Die international komparativ angelegte Arbeit untersucht eine Autonomieforderung, die nicht verwirklicht wurde, sowie zwei Autonomiebestrebungen, die zwar letztlich von Erfolg gekrönt waren. Dieser war freilich von nur kurzer Dauer. Auch wenn hauptsächlich das Augenmerk auf diese drei Autonomieforderungen – die sudetendeutsche, die slowakische und die kroatische – gelegt ist, so bleiben auch Autonomiebestrebungen kleinerer Entitäten, deren Realisierung vor allem die aussenpolitische Lage nicht mehr zuliess, nicht unerwähnt.
INHALT
1. Einleitung
2. Das Ende der Ersten Tschechoslowakischen Republik
3. Autonomieprogramme für die Sudetendeutschen
4. Autonomieprogramme für die Slowakei
5. Andere Autonomiebestrebungen in der Tschechoslowakei
6. Die autonome Slowakei als Vorstufe zum unabhängigen Staat Slowakei (Oktober 1938 – März 1939)
7. Jugoslawien nach der oktroyierten Verfassung von 1931
8. Der Weg zur autonomen Banovina Hrvatska
9. Nicht-kroatische Autonomiebestrebungen in Jugoslawien Ende der dreissiger Jahre
10. Gemeinsamkeiten und Unterschiede
ANHANG
1. Einleitung
Diese Arbeit wird berichten über eine Autonomieforderung, die – aus Gründen, denen nachzugehen sein wird – nicht verwirklicht wurde, sowie über zwei Autonomiebestrebungen, die zwar letztlich von Erfolg gekrönt waren, welcher jedoch von sehr kurzer Dauer war. Auch wenn hauptsächlich das Augenmerk auf diese drei Autonomieforderungen – die sudetendeutsche, die slowakische und die kroatische – fallen wird, so werden Autonomiebestrebungen kleinerer Entitäten, deren Realisierung vor allem die aussenpolitische Lage nicht mehr zuliess, nicht unerwähnt bleiben.
Ohne Berücksichtigung der inneren Strukturen der Ersten Tschechoslowakischen Republik bzw. des zwischenkriegszeitlichen Jugoslawien wäre der Blick auf die Auseinandersetzungen um Autonomiepläne in den Jahren 1938 bzw. 1939 in diesen Staaten gezwungenermassen unvollkommen. Deshalb wird der Umfang einer konventionellen Seminararbeit zwecks Besprechung eben dieser inneren Strukturen etwas erweitert – in der Hoffnung, dass die eigentliche Auseinandersetzung mit den Autonomieplänen der Jahre 1938 und 1939 nicht zu kurz ausgefallen sei.
Es wurde versucht, während des Schreibens Ausgewogenheit zu erreichen beim Berichten über die Essenz verschiedener Autonomieprogramme einerseits und andererseits über die Ereignisse, die die Propagierung dieser Programme begleiteten. Punkto Essenz der Autonomiepläne wurde angestrebt, ausgewogen über territoriale Aspekte wie über Kompetenzverteilungen zu berichten. Jedoch ist unverhohlen zuzugestehen, dass den Autonomieprogrammen in der Tschechoslowakei (bzw. Tschecho-Slowakei) mehr Platz eingeräumt wird als denjenigen in Jugoslawien. Begrenzt ist dies mit der Tatsache zu rechtfertigen, dass auf dem Gebiet der Tschechoslowakei eben von zwei „grossen“ Autonomieforderungen die Rede sein wird, jedoch in Jugoslawien nur von einer „gewichtigen“ Autonomieforderung. Es soll aber nicht verschwiegen werden, dass mein Elan, den tschechoslowakischen Verhältnissen auf den Grund zu gehen, aus rein subjektiv-persönlichen Gründen leicht überwog.
