Bei Zwangsstörungen mit Beginn im Kindes- und Jugendalter handelt es sich um ein schweres und belastendes Krankheitsbild, das sowohl für den Betroffenen als auch für seine Angehörigen und seine weitere soziale Umgebung ein schwer zu ertragendes psychisches Leiden darstellt. Umso bedeutender ist ein umfassendes Wissen um das Krankheitsbild, eine möglichst frühe Diagnostik und eine spezifisch wirksame Therapie, um eine Chronifizierung der Krankheit zu vermeiden.
Zwangsstörungen sind komplexe psychische Störungen, bei denen sich den Betroffenen Gedanken und Handlungen aufdrängen, die zwar als quälend empfunden werden, aber dennoch umgesetzt werden müssen. Der Betroffene erkennt, dass diese Zwänge übertrieben und sinnlos sind, kann sich ihnen jedoch nicht entziehen.
In Deutschland sind ca. 2-3% der Bevölkerung von Zwangsstörungen betroffen, unter den Heranwachsenden liegt die Rate bei ca. 1%. Nach den Depressionen, den Phobien und den Suchterkrankungen sind Zwänge die vierthäufigste psychische Krankheit.
Dennoch sind Zwangsstörungen kaum in der Öffentlichkeit bekannt. Retrospektive Untersuchungen zeigen, dass durchschnittlich erst 7-10 Jahre nach Beginn der Zwangsstörung eine Behandlung in Anspruch genommen wird. Dies liegt daran, dass häufig eine Unkenntnis der Problematik vorherrscht. Auch bei vielen Ärzten findet man immer noch veraltete Vorstellungen, was die Behandlungsmöglichkeiten für Zwänge betrifft.
Lange Zeit galten Zwangsstörungen als seltene und unheilbare Krankheit, für die man keine wirksamen Behandlungsmöglichkeiten kannte. Jahrzehntelang wurden Zwangsstörungen mit tiefenpsychologischen Verfahren therapiert, diese bewirkten allerdings keine Besserung der Symptomatik. Erst seit Anwendung der Verhaltenstherapie in den 60er Jahren können Zwänge wirksam behandelt werden. Heute stehen mit kognitiv-verhaltenstherapeutischen Techniken wirksame und empirisch erprobte Verfahren zur Behandlung von Zwängen zur Verfügung. Eine Verbesserung der Symptomatik kann auch durch die Einnahme bestimmter Psychopharmaka erreicht werden. Trotz dieser Fortschritte ist die Forschung von einer Ideallösung noch weit entfernt, denn selbst die heutigen Therapiemöglichkeiten erreichen nicht immer eine vollständige und dauerhafte Heilung.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1. Einleitung
2. Terminologische Abgrenzungen
2.1. Zwangsstörung
2.1.1. Klassifikation nach ICD-10
2.1.2. Klassifikation nach DSM IV
2.1.3. Lebenszeitprävalenz
2.2. Zwanghafte Persönlichkeitsstörung
2.3. Beziehung der Zwänge zu anderen Störungen
2.3.1. Zwänge und Phobien
2.3.2. Zwänge und Depressionen
2.3.3. Zwänge und Schizophrenie
2.3.4. Zwänge und Ticstörungen
2.3.5. Zwänge und Trichotillomanie
3. Verlauf und Erscheinungsformen
3.1. Verlauf
3.2. Erscheinungsformen
3.2.1. Kontrollzwänge
3.2.2. Wasch- und Reinigungszwänge
3.2.3. Zwangsgedanken
3.2.4. Ordnungs-, Wiederholungs- und Zählzwänge
3.2.5. Sammel- und Hortzwänge
3.2.6. Zwanghafte Langsamkeit
3.2.7. Abergläubische Zwangsgedanken und -handlungen
4. Ursachen
4.1. Vererbung
4.2. Erziehung
4.3. Kindheit
4.4. Persönlichkeit
4.5. Belastende Erfahrungen und ungünstige Lebensumstände vor Krankheitsbeginn
4.6. Erklärungsmodelle für Zwangsstörungen
4.6.1. Das lerntheoretische Modell
4.6.2. Kognitive Modelle
4.6.3. Theorie zu Netzwerkstruktur von Zwängen
4.6.4. Gedächtnisschwäche
4.6.5. Paradoxer Effekt der Gedankenunterdrückung
4.6.6. Psychoanalyse
4.7. Biologische Faktoren
4.7.1. Neuropsychologische Einflüsse
4.7.2. Neurochemische Einflüsse
4.7.3. Verschiedene körperliche Krankheiten
5. Diagnose und Therapie
5.1. Diagnose und Differentialdiagnose
5.2. Therapiemöglichkeiten
5.2.1. Stationäre Behandlung
5.2.2. Zielsetzungen
5.2.3. Konfrontation/Exposition mit Reaktionsverhinderung
5.2.4. Kognitive Therapie
5.2.5. Familiäre Interventionen
5.2.6. Pharmakotherapie
5.2.7. Behandlung reiner Zwangsgedanken
5.3. Vorbeugung gegen Rückschritte und Rückfälle
5.4. Neurochirurgie
6. Familiäre und psychosoziale Aspekte
6.1. Sozioökonomische und religiöse Faktoren
6.2. Genetische Faktoren
6.3. Die Verstrickung der Familie
6.4. Familienklima, Erziehung und intrafamiliäre Kommunikation
7. Verallgemeinerung der Ergebnisse und Ausblick
Literaturverzeichnis
Anhang
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Prinzip eines Stufenmodells der Aufrechterhaltung von Zwängen
Abbildung 2: Die Basalganglien
Abbildung 3: Serotonin-Freisetzung an einer Synapse
Abbildung 4: Zwangstagebuch
Abbildung 5: Prinzip der Konfrontation und Reaktionsverhinderung
Abbildung 6: Beispiel einer Abstufung von Situationen
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Merkmale von Zwangsstörungen
Tabelle 2: Differenzierung der Zwangsstörungen nach ICD-10
Tabelle 3: Lebenszeitprävalenzen von Zwangsstörungen
Tabelle 4: Diagnostische Kriterien: Trichotillomanie nach DSM IV (312.39)
Tabelle 5: Häufige Zwangshandlungen bei Heranwachsenden
Tabelle 6: Befürchtungen zwangskranker Heranwachsender
Tabelle 7: Kategorien von Zwangsgedanken
Tabelle 8: Gegenmaßnahmen bei Zwangsgedanken
Tabelle 9: Familiäre Einflussgrößen auf das zwanghafte Verhalten von Kindern und Jugendlichen
Tabelle 10: Eigenschaften, die die Entstehung von Zwangsstörungen begünstigen können
Tabelle 11: Dysfunktionale Überzeugungen bei Zwangskranken
Tabelle 12: Arten unterschiedlicher Informationen über assoziative Verknüpfungen
Tabelle 13: Kognitive Beeinträchtigungen bei der Informationsverarbeitung
Tabelle 14: Differentialdiagnose der Zwangsstörung
Tabelle 15: Grundsätze für die Therapie der Zwangsstörung
Tabelle 16: Vorteile der stationären Behandlung
Tabelle 17: Ansatzpunkte der Kognitiven Therapie
Tabelle 18: Indikation für den Einsatz von Psychopharmaka
Tabelle 19: SSRI’s und ihre Handelsnamen
Tabelle 20: Maßnahmen zur Rückfallprävention
Tabelle 21: Familientypen bei Zwangsstörungen
Tabelle 22: Häufige Familienmerkmale
Tabelle 23: Familiäre Unterstützungsmuster
1. Einleitung
Bei Zwangsstörungen mit Beginn im Kindes- und Jugendalter handelt es sich um ein schweres und belastendes Krankheitsbild, das sowohl für den Betroffenen als auch für seine Angehörigen und seine weitere soziale Umgebung ein schwer zu ertragendes psychisches Leiden darstellt. Umso bedeutender ist ein umfassendes Wissen um das Krankheitsbild, eine möglichst frühe Diagnostik und eine spezifisch wirksame Therapie, um eine Chronifizierung der Krankheit zu vermeiden.
