Die Arbeit behandelt die Staatsaffäre um den jüdischen Offizier Alfred Dreyfus im Frankreich der Dritten Republik, dessen Verlauf und deren Konsequenzen.
Spricht man in Frankreich von „Affaire“, geht es meistens um Alfred Dreyfus und damit um die schwerste innenpolitische Krise der 3. Republik Frankreichs.
Der Geheimdienst der französischen Armee fand 1894 im Papierkorb der Deutschen Botschaft eine Nachricht, die an den deutschen Militärattaché Maximilian von Schwartzkoppen gerichtet war. Dieses so genannte „Bordereau“ enthielt Militärgeheimnisse, die den Deutschen zum Kauf angeboten wurden.
Man verdächtigte sofort Dreyfus, den einzigen Hauptmann jüdischer Abstammung, da er neben wenig anderen Zugang zu diesen Informationen hatte.
Er wurde trotz sehr schlechter Beweislage verhaftet und in einem mysteriösen Gerichtsverfahren zur Höchststrafe für Hochverrat - das heißt Degradierung, Deportation und lebenslanger Haft auf der Teufelsinsel - verurteilt.
Das Urteil rief anfangs in Frankreich eine positive Reaktion hervor,
„[…] da ein reicher Mann und zudem ein Jude verurteilt worden war“ (Bergmann:2002, S.56)
Bis zur tatsächlichen Aufklärung des Falles sollte jedoch noch ein langer Kampf geführt werden. Mit der Zeit kamen immer mehr Zweifel am Verfahren und Hinweise auf Dreyfus Unschuld auf, was zur Folge hatte, dass sich zwei Lager herausbildeten: die Dreyfusards, die um die Rehabilitierung von Dreyfus gegen die so genannten Anti-Dreyfusards kämpften. Dies zog einen regelrechten innenpolitischen Machtkampf nach sich.
Der wahre Täter wurde „[…] trotz massiver Behinderungen von offizieller Seite […]“ (Bergmann: 2002; S.56)gefunden, doch schnell wieder freigesprochen.
Eine bedeutende Rolle auf der Seite der Dreyfusards nahm Émile Zola ein. Er wendete sich 1898 mit seinem berühmten Brief „J´accuse“ an die Öffentlichkeit, der als eine Art Wende in der Affäre gilt. Das Beweismaterial für den wahren Schuldigen häufte sich immer mehr und entlastete zunehmend Dreyfus. Nach mehreren Verfahren wurde erst 1906 das Urteil gegen Dreyfus annulliert und er wurde vollständig rehabilitiert.
Im Teil I sollen die historischen Grundlagen dargestellt werden. Ich versuche dabei ein Bild Frankreichs unter der Dritten Republik zu skizzieren und mich näher mit dem in der Zeit aufkommendem Antisemitismus auseinanderzusetzen. Vor diesem Hintergrund schließt sich im Teil II ein Rückblick auf den historischen Ablauf der gesamten Affäre an.
Inhaltsverzeichnis
1.) Einleitung
2.) Teil I: Grundlagen
2.1. Frankreich während der III. Republik (1870-1940)
2.2. Antisemitismus und Judenintegration in der III. Republik
3.) Teil II: Historischer Verlauf der Affäre
3.1. Alle gegen Einen: Alfred Dreyfus als Verräter
3.1.1. Der Fund des „Bordereau“
3.1.2. Die Suche nach dem Verräter
3.1.3. Das Verhör und die Verhaftung
3.1.4. Die Verhandlung von 1894
3.1.5. Dreyfus Degradierung und Deportation
3.2. Die Wahrheit dringt ans Licht
3.2.1. Das „Petit bleu“
3.2.2. Der wahre Schuldige und seine Verurteilung
3.3. Die „Grand Affaire“
3.3.1. Die Spaltung der Gesellschaft
3.3.2. Die Rolle der Intellektuellen
3.3.3. Zolas Engagement, „J´accuse“ und dessen Folgen
3.4. Die Wende
3.4.1. Major Henrys Geständnis und Selbstmord
3.5. Der Weg zur Rehabilitation
3.5.1. Die Revision des Falles von 1894
3.5.2. Begnadigung und Amnestie
3.5.3. Vollständige Rehabilitation
4.) Schlusswort:
4.1. Bilanz und Bedeutung der Affäre
Literaturverzeichnis
1.) Einleitung
Spricht man in Frankreich von „Affaire“, geht es meistens um Alfred Dreyfus und damit um die schwerste innenpolitische Krise der 3. Republik Frankreichs.