Wichtig ist, deutlich darauf hinzuweisen, dass über separatistische Aspirationen verschiedener Bewegungen (Pavelić‘ Usta ša, slowakische Pläne über den Anschluss der Slowakei an Ungarn oder Polen, Anschluss Makedoniens an Bulgarien u.a.) in dieser Arbeit nicht berichtet wird – dies ergibt sich aus dem Titel der Arbeit. Auch wenn in hohem Masse bei den SdP-Programmen des Jahres 1938 aus heutigem Blick von einer nicht mehr ernst gemeinten Autonomiebestrebung die Rede sein kann, darf nicht vergessen werden, dass Prag sich in der Sudetenkrise dessen so sicher nicht sein konnte, wusste man doch beispielsweise nichts von der Anweisung Hitlers an Henlein, eine Einigung mit Prag zu verunmöglichen. Auch wenn die Sicht aus der Nachzeitigkeit also die „Autonomiebestrebungen“ der SdP-Führung des Jahres 1938 als blosses Lippenbekenntnis anstelle eines offenen Bekenntnisses zum Anschluss ans Deutsche Reich entlarvt, rechtfertigt sich die Behandlung von Plänen, dem sudetendeutschen Mehrheitsgebiet einen autonomen Status zu verleihen, aus der Sicht der Zeitgenossen.
Auch wenn gerade die sudetendeutsche Frage, aber auch die slowakische und kroatische, spätestens ab Frühling 1938 in höchstem Masse mit der aussenpolitischer Entwicklung verquickt war, so kommen aussenpolitische Vorgänge in dieser Arbeit nur am Rande zur Sprache, d.h. wo dies zwecks Verständnis der Nationalitätenpolitik unvermeidlich ist.
Nicht alle relevanten Dokumente konnten von mir in der Zeit von drei Monaten eingesehen, bzw. ausfindig gemacht werden. Die von mir eingesehenen Originalquellen wurden in die Literaturliste im Anhang aufgenommen.[1] Für eine tiefergehende Beschäftigung mit dem Stoff dieser Arbeit wären beispielsweise auch die Gerichtsprotokolle der tschechoslowakischen „Volksgerichte“[2] von 1945-47 zu berücksichtigen, wo frühere Ľudáci und SdP-Führer über ihre Taktiken und Beobachtungen in den Jahren 1938 und 1939 aussagten. Auch die „Akten zur deutschen auswärtigen Politik“ (ADAP) stellen eine wahre Fundgrube in Bezug auf die tschechoslowakische und jugoslawische Politik der Jahre vor dem Krieg dar. Die Protokolle der Regierungssitzungen der Kabinette Hodža, Syrový und Beran sowie Cvetković stellen eine zusätzlich lohnende Quelle dar, ebenso wie die Tagungsprotokolle der Parlamente in Prag, Belgrad und Bratislava.
2. Das Ende der Ersten Tschechoslowakischen Republik
1938 - das zwanzigste Jahr ihres Bestehens sollte für die Tschechoslowakische Republik ein tragisches Jahr, ein Schicksalsjahr werden. Die Kontinuität des politischen Systems der Ersten Republik war am Abbrechen. An symbolhaften und tatsächlichen Anzeichen einer neuanbrechenden Zeit bestand im Laufe der dreissiger Jahre kein Mangel. Einerseits ist an das Ableben einiger stilprägender Politiker und Intellektueller zu denken, von denen bloss der in seiner Bedeutung wohl nur mit T.G. Masaryk vergleichbare Agrarier-Führer Antonín Švehla (gest. 12. 12. 1933), der National-Demokrat Karel Kramář (26. 5. 1937), der Staatsgründer und viermalige Präsident Tomáš Garrigue Masaryk selbst (14. 9. 1937) und nicht zuletzt der burgnahe, auch politisch engagierte Karel Čapek (25. 12. 1938) erwähnt werden sollen. Andererseits war es gerade in den dreissiger Jahren, wo die meisten Parteien ihre Führungsspitzen, die zumeist seit den ersten Tagen der Republik unverändert geblieben waren, durch neue, oft einem anderen politischen Flügel angehörende Politiker ersetzten. Im Zuge dieser Neubesetzungen wurde eine Tendenz hin zu rechtsorientierten (d.h. innerhalb des eigenen Parteispektrums rechts stehenden) Politikern unverkennbar; eine Entwicklung, die in abgeschwächter Form eine gesamteuropäische Tendenz widerspiegelte.[3]
