Als ich den "Homo sociologicus" von Ralf Dahrendorf das erste Mal gelesen habe, fand ich ihn in sich schlüssig und äußerst logisch. Es fiel mir schwer Kritikpunkte anzubringen. Dies lag zum Teil daran, dass R. Dahrendorf keine Allgemeingültigkeit für sein Modell des homo sociologicus beansprucht und oft an Stellen, die man hinterfragen könnte, selbst sagt, dass die Theorie nicht für den "ganzen Menschen" gilt, oder gar teilweise für soziologische Theorien gar nicht so wichtig ist.
Dennoch haben sich natürlich viele Autoren kritisch mit dem Text befasst und es interessierte mich, welche Punkte sich an diesem Text wissenschaftlich kritisieren lassen. Deshalb habe ich das Buch "Kritik der Rollentheorie und ihre Anwendung in der bürgerlichen deutschen Soziologie" von Frigga Haug ausgesucht. Sie befasst sich in ihm mit der Brauchbarkeit des Rollenbegriffes und seines Nutzens innerhalb der Gesellschaft. Dabei bezieht sie sich kritisch auch auf R. Dahrendorf.
F. Haug geht in ihrem Buch noch auf verschiedene andere Theoretiker und ihre Rollenbegriffe ein. Ich beschränke mich jedoch auf die Auseinandersetzung mit dem homo sociologicus, da sich die verschiedenen Theorien teilweise widersprechen und eine Auseinandersetzung mit ihnen den Rahmen der Hausarbeit sprengen würde.
In meiner Arbeit stelle ich zuerst den homo sociologicus des R Dahrendorf dar. Dabei kläre ich die wichtigen Begriffe und arbeite heraus, wo und in welchem Maße R. Dahrendorf die Brauchbarkeit seiner Theorie für die Soziologie sieht. Anschließend beziehe ich mich auf die positive und negative Kritik von F. Haug. Zum Schluss ziehe ich ein "Kritik-Resümee" und eine Bilanz über die Kritikmöglichkeiten, die mir selbst zuvor verschlossen geblieben waren.
Die Sozialwissenschaften beschreiben verschiedene Menschenbilder, denen wir in der Realität des alltäglichen Lebens nicht begegnen werden. So gibt es zum Beispiel den "psychological man" in der Psychologie, den "homo politicus" der Politikwissenschaft und den "homo oeconomicu"“ in der Soziologie. In diese Reihe lässt sich der "homo sociologicus" einfügen. Auch er ist "kein Abbild der Wirklichkeit, sondern eine wissenschaftliche Konstruktion". Der reale Mensch als Ganzes in unserer Lebenswirklichkeit entzieht sich dem Zugriff der wissenschaftlichen Disziplinen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Der HOMO SOCIOLOGICUS des R. Dahrendorfs
2.1. Verschiedene Bilder des Menschen
2.2. Die ärgerliche Tatsache der Gesellschaft
2.3. Positionsfeld, soziale Position und Positionssegment
2.4. Die soziale Rolle
2.5. Erwartungen und Sanktionen
2.6. Die drei Arten der Erwartungen
2.7. Das Erlernen und Erwerben sozialer Rollen
2.8. Wo ist der reale Mensch? Das Paradoxon des homo sociologicus
2.9. Die Brauchbarkeit des Rollenbegriffes
3. Frigga Haug: Kritik der Rollentheorie und ihre Anwendung in der bürgerlichen deutschen Soziologie
3.1. Kurze Inhaltsangabe der Kritik
3.2. Positive Kritik an Dahrendorf
3.3. Ein allgemeiner Nutzen der Rollentheorie
3.4. Negative Kritik an Dahrendorf
3.5. Kritische Schlussfolgerungen
4. Resümee
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Als ich den homo sociologicus von Ralf Dahrendorf das erste Mal gelesen habe, fand ich ihn in sich schlüssig und äußerst logisch. Es fiel mir schwer Kritikpunkte anzubringen. Dies lag zum Teil daran, dass R. Dahrendorf keine Allgemeingültigkeit für sein Modell des homo sociologicus beansprucht und oft an Stellen, die man hinterfragen könnte, selbst sagt, dass die Theorie nicht für den „ganzen Menschen“ gilt, oder gar teilweise für soziologische Theorien gar nicht so wichtig ist.
