Durch die Einbringung des neuen Gesetzes über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften wird dem Vorhaben, nationale Steuervorschriften an das europäische Recht anzupassen voll und ganz Rechnung getragen. Jedoch wird bei dem Grundgedanken, das deutsche Besteuerungsrecht zu sichern, ohne Augenmaß weit hinausgeschossen. Durch das SEStEG tritt eine drastische Steuerverschärfung durch die Aufdeckung und die Sofortbesteuerung von stillen Reserven rückwirkend ein. Deutschen mittelständigen Unternehmen wird somit eine grenzüberschreitende Umstrukturierung nahezu verwehrt, da liquide Mittel zwingend erforderlich sind. Dabei verstößt das Gesetz, dass den Ursprung aus der Umsetzung europarechtlicher Vorgaben entspringt, im erheblichen Umfang gegen die Grundfreiheiten der Europäischen Union, insbesondere gegen die Niederlassungsfreiheit, da Auslandssachverhalte gegenüber Inlandssachverhalten erheblich benachteiligt werden......
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Zielstellung des SEStEG
3 Entstrickung von Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögen
4 Anwendung der Entstrickung
4.1 Ausschluss des Besteuerungsrechts aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts
4.2 Beschränkung des Besteuerungsrechts aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts
4.3 Ausschluss oder Beschränkung des Besteuerungsrechts aus der Nutzung eines Wirtschaftsguts
5 Besteuerung des Entstrickungsgewinns gem. § 4 g EStG
6 Der Ausgleichsposten im Lichte der Grundfreiheiten
7 Verstrickung
8 Entstrickung und Verstrickung von Anteilen einer Kapitalgesellschaft im Privatvermögen
9 Sitzverlegung einer SE oder SCE
10 Entstrickung und Verstrickung im KStG
11 Schlussbetrachtung
Literatur und Quellenverzeichnis
Internetquellenverzeichnis
Rechtsquellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Das bisherige deutsche Steuerrecht ist auf grenzüberschreitende Umstrukturierungen von Gesellschaften nicht ausgelegt gewesen und beschränkte sich bewusst nur auf Inlandssachverhalte. So wollte z.B. das Umwandlungssteuergesetz in seiner ursprünglichen Fassung Unternehmen dadurch entgegenkommen, dass es innerdeutsche Umstrukturierungen steuerlich privilegiert.1
Gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht aber nicht erst seit dem Beschluss der Änderungsrichtlinie zur steuerlichen Fusionsrichtlinie durch die EU Finanzminister am 17.02.2005.2 3 Denn bereits die Vorschriften in ihrer alten Fassung forderten den nationalen Gesetzgeber auf, grenzüberschreitende Umwandlungsvorgänge wie Fusionen, Spaltungen, Einbringung von Unternehmensanteilen und Anteilstausch im Steuerrecht zu verankern und dabei dem Anspruch der Steuerneutralität Rechnung zu tragen. Normen des Steuerrechts dürften nicht zu Beschränkungen, Benachteiligungen oder Verfälschungen dieser Umstrukturierungsvorgänge führen. Jedoch mangelte es bei der Fusionsrichtlinie in verschiedener Hinsicht am Umsetzungsdruck für die Mitgliedstaaten.4 Dies lässt sich vor allem auf die Tatsache zurückführen, dass die Vorschriften nicht ausreichend durch gesellschaftsrechtliche Vorgaben flankiert wurden.
So war die Fusionsrichtlinie stets der Kritik ausgesetzt, dass sie Umstrukturierungen begünstige, die gesellschaftsrechtlich gar nicht zulässig sind. Dieses Problem entschärfte sich zumindest teilweise durch die neue SE Verordnung5, denn schon die Gründung einer Societas Europaea (SE) hat sich auf Basis einer grenzüberschreitenden Umstrukturierung zu vollziehen. Auch nimmt sich die am 15.12.2005 in Kraft getretene Richtlinie über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten dieser Problematik an und kann zumindest für einen Teilbereich des Gesellschaftsrechts als Meilenstein betrachtet werden.6
Als Antrieb für die Integration der EU sorgte in dieser Hinsicht der Europäische Gerichtshof. Die zuletzt ergangenen Urteile kamen sekundärrechtlichen Vorschriften des europäischen Gemeinschaftsgesetzgebers oftmals zuvor und gaben Anhaltspunkte für eine den Grundfreiheiten entsprechende Ausgestaltung nationaler Gesetze.7
Bei der Formulierung eines Gesetzes über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (SEStEG) musste der deutsche Gesetzgeber also den jüngsten Entwicklungen auf europäischer Ebene entsprechen.
