„Die Geschichte von Carmen ist … die ewige Geschichte von Liebe und Hass.“
Carlos Saura trifft mit dieser Aussage die unverwechselbare Quintessenz der Carmenthematik, die bis in die heutige Zeit nichts an ihrer Anziehungskraft eingebüßt hat. Schon die ursprüngliche „Carmen“, wie sie in der Novelle vom französischen Schriftsteller Prosper Mérimée zu finden ist, ist eine der prägnantesten Grenzgängerinnen, die gegen die Ordnung der streng verwalteten gesellschaftlichen Werte und Normen eine Stichflamme hitziger Emotionen entgegensetzt und die Vernunft ins Abseits befördert.
Bereits Nietzsche lobte Carmen als eine Absage an die Dekadenz und ihre Überwindung. Die traditionellen, moralischen und abgegriffenen Kategorien von Gut und Böse lässt das Carmen Werk hinter sich und zentralisiert das Gegenüber von Liebe und Hass, Leidenschaft und Vernunft in einen neuen aber wieder erkennbaren Kontext.
Dieser immer noch aktuelle Stoff der tragischen Zigeunerliebe bildete die Basis für zahlreiche Carmenvariationen seit seiner Entstehung. Hier spielen vor allem die unterschiedlichen Betrachtungs- und Leseweisen eine primäre Rolle. Der Text bietet sich in den verschiedensten Blickwinkeln an, sei es zum Beispiel in der Analyse der gesellschaftlichen Randgruppierung der Zigeuner und Banditen, der tragischen Liebesgeschichte oder sogar in Bezug auf die Freudschen Aspekte der Psychoanalyse.
Ich persönlich erachte die abwechslungsreichen Identifikationsangebote der Novelle gegenüber dem Leser als bedeutend, welche durch die Emotionen von Liebe, Eifersucht und dem Wunsch nach Andersartigkeit verbunden mit der Faszination des Verbotenen hervorgerufen wird. Aus diesem Grund werde ich mich in dieser Hausarbeit insbesondere mit der Thematik der emotionalen, fatalen Zigeunerliebe beschäftigen. Im Vordergrund steht vor allem die Frage nach der Verantwortlichkeit des dramatischen Ende der Liebenden. War es die diabolische Zigeunerin, die José mit ihren Reizen in den Abgrund getrieben hat, war es der soziale Kontext des Banditenmilieus der Carmens oder Josés Handeln determiniert hat oder war es eine Charakterschwäche des Navarresen mit einer so selbstbewussten Frau nicht umgehen zu können.
Um diese Fragen beantworten zu können, ist es wichtig sich die Puzzelteile der Novelle einzeln zu betrachten. Nach einer kurzen Einführung in den historischen Kontext und dem Novellenaufbau werde ich die einzelnen Stationen der Liebesentwicklung von Don José und Carmen inspizieren.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Historischer Kontext und formale Struktur
2.1 Autor und Werk
2.2 Novellenaufbau und Erzählstruktur
3. Aspekte
3.1 Stationen einer Leidenschaft
3.2 Grenzüberschreitung
3.3 Freiheitsanspruch
3.4 Fatum
4. Verkehrung der Geschlechterrollen
4.1 Carmen die Femme fatale par excelence
4.2 Don José
5. Fazit
1. Einleitung
„Die Geschichte von Carmen ist … die ewige Geschichte von Liebe und Hass.“[1]
Carlos Saura trifft mit dieser Aussage die unverwechselbare Quintessenz der Carmenthematik, die bis in die heutige Zeit nichts an ihrer Anziehungskraft eingebüßt hat. Schon die ursprüngliche „Carmen“, wie sie in der Novelle vom französischen Schriftsteller Prosper Mérimée zu finden ist, ist eine der prägnantesten Grenzgängerinnen, die gegen die Ordnung der streng verwalteten gesellschaftlichen Werte und Normen eine Stichflamme hitziger Emotionen entgegensetzt und die Vernunft ins Abseits befördert.
Bereits Nietzsche lobte Carmen als eine Absage an die Dekadenz und ihre Überwindung.[2] Die traditionellen, moralischen und abgegriffenen Kategorien von Gut und Böse lässt das Carmen Werk hinter sich und zentralisiert das Gegenüber von Liebe und Hass, Leidenschaft und Vernunft in einen neuen aber wieder erkennbaren Kontext.
Dieser immer noch aktuelle Stoff der tragischen Zigeunerliebe bildete die Basis für zahlreiche Carmenvariationen seit seiner Entstehung. Hier spielen vor allem die unterschiedlichen Betrachtungs- und Leseweisen eine primäre Rolle. Der Text bietet sich in den verschiedensten Blickwinkeln an, sei es zum Beispiel in der Analyse der gesellschaftlichen Randgruppierung der Zigeuner und Banditen, der tragischen Liebesgeschichte oder sogar in Bezug auf die Freudschen Aspekte der Psychoanalyse.