Um die Autonomie-Debatten am Ende der Ersten Republik zu verstehen, ist die Kenntnis der parlamentarischen Kräftekonstellation notwendig – auch wenn diese durch die sich schnell zuspitzende aussenpolitische Situation, die den Entscheidungsprozessen in Prag eine grosse Eigendynamik verlieh, zusehends an Bedeutung verlor. Die im Mai 1935 abgehaltenen Parlamentswahlen machten die Agrar-Partei zwar zur sitzstärksten Partei (einen Sitz mehr als Henleins SdP), dies aber nur durch wahlgesetzbedingte mathematische Rechnerei. Stimmenstärkste Partei wurde in der Republik mit 15,2 % die SdP, die nur aus oben genanntem Grund nicht mit der Regierungsbildung beauftragt werden musste. Die drittplazierte sozialdemokratische Partei (Vertreter: Rudolf Bechyně, Ivan Dérer) befand sich seit Ende der zwanziger Jahre wieder im Aufschwung und errang 1935 immerhin 12,6 % der Stimmen, doch nahm ihre faktische Bedeutung nach 1935 stetig ab. Gottwalds die Republik ablehnenden Kommunisten – die einzige allnationale Partei im Staate - blieben mit 10,3 % stabil, sollten infolge des allgemeinen Rechtstrends aber noch bedeutungsloser werden, als sie ohnehin im politischen Entscheidungsprozess der Ersten Republik schon waren. Die sich ab Mitte der zwanziger Jahre zu einer burgtreuen Partei gemauserten National-Sozialisten[4] sowie Šrámeks katholische Volkspartei verschlecherten sich mit 9,2 bzw. 7,5 Prozentpunkten verglichen mit den letzten Wahlen von 1929 leicht. Enttäuschend war das Abschneiden für die „Nationale Vereinigung” (N árodní sjednocení), wo sich mehrere Rechtsparteien unter K. Kramářs Führung zusammengeschlossen hatten. Sie erreichten mit 5,6 % kaum mehr als Kramářs Nationaldemokraten je zuvor alleine erlangt hatten. Hlinkas Autonomistischer Block, in dem v.a. Martin Rázus‘ evangelisch ausgerichtete Slowakische Nationalpartei neben Hlinkas eigener Partei eine untergeordnete Rolle spielte, wurde in der Slowakei zwar stimmenstärkste Partei, erlangte aber unwesentlich mehr Stimmen als Hlinkas Volkspartei 1929 alleine. Generell ist beim Betrachten der Wahlergebnisse von 1935 noch kein Rutsch nach rechts festzustellen, ja im Gegenteil: Die Mitte-Parteien konnten ihre Positionen ausbauen, während Rechtsparteien überraschend enttäuschend abschnitten (Tschechische Faschisten: 2 %). Doch wäre es äusserst verfehlt, die innenpolitische Lage 1935 primär anhand des gesamtstaatlichen Wahlergebnisses zu beurteilen. Vielmehr muss von einer Optik ausgegangen werden, die das Wahlergebnis in Bezug zu den Volksgruppen[5] im Land setzt. So liegt die Hauptbedeutung der Wahlen von 1935 darin, dass sich innerhalb der sudetendeutschen Wählerschaft ca. 63 % für die SdP ausgesprochen haben, während relativ zu ihrer Bevölkerungsstärke noch mehr ungarischstämmige Wähler für die als Koalition antretenden ungarischen Parteien stimmten. Innerhalb der Slowakei wurde die madjarische Wahlkoalition sogar mit rund 15 % zur drittstärksten Kraft – hinter Hlinkas Autonomistischem Block mit 30,1 % und den Agrariern. Der Trend innerhalb der nationalen Minderheiten hin zu einer starken Sammelpartei ist also in der Slowakei nicht feststellbar, da hier immer noch die tschechoslowakischen Zentrumsparteien zusammengerechnet die meiste Unterstützung fanden. Insgesamt erlangten aber Parteien mit autonomistischen Programmen über 30 % der Stimmen auf gesamtstaatlicher Ebene, was ein deutliches Anzeichen dafür war, welcherart Debatten in den nachfolgenden Jahren das politische Geschehen in der Republik prägen sollten.