Der Entwurf des SEStEG wurde durch das Bundeskabinett am 12.07.2006 beschlossen. Das auch als „neues Umwandlungssteuergesetz“ bezeichnete Gesetz wurde schließlich am 9.11.2006 vom Bundestag verabschiedet und trat dann am 13.12.2006 mit der Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft.8
2 Zielstellung des SEStEG
Das SEStEG soll nationale Steuervorschriften für Unternehmensumstrukturierungen an die gesellschafts und steuerrechtlichen Entwicklungen und Vorgaben an das europäische Recht anpassen. Weiterhin soll das Gesetz steuerliche Hemmnisse für ökonomisch sinnvolle grenzüberschreitende Umstrukturierungen unter der Voraussetzung beseitigen, dass das deutsche Steueraufkommen nicht gefährdet wird.9
Das Hauptmerkmal des SEStEG besteht aus der Zusammenfassung und Weiterentwicklung von Entstrickungsregelungen, die mit dem fiskalischen Gedanken geprägt sind, inländische Besteuerungsfälle konsequent auch der deutschen Besteuerung zu unterwerfen. Der Grundgedanke liegt darin, dass im betrieblichen Bereich, die sog. Entstrickungssachverhalte zu einer Versteuerung der stillen Reserven führen sollen.
Die neue gesetzliche Regelung des SEStEG umfasst die steuerlichen Konsequenzen aus grenzüberschreitenden Umstrukturierungen und betrifft deshalb zugleich auch die Gesetzesänderungen im Rahmen der Gründung der Europäischen Gesellschaft durch grenzüberschreitende Verschmelzung und die grenzüberschreitende Sitzverlegung der Europäischen Gesellschaft.
3 Entstrickung von Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögen
Unter dem Begriff der Entstrickung sind alle Vorgänge zu verstehen, bei denen stille Reserven von Wirtschaftsgütern, die der deutschen Besteuerung unterliegen, dieser Besteuerung entzogen werden.10
Im bisherigen Einkommensteuerrecht existierte kein allgemeiner Grundsatz, der eine Aufdeckung und Besteuerung der stillen Reserven bejahte, unter der Voraussetzung, dass das Wirtschaftsgut künftig keine Einbeziehung in die Gewinnermittlung finden würde.11
Die Besteuerung von stillen Reserven wurde grds. nur bei deren Realisation durch einen Umsatzakt möglich.12 Bei dem Ausscheiden von stillen Reserven aus der deutschen Besteuerung ohne Realisationsakt, der durch Wohnsitzoder Sitzverlegung, Übertragung von einzelnen Wirtschaftsgütern ins Ausland sowie durch die Nutzung von Wirtschaftsgütern im Ausland entstehen kann, erfolgte grds. keine Besteuerung.
Eine Ausnahme bestand aber darin, dass das deutsche Steuerrecht eine Vielzahl von Ersatzrealisationstatbeständen kennt, z.B. eine Entnahme, eine Betriebsaufgabe oder die finale Entnahmetheorie des Bundesfinanzhofes, jedoch kannte das deutsche Steuerrecht keinen zentralen allgemeinen Entstrickungsgrundsatz. Die Gefahr lag für den deutschen Fiskus darin, dass stille Reserven ohne eine Besteuerung aus der deutschen Besteuerung ausscheiden.
Die Gesetzesänderung im § 4 Abs. 1. Satz 3 EStG umfasst hierbei einen neuen allgemein gehaltenen Entstrickungstatbestand, der seinen Ursprung aus dem SEStEG fand.
Der Entstrickungstatbestand wurde mit folgendem Wortlaut in das EStG eingebracht:
„Einer Entnahme für betriebsfremde Zwecke steht der Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder der Nutzung eines Wirtschaftsguts gleich.“13
Eine Parallele findet sich zu dieser o. g. Vorschrift auch im § 12 Abs. 1 KStG
„Wird bei der Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder der Nutzung eines Wirtschaftsguts ausgeschlossen oder beschränkt, gilt dies als Veräußerung oder Überlassung des Wirtschaftsguts zum gemeinen Wert; § 4 Abs. 1 Satz 4, § 15 Abs. 1a des Einkommensteuergesetzes gelten entsprechend.“14
Diese aufgezeigten gesetzlichen Änderungen sind nahezu identisch, Differenzierungen liegen in dem Bereich der Entziehung des Vermögens vor. Das KStG unterstellt eine Veräußerung, das EStG hingegen eine Entnahme des Vermögens. Durch diese Fiktion könnte somit § 6 b EStG auf den Entstrickungsgewinn einer natürlichen Person nicht angewendet werden.15
4 Anwendung der Entstrickung
Durch diese neuen gesetzlichen Regelungen des allgemeinen Entstrickungstatbestandes, entsteht ein neuer Ersatzrealisationstatbestand. Hierbei handelt es sich nach der Gesetzesbegründung um eine Klarstellung zum geltenden Recht.16
Die Fiktion der Entnahme und die damit verbundene Besteuerung der stillen Reserven, liegt auch dann vor, wenn ein Wirtschaftsgut in das Ausland überführt wird und dabei das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus dem Verkauf des Wirtschaftsguts ausgeschlossen, beschränkt oder gar hinsichtlich des Gewinns aus der Nutzung des Wirtschaftsguts ausgeschlossen oder beschränkt wird.