Zwangsstörungen sind komplexe psychische Störungen, bei denen sich den Betroffenen Gedanken und Handlungen aufdrängen, die zwar als quälend empfunden werden, aber dennoch umgesetzt werden müssen. Der Betroffene erkennt, dass diese Zwänge übertrieben und sinnlos sind, kann sich ihnen jedoch nicht entziehen.
In Deutschland sind ca. 2-3% der Bevölkerung von Zwangsstörungen betroffen, unter den Heranwachsenden liegt die Rate bei ca. 1%. Nach den Depressionen, den Phobien und den Suchterkrankungen sind Zwänge die vierthäufigste psychische Krankheit.
Dennoch sind Zwangsstörungen kaum in der Öffentlichkeit bekannt. Retrospektive Untersuchungen zeigen, dass durchschnittlich erst 7-10 Jahre nach Beginn der Zwangsstörung eine Behandlung in Anspruch genommen wird. Dies liegt daran, dass häufig eine Unkenntnis der Problematik vorherrscht. Auch bei vielen Ärzten findet man immer noch veraltete Vorstellungen, was die Behandlungsmöglichkeiten für Zwänge betrifft.
Lange Zeit galten Zwangsstörungen als seltene und unheilbare Krankheit, für die man keine wirksamen Behandlungsmöglichkeiten kannte. Jahrzehntelang wurden Zwangsstörungen mit tiefenpsychologischen Verfahren therapiert, diese bewirkten allerdings keine Besserung der Symptomatik. Erst seit Anwendung der Verhaltenstherapie in den 60er Jahren können Zwänge wirksam behandelt werden. Heute stehen mit kognitiv-verhaltenstherapeutischen Techniken wirksame und empirisch erprobte Verfahren zur Behandlung von Zwängen zur Verfügung. Eine Verbesserung der Symptomatik kann auch durch die Einnahme bestimmter Psychopharmaka erreicht werden. Trotz dieser Fortschritte ist die Forschung von einer Ideallösung noch weit entfernt, denn selbst die heutigen Therapiemöglichkeiten erreichen nicht immer eine vollständige und dauerhafte Heilung.
Zwangsstörungen bei Kindern und Jugendlichen haben in den letzten 15 Jahren größere Aufmerksamkeit gefunden, die sich auch in der Fachliteratur widerspiegelt. Dies ist einerseits dadurch bedingt, dass an erwachsenen Patienten retrospektiv aufgezeigt werden konnte, dass die Krankheit bei einem Drittel der Befragten schon im Kindes- und Jugendalter begonnen hat. Andererseits wurde das Auftreten bei Heranwachsenden zuvor schlicht unterschätzt.
Bei der nun folgenden Betrachtung der Zwangsstörung im Kindes- und Jugendalter ist ausgehend von Alter und Lebensumständen der Betroffenen ein Blick auf den familiären Kontext förderlich und geboten, da die Familie sowohl bei der Entstehung als auch bei der Aufrechterhaltung von Zwangsstörungen ein bedeutender Faktor sein kann.
Die vorliegende Arbeit liefert ausführliche Informationen zum Krankheitsbild in Bezug auf Klassifikation, Erscheinungsformen und Verlauf, und erläutert mögliche Ursachen sowie Therapiemöglichkeiten. Hierbei wird gleichfalls untersucht, inwiefern die Familie ein beeinflussender Faktor sein kann.
Es ergibt sich folgende Gliederung als Leitlinie:
Kapitel 2 erläutert Merkmale der Zwangsstörung, stellt internationale und nationale Klassifikationssysteme gegenüber und grenzt die Zwangsstörung gegenüber anderen und teilweise ähnlichen psychischen Krankheiten ab.
Im 3. Kapitel werden der Verlauf und die spezifischen Erscheinungsformen behandelt. Der Fokus wird dabei zunächst auf das Auftreten der Krankheit im Kindesalter gelegt, bevor dann die Symptome erläutert werden, die sich je nach Alter des Betroffenen in Ausprägung und Häufigkeit unterscheiden können.
Das 4. Kapitel beschäftigt sich ausführlich mit den möglichen genetischen, familiären und persönlichen Ursachen für Zwänge. Um dies zu vervollständigen wird detailliert auf verschiedene Erklärungsmodelle und mögliche neurologische Zusammenhänge eingegangen.
Im 5. Kapitel werden diagnostische Verfahren zur Erhebung der Zwangssymptomatik bei Heranwachsenden vorgestellt. Des Weiteren befasst sich das Kapitel intensiv mit den Therapiemöglichkeiten betroffener Kinder und Jugendlicher – auch und insbesondere unter Einbezug der Familie.
In Kapitel 6 wird dem die Rolle der Familie bei Entstehung und Aufrechterhaltung der Zwangsstörung hinzugefügt. Bis dato gewonnene Erkenntnisse werden an dieser Stelle aufgegriffen und vertieft. Insbesondere werden das Familienklima, die Erziehung und die familiäre Kommunikation sowie die Einbindung der Familie in die Zwangssymptomatik beleuchtet.
In Kapitel 7 folgen schließlich die Verallgemeinerung der Ergebnisse und der Ausblick.
2. Terminologische Abgrenzungen
2.1. Zwangsstörung
Eine Zwangsstörung unterscheidet sich von alltäglichen rigiden Gewohnheiten durch die Intensität der Ausführung. Sie ist häufig „notwendiges und lebenswichtiges Normalverhalten […], das aus unterschiedlichen Gründen ausgeufert ist und dadurch den gegenteiligen Effekt bewirkt“ (Fricke; Hand, 2004, S. 33).
Zwangsstörungen sind von Alltagszwängen zu differenzieren. Moderate Zwänge, die bei sehr vielen Menschen in Erscheinung treten sind selten behandlungsdürftig. Sie dienen als Gliederung des Alltagslebens und werden als angenehm empfunden. Da nicht der unbedingte Zwang besteht sie auszuführen behindern sie nicht die Lebensqualität des Einzelnen, d.h. sie haben keine Auswirkungen auf zwischenmenschliche Beziehungen und Berufsausführung. Ein weiteres Merkmal ist, dass sie nicht das Zeitkontingent einer krankhaften Zwangsstörung beanspruchen (vgl. Faust, 2003, S. 355).
Im Gegensatz zu gemäßigten Zwängen beinträchtigen Zwangsstörungen das Leben des Betroffenen massiv. Grundsätzlich werden Zwangshandlungen und Zwangsgedanken unterschieden.