Ich persönlich erachte die abwechslungsreichen Identifikationsangebote der Novelle gegenüber dem Leser als bedeutend, welche durch die Emotionen von Liebe, Eifersucht und dem Wunsch nach Andersartigkeit verbunden mit der Faszination des Verbotenen hervorgerufen wird. Aus diesem Grund werde ich mich in dieser Hausarbeit insbesondere mit der Thematik der emotionalen, fatalen Zigeunerliebe beschäftigen. Im Vordergrund steht vor allem die Frage nach der Verantwortlichkeit des dramatischen Ende der Liebenden. War es die diabolische Zigeunerin, die José mit ihren Reizen in den Abgrund getrieben hat, war es der soziale Kontext des Banditenmilieus der Carmens oder Josés Handeln determiniert hat oder war es eine Charakterschwäche des Navarresen mit einer so selbstbewussten Frau nicht umgehen zu können.
Um diese Fragen beantworten zu können, ist es wichtig sich die Puzzelteile der Novelle einzeln zu betrachten. Nach einer kurzen Einführung in den historischen Kontext und dem Novellenaufbau werde ich die einzelnen Stationen der Liebesentwicklung von Don José und Carmen inspizieren. Aus dieser Entwicklung herausgehend, treten die Aspekte von Carmens Freiheitsanspruch, den des Grenzgängertums, die Schicksalhaftigkeit sowie das tragende Motiv der „Femme fatal par excellence“ in den zentralen Focus. Um auch der anderen Seite Gewichtung zugeben, wird im abschließenden Kapitel die Person des Don Josés kritisch reflektiert bevor im Fazit eine Quintessenz erfolgen kann.
2. Historischer Kontext und formale Struktur
2.1 Autor und Werk
Prosper Mérimée (* 28.09. 1803 in Paris; † 23 . 09 1870 in Cannes) wurde zu Lebzeiten nicht nur bekannt als berühmter Novellist, sondern ebenso als Jurist, Übersetzer, Orientalist, Globetrotter, Kabinettschef, Denkmalpfleger und Senator.[3]
Seine literarische Laufbahn begann Mérimée als Dramatiker und Lyriker; erst im Jahre 1829 betrat er das Gebiet der Novelle und des Romans, auf dem er seinen eigentlichen Berühmtheitsgrad erlangte.[4]
Merimées Werke sind zwischen Romantik und Realismus einzuordnen und zu seinen Vorbildern gehörten unter anderem Iwan Sergejewitsch Turgenew, Miquel de Cervantes, Victor Hugo und Alexander Puschkin, dessen Werk „die Zigeuner“ diverse Parallelen zum Carmentext aufweißt. Jedoch gilt es nicht als sicher, dass Mérimée Puschkins Werk bei seiner Niederschrift von Carmen gekannt hat.[5]
Die Carmen Novelle erschien im Erstdruck in der Revue des Deux Mondes am 01. Oktober 1845 als die Ausbeute zweier Spanienreisen, die Merimée 1830 und 1840 unternommen hatte.[6] So ist es nicht verwunderlich, das Prosper Mérimée als kolossaler Spanienliebhaber, der sich mit Begeisterung den Sitten, der Kultur sowie den unterschiedlichen Sprachen der Regionen hingab, dieses Land zum Schauplatz für seine tragische Zigeunerliebe erkor.
Eine weitere wichtige Grundlage der Carmennovelle fundiert auf einer spanischen Anekdote, die Mérimée auf seiner ersten Spanienreise von der Gräfin Montijo, späteren Gattin des Kaisers Napoléon III, erzählt wurde. Die Gräfin wurde zu einer sehr guten Freundin Mérrimées mit der er sich die berühmten Spanienbriefe, an denen sich die Carmennovelle partiell anlehnt, schrieb.[7]
Das dritte Kapitel und damit die Kernerzählung aus Mérimées Novelle diente 30 Jahre später als Vorlage für Georges Bizets berühmte Oper „Carmen“.[8] Aber nicht nur als Oper wurde Carmen bekannt, denn bis in die heutige Zeit folgten zahlreiche literarische Aufarbeitungen und Verfilmungen dieser Thematik, insbesondere zu nennen ist hier die erfolgreiche Comic-Fassung der Erzählung von Georges Pichard sowie die weltberühmte spanische Verfilmung von Carlos Saura 1983.
2.2 Novellenaufbau und Erzählstruktur
Interessant ist vor allem die Einkleidung der Novelle. Sie gliedert sich in eine Rahmen- und eine Binnenerzählung. In beiden dominiert die männliche Erzählperspektive der beiden Ich- Erzähler.