Eine Besteuerung der stillen Reserven liegt dahingehend nicht vor, wenn das deutsche Besteuerungsrecht vor der Überführung oder Überlassung des Wirtschaftsguts nicht bestanden hat.17
4.1 Ausschluss des Besteuerungsrechts aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts
Nach der bisherigen Gesetzgebung, gab es keinen allgemeinen Entstrickungstatbestand, wenn ein Wirtschaftsgut von dem inländischen Stammhaus in eine ausländische Betriebsstätte überführt wurde. Jedoch wurde eine Ausnahmeregelung angewandt, die eine Entnahme mit dem finalen Entnahmebegriff des Bundesfinanzhofes definiert.18
Dies ist z.B. der Fall, wenn ein Unternehmen mit Hauptsitz in Deutschland sein Wirtschaftsgut in eine ausländische Betriebsstätte überführt und der Gewinn durch das DBA von der deutschen Besteuerung freigestellt wurde. Die Freistellungsmethode ist eine steuerliche Konstruktion, um eine Doppelbesteuerung von Bürgern zu vermeiden, die von zwei Staaten zur Steuer herangezogen werden. Das DBA regelt häufig die Freistellung der betroffenen Einkünfte in einem der beiden Staaten. Die Entnahme wurde dann mit dem Fremdvergleichspreis bewertet, weiterhin gewährte das deutsche Steuerrecht dem Unternehmen ein Wahlrecht zur aufgeschobenen Gewinnrealisierung. Die Besteuerung konnte so bis zur tatsächlichen Veräußerung des Wirtschaftsguts oder bis maximal zehn Jahre aufgeschoben werden.19
Nach den neuen gesetzlichen Regelungen des EStG liegt nun der Entstrickungstatbestand gem. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG vor. Selbst bei der Überführung des Wirtschaftsguts in eine ausländische Betriebsstätte, kann der Teil eines späteren Veräußerungsgewinns, der durch die Zeit bis zur Überführung des Wirtschaftsguts in das Ausland veranlasst wurde, nachdem deutschen Recht besteuert werden.20 Das Vorliegen eines DBA`s, ist nun bei der Besteuerung des Gewinns irrelevant.
Es besteht aber dennoch ein signifikanter Unterschied, durch diese neuen gesetzlichen Regelungen, werden die stillen Reserven nicht mehr wie ursprünglich mit dem Fremdvergleichspreis, sondern mit dem gemeinen Wert besteuert, da diese fiktive Entnahme den Realisationstatbestand der Entstrickung gem. § 4 Abs. 1 S. 3 erfüllt.21 Künftige Wertsteigerungen, die das Wirtschaftsgut in der ausländischen Betriebsstätte erfahren könnte, werden aber von der deutschen Besteuerung ausgeschlossen.22
4.2 Beschränkung des Besteuerungsrechts aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts
Eine weitere steuerliche Verschärfung ergibt sich daraus, dass der Entstrickungstatbestand sich nicht nur durch einen Ausschluss des Besteuerungsrechts, sondern schon durch eine abstrakte Beschränkung der deutschen Steuer ergibt, die zuvor keine sofortige Besteuerung auslöste.
[...]
1 Vgl. Thiel, DB 2005 S. 2316.
2 Richtlinie 2005/19/EG v. 17.02.2005.
3 Richtlinie 90/434/EWG v. 23.07.1990.
4 Vgl. Engert, DStR 2004, S. 664.
5 EG Verordnung Nr. 2157/2001 v. 8.10.2001.
6 Richtlinie 2005/56/EG v. 26.10.2005.
7 Vgl. Haritz, GmbHR 2006, S. 143.
8 Vgl. Amtliches Protokoll, 63. Sitzung des Deutschen Bundestages am 9.11.2006.
9 Vgl. Vgl. Förster, Guido, DB 2007, Heft 2, S.72.
10 Vgl. Förster, Guido, DB 2007, Heft 2, S.72.
11 Vgl. Förster, Guido, DB 2007, Heft 2, S.72.
12 Realisationsprinzip
13 Bundesministerium der Justiz www.gesetze im internet.de/aktuell.html Auszug § 4 Abs. 1 S. 3 EStG (Stand 28.02.2007)
14 Bundesministerium der Justiz www.gesetze im internet.de/aktuell.html Auszug § 12 Abs. 1 KStG (Stand. 28.02.2007) 15 Vgl. Förster, Guido, DB 2007, Heft 2, S.72.
16 Vgl. BT Drs. 16/2710.
17 Vgl. Förster, Guido, DB 2007, Heft 2, S.72.
18 Vgl. BFH vom 30.05.1972 VIII R 111/69.
19 Vgl. Verwaltungsregelung im Betriebsstättenerlass vom 24.12.1999.
20 Vgl. Förster, Guido, DB 2007, Heft 2, S.73.
21 Vgl. Steuerrecht Newsletter Linklaters http://www.debandt.com/pdfs/publications/GER Div/060724 SEStEG Newsletter.pdf (Stand14.02.07)
22 Vgl. Förster, Guido, DB 2007, Heft 2, S.73.
- Citar trabajo
- Steffen Thiel (Autor), 2007, Entstrickung und Verstrickung in EStG und KStG nach dem SEStEG – eine systematische Darstellung der gesetzlichen Regelung, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87167
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