestaaten den Zentren (London, Paris, Berlin, etc.) keineswegs zu mehr wirtschaftlicher Stärke verhalfen. Die steigenden Kosten eines ständig wachsenden Militärapparates, der weit weg vom Mutterland in den äußersten Winkeln der Welt operierte, übertrafen die imperialen Gewinne. Oft wurden Länder besetzt, die außer karger Erde wenig an Ressourcen zu bieten hatten.[14] Es spielten also nicht nur wirtschaftliche Faktoren eine Rolle bei den Gebietserwerbungen.
Die imperialistischen Handlungsweisen der europäischen Staaten waren auch zum Teil machtpolitischer Art. Das Deutsche Reich beispielsweise, betrieb nach der Entlassung des Bündnispolitikers Bismarck (1890), einen Imperialismus, der manchmal jedweder ökonomischen Logik entbehrte und nur dazu diente, den anderen Großmächten einen Strich durch die Rechnung zu machen.[15]
Letzten Endes waren die imperialistischen Kolonialisierungen nicht nur von wirtschaftlichen und machtpolitischen Interessen geleitet, nicht selten dienten sie dazu, von den inneren Missständen der Nationalstaaten abzulenken. Die Welt- und Kolonialpolitik diene, so das Credo der führenden Politiker, als Sicherheitsventil für den im Lande sich aufstauenden gesellschaftlichen Druck.[16] Um zum Beispiel die Verteilungskämpfe im Innern (soziale Rechte, Rechte nationaler Minderheiten) zu entkräften, betrieben die europäischen Staaten Abenteuerexpansionen in Übersee. Die Politik erkannte schnell, dass die Masse des Volkes auf den imperialistischen Zug nur allzu gerne aufsprang. „Man mag daraus schließen, dass die Theorie über die atavistische Kraft des Imperialismus, die versteckte Kampfeslust und Herrschsucht anspreche, zutrifft.“[17]
Der Imperialismus des 20. Jahrhunderts war für die Menschen innerhalb der Zentren etwas neues, aufregendes, das ein wenig Licht ins elende Industriestadtleben brachte. Für die imperialistischen Hardliner bedeutete dies der Freifahrtschein für einen fieberhaft imperialistischen Kolonialismus, der schon ein Jahrhundert später, in einer abgewandelten Form, nach einer Legitimation suchen muss.
2.2 Der „neue Imperialismus“
2.2.1 Neue Kriege – Waffe des „neuen Imperialismus“?
Im vorangegangenen Kapitel wurde gezeigt, dass ausschließlich die führenden Hegemonialmächte Imperialismuspolitik betrieben. Die europäischen Staaten befanden sich militärisch und ökonomisch in einem „Gleichgewicht“, waren sogar stärker als die USA oder Japan. Dies erlaubte ihnen die Welt nach ihrem Belieben zu formen.
Dieses System der „balances of power“ löste sich vollständig nach dem Zweiten Weltkrieg auf. Nun waren die Vereinigten Staaten die neue Führungsmacht, auch in Europa.[18] Ihre Führungsposition, sowohl wirtschaftlich, als auch militärisch, wurde mit dem Zusammenbruch des Sowjetimperiums Anfang der 1990er Jahre noch zementiert. „Das neue Amerika war in den letzten Jahrzehnten immer offensiver dazu übergegangen, die multilateralen Institutionen der Weltwirtschaft [IWF, WTO bzw. GATT, Weltbank; Anm. Großbach ] in den Dienst der eigenen Volkswirtschaft zu stellen.
Es missachtet immer skrupelloser das vom alten Amerika mitgeschaffene UN-System und stellt sich immer bedenkenloser über das Völkerrecht.
[...]
[1] Schmidt, Gustav: Der europäische Imperialismus. München/Wien/Oldenburg 1989, S. 1
[2] Vgl. Mommsen, Wolfgang J.: Das Zeitalter des Imperialismus. Frankfurt/M. 1998, S. 153f.
[3] Vgl. Hall, Gus: Imperialism today. Der amerikanische Imperialismus in der Welt von heute. Berlin 1973
[4] Vgl. Bischoff, Joachim: Vom Imperialismus zur Weltordnung (Empire). Supplement der Zeitschrift
Sozialismus. 10/2002, S. 26f.
[5] Deppe, Frank (u.a.): Der neue Imperialismus. Heilbronn 2004
[6] Vgl. Harvey, David: Der „neue“ Imperialismus. Akkumulation durch Enteignung. Supplement der
Zeitschrift Sozialismus. 5/2003
[7] Vgl. Harvey, D./Massarat, M.: Globalisierung und Neuer Imperialismus. Supplement der Zeitschrift
Sozialismus. 3/2004, S. 10ff.
[8] Vgl. Mommsen, S. 155ff.
[9] Ebenda, S. 153
[10] Vgl. Craig, Gordon A.: Geschichte Europas 1815-1980. Vom Wiener Kongress bis zur Gegenwart.
München 1983, S. 323
[11] Ebenda, S. 318
[12] Münkler, Herfried: Imperien. Die Logik der Weltherrschaft - vom Alten Rom bis zu den Vereinigten
Staaten. Berlin 2005, S. 168f.
[13] Vgl. Schmidt, S. 29f.
[14] Vgl. Craig, S. 325
[15] Vgl. Mommsen, S. 168f.
[16] Vgl. Schmidt, S. 2
[17] Vgl. Craig, S. 320
[18] Vgl. Harvey 2003, S. 21
- Quote paper
- Heinz-Philipp Großbach (Author), 2006, Der neue Imperialismus - unter besonderer Berücksichtigung der Europäischen Union, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87309
-
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X.