In dieser Hausarbeit geht es um die Frage, ob die Pariser Kommune - wie von Karl Marx behauptet - die Regierung der Arbeiterklasse gewesen ist.
Die Pariser Kommune selbst enstand aus einer vorwiegend patriotischen und sozialrevolutionären Bewegung der Pariser Bevölkerung als Antwort auf die soziale und nationale Krise Frankreichs nach sediner Niederlage im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71.
Der äußere Anlass des Krieges war die spanische Thronkanditatur eines Mitgliedes des Hauses Hohenzollern und die Emser Depeche1, woraufhin Frankreich unter Napoleon den Dritten2 am 19. Juli 1870 Preußen den Krieg erklärte. Der deutsche Sieg bei Sedan, bei dem ein großer Teil der französischen Armee verloren ging und Napoleon der Dritte gefangengenommen wurde, bedeutete das Ende des französischen Kaiserreichs. Am 4. September 1870 wurde die Dritte Republik ausgerufen.
Die militärische Entscheidung fiel im Januar 1871 vor der seit dem 15. September 1871 von deutschen Truppen eingeschlossenen französischen Hauptstadt Paris. Am 28. Januar 1871 kam es zum Waffenstillstand. Eine neue französische Nationalversammlung in Bourdeaux sollte entscheiden, ob und unter welchen Bedingungen Frieden zu schließen sei. Sie wählte Adolf Thiers3 zum Ministerpräsidenten, der, mit der Führung der Friedensverhandlungen beauftragt, am 26. Februar 1871 den Vorfrieden von Versaille unterzeichnete. Der Widerstand der Pariser Bevölkerung gegen den Vorfrieden und der unsozialen Innenpolitik der Regierung der nationalen Verteidigung, führte am 18. März 1871 zum Aufstand und zur Ausrufung der Pariser Kommune, die allerdings nur 72 Tage existierte.
Die Frage lautet jetzt, inwiefern man bei diesem Aufstand und der daraus resultierenden Kommune von einer proletarischen Revolution und einer Diktatur des Proletariats sprechen kann.[...]
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1 War der Aufstand vom 18.März 1871 eine proletarische Revolution?
1.1 Gründe für den Ausbruch der Revolution
1.2 Rolle der Internationale an der Revolution
2 Das Zentralkomitee
2.1 Die Struktur des Zentralkomitees
2.2 Mitglieder des Zentralkomitees
2.3 Beschlüsse des Zentralkomitees
3 Die Kommune
3.1 Die Struktur der Kommune
3.2 Mitglieder der Kommune
3.3 Unterstützung der Kommune durch die Mittelklasse und das Bauerntum?
3.4 Beschlüsse der Kommune
Zusammenfassung
Literaturliste
Einleitung
In dieser Hausarbeit geht es um die Frage, ob die Pariser Kommune tatsächlich - wie von Karl Marx behauptet - die Regierung der Arbeiterklasse gewesen ist.
Die Pariser Kommune selbst enstand aus einer vorwiegend patriotischen und sozialrevolutionären Bewegung der Pariser Bevölkerung als Antwort auf die soziale und nationale Krise Frankreichs nach sediner Niederlage im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71.
Der äußere Anlass des Krieges war die spanische Thronkanditatur eines Mitgliedes des Hauses Hohenzollern und die Emser Depeche1, woraufhin Frankreich unter Napoleon den Dritten2 am 19. Juli 1870 Preußen den Krieg erklärte. Der deutsche Sieg bei Sedan, bei dem ein großer Teil der französischen Armee verloren ging und Napoleon der Dritte gefangengenommen wurde, bedeutete das Ende des französischen Kaiserreichs. Am 4. September 1870 wurde die Dritte Republik ausgerufen.