Der Geheimdienst der französischen Armee fand 1894 im Papierkorb der Deutschen Botschaft eine Nachricht, die an den deutschen Militärattaché Maximilian von Schwartzkoppen gerichtet war. Dieses so genannte „Bordereau“ enthielt Militärgeheimnisse, die den Deutschen zum Kauf angeboten wurden.
Man verdächtigte sofort Dreyfus, den einzigen Hauptmann jüdischer Abstammung, da er neben wenig anderen Zugang zu diesen Informationen hatte.
Er wurde trotz sehr schlechter Beweislage verhaftet und in einem mysteriösen Gerichtsverfahren zur Höchststrafe für Hochverrat - das heißt Degradierung, Deportation und lebenslanger Haft auf der Teufelsinsel - verurteilt.
Das Urteil rief anfangs in Frankreich eine positive Reaktion hervor,
„[…] da ein reicher Mann und zudem ein Jude verurteilt worden war“ (Bergmann:2002, S.56)
Bis zur tatsächlichen Aufklärung des Falles sollte jedoch noch ein langer Kampf geführt werden. Mit der Zeit kamen immer mehr Zweifel am Verfahren und Hinweise auf Dreyfus Unschuld auf, was zur Folge hatte, dass sich zwei Lager herausbildeten: die Dreyfusards, die um die Rehabilitierung von Dreyfus gegen die so genannten Anti-Dreyfusards kämpften. Dies zog einen regelrechten innenpolitischen Machtkampf nach sich.
Der wahre Täter wurde „[…] trotz massiver Behinderungen von offizieller Seite […]“ (Bergmann: 2002; S.56)gefunden, doch schnell wieder freigesprochen.
Eine bedeutende Rolle auf der Seite der Dreyfusards nahm Émile Zola ein. Er wendete sich 1898 mit seinem berühmten Brief „J´accuse“ an die Öffentlichkeit, der als eine Art Wende in der Affäre gilt. Das Beweismaterial für den wahren Schuldigen häufte sich immer mehr und entlastete zunehmend Dreyfus. Nach mehreren Verfahren wurde erst 1906 das Urteil gegen Dreyfus annulliert und er wurde vollständig rehabilitiert.
Im Teil I sollen die historischen Grundlagen dargestellt werden. Ich versuche dabei ein Bild Frankreichs unter der Dritten Republik zu skizzieren und mich näher mit dem in der Zeit aufkommendem Antisemitismus auseinanderzusetzen.
Vor diesem Hintergrund schließt sich im Teil II ein Rückblick auf den historischen Ablauf der gesamten Affäre an.
Im letzten Teil beschäftige ich mich zusammenfassend mit den Ergebnissen der Affäre und ihrer Bedeutung und versuche schlussfolgernd eine Art Bilanz zu ziehen.
2.) Teil I: Grundlagen
2.1. Frankreich während der III. Republik (1870-1940)
Nach dem Deutsch-Französischen Krieg rief die provisorische republikanische Regierung am 28.01.1871 den Waffenstillstand aus. Zunächst standen die Friedensverhandlungen sowie die Wahl einer Regierung im Vordergrund[1].
Problematisch war die Parteistruktur der Zeit, die stark zersplittert und sehr unübersichtlich war.
„Von Parteien zu sprechen, geht schon zu weit; es handelte sich um politische Richtungen, die […] ein Spiegelbild der französischen Geschichte des Jahrhunderts, weniger eine soziale Gruppierung darstellten“ (Schieder: 2002, S.138)
Weder die Anhänger der Monarchie noch die Republikaner bildeten eine Einheit unter sich, sondern waren in verschiedene Gruppen gespalten. Bei den Wahlen zur Nationalversammlung 1871 erhielten die Monarchisten die Mehrheit, was dazu führte
„[…] da[ss] jetzt das Problem der Wiederherstellung der Monarchie zur zentralen Frage der französischen Politik zwischen 1871 und 1875 wurde“ (Schieder: 2002, S.138)
Die völlig voneinander abweichenden Vorstellungen der monarchistischen Gruppen von der politischen Zukunft verhinderten letztendlich die Entstehung einer neuen Monarchie.
