Der Ausspracheschulung wird im Fremdsprachenunterricht in sehr unterschiedlicher Weise Aufmerksamkeit zuteil. Allzu oft fristet dieser für den tatsächlichen Gebrauch der Zielsprache ggf. essentielle Bestandteil jedoch ein weitgehend stiefkindliches Dasein. Selbst diejenigen Lehrenden, die sich hin und wieder dieses vernachlässigten Bereichs annehmen, tun dies mitunter ohne klar formulierte Beweggründe, geschweige denn auf dem Fundament systematisch angelegter Vermittlungsmethoden und -techniken.
Welche Ursachen zeichnen für diesen im Vergleich zu anderen Teilgebieten des Fremdsprachenunterrichts (z. B. Grammatikvermittlung, Wortschatzarbeit) geringen Stellenwert verantwortlich? Digeser (1993:58) unterscheidet zwischen drei möglichen Hintergründen. Demnach sei der „sysiphusartige“ Charakter der Ausspracheschulung für viele Lehrende ausschlaggebend, mit der Zeit eine gewisse Resignationshaltung einzunehmen:
„Ausspracheschulung muß ja in nahezu allen Unterrichtsphasen stattfinden und bedeutet eine Aufgabe, mit welcher die Lehrerin/der Lehrer nie an ein Ende gelangt, an dem das Zeichen Aufgabe erfüllt aufleuchtet.“ (ebd.)
Zudem rechtfertigten Fremdsprachenlehrer/innen eine entsprechende Geringschätzung immer öfter mit dem Argument, dass Englisch als Weltsprache zunehmend dem Zwecke der Kommunikation zwischen Nicht-Muttersprachlern diene, die allesamt eine defizitäre Aussprache aufwiesen und sich dennoch verständigen könnten.
Schließlich schlage sich eine derartige Interessenverschiebung auch in den existierenden Lehrwerken und Unterrichtsmaterialien nieder, sodass Lehrenden mit überdurchschnittlicher Motivation zur Thematisierung ausspracherelevanter Unterrichtsinhalte vergleichsweise wenige Ressourcen zur Verfügung stünden (ebd.).
Die vorliegende Arbeit geht der Frage nach, inwieweit insbesondere die ersten beiden Argumentationsstränge haltbar sind bzw. welche Gegenpositionen und weiteren Ansätze bemüht werden können, die eine ggf. größere Relevanz der Ausspracheschulung nahe legen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Der Stellenwert der Aussprache beim Erlernen einer Fremdsprache
2.1 Kann im Sinne des EIL auf Ausspracheschulung verzichtet werden?
2.2 Warum ist eine gute Aussprache wichtig?
2.3 Welches Aussprachemodell sollte vermittelt werden?
3 Kompetenzbereiche der Aussprache
3.1 Segmental
3.2 Supra-segmental
4 Einflussgrößen des Aussprachelernerfolgs
4.1 Einstellung und Motivation gegenüber der Zielsprache
4.2 Alter (Critical Hypothesis)
4.3 Muttersprache (Contrastive Hypothesis)
5 Ausgewählte Ansätze der Ausspracheschulung
6 Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Der Ausspracheschulung wird im Fremdsprachenunterricht in sehr unterschiedlicher Weise Aufmerksamkeit zuteil. Allzu oft fristet dieser für den tatsächlichen Gebrauch der Zielsprache ggf. essentielle Bestandteil jedoch ein weitgehend stiefkindliches Dasein. Selbst diejenigen Lehrenden, die sich hin und wieder dieses vernachlässigten Bereichs annehmen, tun dies mitunter ohne klar formulierte Beweggründe, geschweige denn auf dem Fundament systematisch angelegter Vermittlungsmethoden und -techniken.
Welche Ursachen zeichnen für diesen im Vergleich zu anderen Teilgebieten des Fremdsprachenunterrichts (z. B. Grammatikvermittlung, Wortschatzarbeit) geringen Stellenwert verantwortlich? Digeser (1993:58) unterscheidet zwischen drei möglichen Hintergründen. Demnach sei der „sysiphusartige“ Charakter der Ausspracheschulung für viele Lehrende ausschlaggebend, mit der Zeit eine gewisse Resignationshaltung einzunehmen:
„Ausspracheschulung muß ja in nahezu allen Unterrichtsphasen stattfinden und bedeutet eine Aufgabe, mit welcher die Lehrerin/der Lehrer nie an ein Ende gelangt, an dem das Zeichen Aufgabe erfüllt aufleuchtet.“ (ebd.)
Zudem rechtfertigten Fremdsprachenlehrer/innen eine entsprechende Geringschätzung immer öfter mit dem Argument, dass Englisch als Weltsprache zunehmend dem Zwecke der Kommunikation zwischen Nicht-Muttersprachlern diene, die allesamt eine defizitäre Aussprache aufwiesen und sich dennoch verständigen könnten.
Schließlich schlage sich eine derartige Interessenverschiebung auch in den existierenden Lehrwerken und Unterrichtsmaterialien nieder, sodass Lehrenden mit überdurchschnittlicher Motivation zur Thematisierung ausspracherelevanter Unterrichtsinhalte vergleichsweise wenige Ressourcen zur Verfügung stünden (ebd.).