Die im Anschluss an die Wahlen weitergeführte breite Koalition unter Premier Jan Malypetr (Agrarier) überlebte nur bis zum November, wo ein Rechtsrutsch innerhalb der Führung der Agrar-Partei dazu führte, dass als neuer Premier und erster Slowake in diesem Amt Milan Hodža eingesetzt wurde. Die Zusammensetzung der Regierung blieb aber im Wesentlichen die alte, d.h. die deutschen aktivistischen Parteien, die bei den Maiwahlen z.T. mehr als die Hälfte ihrer Wählerschaft verloren hatten, nahmen weiter an der Regierung teil (Deutsche Sozialdemokratische Arbeiter-Partei, Deutsche Christlichsoziale Volkspartei, Bund der Landwirte). Angesichts seines hohen Alters und vielleicht auch aus Protest gegen den Rechtsrutsch innerhalb der Agrarier trat Präsident Masaryk am 14. Dezember 1935 zurück.
Die Parlamentswahlen von 1935 sind nicht die letzten Wahlen vor der Zerschlagung der Republik geblieben. Im Mai und Juni 1938 fanden in den meisten Teilen des Landes Gemeindewahlen statt. Die Gemeindewahlen wurden in einer aufgeheizten und radikalisierten Atmosphäre abgehalten, sind aber gleichwohl als freie Wahlen zu bezeichnen. Auf die Wahlresultate innerhalb der deutschen Mehrheitsgebiete und in der Slowakei wird weiter unten eingegangen.
Sowenig auf die aussenpolitischen Ursachen des Zerfalls der Tschechoslowakei in dieser Arbeit eingegangen werden kann, soviel waren sie für das Ende der 1. und 2. Republik ausschlaggebend. Wenn in den nachfolgenden Kapiteln vor allem die verschiedenen Autonomieprogramme und –pläne des Jahres 1938 und der vorangegangenen Jahre den Schwerpunkt bilden, so soll keinesfalls der Eindruck entstehen, dass es bei den Autonomiedebatten immer allen Beteiligten wirklich um die zwar deklarierte, aber nicht selten „Abspaltung“ bedeutende Autonomie gegangen sei. Aus innen[6] - und aussenpolitischen taktischen Gründen war es praktisch nur möglich, über „Autonomie“ zu diskutieren, nicht aber über Abspaltung.
Die Frage stellt sich, ob die Erste Republik in erster Linie an ihren ungelösten Nationalitätenfragen oder durch äusseren Druck zerbrochen ist. Die Kombinierung von beiden Faktoren war tödlich. Zwar wäre ein Staat mit einer stabilen, ausgewogenen Nationalitätenordnung wie beispielsweise die Schweiz[7] einer vergleichbaren aussenpolitischen Konstellation wohl früher oder später auch erlegen, doch steht fest, dass die Zerschlagung der Tschechoslowakei durch die zweifellos ungelöste, seit der Republiksgründung immer nur wieder aufgeschobene und von vielen Zentrumspolitikern nicht einmal ernst genommene Nationalitätenfrage wesentlich erleichtert wurde.