Die militärische Entscheidung fiel im Januar 1871 vor der seit dem 15. September 1871 von deutschen Truppen eingeschlossenen französischen Hauptstadt Paris. Am 28. Januar 1871 kam es zum Waffenstillstand. Eine neue französische Nationalversammlung in Bourdeaux sollte entscheiden, ob und unter welchen Bedingungen Frieden zu schließen sei. Sie wählte Adolf Thiers3 zum Ministerpräsidenten, der, mit der Führung der Friedensverhandlungen beauftragt, am 26. Februar 1871 den Vorfrieden von Versaille unterzeichnete. Der Widerstand der Pariser Bevölkerung gegen den Vorfrieden und der unsozialen Innenpolitik der Regierung der nationalen Verteidigung, führte am 18. März 1871 zum Aufstand und zur Ausrufung der Pariser Kommune, die allerdings nur 72 Tage existierte.
Die Frage lautet jetzt, inwiefern man bei diesem Aufstand und der daraus resultierenden Kommune von einer proletarischen Revolution und einer Diktatur des Proletariats sprechen kann. Diese Frage untersuche ich anhand folgender Aspekte, die Marx in seinem Aufsatz "Der Bürgerkrieg in Frankreich" genannt hat.
Als erstes untersuche ich, ob man bei dem Aufstand des 18.März tatsächlich von einer proletarischen Revolution sprechen kann. Dann erkläre ich - stellvertretend für alle sozialistischen Gruppierungen - die Rolle der Internationale an der Revolution. Anschließend erläutere ich anhand der Aspekte "Struktur des Zentralkomitees", "Mitglieder des Zentralkomitees" und "Beschlüsse des Zentralkomitees", ob die Regierung direkt nach der Revolution durch das Proletariat dominiert war. Als letztes untersuche ich anhand der Aspekte "Struktur der Kommune", "Mitglieder der Kommune", "Unterstützung der Kommune durch die Mittelklassee und des Bauerntums" und "Beschlüsse der Kommune", ob man tatsächlich von der gewählten Kommune als eine Diktatur des Proletariats sprechen kann.
Bei dieser Untersuchung habe ich vor allem Literatur von Zeitgenossen der Pariser Kommune benutzt, wie "Der Bürgerkrieg in Frankreich" von Karl Marx, "Die Geschichte der Kommune von 1871" von Lissagaray4, "Die Pariser Kommune" von Lavrov5 sowie "Pariser Kommune 1871; Berichte und Dokumente von Zeitgenossen", das von Hermann Duncker herausgegeben wurde. Als Sekundärliteratur habe ich einen Auszug aus dem Buch "Die Pariser Kommune. Erfolg und Scheitern einer Revolution" von Heinz-Gerhard Haupt und Karin Hausen und "Die Pariser Kommune 1871" von Michail Maschkin verwendet.6
1 War der Aufstand vom 18. März 1871 eine proletarische Revolution? Marx behauptet, dass die Revolution vom 18. März eine "ruhmvolle Arbeiterrevolution" gewesen ist.
1.1 Gründe für den Ausbruch der Revolution
Karl Marx7 geht davon aus, dass die Regierung, die am 4. September 1870 die Staatsmacht ergriff, einzig und allein der nationalen Verteidigung Frankreichs gegenüber Deutschland dienen sollte. Diese Verteidigung wäre aber nur durch die Hilfe der bewaffneten Arbeiter möglich gewesen. Ein Sieg Frankreichs wäre folglich ein Sieg der Arbeiter gewesen. Um dies zu verhindern, wollte die Regierung der nationalen Verteidigung von Anfang an die Kapitulation Frankreichs, auch wenn sie dem Volk gegenüber etwas anderes erklärten.
Die Kosten des Krieges, d.h. der Unterhalt für eine halbe Millionen preußischer Soldaten auf französischen Boden, fünf Milliarden Entschädigung und fünf Prozent Zinsen auf nicht bezahlte Raten, sollte laut Marx8 auf das Proletariat abgewälzt werden - dies konnte aber nur durch den Sturz der Dritten Republik vom 4. September 1870 erreicht werden.
