Das Bild der deutschen Wohlstandsgesellschaft ist längst nicht mehr ungetrübt. Jeder weiß, dass es eine wachsende Bevölkerungsschicht gibt, die zunehmend verarmt. Trotzdem wird bei dem Begriff Armut zunächst an Entwicklungsländer gedacht, wo Menschen wirklich ums nackte Überleben kämpfen müssen. Deutschland dagegen zählt noch zu den reichsten Länder dieser Erde. Viele Menschen leben in Wohlstand, einige sind fast unvorstellbar reich. Auch der Kampf ums Überleben ist bei uns nicht gegeben. Der Staat garantiert allen seinen Einwohnern eine Sicherung des Existenzminimums, bei dem auch das psychische Existenzminimum abgesichert werden soll, nämlich die Teilhabe an soziokulturellem Leben. Wenn es also keine existenzgefährdende physische Not gibt, was bedeutet Armut in unserem Land denn dann überhaupt? Auf diese Frage werde ich in folgendem Punkt eingehen. Zunächst will ich aber auf die Zahlen zur Armut in Deutschland eingehen um das Ausmaß dieses Problems zu verdeutlichen: Die hilfebedürftigen Menschen, die die Hilfe zum Lebensunterhalt bezogen, betrug im Jahre 1975 0,7 Mio. und im Jahre 1998 schon das Dreifache, nämlich 2,5 Mio. Dabei nahm der Anteil der älteren Menschen deutlich ab, während immer mehr Kinder und Jugendliche Sozialhilfe beziehen. Ein zweiter Punkt, der die 90er Jahre prägt, ist die zunehmende Überschuldung privater Haushalte: In Westdeutschland stieg von 1989 bis 1999 die Zahl der überschuldeten Privathaushalte über 50 Prozent (von 1,2 Mio. auf 1,9 Mio). Als Hintergrund für diese Entwicklung werden vor allem ein niedriges Arbeitseinkommen und Arbeitslosigkeit angegeben.
Gliederung
1. Einleitung
2. Was bedeutet sozial schwach?
2.1 Arbeitslosigkeit und Armut
2.2 Isolation und Ohnmacht
2.3 Suchtproblematik
3. Welche Auswirkungen hat soziale Schwäche für Familien?
3.1 Der Weg zum autoritären Erziehungsstil
3.2 Der Weg zum vernachlässigenden Erziehungsstil
4. Was muss beachtet werden bei Beratung von sozial schwachen Familien?
4.1 Besonderheiten des Klientel
4.2 Was sollte der Berater beachten?
5. Wie verläuft eine Beratung mit sozial schwachen Familien?
5.1 Die „erste Hilfe“ bei der Beratung
5.2 Die Anfangsphase – Das Erstgespräch
5.2.1 Allgemeine Informationen
5.2.2 Der Beratungsauftrag
5.2.3 Weitergehende Hilfen
5.3 Mögliche Methoden bei der Familienberatung
5.4 Der Abschluss einer Beratung
6. Schluss
1. Einleitung
Das Bild der deutschen Wohlstandsgesellschaft ist längst nicht mehr ungetrübt. Jeder weiß, dass es eine wachsende Bevölkerungsschicht gibt, die zunehmend verarmt. Trotzdem wird bei dem Begriff Armut zunächst an Entwicklungsländer gedacht, wo Menschen wirklich ums nackte Überleben kämpfen müssen. Deutschland dagegen zählt noch zu den reichsten Länder dieser Erde. Viele Menschen leben in Wohlstand, einige sind fast unvorstellbar reich. Auch der Kampf ums Überleben ist bei uns nicht gegeben. Der Staat garantiert allen seinen Einwohnern eine Sicherung des Existenzminimums, bei dem auch das psychische Existenzminimum abgesichert werden soll, nämlich die Teilhabe an soziokulturellem Leben.
Wenn es also keine existenzgefährdende physische Not gibt, was bedeutet Armut in unserem Land denn dann überhaupt? Auf diese Frage werde ich in folgendem Punkt eingehen.
Zunächst will ich aber auf die Zahlen zur Armut in Deutschland eingehen um das Ausmaß dieses Problems zu verdeutlichen: Die hilfebedürftigen Menschen, die die Hilfe zum Lebensunterhalt bezogen, betrug im Jahre 1975 0,7 Mio. und im Jahre 1998 schon das Dreifache, nämlich 2,5 Mio. Dabei nahm der Anteil der älteren Menschen deutlich ab, während immer mehr Kinder und Jugendliche Sozialhilfe beziehen.