Die 1920 von der Revolutionären Nationalversammlung verabschiedete Verfassung[8] bot eigentlich keinen schlechten Boden für einen funktionierenden Nationalitätenstaat, den die eben aus der Asche der (vorrangig auch an der Nationalitätenfrage zerbrochenen) Donaumonarchie hervorgegangene Tschechoslowakische Republik nolens volens darstellte. Die Verfassung definierte den neu entstandenen Staat zwar nicht explizit als Nationalstaat[9] der Tschechoslowaken (aber auch nicht explizit als Nationalitätenstaat), doch sie bezeichnete den Staat als „Tschechoslowakei“ ohne Bindestrich[10]. Als Staatssprache mit Sonderstatus[11] wurde „Tschechoslowakisch“ definiert (was bedeutete, dass sowohl Tschechisch und Slowakisch den Rang einer offiziellen Sprache einnahmen), obwohl es bei der Staatsgründung deutlich mehr Deutsch- als Slowakischsprechende im Staate gab. Doch die Februarverfassung von 1920 garantierte auch, dass eine Sprache, die in einem Gebiet von mindestens 2/3 der Bewohner gesprochen wird, dort auch als offizielle Sprache gilt. Ausserdem wurden auch Deutsch, Ruthenisch (Ukrainisch) und Ungarisch als „Staatssprachen“ deklariert – was aber die Tatsache nicht änderte, dass ihr Gebrauch nur auf das jeweilige Nationalitätengebiet beschränkt blieb. Die Verfassung übernahm das österreichische System, wonach Schulen in Nationalitätensprachen dort einzurichten seien, wo mindestens 20 % der Kinder Unterricht in ihrer Minderheitensprache wünschten. Alle ethnischen Gruppen durften ihre eigenen Periodika veröffentlichen und hatten ihre eigenen Rundfunksendungen[12] (nicht die Roma und Juden). Auch waren ethnisch gebundene Parteien durchaus zugelassen, solange sie nicht das Gesetz brachen, die öffentliche Ordnung störten oder die Sicherheit des Staates gefährdeten. Crampton ist der Meinung, dass „the constitution in fact actively aided the representation of the minority groups as the complicated system of proportional representation[13] provided for the redistribution of votes according to ethnic as well as party political preferences“[14] . Gerade die Art der 1920 von der Nationalversammlung beschlossenen, nie vollends realisierten Verwaltungseinteilung schwächte aber die hehre Nationalitätengesetzgebung der Verfassung deutlich ab. Das vor allem von den gesamtstaatlich agierenden Parteien vertretene Prinzip des Staatszentralismus setzte sich durch und wurde schliesslich auch von allen slowakischen Vertretern (d.h. auch von Hlinkas Volkspartei) verabschiedet. Die allgemeine Begründung in bezug auf die Nicht-Realisierung der im Pittsburgher Abkommen noch deutlich vorgesehenen Autonomie der Slowakei[15] war sowohl unter den tschechischen als auch unter den slowakischen Vertretern, dass die Slowakei noch nicht für eine Selbstregierung reif sei – angesichts ihrer Rückständigkeit und der ungarischen Bedrohung[16]. Die Tatsache, dass die vorerstige uneingeschränkte Einbindung der Slowakei in den Gesamtstaat – d.h. ohne Autonomie – auch deutlich von allen slowakischen Vertretern gefordert wurde, lässt die späteren Auseinandersetzungen um den Wert des Pittsburgher Abkommens erst im richtigen Licht erscheinen[17]. Das Verwaltungsgesetz von 1920 war im Wesentlichen Švehlas Werk und sah die Einrichtung von 21 Verwaltungseinheiten (Gaue = župy) innerhalb der nächsten fünf Jahre vor, die aber unter nationaldemokratischem Druck in den böhmischen Ländern[18] nie eingerichtet wurden, sondern nur in der Slowakei (6 Gaue) und der Karpatoukraine. 