Um diesen Sturz herbei zu führen und damit ihre Ziele zu verwirklichen, wollte die Regierung der nationalen Verteidigung eine Konterrevolution zum 4. September 1870. Diesem Ziel stand das bewaffnete Paris im Wege. Deshalb forderte Thiers die Pariser Bevölkerung auf, die Waffen niederzulegen, das diese dem Staat gehörten und ihm wiedergegeben werden müssten. Marx9 hält dies für falsch. Er behauptet, dass die Waffen von Beiträgen der Nationalgarde10 bezahlt worden wären. Selbst in der Kapitulation vom 28. Januar 1871 wurden die Waffen als Eigentum anerkannt und mussten deshalb nicht an den Sieger abgegeben werden.
Außerdem wurde die Pariser Bevölkerung nach Marx11 durch die Nationalversammluntg in Bordeaux, die nach dem Waffenstillstand gewählt worden war, um über Krieg oder Frieden zu entscheiden, provoziert. So gab es z.B. antirepublikanische Demonstrationen der Nationalversammlung in Bordeaux, Thiers selbst machte zweideutige Aussprüche über den rechtlichen Bestand der Republik und die Nationalversammlung in Bordeaux wurde nach Versaille verlegt. Außerdem drohte er Paris zu enthaupten und zu enthauptstadten. Ferner beschloss die Regierung republikanische Zeitungen zu verbieten und jede Druckschrift mit einer Steuer von zwei Centiemen zu belasten.
Sie forderte die Bezahlung aller Wechsel und weigerte sich, den Mietern zu helfen, die ihre Mieten nicht bezahlt hatten. Ferner sprach sie Todesurteile gegen Blanqui12 und Flourens13 aus. Allerdings führten noch andere wichtige Gründe als die von Marx genannten zu einer Radikalisierung in Paris.
So hatte die Hungersnot während der Belagerung der Bevölkerung gezeigt, dass die Ressourcen von der Regierung ungerecht verteilt wurden. Im Dezember 1870 gab es in Paris 471.454 Bedürftige, in manchen Vierteln der Arrondissements sogar rund 50 Prozent der Bevölkerung. Ein weiterer wichtiger Grund war die Volksbewaffnung, die seit Anfang September 1870 auch durchgeführt wurde. Allerdings wurde die neu entstandende Nationalgarde, die sich natürlich nicht nur aus dem Proletariat, sondern vor allem auch aus dem Kleinbürgertum zusammensetzte, kaum eingesetzt. Deshalb entstand der Eindruck, dass die Niederlagen Frankreichs auf die Regierung zurückzuführen sei.
Es ist allerdings offensichtlich, dass die Provokationen, die von der Regierung in Bordeaux ausgingen, nicht nur die Proletarier trafen. Von der Hungernot beispielsweise waren alle ärmeren Bevölkerungsschichten betroffen. Die Friedens- und Kapitulationsbedingungen, der Umzug der Regierung nach Versaille, die parisfeindlichen Artikel in den Regierungsblättern sowie die Anspielungen auf den Bestand der Republik musste alle Republikaner in der Pariser Bevölkerung provozieren. Und das Kleinbürgertum wurde vor allem durch eine Verordnung vom 11. März 1871 getroffen, derzufolge alle Wechsel, deren Frist am 13. November abliefen, am 13. März - also zwei Tage nach der Verordnung - bezahlt werden mussten. Dies war in einer Stadt, deren Geschäfte kaum wieder aufgenommen waren, unmöglich.
Der Aufstand vom 18. März 1871 ist also nicht ausschließlich eine proletarische Revolution gewesen. Sowohl die soziale Struktur der Nationalgarde, die ja maßgeblich an dem Aufstand beteiligt war, als auch die Gründe selbst, die letztendlich zum Aufstand führten, zeigen, dass das Kleinbürgertum zum einen sehr wohl Gründe gehabt hat, um diesen Aufstand zu fördern und zum anderen, dass es auch in der Nationalgarde stark vertreten war.