Die vorliegende Arbeit geht der Frage nach, inwieweit insbesondere die ersten beiden Argumentationsstränge haltbar sind bzw. welche Gegenpositionen und weiteren Ansätze bemüht werden können, die eine ggf. größere Relevanz der Ausspracheschulung nahe legen.
Zu diesem Zwecke sollen zunächst einige grundlegende Gedanken zum Stellenwert der Aussprache beim Fremdsprachenlernen dargestellt werden. Dem folgend wird der Fokus auf die inhaltlichen Bestandteile der Aussprache gerichtet und welche dieser für das Lernen der Sprache als Nicht-Muttersprachler besonders bedeutsam sind.
Ein weiterer Abschnitt widmet sich den Hauptfaktoren, die für den Aussprachelernerfolg als entscheidend angesehen werden, bevor ausgewählte Ansätze zur Einbindung der Ausspracheschulung in den unterrichtspraktischen Alltag vorgestellt werden.
Während viele der besprochenen Bereiche auf das Fremdsprachenlernen i. A. bezogen werden können, richten sich einige Überlegungen und insbesondere beispielhaft genannte Aussprachephänomene an die spezifische Umgebung des Englischunterrichts.
2 Der Stellenwert der Aussprache beim Erlernen einer Fremdsprache
Vor dem Hintergrund der einleitend dargestellten, nahezu flächendeckend zu beobachtenden Vernachlässigung der Ausspracheschulung greift dieses Kapitel anfangs die Diskussion über die Rolle der englischen Sprache als lingua franca auf. Anschließend werden wesentliche Gründe erörtert, die für die Ausrichtung des Englischunterrichts an muttersprachlichen Normen sprechen. Es soll weiterhin geklärt werden, welche Faktoren bei der Wahl eines spezifischen Aussprachemodells Berücksichtigung finden sollten.
2.1 Kann im Sinne des EIL auf Ausspracheschulung verzichtet werden?
Das Akronym EIL steht für English as an International Language und lehnt sich an die bisher gängigen Bezeichnungen EFL (English as a Foreign Language) bzw. ESL (English as a Second Language) an, die bezüglich des Englischunterrichts mit Nicht-Muttersprachlern die jeweilige Sprachgebrauchsabsicht benennen. Die Terminologie EIL trägt der verstärkten Entwicklung Rechnung, Englisch zunehmend nicht mehr primär im Zusammenhang der Kommunikation mit Muttersprachlern zu begreifen, sondern als Weltsprache oder lingua franca, d. h. auch und vor allem als Kommunikationsmittel zwischen zwei oder mehreren Nicht-Muttersprachlern.
Einige Autoren sehen in dieser Entwicklung eine Rechtfertigung, das Anstreben einer Aussprache, die sich bestmöglich an muttersprachlichen Idealen[1] orientiert, aufzugeben. Andere wiederum befürworten die Schulung einer Vielzahl internationaler Dialekte wie bspw. südostasiatische Englischvariationen (Singapur, Malaysia) oder die der ehemaligen westafrikanischen Kolonialgebiete. Taylor (1991: 427) hält fest: „Even in the international arena, non-native speakers are more likely to encounter other non-native speakers than native speakers.“
Jenkins (vgl. 1998:122ff) schlägt vor, sich auf wenige an Englisch als Muttersprache orientierte Bereiche zu beschränken, darunter z. B. die Schulung der core sounds, deren Beherrschung wesentlich zur korrekten Verständigung beitrügen, andere Ausspracheabweichungen, die vornehmlich auf den Transfer der eigenen Muttersprache zurückzuführen seien, jedoch nicht zu beeinflussen. Diesbezüglich nennt sie z. B. auch die Aussprache des th, das insbesondere für deutsche Englischlerner oft schwierig zu erlernen ist, da es nicht zur Gruppe der core sounds gehöre. Sie geht sogar soweit zu fordern, dass Englischlerner/innen ermutigt werden sollten, die Einflüsse ihrer eigenen Muttersprache auf ihre englische Aussprache bewusst zuzulassen und zu fördern.
Eine solche Argumentation ist für Digeser ungültig: Die Motivation, Englisch zu lernen, gründe ursprünglich nun einmal auf der Existenz einer muttersprachlichen Norm. Die Tatsache, dass die Erreichung einer muttersprachlichen Aussprache in der Regel utopisch sei, sei jedoch kein Grund, diese nicht trotzdem fortwährend anzustreben und ihr eine erhöhte Aufmerksamkeit im Fremdsprachenunterricht zu schenken. Schließlich begnüge man sich z. B. im lexikalischen oder grammatischen Kompetenzbereich auch nicht prinzipiell mit rudimentären Formen, sondern strebe stets nach Annäherung an eine bestimmte Norm. Zumal der Versuch schon einen Wert per se darstelle (vgl. Digeser 1993:58).