1927 wurde das ohnehin nicht annähernd realisierte Prinzip von 1920 aufgegeben und die Wiedererrichtung von Ländern (tschech. země, slowak. krajiny) beschlossen, und zwar die eines Böhmischen Landes (Česká země), eines Mährisch-Schlesischen Landes (Moravosleszká země; die Zusammenlegung der beiden historischen Länder geschah vorwiegend, um die sudetendeutsche Bevölkerung in Schlesien nicht als Majorität auftreten zu lassen), des Slowakischen und des Karpatoukrainischen Landes (Slovenská krajina bzw. Podkarpatoruská země[19]). Gleichzeitig wurden Kreise (okresy) gebildet, die eine Ebene unter den Ländern standen. Die Länder unterstanden sogenannten Landespräsidenten, die Kreise „Kreishetmanen“, die beide vom Präsidenten der Republik ernannt wurden. Jedes Land besass eine Landesvertretung, die in Böhmen 120 Mitglieder zählte, in Mährisch-Schlesien 60, in der Slowakei 54 und in der Karpatoukraine 18. Die Kompetenzen der Länder waren gering. Das Prinzip des Staatszentralismus wurde durch die neue Verwaltungsordnung von 1927 nicht massgeblich aufgegeben[20], obwohl es mit der neuen Verwaltungseinteilung zu einem Dualismus in der Staatsverwaltung gekommen war, den Švehla ursprünglich gerade zu verhindern versucht hatte.
Sowohl im Friedensvertrag von St.-Germain als auch in der tschechoslowakischen Verfassung war von einer Autonomie der Karpatoukraine die Rede. Dazu gehörten ein eigenes gesetzgebendes Parlament, ein Gouverneur und eine „ausgeglichene Vertretung“ im Tschechoslowakischen Parlament[21]. Es dauerte jedoch bis zur Reform der Verwaltungseinteilung, bis das Verwaltungsgebiet als „Land“ eine bescheidene Landesversammlung bekam, obwohl karpatoukrainische Vertreter diese in Prag seit 1920 lauthals gefordert hatten. Der von Prag ernannte lokale Gouverneur hatte nicht mehr als zeremonielle Funktion, die Provinz-Administration lag vielmehr in den Händen eines ebenfalls in Prag ernannten, wohlgemerkt tschechischen Vize-Gouverneurs.
3. Autonomieprogramme für die Sudetendeutschen
Bei der Untersuchung der im Laufe der Jahre 1936, 1937 und insbesondere 1938 aufgebrachten Autonomiepläne für die Sudetendeutschen bzw. deren (administrativ undefiniertes) Territorium ist vor allem eines zu beachten: Es kann – was durch eine Reihe von nach dem Krieg veröffentlichter Dokumente[22] sowie taktischer Fehler[23] Henleins zu belegen ist – davon ausgegangen werden, dass eine Seite, nämlich diejenige, die am vehementesten von allen „Autonomie“ für sich forderte, im Krisenjahr 1938 vom Bestreben geleitet war, eben diese so vehement eingeforderte Autonomie in Tat und Wahrheit zu verhindern und stattdessen einen Anschluss ans Dritte Reich zu vollziehen. Insofern ist die Auseinandersetzung mit den Autonomieforderungen der Sudetendeutschen Partei (SdP) aus nachzeitiger Sicht eine ziemlich theoretische Angelegenheit, ging es Henleins Partei – wie ersichtlich werden wird – nicht einmal selbst immer um die praktische Realisierbarkeit ihrer Vorschläge. Es spricht einiges dafür, dass sich Konrad Henlein, besonders aber K.H. Frank, schon beträchtliche Zeit vor dem bekannten Ukas ihres „Führers“ vom 28. März 1938, an die tschechische Regierung stets Forderungen zu stellen, die für diese unannehmbar seien, im Dienste Hitlers – wenn auch möglicherweise bis ins Jahr 1937 hinein unaufgefordert - sahen. Trotzdem ist durch keinerlei Quellen schlüssig bewiesen und erscheint unwahrscheinlich, dass Henlein mit seiner