1.2 Rolle der Internationale an der Revolution
Die Internationale14, die am 28. September 1864 gegründet wurde, fand in Frankreich einen günstigen Boden. Überall entstanden Sektionen, und am 19. April 1870 wurde das Statut der Pariser Föderation der Internationalen angenommen.
Doch war sie nach den drei Prozessen der Jahre 1869 und 1870 laut Haupt und Hausen15 viel zu geschwächt, um sich an die Spitze der Pariser Bewegung setzen zu können. Zudem hörte die Pariser Sektion nach dem 4. September 1870 für gut einen Monat auf als eigenständige Organisation zu arbeiten - sie musste sich erst wieder reorganisieren. Dann versuchte die Pariser Sektion, der Regierung der nationalen Verteidigung ein eigenes Programm entgegenzustellen. So forderte sie von der Regierung Munizipalwahlen Schaffung einer munizipalen Polizei, Herstellung der umfassenden Presse-, Versammlungs- und Vereinsfreiheit, Annulierung aller politischen Urteile und die allgemeine Volksbewaffnung. Auf diese Forderungen erklärte die Regierung, dass sie der nach Pressefreiheit und Annulierung aller politischen Urteile zustimme, aber nicht das Recht habe, auf die übrigen zu entscheiden. Das zeigte dem Pariser Proletariat, dass auf dem Wege der Verhandlungen nichts zu erreichen war.
Deshalb wurde der Versuch unternommen, eine Organisation so aufzubauen, so dass sie ein Gegengewicht zu der Regierung bilden konnte.
In allen zwanzig Arrondissements wurden gleich nach dem 4. September 1870 Wachsamkeitskomitees gewählt. Zur Koordination der Aktivitäten sollten diese Wachsamkeitskomitees je vier Delegierte in das Zentralkomitee, das seinen Sitz gemeinsam mit dem Föderalrat der Internationale hatte, schicken.
Die Zusammensetzung ergab sich aus bürgerlichen Demokraten, Blanquisten und Proudhonisten.
Das Komitee sollte nicht nur eine Kontrolle über die Regierung ausüben, sondern mit ihr zusammen die Aufgaben der Verteidigung von Paris lösen. Sie forderte von der Regierung im Namen der Volksversammlungen genau bezeichnete Maßnahmen für die innere Sicherheit, für die Versorgung und Unterbringung, für die Verteidigung von Paris und die Verteidigung der Departements. Die Internationale zog sich bereits Mitte Oktober aus der Komiteebewegung, um sich an den Wiederaufbau ihrer eigenen Organisation zu machen. Zum einen ließen die gemäßigtrepublikanischen Komitees keine sozialistische Politik mehr zu und zum anderen lehnten sie die aktionistische Oppositionspolitik der Blanquisten ab.
Der Wiederaufbau der eigenen Opposition war insofern erfolgreich, als die Internationale bis Februar rund 26 Sektionen wieder oder neu aufbauten.
Da jedoch die als notwendig erachtete zentrale Koordination mißlang und die Formen und Ziele des aktuellen politischen Engagement der einzelnen Sektionen weit auseinandergingen, lässt sich auch hier nicht von einer Politik der Internationale sprechen.
Letztendlich wurde die Internationale von der politischen Konkurrenz überrascht, der Nationalgarde.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Aufstand vom 18. März 1871 keine proletarische Revolution war.
Zum einen zeigen die Gründe, die zur Revolution führten, eindeutig, dass die Revolution im Interesse fast aller Pariser sein musste. So unterstützte zum Beispiel sowohl das Kleinbürgertum, dass durch die Beschlüsse der Regierung in Bordeaux in seiner Existenz bedroht war als auch die Republikaner, die ihre Republik vom 4. September 1870 in Gefahr sahen, den Aufstand. Auch die sozialen Struktur der Nationalgarde zeigt, dass das Kleinbürgertum genauso wie das Proletariat in ihr vertreten war. Und letztendlich war es die Nationalgarde, die den Aufstand forcierte.