Beide hier genannten Positionen sind m. E. unter bestimmten Voraussetzungen legitim; diese müssen jedoch jeweils im Zusammenhang mit dem primären Ziel des Sprachenlernens in Einklang gebracht werden. So liegt bspw. dem Englischunterricht im deutschsprachigen Raum vermutlich vorrangig die Absicht zugrunde, den Einflüssen anglo-amerikanischer Sprach- und Kultureinflüsse, omnipräsent u. a. in Form von Anglizismen, Medienformaten unterschiedlichster Coleur etc. Rechnung zu tragen. Dies gilt sicherlich zunächst für die rezeptiven Fertigkeitsbereiche des Hörens und Lesens (für die die Ausspracheschulung jedoch nicht minder relevant ist), allerdings auch bezüglich eigener sprachlicher Äußerungen z. B. im Rahmen einer beruflichen Tätigkeit, für die eine Beherrschung des Englischen heutzutage oft unerlässlich ist. Da jedoch v. a. die kulturelle Nähe, aber auch wirtschaftliche Beziehungen zu anderen europäischen Nationen, deren Aussprachevermittlung im englischen Fremdsprachenunterricht sich im Übrigen ebenfalls eher an muttersprachlichen Normen orientiert, den vornehmlichen Kontakt mit diesen Mitgliedern der internationalen englischen Sprachgemeinschaft nahe legt, scheint das Festhalten an der Tradition einer normorientierten Ausspracheschulung zumindest momentan noch zeitgemäß zu sein.
Der Begriff Norm sollte jedoch weniger als unbedingt zu erreichendes Fertigkeitslevel als vielmehr i. S. einer Orientierungsmöglichkeit begriffen werden.
2.2 Warum ist eine gute Aussprache wichtig?
Während sich der vorangegangene Abschnitt konkret mit der Bedeutung der Aussprache des Englischen als globales Verständigungsmittel beschäftigt hat, stellt sich weiterhin die Frage, warum eine gute Aussprache sprachenübergreifend als wesentliche Einflussgröße auf erfolgreiche Kommunikationshandlungen angesehen werden sollte.
Diesbezüglich nennt Herbst (1992:5) zunächst die wichtige interaktionale Funktion. Seiner Ansicht nach „trägt der Akzent wohl in nicht unerheblichem Maße dazu bei, wie jemand durch andere Sprecher eingeschätzt wird – in Hinblick auf regionale Herkunft, soziale Stellung, aber eben auch gewisse Persönlichkeitsmerkmale.“ Auch Richards (1997:33) warnt vor der Möglichkeit negativer Reaktionen auf Sprecher/innen, die zwar ggf. flüssig, aber mit starkem Akzent sprächen.
So rufen bestimmte Akzente bei vielen Menschen Assoziationen z. B. mit berühmten Vertreter/innen dieses Akzents hervor. Man denke nur an die englische Aussprache Bob Marleys, die von zahlreichen Interpret/innen der Raggae-Szene nachgeahmt wird, unabhängig davon, ob das Lautsystem der Muttersprache eine derartige Aussprache begründet oder nicht. Der Akzent ist hier zentraler Teil einer Identifizierung mit einer Lebensweise, die bei vielen Menschen Bilder von Rastazöpfen und Mariuhana hervorrufen.
Im Gegensatz zu einer solchen – bewusst gewählten – Funktion von Aussprache dürfte jedoch dem Großteil der Fremdsprachenlerner/innen daran gelegen sein, nicht kategorisch einem akzentbegründeten Stereotyp zugeordnet zu werden. Insofern ist eine Schulung der Aussprache i. S. einer Orientierung an muttersprachlichen Standards ein wichtiger interaktionaler Faktor.
Herbst bemerkt außerdem, dass die Aussprache die Sensibilität gegenüber Fehlern in anderen Kompetenzbereichen beeinflusse (vgl. 1992:5ff). So gebe es empirische Hinweise darauf, dass grammatikalische Fehler durchaus überhört werden könnten, wenn die Aussprache ein hohes Sprachniveau impliziere. Demgegenüber rufe ein starker Akzent eine gewisse Erwartungshaltung für Fehler geradezu hervor.
Darüber hinaus ist das individuelle Ausspracheprofil natürlich maßgeblich nicht nur dafür verantwortlich, ob die Intention einer sprachlichen Äußerung vom Gegenüber überhaupt interpretiert werden kann, sondern auch, wie die rezeptive Verarbeitung gelingt: „Difficulties with pronunciation might mean that students fail to get their message across, even when the correct words are being used, or they might fail to understand what is said to them.“ (Hewings 2004:11).
Geht man davon aus, dass ein/e Fremdsprachenlerner/in mit einer Vielzahl verschiedener Dialekte der Zielsprache konfrontiert wird, so ist zu fragen, welches Aussprachemodell auf diese Konfrontation bestmöglich vorbereitet. Welche Faktoren dieser Überlegung zugrunde gelegt werden sollten, ist Inhalt des folgenden Abschnitts.
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[1] Als muttersprachliche Aussprachemodelle gelten gemeinhin Received Pronunciation (RP) und General American (GA).
- Citation du texte
- Daniel Schupmann (Auteur), 2007, Bedeutung, Möglichkeiten und Grenzen der Ausspracheschulung im Englischunterricht, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87087
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