Thiers wurde zum Chef der Exekutive des vorläufigen Übergangsregimes gewählt. Im März 1871 wurde der Präliminarfrieden ratifiziert, das Elsass und ein Teil Lothringens an das Deutsche Reich abgetreten sowie die Zahlung von Reparationen festgelegt. Im Mai wurde dann endgültig der Friedensvertrag von Frankfurt unterzeichnet.
Doch in Frankreich blieb es unruhig. Noch im selben Jahr 1871 kam es in Paris zum sozialrevolutionären Aufstand der Pariser Kommune, der Paris in einen blutigen Bürgerkrieg stürzte. Der Regierungschef befahl, die Pariser Nationalgarde zu entwaffnen, woraufhin es zum Kommuneaufstand kam, der mit vielen Toten und Verletzten und der Unterlegung der Kommune in der so genannten „blutigen Woche“ (21.-28.Mai) endete.
Republikanisches Gedankengut gewann mehr und mehr an Bedeutung. Es fanden sich zunehmend Anhänger für Thiers, der Ende August 1871 zum Präsidenten gewählt wurde. Doch es kam weiterhin auch zu anwachsenden Spannungen. Bei der Abstimmung 1873 erhielt Thiers keine Mehrheit und trat deshalb zurück. Der monarchistisch gesinnte Marschall Mac-Mahon wurde auf sieben Jahre zum Chef der Exekutive gewählt. Die Entwicklung richtete sich aber weiter auf ein parlamentarisches Regime. Nun wurde erstmals eine Kommission eingesetzt, um Grundgesetze auszuarbeiten und damit die verfassungsrechtlichen Grundlagen zu schaffen.
„Die Dritte Republik war damit begründet“(Schieder: 2002; S.139)
Die Republik festigte sich zunehmend. Im Jahre 1879 trat Mac-Mahon zurück.
„Damit war […] das Ende des Monarchismus und mit ihm des politischen Einflusses von Seiten des Adels […] gekommen“ (Schieder: 2002; S.139)
Die Nationalversammlung wählte 1879 den Republikaner Jules Grévy als Nachfolger. Zunächst setzten die Republikaner eine Revision der Verfassung von 1875 durch und führten verschiedene Reformen durch.
Mitte der achtziger Jahre kam es zu Unzufriedenheit, die durch die große wirtschaftliche Depression verursacht wurde und sich in einer Bewegung niederschlug, die von General Boulanger angeführt und nach ihm benannt wurde. 1888 folgten die ersten Wahlerfolge der Boulangisten, doch schon 1889 wurde ihre „Vereinigung“ wieder aufgelöst und ihr Führer der Verschwörung angeklagt.[2]
Die Dritte Republik ist trotz mehrerer Krisen - Boulanger-Krise von 1887 bis 1889, Dreyfus-Krise von 1894 bis 1899 sowie dem Panamaskandal - , welche die Republik erschütterten und die Gesellschaft spalteten, von dem geschaffenen System der Jahre 1875 bis 1877 bis zum Ende der Dritten Republik 1940 nicht mehr abgewichen.[3]
Ein weiterer wichtiger Aspekt war die Trennung von Kirche und Staat 1905. Die katholische Kirche übte bislang einen großen Einfluss aus, besonders auf das Schulwesen. Seit den achtziger Jahren wurde zunehmend die Laizisierung des Landes eingeleitet, das heißt die strikte Trennung von Kirche und Staat und die damit einhergehende Verweltlichung und religiöse Neutralität, die bis in unsere heutige Zeit einen prägenden „[…] Grundzug der [französischen] Republik […]“ (Hartmann: 2001, S.81) darstellt.