Zum anderen zeigt das Beispiel der Internationale, dass die revolutionären Organisationen vor Ausbruch der Revolution durch die Repressionen der Regierung und durch Desorientierung viel zu geschwächt waren, um den Ausbruch herbeizuführen, d.h., der Aufstand vom 18. März 1871 war eine Revolution, die nicht von revolutionären Organisationen wie die Internationale herbeigeführt wurde. Daher stellt sich die Frage, ob die Revolution vom Proletariat bewusst als proletarische Revolution aufgefasst wurde oder ob es nicht lediglich eine Reaktion des Volkes gegen die Provokationen der Regierung war - ohne Hintergedanken an eine eventuelle Arbeiterregierung.
2 Das Zentralkomitee
Die zahlreichen Demonstrationen und Aufrufe gingen im Februar und März von der Nationalgarde aus, die erst ab Mitte Februar als Organisation mit politischem Anspruch an die Öffentlichkeit trat. Da fand das erste Zusammentreffen von 3000 Delegierten der einzelnen Bataillone statt.
2.1 Die Struktur des Zentralkomitee
Einen Monat später beschloss man die Föderation der Bataillone. Die Delegierten der einzelnen Kompanien wählten Bataillonsdelegierte, diese wiederrum Legionsdelegierte, die ihrerseits schließlich die Zusammensetzung des Zentralkomitees bestimmten.
Zur Gründungssitzung der Föderation hatten bereits 215 von 260 Bataillonen ihre Delegierten entsandt. Die Bataillone rekrutierten sich aus Arbeitern und Kleinbürgern. Duncker16 behauptet, dass die 55 Bataillone, die keine Delegierten wählten, die alte Nationalgarde war, deren Standorte sich in den Arrondissements der Bougeoisie befanden.
Nach dem Aufstand war das Zentralkomitee laut Marx17, die provosorische Regierung der Arbeiterrevolution.
2. 2 Mitglieder des Zentralkomitees
Im 50-köpfigen Zentralkomitee saßen entschiedene Republikaner, die für die Weiterführung des Krieges, die Republik und Volksbewaffnung eintraten, ihre Ansprüche gegen die etablierten Gewalten durchsetzen wollten, aber laut Hausen und Haupt18 keinesfalls als überzeugte proletarische Revolutionäre anzusprechen sind.
Die Mitglieder des Zentralkomitees waren sowohl der Mehrheit der Pariser Bevölkerung als auch den Sozialisten völlig unbekannt. Arthur Arnould19 schreibt dazu: "Im Stadthaus tagte eine namenlose Regierung, die fast ausschließlich aus einfachen Arbeitern und kleinen Beamten bestand, von denen drei Viertel nicht über Straße oder Werkstatt bekannt waren (...). In der Regierung gab es kein einziges Mitglied der herrschenden Klassen. Eine Revolution war ausgebrochen, die von keinem einzigen Advokaten, keinem einzigen Deputierten, keinem einzigen Journalisten und keinem einzigen General repräsentiert wurde. An ihrer Stelle saßen: ein ungelernter Arbeiter aus Cruzot, ein Buchbinder, ein Koch usw.".
Das führte dazu, dass selbst führende revolutionäre Elemente wie die Internationale an dem Zentralkomitee zweifelten. So bemühte man sich bei der Internationale im Rat der Föderierten um eine Einigung zwischen dem Zentralkomitee und den Bürgermeistern von Paris - man schlug sogar vor, dass unter dem Einfluss der Sektionen der Internationale und der Arbeiterassoziation "das Komitee sich der Macht entledigen und sie den gewählten Vertretern der Stadt übergeben sollte." Außerdem gesellten sich Revolutionäre wie Malon20, Jacland, Dereure21 und Milliere22 zu der Gruppe der Bürgermeister und Deputierten.