Ausschlaggebende Merkmale einer Zwangsstörung sind:
Tabelle 1: Merkmale von Zwangsstörungen
(Lakatos; Reinecker, 1999 und 2001, S. 13)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2.1.1. Klassifikation nach ICD-10
Behandlungsbedürftige Zwänge werden in der ICD-10 zu „Neurotischen, Belastungs- und somatoforme Störungen“ zugeordnet. In dieser Kategorie sind neben den Zwangsstörungen auch phobische Störungen, andere Angststörungen, Reaktionen auf schwere Belastung und Anpassungsstörungen, dissoziative Störungen, somatoforme Störungen und andere neurotische Störungen eingegliedert (vgl. Remschmidt; Schmidt; Poustka, 2006, S. 180-222).
Der ICD-10-Code für Zwangsstörungen ist F 42. Zwangsstörungen werden wie folgt differenziert:
Tabelle 2: Differenzierung der Zwangsstörungen nach ICD-10
(vgl. Remschmidt; Schmidt; Poustka, 2006, S. 193f.)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Zwangsgedanken sind immer wiederkehrende Bilder, Gedanken oder Impulse, die sich nicht unterdrücken lassen. Ein wesentliches Merkmal ist, dass sie nicht die Meinung des Patienten widerspiegeln, sondern auf diesen abstoßend und ekelerregend wirken (vgl. Fricke; Hand, 2004, S. 10f.).
Die ICD-10 beschreibt Zwangsgedanken als „Ideen, Vorstellungen oder Impulse, die den Patienten immer wieder stereotyp beschäftigen“, diese sind „fast immer quälend“ und der Patient versucht häufig „erfolglos […] Widerstand zu leisten“. Die Gedanken werden als zur eigenen Person gehörig erlebt, selbst „wenn sie als unwillkürlich und häufig als abstoßend empfunden werden“ (Remschmidt; Schmidt; Poustka, 2006, S. 191f.).
Lakatos/Reinecker definieren Zwangsgedanken als „Bewusstseinsinhalte, die sich gegen den Willen des Betreffenden in seinen Gedankenstrom drängen und die er nicht unterdrücken kann, obwohl er sie als unsinnig […] erkennt“ (Lakatos; Reinecker, 1999 und 2001, S. 13).
Es gibt mehrere Arten von Zwangsgedanken, die häufigsten sind aggressive Zwangsgedanken (z.B. Befürchtungen Öbszönitäten oder Beleidigungen von sich zu geben oder jemanden mit einem Messer zu verletzen), Verschmutzungs-Zwangsgedanken (z.B. Sorgen über Schmutz, Viren, Abfälle usw.), sexuelle Zwangsgedanken (z.B. „verbotene“ oder „perverse“ Gedanken), religiöse oder moralische Zwangsgedanken (z.B. Befürchtungen Gotteslästerung zu begehen), Zwangsgedanken bezüglich Symmetrie oder Genauigkeit (z.B. Angst, dass etwas schief oder schräg hängt), körperbezogene Zwangsgedanken (z.B. Besorgnis über Krankheiten, Beeinträchtigungen, Störungen usw.) und sonstige Zwangsgedanken (z.B. abergläubische Befürchtungen, Furcht bestimmte Dinge zu sagen, zu tun, zu lassen usw.) (vgl. Faust, 2003, S. 358).
Zu beachten ist, dass Zwangsgedanken nahezu nie realisiert werden: „Zwangskranke sind Täter ohne Tat“ (Faust, 2003, S. 357).
Im Gegensatz zu den angstauslösenden Zwangsgedanken sind die Zwangshandlungen eher angsthemmend, da sie oft die Reaktion auf diese sind und somit neutralisierend wirken sollen (vgl. Strian, 1995, S. 472).
Zwangshandlungen sind Verhaltensweisen, die nach bestimmten Regeln durchgeführt werden. Ihr Ablauf ist automatisiert, die Betroffenen „erleben sie oft als Vorbeugung gegen ein objektiv unwahrscheinliches Ereignis, das ihnen Schaden bringen oder bei dem sie selbst Unheil anrichten könnten“ (Remschmidt; Schmidt; Poustka, 2006, S. 192). Der Patient selbst erkennt meist, dass sein Handeln sinnlos ist und dass zwischen diesem und dem gewünschten Effekt kein realistischer Zusammenhang besteht (vgl. Baer, 1993, S. 20). Dennoch ist der innere Druck so hoch, dass er seine Rituale nicht stoppen kann; ein Widerstand ist kaum oder gar nicht möglich (vgl. Fricke; Hand, 2004, S. 13).
Bei Zwangshandlungen ist eine Kontrolle eher möglich ist als bei Zwangsgedanken, dies ist jedoch mehr von äußeren Reizen abhängig als vom Willen des Betroffenen. So ist es möglich, dass Zwangshandlungen bei Anwesenheit anderer Personen unterdrückt werden können (vgl. Lakatos; Reinecker, 1999 und 2001, S.13ff).
Der Begriff „Zwangshandlung“ ist insofern leicht irreführend, als dass er eine sichtbare Tätigkeit beschreibt. Zwangshandlungen können auch auf kognitiver Ebene ablaufen, z.B. beim Denken von Satzformeln oder Mustern. Im Englischen existiert hierfür die Bezeichnung „covert/mental compulsions“, was ins Deutsche mit dem leicht irreführenden Ausdruck „gedankliche Handlung“ übersetzt werden kann (vgl. Lakatos; Reinecker, 1999 und 2001, S. 13).
Untergruppen der Zwangshandlungen sind Reinigungs- und Waschzwänge, Kontrollzwänge, Zählzwänge, Wiederholungszwänge, Ordnungszwänge, Sammel- und Aufbewahrungszwänge und sonstige Zwangshandlungen wie z.B. gedankliche Rituale, das exzessive Erstellen von Listen, der Drang Dinge anzutippen usw. (vgl. Faust, 2003, S. 359f.). Seltene Formen der Zwangsstörung sind zwanghafte Grübeleien und die zwanghafte Langsamkeit (vgl. Lakatos; Reinecker, 1999 und 2001, S. 17).
Zwangshandlungen und Zwangsgedanken treten meist zusammen auf: „Bei etwa zwei Drittel der Patienten kommen diese Zwänge gleichzeitig vor“ (Hoffmann; Barnow, 2003, S. 60). Bei Kindern und Jugendlichen dagegen überwiegen Zwangshandlungen (vgl. Klicpera; Gasteiger- Klicpera, 2006, S. 41).
2.1.2. Klassifikation nach DSM IV
Ein weiteres Klassifikationssystem für Krankheiten neben der ICD-10 (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) ist das DSM IV (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders). Das DSM IV beschreibt im Gegensatz zur ICD-10 nur psychische Störungen und Verhaltensauffälligkeiten, während die ICD alle menschlichen Krankheiten erläutert.
Die Kriterien für Zwangsstörungen stimmen generell bei beiden überein, jedoch werden im DSM IV Zwangsstörungen etwas genauer klassifiziert.
