Susanna Margaretha Brandt ist die wohl bekannteste Kindsmörderin des 18. Jahrhunderts. Ihr Fall wurde nicht nur in Goethes Faust in Form der Gretchen-Tragödie literarisch verarbeitet, auch Heinrich Leopold Wagner ließ sich von dem Motiv Brandts zu dem Drama Die Kindermörderin inspirieren.
Susanna Margaretha Brandt zog 1770 von Mainz nach Frankfurt, um im Gasthaus „Zum Einhorn“ als Magd zu arbeiten. Im gleichen Jahr kam Goethe nach Frankfurt. Er hatte zu einem späteren Zeitpunkt durch seine familiären Verbindungen und seine Ausbildung zum Juristen Einsicht in sämtliche Prozessunterlagen. Sein Onkel leitete das Verhöramt, sein Großonkel und Großvater gehörten dem Rat an. Des Weiteren pflegte Goethe intensive Kontakte zu den am Prozess beteiligten Schreibern und Medizinern.
Susannas Eltern waren früh verstorben. Als Waise fand sie sich bereits als junges Mädchen von Geburt an in der untersten Bevölkerungsschicht wieder, hatte dennoch stets die Hoffnung, wie ihre Schwester, durch eine vorteilhafte Heirat gesellschaftlich aufzusteigen. Ihre Arbeit im Gasthaus „Zum Einhorn“ brachte der damals 25jährigen finanziell nicht viel ein. Es gehörte zu den „einfachen“ Häusern und die Wirtin hatte von der Stadtverwaltung nicht die Erlaubnis bekommen, fremde Gäste zu bewirten.
1770 lernte Susanna einen Holländer kennen und wurde nach einmaligem Geschlechtsverkehr von ihm schwanger. Eine wirkliche Chance auf eine gemeinsame Zukunft bestand für die beiden jedoch nicht. Durch seinen Beruf als Handelsdiener oder Goldschmied (über seinen Beruf gibt es unterschiedliche Angaben) verlässt er Frankfurt nach kurzer Zeit und zieht nach St. Petersburg. Er hatte jedoch nie die Absicht, Susanna zu heiraten.
Die Magd sah für sich und das Kind keine Zukunft. In den ersten Monaten leugnete sie konsequent gegenüber ihren Schwestern und ihrer Arbeitgeberin eine Schwangerschaft. Auch ärztlich Untersuchungen konnten nicht attestieren, dass Susanna ein uneheliches Kind erwartete. Die bleibenden Zweifel seitens ihrer Arbeitgeberin führten dazu, dass sie als Magd entlassen wurde.
Am Tag ihrer Entlassung, den 2. August 1771, brachte sie ihr Kind zur Welt und tötet es direkt nach der Geburt. Die Wirtin fand im Gasthaus eine Blutlache und informierte Susannas Schwester Hechtel. Ihr gegenüber gestand Susanna die Tat und flüchtete nach Mainz.
Inhaltsverzeichnis
1. Die Kindsmörderin Susanna Margaretha Brandt
2. Evchen Humbrecht: Die Kindermörderin in Wagners Drama
3. Evchen und Gretchen im Vergleich
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis
1. Die Kindsmörderin Susanna Margaretha Brandt
Susanna Margaretha Brandt ist die wohl bekannteste Kindsmörderin des 18. Jahrhunderts. Ihr Fall wurde nicht nur in Goethes Faust in Form der Gretchen-Tragödie literarisch verarbeitet, auch Heinrich Leopold Wagner ließ sich von dem Motiv Brandts zu dem Drama Die Kindermörderin inspirieren.