2.3 Beschlüsse des Zentralkomitees
Das Zentralkomitee selbst war ebenfalls sehr beunruhigt über seinen Mangel an Popularität. Deshalb betrachtete es sich als etwas Vorübergehendes und beschränkte sich auf die allernotwendigsten Anordnungen.
Arthur Arnould23 schreibt dazu "Diese Diktatoren stellten sich weder über die Menge, noch außerhalb. Man sieht, dass sie sich mit ihr jeden Augenblick beraten. Sie bemühen sich eifrig, einige Fragen nicht zu entscheiden, bemühen sich, die Lage nicht zu verändern und alles so zu lassen, wie es ist, bis zu dem Augenblick, wo das Volk auf dem Weg freier und gerechter Wahlen entscheiden wird, wer die endgültigen Aufgaben bestimmen und Anstrengungen zu ihrer Lösung unternehmen soll. Das Zentralkomitee glaubt seine Aufgabe beschränkte sich lediglich darauf, dem Volk die richtige Vertretung zu sichern."
Der erste Schritt des Zentralkomitees war, dass sie am 18. März 1871 ins Stadthaus einzogen und damit die Staatsmacht an sich nahmen. Arthur Arnould24 schreibt dazu aber, dass die Mitglieder des Zentralkomitees einige Stunden schwankten, ob sie die Macht, die ihnen zugefallen war, übernehmen und ins Stadthaus einziehen sollten, da die Revolution von ihnen gar nicht beabsichtigt war.
Am 18. März setzte das Zentralkomitee die Wahl der Kommune auf den 22. März fest. Außerdem erkannte es die Friedensbedingungen von Bordeaux an und verkündete die Amnestie politischer Verbrechen.
Die Wahlen wurden aber zuerst auf den 23. März und dann dem 26. März verschoben, da das Zentralkomitee bestrebt war, in Übereinstimmung mit einer legaleren Einrichtung zu handeln. Deshalb führten sie immer wieder Verhandlungen mit der Versammlung der Bürgermeister und Deputierten von Paris, sie waren sogar bereit, mit ihnen die Macht zu teilen und Zugeständnisse zu machen.
Am 20. März wurde beschlossen, die Versteigerung der nichteingelösten Pfänder in den Leihhäusern einzustellen. Außerdem gewährte es einen Aufschub bei der Bezahlung der Handelswechsel.
Am 24. März beschloss das Zentralkomitee als Hilfe für die notleidene Bevölkerung eine Million Franken, die Stundung der Mieten, Aufschub für Wechsel bis zum 1. Oktober und die Rückgabe von versetzten Gegenständen, deren Wert 15 Franken nicht überstieg.
Außerdem ernannte das Zentralkomitee am 24. März Brunel25, Eudes26 und Duval27 zu Kommandierenden der Nationalgarde.Diese Männer waren laut Lavrov, "Männer von entschiedenen Handeln". Und tatsächlich ging das Zentralkomitee jetzt energischer gegen seine Feinde vor. Die Bank, die sich vorher geweigert hatte, dem Zentralkomitee Geld auszuzahlen, gehorchte nach der ersten Drohung und die Demonstrationen der Anhänger von Versaille lösten sich schnell auf, nachdem einzige Bataillone der Nationalgarde ihre Präsenz zeigten.
Jetzt stelllt sich die Frage, ob das Zentalkomitee die Diktatur des Proletariats darstellte. Fakt ist,dass das Zentralkomitee aus unbekannten Leuten bestand die aber auch dem Kleinbürgertum zuzuordnen waren.
[...]