So ist hier vermerkt, dass für die Diagnose einer Zwangsstörung die Zwangsgedanken bzw. -handlungen mehr als eine Stunde pro Tag beanspruchen und/oder den Tagesablauf des Betroffenen deutlich einschränken. Des Weiteren muss ausgeschlossen sein, dass die Zwangsstörung nicht aufgrund einer anderen Achse I-Störung auftritt (z.B. starke Beschäftigung mit Essen bei einer Essstörung) und dass das Störungsbild nicht auf eine andere körperliche Krankheit, Drogen oder Medikamente zurückgeführt werden kann (vgl. Lakatos; Reinecker, 1999 und 2001, S. 14f.; Saß u.a., 2003, S. 514).
Ferner bezieht das DSM IV Zwangsstörungen im Kindesalter mit ein: „Zu irgendeinem Zeitpunkt im Verlauf der Störung hat die Person erkannt, daß die Zwangsgedanken oder Zwangshandlungen übertrieben oder unbegründet sind. Beachte: Dies muss bei Kindern nicht der Fall sein“ (Saß u.a., 2003, S. 514).
2.1.3. Lebenszeitprävalenz
Die Häufigkeit von Zwangsstörungen variiert je nach Quelle.
Nach Lakatos/Reinecker tritt die Störung weltweit in ähnlicher Häufigkeit auf und ist die vierthäufigste psychische Störung nach Phobien, Depression und Suchterkrankungen. Sie sei etwa doppelt so hoch verbreitet wie Schizophrenie. Die Lebenszeitprävalenz betrage 2-3% (vgl. Lakatos; Reinecker, 1999 und 2001, S. 18).
Hoffmann/Barnow konstatieren, dass ca. 1-2% der Bevölkerung Zwangsstörungen aufweisen, vermutlich sei die Zahl aber höher, da viele Betroffene aus Scham keine Hilfe aufsuchen (vgl. Hoffmann; Barnow, 2003, S. 63)
Emmelkamp/van Oppen stellten unterschiedliche Lebenszeitprävalenzen von Zwangsstörungen in verschiedenen Ländern fest:
Tabelle 3: Lebenszeitprävalenzen von Zwangsstörungen
(in Anlehnung an: Emmelkamp/van Oppen, 2000, S. 12)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Auch über den Zeitpunkt des Krankheitsbeginns existieren verschiedene Fakten.
Emmelkamp/van Oppen stellen fest, dass eine Zwangsstörung meist im Alter zwischen 20-25 Jahren entsteht, bei 10% der Betroffenen bricht sie vor dem 10. Lebensjahr aus, bei 9% erst nach dem 40. Lebensjahr (vgl. Emmelkamp; van Oppen, 2000, S. 11)
Nach Lakatos/Reinecker sind ein Fünftel der Patienten schon in der Kindheit betroffen, ein Großteil der Betroffenen erkrankt in der Pubertät. Bis zum Lebensalter von 30 Jahren zeigen sich die Krankheitssymptome bei dreiviertel der Patienten, nach dem 40. Lebensjahr sei ein Ausbruch der Zwangsstörung sehr selten. Das Durchschnittsalter bei Krankheitsbeginn sei demnach bei 22 Jahren. Des Weiteren wird nach Geschlechtern differenziert, danach treten Zwänge bei Jungen häufiger als bei Mädchen auf, der Anteil liegt bei 75% (vgl. Lakatos; Reinecker, 1999 2001, S. 18).
Auch Heinemann/Hopf vermerken, dass das Verhältnis von Zwangsstörungen im Kindesalter von Jungen zu Mädchen 3 - 6:1betrage. Bei Erwachsenen ist das Verhältnis ausgeglichen, es beträgt 1:1; Zwangsstörungen kommen im Erwachsenenalter also bei Frauen und Männern gleich oft vor.
Die Symptomatik beginnt nach Heinemann/Hopf häufig im 5./6. Lebensjahr, manifestiert sich aber meist erst im Jugendalter. Die Prävalenz bei Kindern und Jugendlichen beträgt nach Heinemann/Hopf 0,2 – 0,35% (vgl. Heinemann; Hopf, 2001, S. 78).
Klicpera/Gasteiger-Klicpera stellen fest, dass der Krankheitsbeginn am häufigsten zwischen dem 8. und 11. Lebensjahr erfolgt, jedoch auch bereits im Alter von 2 Jahren möglich sei. Die Häufigkeit liege bei Kindern und Jugendlichen bei 1% (vgl. Flament, Whitaker, Rapoport et al., 1988; zitiert nach Klicpera; Gasteiger-Klicpera, 2006, S. 42), manche Studien schätzen diese jedoch noch höher ein; hier liege sie bei 3-4%, es sei jedoch festzuhalten, dass davon nur etwa 20% eine Behandlung in Anspruch nähmen (vgl. Henin; Kendall, 1997, zitiert nach Klicpera; Gasteiger-Klicpera, 2006, S. 42). Eine Zwangsstörung kommt bei Kindern und Jugendlichen demnach wesentlich häufiger vor als angenommen, wobei Zwangshandlungen den Zwangsgedanken überwiegen.
Des Weiteren wird aufgezeigt, dass bei einem Drittel der erwachsenen Patienten die Probleme bereits vor dem 15. Lebensjahr begonnen hatten (vgl. Klicpera; Gasteiger-Klicpera, 2006, S. 42).
2.2. Zwanghafte Persönlichkeitsstörung
Häufig wird die zwanghafte bzw. anankastische Persönlichkeitsstörung mit der Zwangsstörung verwechselt. Ihre Hauptkennzeichen sind ein gewissenhaftes Streben nach Sorgfalt und Perfektion, übermäßige Vorsicht, Ordnungsliebe und Ausdauer mit einem sehr ausgeprägten Interesse für Details sowie eine hohe Unentschlossenheit der Betroffenen (vgl. Fiedler, 2001, S. 315ff).
Die ICD-10 definiert die zwanghafte Persönlichkeitsstörung wie folgt:
„Diese Persönlichkeitsstörung ist gekennzeichnet durch übermäßigen Zweifel und Vorsicht, ständige Beschäftigung mit Details, Regeln, Listen Ordnung, Organisation oder Plänen, Perfektionismus, der die Fertigstellung von Aufgaben behindert sowie durch übermäßige Gewissenhaftigkeit, verbunden mit ständigen Kontrollen, Halsstarrigkeit, Vorsicht und Rigidität und Eigensinn sowie durch unbegründetes Bestehen auf der Unterordnung anderer unter eigene Gewohnheiten oder unbegründetes Zögern, Aufgaben zu delegieren. Das Aufdrängen beharrlicher und unerwünschter Gedanken oder Impulse erreicht nicht die Schwere von Zwangsstörungen.“ (Remschmidt; Schmidt; Poustka, 2006, S. 255)
Im Unterschied zur Zwangsstörung besteht bei der anankastischen Persönlichkeitsstörung kaum Leidensdruck (vgl. Faust, 2003, S. 364). Eine weitere Differenz ist das Fehlen von Zwangsgedanken und Zwangshandlungen (vgl. Lakatos; Reinecker, 1999 und 2001, S. 22).
Die übertriebene Sorgfalt und Rigidität wird nicht als störend erlebt und als egosynton betrachtet, d.h. der Betroffene ist der Ansicht, dass sein Verhalten und seine Ansichten richtig sind.