Ein zweiter Punkt, der die 90er Jahre prägt, ist die zunehmende Überschuldung privater Haushalte: In Westdeutschland stieg von 1989 bis 1999 die Zahl der überschuldeten Privathaushalte über 50 Prozent (von 1,2 Mio. auf 1,9 Mio). Als Hintergrund für diese Entwicklung werden vor allem ein niedriges Arbeitseinkommen und Arbeitslosigkeit angegeben.
2. Was bedeutet „sozial schwach“?
„Sozial schwache“ Familien genau zu definieren gestaltet sich schwierig. Es gibt verschiedene Umstände, die eine Familie sozial schwächen. Diese bedingen sich meist gegenseitig, das heißt also es besteht eine gegenseitige Wechselwirkung. Besonders für Beratungen ist das wichtig zu beachten, denn es bedeutet unter anderem, dass das Augenmerk nicht isoliert auf einen dieser Umstände gelegt werden kann, sondern dass die anderen Probleme, die die einzelne Familie eventuell hat, auch berücksichtigt werden sollten.
Der Begriff „sozial schwache Familien“ meint Familien, die meist unter mehreren der folgend genannten Umstände leiden. Typischerweise sind bei Familien, die lang andauernd von Armut betroffen sind, ökonomische, persönliche und soziale Probleme eng miteinander verknüpft und viele Faktoren können sowohl Folge als auch Ursache von Armut sein. Ist dies der Fall, so kann man hier auch von so genannten „Multiproblemfamilien“ sprechen.
2.1 Arbeitslosigkeit und Armut
In sozial schwachen[1] Familien[2] sind meist ein oder beide Elternteile beschäftigungslos und
die Chance in einer so reichen Gesellschaft, wie der deutschen, in eine Armut zu geraten ist nicht mehr gering und zudem ungleich verteilt. Besonders gefährdet sind Aussiedler, Asylbewerber, Einelternfamilien und kinderreiche Familien[3]. Immer breitere Bevölkerungsschichten in Deutschland verarmen und in Zeiten der leeren Staatskasse, in der an allen Ecken und Enden gespart werden muss, sind diese Menschen, die auf die staatliche Hilfe angewiesen sind im wörtlich genommen „arm dran“.
In der EU wird der als arm befunden, der mit weniger als der Hälfte des durchschnittlichen Landeseinkommen auskommen muss.
Armut bedeutet in dieser Gesellschaft vor allem Entbehrung. Entbehrung der Teilhabe an kulturellem und sozialem Leben, Entbehrung der vollkommenen Gesundheitsfürsorge und der Erholung. Kinderbetreuung bleibt ein Traum und auf Luxusartikel wie neuwertige Kleidung und Wohnungsartikel muss verzichtet werden. Die Wohnungssituation dieser Familien ist oft ebenfalls problematisch. Aufgrund der ökonomischen Schwierigkeiten leben diese Menschen oft auf sehr engem Raum. Rückzug und Ruhe sind kaum möglich, was das Familienklima und den entspannten Umgang mit den Kindern natürlich erheblich belastet.
( nach Die Kinderschutz-Zentren (Hrsg.), 1996; vgl. Rheinhold S. 21 ff und Zimmermann S.37 ff und nach Zenz/Bächer/Blum-Maurice, 2002, vgl. Brinkmann S.54 ff)
2.2 Isolation und Ohnmacht
Was Arbeitslosigkeit und Armut für Menschen bedeutet, besonders in unserer Überflussgesellschaft vermag man sich allzu leicht auszumalen. Scham, vor den Blicken anderer Leute, Verstecken und Verheimlichen. Die Menschen werden in die Isolation getrieben und haben selten soziale Ressourcen aus Familie, Nachbarschaft oder Freundeskreis.
Dazu kommt, dass sozial schwache Familien in sozial schwachen Stadtteilen wohnen[4] und sich ihr Bekanntenkreis in der Regel auf Menschen derselben sozial schwachen Schicht reduziert, was bedeutet, dass diese Kontakte wiederum sehr konfliktträchtig und instabil sein dürften.