Zusammenfassend hatte Frankreich bis dahin
„[a]ls Republik […] seine Niederlage von 1870 [überwunden] und [ist] zu einer der führenden Kolonialmächte [aufgestiegen]“ (Schieder: 2002; S.141)
2.2. Antisemitismus und Judenintegration in der III. Republik
Besonders Frankreich und Deutschland waren in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Zentren judenfeindlichen Denkens, wobei der Antisemitismus in Frankreich eher traditionell religiös bestimmt blieb und durch die am Ende des 19. Jahrhunderts aufkommende Dreyfus - Affäre an Einfluss verlor[4].
Die Niederlage Frankreichs im Deutsch-Französischen Krieg 1871 und die am 4. September ausgerufene Dritte Republik schockte das französische Selbstbewusstsein. In den darauf folgenden 1870er Jahren wurde die republikanische Staatsform mithilfe von Gesetzen durchgesetzt, die Demokratie wurde in einigen Bereichen gestärkt, der Einfluss der Kirchen auf den Staat wurde begrenzt und die Kolonialpolitik war erfolgreich genug, um Frankreich auch innenpolitisch zu stärken. Doch das soziale Klima verschlechterte sich durch eine schwere Wirtschaftskrise und finanzielle Misere.
Ab 1882 entstanden zunehmend antisemitische Zeitschriften (Drumonts „La Libre Parole“, Guérins „L´Antijuif“) sowie Bücher, in denen die Juden als Sündenböcke für alle Unzufriedenheiten dienen mussten. Sie seien Schuld an der wirtschaftlichen Krise und damit der Arbeitslosigkeit, dem Elend der Bevölkerung und dem Zusammenbruch der katholischen Bank „Union générale“ durch die jüdische Konkurrenz in den Finanzen. Der Hass wurde zunehmend durch einige jüdische Einzelpersonen geschürt, die in der 3. Republik zu großem Reichtum und hohen Positionen aufgestiegen waren.
Ab Mitte der achtziger Jahre kam es zur Entstehung eines „[…] populären Antisemitismus […]“ (Bergmann: 2002; S.53). Ausschlaggebend dafür war die boulangistische Bewegung, in der Antisemitismus zur Wahlpropaganda wurde. Doch bald war diese Bewegung wieder zusammengebrochen. Der Hass gegen die Juden blieb jedoch weiterhin vorhanden.
Nach 1881 strömten arme jüdische Flüchtlinge aus Osteuropa vor Pogromen nach Frankreich. Sie sprachen jiddisch und hielten an ihrer Religion und ihren Bräuchen fest. Dieses Bild der „[…] filthy Jew[s]“ (Cahm: 1996; S.12) stärkte den Hass auf die gesamte jüdische Bevölkerung.[5]
Die Besonderheit im französischen Antisemitismus lag darin, dass er in der politischen Rechten als auch Linken vertreten war und sich beide Parteien
„[…] in der Ablehnung des Erbes der Französischen Revolution und ihrer Träger (Liberale, Juden, Protestanten) einig waren […]“ (Bergmann: 2002; S.54)
Aus den Wahlen 1893 gingen die Republikaner erfolgreich hervor, die antisemitische Rechte schnitt schlecht dabei ab.
Die kommende Dreyfus-Affäre änderte das politische Klima schlagartig: der Hass gegen Juden wurde von nun an offen präsentiert. Der offene Antisemitismus hatte zwischen 1898 und 1900 seinen Höhepunkt und es kam zu diversen antijüdischen Ausschreitungen. Während Dreyfusards Artikel zur Verteidigung Dreyfus sowie der Situation der Juden allgemein veröffentlichen, überfluteten die Anti-Dreyfusards das Land mit Unmengen von Hetzerzeugnissen wie Karikaturen, Broschüren, etc. antisemitischen Inhalts.
[...]
[1] Nach: Hartmann, Peter C. (2001). Geschichte Frankreichs. München: Verlag C.H.Beck.
[2] Nach: Bergmann: 2002, S. 52f.
[3] Nach: Schieder: 2002; S.139
[4] Nach: Bergmann, Werner (2002). Geschichte des Antisemitismus. München: Verlag C.H.Beck.
[5] Nach: Cahm, Eric (1996). The Dreyfus Affair in French society and politics. N. Y.: Longman Publishing.
- Quote paper
- Jacqueline Herrmann (Author), 2004, Die Dreyfus-Affäre als schwerste innenpolitische Krise der 3. Republik Frankreichs, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/86909
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