Obwohl Zwangsstörungen und zwanghafte Persönlichkeitsstörung gemeinsam auftreten können, besteht nosologisch gesehen keine Verbindung. Die Komorbiditätsrate liegt in der Regel bei unter 10% (vgl. Pfohl et al., 1991; zitiert nach Fiedler, 2001, S. 320).
2.3. Beziehung der Zwänge zu anderen Störungen
Zwänge treten häufig im Zusammenhang mit anderen psychischen Störungen auf, von denen viele Ähnlichkeiten und Überschneidungen mit Zwangsstörungen aufweisen. Eine genaue Abgrenzung der Zwangsstörung von anderen psychischen Störungen ist unabdingbar um eine angemessene Therapieform wählen zu können. Im Folgenden werden die wichtigsten Störungsbilder erläutert.
2.3.1. Zwänge und Phobien
Zwischen Zwangsstörungen und Phobien besteht eine sehr hohe Komorbidität. Die beiden Störungen unterscheiden sich grundsätzlich durch die Art der angstauslösenden Reize und der damit verbundenen Befürchtungen und Gefühle.
Ein Phobiker hat Angst vor spezifischen Dingen oder Situationen (z.B. Spinnen), welche somit klar definiert und dadurch auch vermeidbar sind. Bei Zwängen ist der Reiz dagegen nur vage abgegrenzt (z.B. Schmutz) und deswegen nie völlig vermeidbar.
Auch die damit verbundenen Befürchtungen sind bei Zwangskranken erheblich abstrakter, komplexer und zukunftsgebundener als bei Menschen, die unter einer Phobie leiden (vgl. Lakatos; Reinecker, 1999 und 2001, S. 19).
Während bei Personen mit Phobien die Angst nach einer durchstandenen Situation relativ unmittelbar verschwindet, kann dies bei Zwangskranken stundenlang dauern. Bei einer Phobie ist die Angst direkt an den Stimulus gebunden; bei Zwangsstörungen dagegen ist die Beunruhigung eher mit den assoziierten Konsequenzen verbunden.
Auch unterscheiden sich die Emotionen bei Zwangskranken und Phobikern: Ein Zwangskranker wird sein durch den Reiz ausgelöstes Gefühl eher als innere Unruhe und Aufgeregtheit beschreiben, ein Phobiker dagegen hat starke Angst oder gar Panik (vgl. Lakatos; Reinecker, 1999 und 2001, S. 20).
Um eine genaue Diagnose zu stellen, müssen also unbedingt die Gründe, die die Beschwerden auslösen erörtert werden. Ein Beispiel: Typisch für eine Agoraphobie (krankhafte Angst vor weiten Plätzen, Menschenmengen oder Reisen) ist die Furcht vor öffentlichen Verkehrsmitteln. Auch ein Zwangsgestörter kann Angst vor diesen haben, da er hier befürchten kann, mit Schutz oder Viren in Berührung zu kommen. Es wird also dieselbe Situation vermieden, die Gründe sind jedoch unterschiedlich (vgl. Emmelkamp; van Oppen, 2000, S. 7f.).
2.3.2. Zwänge und Depressionen
Charakteristische Merkmale von Depressionen sind Niedergeschlagenheit, Gedanken der Wert- und Sinnlosigkeit sowie Verminderung von Antrieb und Aktivität (vgl. Reinecker, 2006b, S. 15).
Eine Komorbidität zwischen Zwangsstörungen und Depression ist häufig erkennbar. So leiden bis zu einem Drittel der Kinder und Jugendlichen und bis zu Dreiviertel der Erwachsenen mit einer Zwangsstörung zusätzlich an einer Depression (vgl. Klicpera; Gasteiger- Klicpera, 2006, S. 43).
In vielen Fällen sind Depressionen ein sekundäres Merkmal einer Zwangserkrankung (vgl. Emmelkamp; van Oppen, 2000, S. 9), d.h. die Depression ist aufgrund der Zwänge aufgetreten. Die Depression hat in diesem Falle „mit der Demoralisierung und Resignation gegenüber der Hauptsymptomatik zu tun“ (Lakatos; Reinecker, 1999 und 2001, S. 20) und kann zu motivationalen Behinderungen bei einer Therapie führen.
Der umgekehrte Fall, also eine Depression, bei der Zwänge auftreten, kommt ca. dreimal seltener vor und ist wesentlich leichter zu behandeln, da mit Abklingen der Depression auch die Zwänge verschwinden (vgl. Lakatos; Reinecker, 1999 und 2001, S. 20).
Welche Krankheit zuerst aufgetreten ist, lässt sich jedoch nicht immer klar feststellen. Im Unterschied zu depressiver Rumination, d.h. übertriebener Grübelei werden Zwangsgedanken eher als ich-dyston (persönlichkeitsfremd) erlebt (vgl. Fricke; Hand, 2004, S. 36).
2.3.3. Zwänge und Schizophrenie
Die ICD-10 definiert Schizophrenie als
„durch grundlegende und charakteristische Störungen von Denken und Wahrnehmung sowie inadäquate oder verflachte Affektivität gekennzeichnet. Die Klarheit des Bewusstseins und die intellektuellen Fähigkeiten sind in der Regel nicht beeinträchtigt. Im Laufe der Zeit können sich jedoch gewisse kognitive Defizite entwickeln. Die Störung beeinträchtigt die Grundfunktionen, die dem normalen Menschen ein Gefühl von Individualität, Einzigartigkeit und Entscheidungsfreiheit geben.“ (Remschmidt; Schmidt; Poustka, 2006, S. 126)
Die wichtigsten psychopathologischen Phänomene, welche auch gemeinsam auftreten können, sind Gedankenlautwerden, Gedankeneingebung oder Gedankenentzug, Gedankenausbreitung, Wahnwahrnehmung, Kontrollwahn oder Beeinflussungswahn, Stimmen, die in der dritten Person den Patienten kommentieren oder über ihn sprechen, Denkstörungen und Negativsymptome (vgl. Remschmidt; Schmidt; Poustka, 2006, S. 127).
Bei der Schizophrenie können die Betroffenen – im Gegensatz zu Zwangsgestörten – nicht mehr zwischen Realität und ihren eigenen Gedanken unterscheiden (vgl. Mundt, 1995, S. 93). Ein Zwangsgestörter hingegen ist sich überwiegend darüber bewusst, dass seine Befürchtungen sinnlos sind, er kann sich nur nicht dagegen wehren (vgl. Hoffmann; Barnow, 2003, S. 62).
Dennoch ist es möglich, dass bei einem Patienten sowohl eine Zwangsstörung als auch eine Schizophrenie gemeinsam vorkommen. In diesem Falle lösen sich die schizophrenen Schübe mit den Zwangsstörungen ab. Dies kann eine Therapie deutlich erschweren (vgl. Lakatos; Reinecker, 1999 und 2001, S. 20f.).
Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Zwangsgestörter zusätzlich an einer Schizophrenie erkrankt, ist nicht höher als bei der Allgemeinbevölkerung, sie liegt bei 0-3% (vgl. Lakatos; Reinecker, 1999 und 2001, S. 20f.).