Meist arbeitslos haben sie nicht einmal eine Tagesstruktur, sind mit den Behörden und Anträgen überfordert und der Druck wächst. Armut wird als Demütigung und Deklassierung erfahren. Solche Menschen entwickeln das Gefühl, nicht mehr Herr ihrer Lage zu sein und die Kontrolle über ihr Leben verloren zu haben. Diese Ohnmacht und Hilflosigkeit von Vater, Mutter oder beiden Elternteilen verändert ihre Belastbarkeit und damit ihr Erziehungsverhalten und das Familienklima. Dies wiederum sind die Auswirkungen der Armut, die in besonderer Härte auf die Kinder und Jugendlichen spüren. Diese innerfamiliären Probleme hängen in ihrer Schwere ab von den Ressourcen der Familie. (nach Zenz, Bächer, Blum-Maurice, 2002, vgl. Brinkmann S. 57 ff)
2.3 Suchtproblematik
Teilweise liegt auch ein mehr oder weniger schweres Suchtverhalten in solchen Familien vor. Das kann entweder Ursache für Arbeitslosigkeit, Armut, Isolation usw. oder aber als Symptom aus eben genanntem entstanden sein (z.B. „trinken um zu vergessen“).
3. Welche Auswirkungen hat soziale Schwäche auf Familien?
Mit der Erklärung des Begriffes „sozial schwach“ werden auch die damit verbundenen Auswirkungen auf die Familie, die Familienbeziehungen und das Familienklima deutlich.[5]
Die Familienmitglieder, zuallererst die Eltern erleben ihre Armut als Deklassierung und Demütigung. Die beiden oder das eine Elternteil steht unter extremen Druck von außen (der Gesellschaft und ihren Anforderungen), vom Staat (durch gekürztes Arbeitslosengeld) und den Kindern, denen sie ein angenehmes Leben bieten wollen. Gleichzeitig fühlen sie sich aber oft am eigenen Leben gescheitert, finden keinen Weg mehr aus der Arbeitslosigkeit und damit der Armut und falls eine Suchtproblematik vorliegt wird diese natürlich durch eben diese Umstände verstärkt.
In dauerhaft verarmten Familien ist kaum Platz für Loyalität und Solidarität, oft werden sich die Probleme gegenseitig zugeschoben. Mangelnde Ressourcen bei gleichzeitiger Bedürftigkeit bedeutet ein Kampf „Jeden gegen Jeden“. Durch den beengten Wohnraum gibt es keinen Raum für Alleinsein und Ruhe. Für manche Eltern bedeutet das, dass sie überfordert sind ein stabiles und wertschätzendes Erziehungsklima aufzubauen.
3.1 Weg zum autoritären Erziehungsstil
In der, wie es scheint, ausweglosen Situation der Familie und als Versuch die Strukturen, die noch vorhanden sind zu beeinflussen und zusammenzuhalten, können Eltern als Problemverhinderung einen rigiden und autoritären Erziehungsstil entwickeln.
[...]
[1] Den Begriff sozial schwach werde ich im weiteren Verlauf der Hausarbeit der Einfachheit halber ohne Anführungszeichen verwenden. Generell empfinde ich ihn aber als stigmatisierend und hatte ihn deshalb auch anfangs mit Anführungszeichen gekennzeichnet verwendet.
[2] Unter Familien sind alle Formen, also auch Einelternfamilien usw. gemeint.
[3] Einer der größten Fehler der gegenwärtigen Politik, leider kann aber auf diesen Punkt im Rahmen der Hausarbeit nicht näher eingegangen werden.
[4] Ebenfalls ein Umstand, der meiner Meinung nach der Politik und Organisation der Stadtverwaltungen als Fehler angekreidet werden muss. Dies aber nur als Einwurf am Rande.
[5] Natürlich wirken sich diese Lebensumstände und Probleme nicht auf alle Familien gleich aus. Die große Mehrheit lebt trotz Arbeitslosigkeit usw. glücklich und gewaltfrei zusammen. „Sozial schwach“ ist damit kein Kriterium für Gewalt, Vernachlässigung oder ähnliches. Klar muss aber sein, dass die unter Punkt 1.1.1 bis Punkt 1.1.3 genannten Umstände und ihre Kummulation das Risiko für eben solche Verhaltensweisen erhöhen.
- Quote paper
- Annette Faupel (Author), 2006, Beratung mit sozial schwachen Familien, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87068
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