Grundlegend ist die Novelle in vier Kapitel unterteilt. Kapitel eins, zwei und vier gehören zur Rahmenhandlung und werden vom ersten Ich-Erzähler, einem zivilisierten, mitteleuropäischen Wissenschaftler und Berichterstatter, geleitet. Dieser Berichterstatter nimmt im ersten Kapitel ganz bewusst die Haltung eines Forschers ein, um das Geschilderte auf den Leser authentischer wirken zu lassen. Dabei beschreibt er die wilden Sitten Spaniens in Bezug auf den brisanten Kriminalfall, der sich ihm eröffnet.[9]
Die einzelnen Begegnungen mit dem Banditos Don José im ersten Kapitel sowie mit der Zigeunerin Carmen im zweiten Kapitel werden erst durch das dritte Kapitel in einen zeitlichen und hintergründigen Kontext verständlich.
Das dritte Kapitel bildet dabei die eigentliche Haupthandlung. Die Erzählperspektive kippt an dieser Stelle und wird nun vom Verurteilten Don José übernommen. Im Gegensatz zu der Narration des Forschers, ist diese geprägt von Emotionalität und erinnert an eine Art Lebensbeichte.[10]
Der Ich-Erzähler der Rahmenhandlung sowie Don Josés erzählen ihre Erlebnisse, wobei der verurteilte Navarrese dies mündlicht tut während der Forscher sich mittels des Mediums der Schrift bedient, jedoch im Tonfall des mündlichen Berichtens.[11]
Das vierte und damit letzte Kapitel wird von der Erzählerinstanz des Wissenschaftlers wieder übernommen und wirkt im Gegensatz zu den vorherigen fast zusammenhangslos. Es bewirkt eine Abschwächung der dramatischen Spannung und stellt eine Illusionszerstörung dar.[12]
Abhandlung im vierten Kapitel über die Sitten und Gebräuche der Zigeuner, erschien erst in einer gesonderten Ausgabe von Mérimée 1852 und beruhte auf vertieften Forschungen dieser Volkskultur.
3. Aspekte
3.1 Stationen einer Leidenschaft
Die eigentliche Liebesgeschichte befindet sich, wie bereits erwähnt, in der Binnenerzählung. Ihre dramatische Struktur lässt sich sehr gut an dem klassischen „Fünf Phasen Schema“ des Dramenaufbaus anlehnen.
Die Exposition wird mit der ersten Begegnung von Don José und Carmen vor der Tabakmanufaktur eröffnet. Mit der Faust in der Hüfte, einem lockeren Blick, begleitet von den anzüglichen Komplimenten der Einheimischen schnippt sie dem schüchternden Offizier Don José eine Akazienblüte wie eine Kugel genau zwischen die Augen. Es scheint, als würde sie ihm damit seinen Verstand eliminieren. Schon jetzt fällt auf, dass es die ausgeprägten Gegensätze der beiden Protagonisten sind, die eine gewisse Anziehungskraft auf den anderen ausüben.[13]
So reizt Carmen an José das schüchternde, zurückhaltende Verhalten das in dieser Szene im starken Kontrast zu Carmens Landsmännern steht. José jedoch wird von Carmens androgynem Verhalten inspiriert, ihrem kokettenhaften, freizügigem Wesen, welches dem Navarresen in Bezug auf die Frauen seiner Heimat unbekannt ist.[14]
Die steigende Handlung mit dem erregenden Moment wird ersichtlich in der Verhaftung Carmens von José und der darauf folgenden Liebesnacht. Hier widersetzt sich der junge Offizier das erste Mal für Carmen den Gesetzen, in dem er die Mörderin entwischen lässt. Das auslösende Motiv zu dieser Tat bildet die baskische Sprache, bei der der wurzellose Navarrese ein Gefühl von heimatlicher Verbundenheit Carmen gegenüber entwickelt.[15] Hier lassen sich insbesondere die konträren Charakterzüge der beiden Protagonisten erkennen wie schon Carmen bemerkt: „Aber das kann nicht lange dauern, Wolf und Hund passen nicht lang gut zusammen.“[16]
[...]
[1] Vgl. Spiegel, S. 194
[2] Vgl. Spiegel, S. 190
[3] Vgl. Opernführer, S. 714
[4] Vgl. Falke, S. 32
[5] Vgl. Carmen Goldmann, S. 94
[6] Vgl. Carmen Reclam, S. 81
[7] Vgl. Falke, S. 77
[8] Vgl. Opernführer, S. 714
[9] Vgl. Falke, S. 77
[10] Ebd. S.77
[11] Vgl. Carmen Goldmann, S. 101
[12] Vgl. Bork, S. 62
[13] Ebd., S. 69
[14] Ebd., S. 68
[15] Ebd., S. 73
[16] Vgl. Carmen Reclam, S. 42
- Arbeit zitieren
- Stephanie Kurmes (Autor:in), 2007, Carmen - Analyse einer fatalen Liebe, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/86828
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