2.3.4. Zwänge und Ticstörungen
Tics sind plötzlich einsetzende, unwillkürliche, schnelle, wiederholte und nichtrhythmische Bewegungen oder Laute. Sie können in immer wieder gleicher Weise einsetzen oder serienartig auftreten. Einfache motorische Tics sind z.B. Blinzeln, Schulterzucken, Kopfwerfen und Grimassen schneiden. Zu den einfachen vokalen Tics werden Räuspern, Bellen, Schnüffeln, Zischen und Grunzen gezählt. Komplexe motorische Tics sind z.B. Springen, Hüpfen oder Sich-selbst-schlagen; komplexe vokale Tics sind die Wiederholung bestimmter oder eigener Wörter sowie die Verwendung von sozial unangebrachten Wörtern oder Obszönitäten (vgl. Remschmidt; Schmidt; Poustka, 2006, S. 59).
Eine besonders komplexe Form der Ticstörung ist das Tourette-Syndrom, bei dem sowohl multiple muskuläre als auch vokale Tics auftreten (vgl. Bürgin, 1995, S. 368).
Auch wenn sich Ticstörungen und Zwangshandlungen äußerlich ähneln können, findet das Verhalten bei Ticstörungen unbeabsichtigt statt, Zwangshandlungen hingegen haben ein bestimmtes Ziel (vgl. Emmelkamp; van Oppen, 2000, S. 11).
Ein weiterer Unterschied ist, dass Zwangsgestörte den Drang haben können, andere zu beleidigen oder zu beschimpfen, dies aber in der Regel nicht tun werden. Ein Tourette-Patient hingegen gibt dem Impuls nach, da dieser bei Aufregung oder Gegenwart anderer meist verstärkt wird (vgl. Baer, 1993, S. 200f.).
Die Komorbidität zwischen den beiden Störungen ist recht hoch: „Zwischen 11 und 80% aller Patienten und Patientinnen mit Tourette-Syndrom weisen auch Zwänge auf; umgekehrt sind etwa 20% aller Zwangspatienten und -patientinnen auch von Tics betroffen“ (Lakatos; Reinecker, 1999 und 2001, S. 22).
Die Unterschiede der beiden Störungen sind bei Patienten, die diese Störungen parallel haben gut zu beobachten. Ein Fallbeispiel (vgl. Baer, 1993, S. 201) soll dies verdeutlichen:
Steven ist ein Jugendlicher, der sowohl an Zwängen als auch am Tourette-Syndrom leidet. Er kann jedoch die jeweiligen Symptome zuordnen: „Wenn ich mir die Hände waschen muß, um mich nicht mit einer Krankheit anzustecken, oder irgend etwas überprüfe, damit kein Unglück passiert, dann weiß ich, das ist ein Zwangssymptom.“ (Baer, 1993, S. 201). Seine Tourette-Symptome erklärt er folgendermaßen: „Manchmal habe ich einfach das Gefühl, ich muß hüpfen oder an meiner Brusttasche zerren oder in den Rückwärtsgang schalten. Ich weiß, es gibt keinen Grund, diese Dinge zu tun, aber ich kann nicht anders. Das sind die Tourettesymptome.“ (Baer, 1993, S. 201).
2.3.5. Zwänge und Trichotillomanie
Trichotillomanie ist eine psychische Störung, bei der sich Betroffene zwanghaft die eigenen Haare ausreißen – meist das Kopfhaar, jedoch auch Wimpern, Augenbrauen, Achsel- und Schamhaare (vgl. Rapoport, 1989, S. 225).
Im DSM IV wird Trichotillomanie wie folgt definiert:
Tabelle 4: Diagnostische Kriterien: Trichotillomanie nach DSM IV (312.39)
(Saß u. a., 2003, S. 741)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die ICD-10 zählt Trichotillomanie zu den Störungen der Impulskontrolle und definiert sie wie folgt:
„Die Störung ist durch einen sichtbaren Haarverlust charakterisiert, infolge einer Unfähigkeit, ständigen Impulsen zum Haareausreißen zu widerstehen. Vor dem Haareausreißen besteht meist eine zunehmende Spannung, danach folgt ein Gefühl von Entspannung oder Befriedigung.“ ( Remschmidt; Schmidt; Poustka, 2006, S. 266)
Zu den Impuls-Kontroll-Störungen werden außerdem pathologisches Glückspiel, pathologische Brandstiftung (Pyromanie) und Kleptomanie gezählt (vgl. (Remschmidt; Schmidt; Poustka, 2006, S. 264ff).
Trichotillomanie und Zwangsstörungen weisen Gemeinsamkeiten auf. So besteht bei beiden Störungen der Drang eine bestimmte Handlung auszuführen, bei Trichotillomanie wird dieser Drang allerdings nicht ausgeführt um eine Bedrohung abzuwenden. Das Verhalten erzeugt zunächst ein positives Gefühl (Lakatos; Reinecker, 1999 und 2001, S. 21) und wird zumindest kurzfristig als angenehm empfunden.
Im Gegensatz zu Zwangsstörungen, bei der im Erwachsenenalter Frauen und Männer im gleichen Verhältnis betroffen sind, ist Trichotillomanie fast ausschließlich bei Frauen anzutreffen (vgl. Baer, 1993, S.187).
3. Verlauf und Erscheinungsformen
3.1. Verlauf
Im Kindesalter gibt es – als Teil der normalen Entwicklung – häufig eine Tendenz zur Ritualbildung, z.B. beim Schlafengehen, Essen oder Anziehen (starke Vorliebe für bestimmte Kleidungsstücke, bestimmte Anordnung der Speisen auf dem Teller, usw.). Diese Tendenzen treten häufig zwischen dem 2. und 4. Lebensjahr auf. Diese Rituale sind nicht zwanghaft und werden nicht als fremd empfunden; die Kinder erleben sie als angenehm und haben keinen Drang dem Impuls zu widerstehen. Der Übergang von solchen Ritualen in einen pathologischen Zwang ist umstritten, wird jedoch von manchen Klinikern angenommen (vgl. Klicpera; Gasteiger-Klicpera, 2006, S. 41).
Nach Lakatos/Reinecker beginnt die Zwangsstörung in der Regel schleichend. Bei einem Fünftel der Patienten fängt die Störung in der Kindheit an, bei der Mehrheit jedoch in der Jugend. Plötzliche Ausbrüche sind sehr selten und nur bei Waschzwängen anzutreffen. Wenn die Störung in der Kindheit ausbricht, sind es meist Jungen, die betroffen sind (ca. 75%). Etwa ein Fünftel der zwangsgestörten Kinder behalten ihre Zwänge bis ins Erwachsenenalter (vgl. Lakatos; Reinecker, 1999 und 2001, S. 18).
Klicpera/Gasteiger-Klicpera vermerken, dass Zwangssymptome sowohl schleichend als auch abrupt auftreten können. Bei schleichender Entwicklung kommen die Kinder erst nach einigen Jahren in Behandlung. Bei einem Großteil der Patienten zeigte sich auch, dass diese einige Jahre vor dem eigentlichen Krankheitsbeginn in Mikrophasen wiederholende Rituale durchführten bzw. starre Verhaltensmuster an den Tag legten (vgl. Klicpera; Gasteiger-Klicpera, 2006, S. 44).