Susanna Margaretha Brandt zog 1770 von Mainz nach Frankfurt, um im Gasthaus „Zum Einhorn“ als Magd zu arbeiten. Im gleichen Jahr kam Goethe nach Frankfurt. Er hatte zu einem späteren Zeitpunkt durch seine familiären Verbindungen und seine Ausbildung zum Juristen Einsicht in sämtliche Prozessunterlagen. Sein Onkel leitete das Verhöramt, sein Großonkel und Großvater gehörten dem Rat an. Des Weiteren pflegte Goethe intensive Kontakte zu den am Prozess beteiligten Schreibern und Medizinern.[1]
Susannas Eltern waren früh verstorben. Als Waise fand sie sich bereits als junges Mädchen von Geburt an in der untersten Bevölkerungsschicht wieder, hatte dennoch stets die Hoffnung, wie ihre Schwester, durch eine vorteilhafte Heirat gesellschaftlich aufzusteigen. Ihre Arbeit im Gasthaus „Zum Einhorn“ brachte der damals 25jährigen finanziell nicht viel ein. Es gehörte zu den „einfachen“ Häusern und die Wirtin hatte von der Stadtverwaltung nicht die Erlaubnis bekommen, fremde Gäste zu bewirten.[2]
1770 lernte Susanna einen Holländer kennen und wurde nach einmaligem Geschlechtsverkehr von ihm schwanger. Eine wirkliche Chance auf eine gemeinsame Zukunft bestand für die beiden jedoch nicht. Durch seinen Beruf als Handelsdiener oder Goldschmied (über seinen Beruf gibt es unterschiedliche Angaben) verlässt er Frankfurt nach kurzer Zeit und zieht nach St. Petersburg. Er hatte jedoch nie die Absicht, Susanna zu heiraten.[3]
Die Magd sah für sich und das Kind keine Zukunft. In den ersten Monaten leugnete sie konsequent gegenüber ihren Schwestern und ihrer Arbeitgeberin eine Schwangerschaft. Auch ärztlich Untersuchungen konnten nicht attestieren, dass Susanna ein uneheliches Kind erwartete. Die bleibenden Zweifel seitens ihrer Arbeitgeberin führten dazu, dass sie als Magd entlassen wurde.[4]
Am Tag ihrer Entlassung, den 2. August 1771, brachte sie ihr Kind zur Welt und tötet es direkt nach der Geburt. Die Wirtin fand im Gasthaus eine Blutlache und informierte Susannas Schwester Hechtel. Ihr gegenüber gestand Susanna die Tat und flüchtete nach Mainz. Am 3.August 1771 kehrte die steckbrieflich Gesuchte nach Frankfurt zurück und wurde umgehend festgenommen. Der tote Säugling wurde wenig später gefunden.[5] Im Laufe der Ermittlungen des Verhöramtes gestand sie die Tat. Die Wirtin des Gasthauses und ihre Schwester sagten als Zeugen aus. Ein Mediziner bestätigte den gewaltsamen Tod des Kindes. Der Fall wurde an ein Gremium, bestehend aus Ratsherren, weitergegeben. Es verurteilte nach Artikel 151 Susanna Margaretha Brandt zum Tode. Das Urteil wurde am 14.Januar 1772 öffentlich vollstreckt.[6]
Susanna Margaretha Brandt war mit der damaligen Rechtslage nicht vertraut und wurde von ihrem Anwalt nicht darüber aufgeklärt, wie sie sich vor Gericht zu verhalten hatte. Die Prozesslogik des 18.Jahrhunderts hatte nie die Absicht, Motive für Straftaten zu erörtern und in die Urteile einfließen zu lassen. Vor einer Anklage wurden alle nötigen Fakten (mindestens zwei Zeugen oder ein Geständnis der/des Angeklagten) zusammengetragen. Bloße Indizien waren nicht prozesstauglich. Ein Verhöramt befragte die Angeklagten und übergab die Ergebnisse einem Gremium, das das endgültige Urteil fällte. Die überforderte Susanna Margaretha Brandt konnte den Befragungen des Verhöramtes nicht standhalten.[7]
Sie distanzierte sich in ihren Aussagen von ihrem Kind und sagte aus, dass sie die Schwängerung und die Schwangerschaft nicht bewusst war genommen habe. Der Fremde hätte sie betrunken gemacht und anschließend verführt. Auch die Tötung des Säuglings sei nicht ihre Tat: „Der Satan war es, der ihr einredete, dass sie in dem großen Hauß leicht heimlich gebären, das Kind umbringen, verbergen, und vorgeben könne, dass sie ihre Ordinaire wieder bekomme“.[8]
Die Bevölkerung zeigte damals reges Interesse an dem Prozess. Außerhalb des Gerichtes entwickelte sich „eine regelrechte Modesucht“, die sich mit dem Thema Kindsmord beschäftigte. Goethe verarbeitete das Motiv in Faust I. Entsprechend Susannas Aussage wird Gretchen vom Teufel (Mephisto) beeinflusst und zum Mord an ihrem eigenen Kind verleitet. Doch auch andere Autoren des 18. Jahrhunderts wie Schiller, Wagner oder Klinger griffen das Motiv der Kindermörderin auf. Heinrich Leopold Wagner kam 1776 nach Frankfurt und hatte als städtischer Jurist Einblick in sämtliche Prozessakten des Falls „Brandt“. Der Freund und Vertraute Goethes veröffentlichte im selben Jahr sein Drama Die Kindermörderin. Er stellte in seinem sozialkritischen Werk die Kindermörderin nicht als Täterin, sondern als Opfer der Gesellschaft dar.[9]
2. Evchen Humbrecht: Die Kindermörderin in Wagners Drama
Evchen. Sagt ich nicht, Gröningseck! Mein Schicksal wäre mit Blut beschrieben?- v. Gröningseck. Es wäre nicht, wenn du mir getraut, deiner Melancholie dich weniger überlassen, etwas mehr an die Tugend geglaubt hättest – oder ich etwas weniger.