Dennoch haben sich natürlich viele Autoren kritisch mit dem Text befasst und es interessierte mich, welche Punkte sich an diesem Text wissenschaftlich kritisieren lassen. Deshalb habe ich das Buch „Kritik der Rollentheorie und ihre Anwendung in der bürgerlichen deutschen Soziologie“[1] von Frigga Haug ausgesucht. Sie befasst sich in ihm mit der Brauchbarkeit des Rollenbegriffes und seines Nutzens innerhalb der Gesellschaft. Dabei bezieht sie sich kritisch auch auf R. Dahrendorf.
F. Haug geht in ihrem Buch noch auf verschiedene andere Theoretiker und ihre Rollenbegriffe ein. Ich beschränke mich jedoch auf die Auseinandersetzung mit dem homo sociologicus, da sich die verschiedenen Theorien teilweise widersprechen und eine Auseinandersetzung mit ihnen den Rahmen der Hausarbeit sprengen würde.
In meiner Arbeit stelle ich zuerst den homo sociologicus des R Dahrendorf dar. Dabei kläre ich die wichtigen Begriffe und arbeite heraus, wo und in welchem Maße R. Dahrendorf die Brauchbarkeit seiner Theorie für die Soziologie sieht. Anschließend beziehe ich mich auf die positive und negative Kritik von F. Haug. Zum Schluss ziehe ich ein „Kritik-Resümee“ und eine Bilanz über die Kritikmöglichkeiten, die mir selbst zuvor verschlossen geblieben waren.
2. Der HOMO SOCIOLOGICUS des R. Dahrendorfs
2.1. Verschiedene Bilder des Menschen
Die Sozialwissenschaften beschreiben verschiedene Menschenbilder, denen wir in der Realität des alltäglichen Lebens nicht begegnen werden. So gibt es zum Beispiel den „psychological man“ in der Psychologie, den „homo politicus“ der Politikwissenschaft und den „homo oeconomicus“ in der Soziologie. In diese Reihe lässt sich der „homo sociologicus“ einfügen. Auch er ist „kein Abbild der Wirklichkeit, sondern eine wissenschaftliche Konstruktion.“[2] Der reale Mensch als Ganzes in unserer Lebenswirklichkeit entzieht sich dem Zugriff der wissenschaftlichen Disziplinen. Wenn also im Folgenden von dem homo siciologicus die Rede ist, ist nicht der reale Mensch, sondern das Konstrukt der Theorie, an Hand dessen man die Handlungen der Menschen untersuchen und erklären will, gemeint. Diese Zweiteilung, dieses Paradoxon, ist nach Dahrendorf nicht das Ziel, aber die ärgerliche Konsequenz „jener Art und Weise, uns sonst dunkle Ausschnitte der Welt verständlich zu machen, die wir Wissenschaft nennen.“[3] Dennoch darf der Alltagsmensch nicht vergessen werden, sondern muss stets im Hintergrund präsent sein.
2.2. Die ärgerliche Tatsache der Gesellschaft
Ein Grundproblem der Soziologie ist nach Dahrendorf die Gesellschaft. Jeder Mensch gehört zu ihr, lebt in und mit ihr. Da unser Handeln nicht vom Zufall abhängt, wird es von der Gesellschaft (mit-) bestimmt. Bei einer soziologischen Analyse des Handelns kann man die Gesellschaft nicht außen vor lassen, was sie zu einer „ärgerlichen Tatsache“[4] macht. Der homo sociologicus ist ein Erklärungsmodell für die Verbindung von Mensch und Gesellschaft. Er stellt den Menschen als Träger von der Gesellschaft vorgeformter Rollen dar. Als dieser bildet er den Schnittpunkt zwischen Mensch und Gesellschaft.[5]
2.3. Positionsfeld, soziale Position und Positionssegment
Jeder Mensch hat im sozialen Netz der Gesellschaft verschiedene Positionen inne. Diese Orte im Feld sozialer Beziehungen, nennt man „soziale Positionen“[6]. Sie sind vom Einzelnen unabhängig denkbar, d.h. sie sind von verschiedenen Menschen ausfüllbar. Wird zum Beispiel die Stelle eines Lehrers frei, kann diese Position von einer anderen qualifizierten Person wahrgenommen werden. Insgesamt gibt es mehr Positionen als Menschen in der Gesellschaft, aber nicht jede Position kann von jedem Menschen angenommen werden. Neben den „ascribed positions“[7], welche der Mensch automatisch zugeschriebenen bekommt(z.B. Alter, Nationalität), gibt es die „achieved positions“[8]. Sie müssen erworben werden. Dies kann z.B. durch eine Ausbildung, ein Studium oder eine Wahl geschehen.