Retrospektiv gesehen beginnen Zwangsstörungen bei einem Drittel der Fälle vor dem 15. Lebensjahr, also um die Adoleszenz. Am häufigsten treten die Zwangssymptome zwischen dem 8. und 11. Lebensjahr auf, dies ist jedoch auch bereits mit 2 bis 3 Jahren möglich. Manche Untersuchungen belegen, dass die Symptome bei Jungen 2-3 Jahre früher eintreten; dies konnte jedoch nicht konsistent bestätigt werden. Im Kindesalter treten häufig Wasch- und Kontrollzwänge auf; vor dem 7. Lebensjahr ist jedoch eher das zwanghafte Einhalten eines bestimmten Atemmusters oder das Bestehen auf Verwendung eines bestimmten Gegenstandes üblich (vgl. Klicpera; Gasteiger-Klicpera, 2006, S. 44).
Auch du Bois bestätigt, dass zwanghaftes Verhalten bereits in der Kindheit vorkommen kann. Der Unterschied zu erwachsenen Zwangspatienten liegt darin, dass sich diese über die Unsinnigkeit ihres Handelns bewusst sind. Kinder hingegen erkennen die Unsinnigkeit ihres Handelns nicht (vgl. du Bois, 2000, S. 181f.). Diesen Gesichtspunkt bezieht auch das DSM IV mit ein (vgl. Saß u. a., 2003, S. 514).
Wenn sich die Zwänge sehr steigern, wird meist im Jugendalter erst Hilfe gesucht. Bei Jungen setzen die Verschlimmerungen der Störung früher als bei Mädchen ein: „Die Mehrzahl der Mädchen erkrankt zwischen neunzehn und neunundzwanzig Jahren, die Mehrzahl der Jungen zwischen vierzehn und zwanzig“ (du Bois, 2000, S. 182).
Auch Faust berichtet, dass die meisten Zwangsstörungen in der Jugend oder im frühen Erwachsenenalter beginnen, teilweise ist ein Auftreten der Störung auch im Kindergartenalter möglich. Durch die lange Verheimlichung der Zwänge werden diese allerdings oft erst spät bemerkt. Viele Kinder können aus Angst aufzufallen ihre Zwänge außerhalb des Elternhauses verbergen. So bleibt Lehrern und Freunden die Störung häufig verborgen. Diese Kontrolle ist jedoch so kraftraubend, dass sie zu Hause fallen gelassen werden muss (vgl. du Bois, 2000, S. 182f.; Döpfner u.a., 2005, S. 7; Faust, 2003, S. 366).
Nach Klicpera/Gasteiger-Klicpera lässt diese Verheimlichung der Zwänge auf eine höhere Häufigkeit von Zwangsstörungen bei Kindern und Jugendlichen schließen (vgl. Klicpera; Gasteiger-Klicpera, 2006, S. 42).
Zwanghaftigkeit ist in der Bevölkerung weit verbreitet und kommt in vielen Variationen und Abstufungen vor. Man kann allerdings erst von einer Zwangsstörung sprechen, wenn „die Zwänge wichtige Teile des Alltags in Besitz genommen und die Arbeits- und Genußfähigkeit spürbar vergiftet haben“ (du Bois, 2000,S. 181).
Ohne Behandlung sind Zwänge dauerhaft; eine Spontanheilung ist, wenn die Zwänge seit über einem Jahr bestehen, so gut wie ausgeschlossen. Meist verschlimmern sich die Zwänge im Laufe der Zeit und symptomfreie Phasen sind selten (vgl. Lakatos; Reinecker, 1999 und 2001, S. 19; Emmelkamp; van Oppen, 2000, S. 12).
Der Verlauf ist durch „eine sehr lange Spontanemissionsrate und eine lange Störungsdauer geprägt“ (Lakatos; Reinecker, 1999 und 2001, S. 18), weswegen man Zwangsstörungen oft auch als chronische Erkrankung bezeichnet.
Der Krankheitsverlauf wurde in einer Studie von Rasmussen&Eisen an 250 Betroffenen erforscht. Nur 3% wiesen einen episodischen Verlauf auf, bei 9% war eine stetige Verschlechterung des Krankheitsbildes zu vermerken, 16% zeigten einen kontinuierlichen Verlauf auf und bei 72% war eine ununterbrochene, in der Intensität schwankende Symptomatik, die vor allem in Stressphasen schlimmer wurde, zu erkennen (vgl. Rasmussen&Eisen, 1991; zitiert nach Lakatos; Reinecker, 1999 und 2001, S. 19).
Folgeprobleme einer ausgeprägten Zwangsstörung können nach Emmelkamp/van Oppen Depressionen, Alkoholmissbrauch und Beziehungsprobleme sein (vgl. Emmelkamp; van Oppen, 2000, S. 12).
3.2. Erscheinungsformen
Zwangsstörungen kommen in vielfachen Variationen vor und sind je nach Patient unterschiedlich stark ausgeprägt. Die meisten Patienten haben mehrere Zwänge parallel, wobei sich die Symptomatik häufiger verändert und sich im Verlauf der Störung auf andere Stimuli oder Zwangsformen verschiebt (vgl. Lakatos; Reinecker, 1999 und 2001, S. 18).
Besonders bei Kindern und Jugendlichen ist dies üblich: „Neuere Anzeichen können sich ausbilden, während frühere in den Hintergrund wandern, um nach einiger Zeit wieder stärker hervorzutreten“ (Klicpera; Gasteiger- Klicpera, 2006, S. 44).
Ca. 80% der Zwangsgestörten weisen sowohl Zwangshandlungen als auch Zwangsgedanken auf. Ausschließlich Zwangsgedanken kommen nur bei einem sehr geringen Teil der Betroffenen vor (vgl. Emmelkamp; van Oppen, 2000, S. 5).
Die häufigsten Zwangshandlungen sind Waschen, Wiederholungen und Kontrollieren; Zwangsgedanken kreisen am häufigsten um die Möglichkeit jemandem etwas anzutun. Die Zwangsgestörten versuchen meistens, Situationen oder Stimuli, die die Zwangsgedanken oder –handlungen hervorrufen können zu umgehen. Dies bezeichnet man mit „passiver Vermeidung“. Unter „aktiver Vermeidung“ versteht man die Zwangshandlungen selbst, welche die Folgen einer Zwangsvorstellung rückgängig machen sollen. Dieselbe Funktion erfüllen auch neutralisierende Gedanken (vgl. Emmelkamp; van Oppen, 2000, S. 6f.).
Folgende Zwangshandlungen kommen bei Kindern und Jugendlichen vor:
Tabelle 5: Häufige Zwangshandlungen bei Heranwachsenden
(Schmidt-Traub, 2006, S. 17f.)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bei Kindern und Jugendlichen überwiegen Zwangshandlungen deutlich über Zwangsgedanken (vgl. Klicpera; Gasteiger- Klicpera, 2006, S. 41).