Dieser letzte Dialog zwischen Evchen Humbrecht und Offizier von Gröningseck beendet die kurze Beziehung der beiden Hauptfiguren des Dramas und kennzeichnet das Schicksal Evchen Humbrechts. Innerhalb von neun Monaten wird aus einem unschuldigen, jungfräulichen Mädchen eine enttäuschte, verzweifelte Frau, die in ihrer ausweglos erscheinenden Situation keine andere Möglichkeit sieht, als ihr eigenes Kind zu töten und sich damit selbst zum Tode zu verurteilen.
v. Gröningseck. Und ihnen nebst ihrer ganz kriminalischen Unfühlbarkeit zum trotz, mein Herr! Will ich mich heut noch auf den weg nach Versailles mache, bey der gesetzgebenden Macht selbst Gnade sie auszuwürken, oder –
Evchen. Gnade für mich! Gröningseck! Wo denken sie hin? – soll ich zehntausend Tode sterben! – lieber heut als morgen.
Evchen Humbrecht wird zur Kindsmörderin. Um zu verstehen, wie es dazu kam, muss man zunächst den Ausgangspunkt, die Verführung oder Vergewaltigung, untersuchen. Sie ist der Beginn ihres tragischen Schicksals.
Der siebzehnjährige Offizier von Gröningseck hat die Verführung im Vorfeld geplant. Er erliegt zu keinem Zeitpunkt irgendeiner Leidenschaft oder unkontrollierbaren Trieben, wie es Evchen zunächst annimmt. Durch den gezielten Einsatz von Alkohol und Schlafmitteln wird das unschuldige und naive Mädchen aus bürgerlichem Hause nach einem gemeinsamen Ballbesuch Opfer ihrer eignenden Unerfahrenheit.[10]
Von Grönigseck lockt Evchen und ihre Mutter in ein heruntergekommenes Bordell. Er umgarnt Frau Humbrecht, die sich von seiner direkten und vulgären Art angezogen zu fühlen scheint. Evchen, sein eigentliches Ziel, lässt er dabei nie aus den Augen, küsst sie und schmeichelt ihr.[11] Durch die prahlerische Art des Offiziers wird Mutter und Tochter deutlich gemacht, welcher Gesellschaftsklasse sie angehören. Gleichzeitig wirkt die Welt, aus der von Grönigseck stammt, auf sie so interessant und anziehend, dass sie ihm nichts abschlagen können.
[...]
[1] Rebekka Habermas: Das Frankfurter Gretchen. Prozess gegen die Kindermörderin Susanna Margaretha Brandt. München 1999. S.16
[2] Ebd. S.10
[3] Ebd. S.13
[4] Ebd. S.15
[5] Rebekka Habermas: a.a.O. S.16
[6] Ebd. S.23
[7] Ebd. S.23 ff
[8] Ebd. S.34
[9] Ebd. S.38
[10] Nagla El-Dandoush: Leidenschaft und Vernunft im Drama des Sturm und Drang. Dramatische als soziale Rollen. Würzburg 2004. S.129
[11] Deutsche Literaturdenkmale des 18. und 19. Jahrhunderts: Die Kindermörderinn. Ein Trauerspiel von H.L. Wagner. Heilbronn 1883. S.85
- Arbeit zitieren
- Sebastian Tanneberger (Autor:in), 2007, H. L. Wagner "Die Kindermörderin" - ein soziales Drama, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/86693
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