Jede Position steht mit anderen Positionen in Verbindung, deshalb spricht Dahrendorf von Positionsfeldern[9]. Zum Positionsfeld des Lehrers gehören z.B. die Positionen Schüler, Eltern, Direktor usw.. Teilweise können sich Positionsfelder überschneiden, aber sie sind nie deckungsgleich. Welche Positionen zu einem Positionsfeld gehören, wird im Zusammenhang der Gesellschaft bestimmt.
Durch die Verbindungen zu anderen Positionen im Positionsfeld ergeben sich verschiedene Beziehungsrichtungen. Die Position lässt sich dadurch in verschiedene Positionssegmente[10] aufteilen. Eines aus dem obigen Beispiel wäre das Segment „Lehrer – Schüler“. Mit der Anzahl der Positionssegmenten steigt die Komplexität der Position an.
In der Gesellschaft nimmt jeder Einzelne mehrere Positionen ein. Es „lässt sich vermuten, dass die Zahl der auf Einzelne entfallenen Positionen mit der Komplexität von Gesellschaften wächst.“[11].
2.4. Die soziale Rolle
Doch jeder Mensch ist mehr als der Träger seiner Positionen. Man erfährt zwar einiges durch sein Aussehen und das Innehaben einer Position über ihn, aber nicht alles. Dennoch, auch wenn Personen nicht näher gekannt werden, werden auf Grund ihrer Positionen bestimmte Verhaltensweisen von ihnen erwartet, denn „zu jeder sozialen Position gehört eine soziale Rolle“[12]. Diese Rolle ist ein vom Einzelnen unabhängiger Komplex von Verhaltenserwartungen, die, wie die sozialen Positionen, von der Gesellschaft bestimmt wird. Es gibt seitens der Gesellschaft Ansprüche an das Rollenverhalten, wie verhält man sich rollengerecht, und an die Rollenattribute, dies sind Erwartungen hinsichtlich des Aussehens und des Charakters der/ des Rolleninhabenden[13]. Da diese Erwartungen von der Gesellschaft vermittelt werden, sind Position und Rolle die Bindeglieder zwischen der Gesellschaft und dem Einzelnen. Deshalb sind die Begriffe „Position“, sie gibt den Ort in der Gesellschaft an, und „Rolle“, sie zeigt die Art der Beziehung zwischen Trägern von verschiedenen Rollen an, die wichtigsten Begriffe des homo sociologicus.
[...]
[1] Haug, Frigga: Kritik der Rollentheorie und ihre Anwendung in der bürgerlichen deutschen Soziologie. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag GmbH 1972
[2] Dahrendorf, Ralf: HOMO SOCIOLOGICUS, Ein Versuch zur Geschichte, Bedeutung und Kritik der Kategorie der sozialen Rolle. 5. Auflage. Köln und Opladen: Westdeutscher Verlag 1958 und 1964. S.17
[3] Ebd. S.17
[4] Vgl. ebd. S.14
[5] Vgl. ebd. S.16
[6] Vgl. ebd. S24
[7] Vgl. ebd. S.43
[8] Vgl. ebd. S.43
[9] Vgl. ebd. S.24
[10] Vgl. ebd. S.24
[11] Ebd. S.24
[12] Ebd. S.26
[13] Vgl. ebd. S.26
- Quote paper
- Katrin Grebing (Author), 2002, Der Homo sociologicus in der Kritik von Frigga Haug, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/86881
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