1 Emser Depeche: In diesem Telegramm aus Bad Ems hatte der Geheimrat H. Abeken Bismarck über die Gespräche mit dem französischen Botschafter Graf Benedetti unterrichtet. Benedetti verlangte von Wilhelm den Ersten Zugeständnisse, die der König ablehnte. Bismarck veröffentlichte dieses Telegramm verkürzt und verschärfte dadurch den Inhalt - dies ließ die Gespräch als diplomatische Niederlage Frankreichs erscheinen. Quelle: Schülerduden Geschichte; S. 124
2 Napoleon der Dritte: eigentlich Charles Louis Napoleon Bonaparte; Kaiser der Franzosen; 1848 Präsident der Republik, 1851 für zehn Jahre in diesem Amt bestätigt, 1852 erblicher Kaiser; im Deutsch-Französischen Krieg bei Sedan gefangen genommen. Nach seiner Absetzung wurde Frankreich. Quelle: Duden Lexikon; S. 466.
3 Thiers: französischer Politiker und Historiker, als gemäßigter Republikaner Kampf gegen das Kaiserreich Napoleon den Dritten, 1871-73 Präsident der Dritten Republik.
4 Lissagaray: Schriftsteller, Zeitgenosse der Pariser Kommune; Quelle: Lavrov, S.33.
5 Lavrov: Zeitgenosse der Pariser Kommune, Augenzeuge und Teilnehmer der Pariser Kommune; Quelle: Lavrov; S.5.
6 Quelle: Marx; S. 330
7 Quelle: Marx; S. 319
8 Quelle: Marx; S. 327
9 Quelle: Marx; S. 329
10 Nationalgarde: In Frankreich 1789-1871 (mit Unterbrechungen) im Bedarfsfall aufgebotene Bürgerwehr; Quelle: Schülerduden Geschichte; S. 286.
11 Quelle: Marx; S.327f.
12 Blanqui, Auguste: Schriftsteller, Führer der Blanquisten, Am 17. März 1871 durch die Versailler verhaftet. Quelle: Duncker; S.439.
13 Flourens, Gustave: Professor, ermodert am 3. April 1871; Quelle: Duncker; S.440.
14 Internationale: Vereinigung sozialistischer Parteien und Gewerkschaften im internationalen Rahmen mit dem Ziel, die theoretischen Grundlagen sowie die praktischen Möglichkeiten der Arbeiterbewegung zu erarbeiten und zu diskutieren. Der Ersten Internationale gehörten Mitglieder aus 13 europäischen Ländern und der USA an. Quelle: Schülerduden Geschichte; S.208.
15 Quelle: Haupt/Hausen; S. 96-106.
16 Quelle: Duncker; S.173.
17 Quelle: Marx; S. 330
18 Quelle: Haupt/Hausen; S. 96-106
19 Arnould, Arthur: Schriftsteller, Mitglied der Kommune; Quelle: Lavrov; S. 68.
20 Malon, Benoit: Färber, Mitglied der Internationale; Anhänger von Bakunin, Mitglied der Pariser Kommune; Quelle: Duncker; S.441.
21 Dereure, Simon: Schuster, Mitglied der Internationale; Mitglied der Kommune; Quelle: Lavrov; S.32.
22 Miliere: Schriftsteller; Zeitgenosse der Pariser Kommune; Quelle: Lavrov; S.32.
23 Quelle: Lavrov; S.69
24 Quelle: Lavrov; S. 68.
25 Brunel, Antoine: Kavallerie-Offizier; General der Nationalgarde, Blanquist, Mitglied der Kommune; Quelle: Duncker; S. 439.
26 Eudes, Emile: Mitglied der Internationale; Blanquist, General der Kommune, erschossen am 4. April 1871; Quelle: Duncker, S.440.
27 Duval, Emile: Mitglied der Internationale; Blanquist; General der Kommune, erschossen am 4. April 1871. Quelle: Duncker; S.440.
- Quote paper
- Jenny Meyer-Zoch (Author), 1997, Pariser Kommune - Diktatur des Proletariats, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/86302
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