Zwangsgedanken bei Kindern und Jugendlichen beinhalten folgende Befürchtungen:
Tabelle 6: Befürchtungen zwangskranker Heranwachsender
(Schmidt-Traub, 2006, S. 16)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Wenn der Betroffene versucht Widerstand gegen die Zwänge auszuüben, erlebt er extreme Angst-, Unruhe- und Anspannungszustände, welche in Zitter- und Schweißausbrüchen enden können. So kehrt der Patient wieder zu seinen Zwangsritualen zurück und alles beginnt wieder von vorne. Die Zwangsstörung raubt Kräfte, lässt den Betroffenen resignieren und schwächt das Selbstwertgefühl; er wird depressiv, unglücklich, unsicher und lebt in ständiger Angstbereitschaft. Schließlich kann es aufgrund dieser Faktoren zu Rückzug und Isolation kommen (vgl. Faust, 2003, S. 364).
Da Patienten mit Zwangsstörungen völlig unterschiedliche Symptome aufweisen können, werden diese in verschiedene Kategorien eingeordnet (vgl. Baer, 1993, S. 25). Hierbei muss jedoch erwähnt sein, dass Mischformen möglich und sogar die Regel sind (vgl. Lakatos; Reinecker, 1999 und 2001, S.18).
3.2.1. Kontrollzwänge
Kontrollzwänge beziehen sich auf mehrere Situationen: Auf Elektrogeräte (z.B. Herd, Kaffeemaschine, Bügeleisen, etc.), die einen Brand verursachen könnten und auf Türen oder Fenster, die wegen Einbruchsgefahr immer verschlossen sein müssen. Auch die Sorge, einen anderen Menschen verletzt haben zu können, löst häufig komplexe Kontrollvorgänge aus (z.B. mehrmaliges Abgehen der Wegstrecke; ständige Anrufe bei der Polizei, ob ein Unfall geschehen ist) (vgl. Lakatos; Reinecker, 1999 und 2001, S.15).
Die Betroffenen haben das Gefühl, von ihnen gehe eine permanente Gefahr aus; sie versuchen infolgedessen mit den Kontrollzwängen wieder Sicherheit herzustellen, Gefahren abzuwenden und alles in Ordnung zu halten (vgl. Hoffmann, 1994b, S. 90f; S. 101).
Viele Kontrollzwänge sind nicht beobachtbar, sondern laufen ausschließlich auf der kognitiven Ebene ab (z.B. ständige Angst, etwas Schlechtes über eine Person zu sagen und in Folge dessen jeden Tag im Kopf durchspielen, ob nicht doch etwas herausgerutscht ist) (vgl. Lakatos; Reinecker, 1999 und 2001, S.16).
Hoffmann unterscheidet drei Arten von Kontrollzwängen: das Kontrollieren und Absichern, die zwanghafte Langsamkeit sowie Sammeln, Stapeln und Horten. Auf die beiden letzteren Formen der Zwangsstörung wird in den Kapiteln 3.2.5 und 3.2.6 separat eingegangen.
Zwangskontrollen müssen nicht in allen Lebensbereichen auftreten, sie können sich beispielsweise nur auf den häuslichen Bereich beschränken; im Beruf kann der Betroffene symptomfrei sein. Auch ist es möglich, dass den Kontrollzwängen nur ein bestimmter Tagesabschnitt gewidmet wird, z.B. am Abend (vgl. Hoffmann, 1990, S. 51).
Bei Kontrollzwängen sind die Beurteilungskriterien für Sachverhalte verschoben. Die Betroffenen sehen, dass z.B. der Wasserhahn richtig zugedreht ist, haben aber nicht das Gefühl, dass der Hahn in Ordnung ist. Sie wissen zwar vor und während der Kontrolle, dass der Sachverhalt korrekt ist, sind aber mit dem Erleben nicht zufrieden. „Dieses Erleben ist es, das sie durch weitere Kontrollen verändern wollen“ (Hoffmann, 1990, S. 55). Baer bezeichnet dieses Phänomen als „seinen Sinnen nicht trauen“ (Baer, 1993, S. 28) können. Dies ist die Folge der Unsicherheit, ob man einen Fehler begangen hat und die darauf folgende ständige Überprüfung des Sachverhalts (vgl. Baer, 1993, S. 28).
3.2.2. Wasch- und Reinigungszwänge
Zugrunde liegt die Angst, sich mit etwas anstecken oder beschmutzen zu können. Infolge dessen befürchten die Betroffenen zu erkranken, zu sterben oder andere dadurch zu infizieren. Während Waschzwänge früher eher durch Angst vor Krankheiten wie Syphilis, Gonorrhö oder Herpes ausgelöst wurden, dominiert heute die Angst vor AIDS, Krebs und auch BSE (vgl. Lakatos; Reinecker, 1999 und 2001, S.15).
Mögliche andere Ansteckungsquellen sind auch Geld, Einkaufswägen, öffentliche Haltegriffe oder Toiletten. Die Gedanken drehen sich permanent um Ansteckung und Ekel vor körperlichen Ausscheidungen, Dreck, Bakterien, Keimen, Chemikalien und auch vor bestimmten Personen. Um diese Gedanken zu neutralisieren, werden bestimmte Handlungen wie übertriebenes Händewaschen (mit Seife und Desinfektionsmitteln), übertriebene Gewohnheiten beim Toilettengang oder übertriebene Reinigung von Gegenständen vollzogen. Diese Handlungen sind oft auch ritualisiert und folgen einem ganz bestimmten Ablauf (vgl. Fricke; Hand, 2004, S. 14ff).
Die Welt der Betroffenen ist durch Schmutz, Widerwärtiges und Gefahrenstoffe gekennzeichnet. Dominierende Gefühle im Kontakt mit der Welt sind Angst, Abscheu und Ekel. Nur das, was nach eigenen Regeln gereinigt wurde, ist einwandfrei (vgl. Hoffmann, 1994b, S. 111).
Diese Waschzwänge können so ausgeprägt sein, dass die Patienten bis zu 12 Stunden am Tag mit Händewaschen beschäftigt sind oder sich aufgrund ihrer Reinigungsmittel Verätzungen zuziehen (vgl. Baer, 1993, S. 26f.).
3.2.3. Zwangsgedanken
Gedankliche Zwänge spielen bei allen Erscheinungsformen der Zwangsstörung eine Rolle, meist jedoch als Auslöser von Zwangsritualen (vgl. Reinecker, 2006b, S. 48). Bei manchen Patienten jedoch dominieren die Zwangsgedanken an sich. Auch sie probieren sich gegen diese Zwangsgedanken zu wehren, die Abwehr nimmt jedoch andere Formen an und steht mehr im Hintergrund (vgl. Hoffmann, 1994b, S. 126).
Obwohl keine Rituale ausgeführt werden, können diese Zwangsgedanken bei voller Ausprägung Ausmaße annehmen, die berufliche oder private Aktivitäten nicht mehr möglich machen (vgl. Baer, 1993, S. 36).
Von dieser Erscheinungsform der Zwangsstörung ist nur eine Minderheit der Patienten betroffen (vgl. Emmelkamp; van Oppen, 2000, S. 5).
Diese Patienten leiden unter aggressiven, sexuellen oder religiösen Zwangsgedanken. Fricke/Hand unterscheiden diese Kategorien folgendermaßen:
Tabelle 7: Kategorien von Zwangsgedanken
(Fricke; Hand, 2004, S. 19)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
[...]
- Citation du texte
- Donata Sorg (Auteur), 2007, Zwangsstörungen bei Heranwachsenden – Eine theoretische Betrachtung mit Blick auf den familiären Kontext, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/86474
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