SHF (Sudetendeutsche Heimatfront) schon von Anfang an Hitlers Zielen dienen wollte, beziehungsweise mit diesen sympathisierte. Die Forderungen der SdP spitzten sich bis Ende April 1938 zusehends zu, währenddessen ab diesem Zeitpunkt ein gewisses Festhalten am Karlsbader Programm festzustellen ist, dies allerdings mit kompromissloser Härte und – Hitlers taktischen Anweisungen gerecht werdend - Pedanterie. Bei den während des Jahres 1938 Überhand nehmenden und schliesslich jede ernste oder geheuchelte Beschäftigung mit Autonomieprogrammen schlagartig überflüssig machenden internationalen Einflussnahmsversuchen ist weiters nicht zu vernachlässigen, dass Henleins Partei zwar eine übermächtige Mehrheit, aber nicht alle Sudetendeutschen vertrat. Insbesondere die deutsche Sozialdemokratie unter Wenzel Jaksch stellte sich bis zum bitteren Ende mit sorgfältig ausformulierten Gegenprogrammen für eine teilweise Selbstverwaltung der sudetendeutschen Mehrheitsgebiete der SdP wie ein David dem übermächtigen, weil totalitär veranlagten Goliath entgegen. Tendenziell fällt auf, dass die Prager Regierung unter Ministerpräsident Hodža, in noch stärkerem Masse aber Präsident Beneš, lange Zeit Henleins Forderungen ziemlich unbeeindruckt entgegenzusehen schien. Dies änderte sich spätestens mit dem (überwiegenden) Aufgehen der deutschen Agrarier und Christsozialen in der SdP im März 1938. Ab diesem Zeitpunkt gelangt die Zentralregierung in wenigen Monaten von einem formlosen „Nein“ zu Henleins wichtigsten Forderungen schliesslich zu einer – besonders von Präsident Beneš durchgesetzten – in der Sache bedingungslosen Anerkennung des Karlsbader Programms. Vor allem infolge äusseren Drucks fanden sich die führenden tschechischen und slowakischen Politiker schliesslich zu umfassenden, zuletzt sogar den eigenen Staat zutiefst in Frage stellenden Konzessionen zur Lösung der Nationalitätenfrage bereit. Wenn den nuancierten Regeln der Diplomatie entsprechendes internationales Drängen auf Ausgleich mit den nationalen Minderheiten in dieser Hinsicht als Katalysator für eine ernsthaft geführte innenpolitische Debatte durchaus noch akzeptierbar und der Sache im positiven Sinne dienlich hätte sein können, so war diese Art Wirkung in bezug auf die Nationalitätenfrage in der ČSR spätestens seit Hitlers Machtergreifung 1933 undenkbar, ja die aussenpolitische Verquickung verunmöglichte eine funktionierende Lösung zusehends. Wären der jungen Republik andere aussenpolitische Rahmenbedingungen vergönnt gewesen, hätte sie vor allem mindestens jene „30 Jahre“, von denen Masaryk bei der Staatsgründung als für die Konsolidierung des Staates notwendige Zeit gesprochen hatte, durchlebt, so ist eine friedliche und demokratische Lösung der Nationalitätenfrage in der ČSR durchaus vorstellbar. Die durchaus fruchtbare Zusammenarbeit von Tschechen, Slowaken und Deutschen in der Prager Zentralregierung seit 1926 kann jedenfalls als erster Anfang dazu verstanden werden.
Schon nach den ersten Parlamentswahlen von 1920 forderten alle gewählten deutschen Vertreter für die sudetendeutschen Mehrheitsgebiete eine Autonomie. Nach einigen Jahren der Nichtbeteiligung (Negativismus) entschlossen sich erstmals zwei deutsche Parteien[24], in eine tschechoslowakische Regierung einzutreten (Aktivismus[25]). Möglich wurde diese Beteiligung durch ein klares Votum der sudetendeutschen Bevölkerung anlässlich der Parlamentswahlen von 1925: ca. 900‘000 von ihnen stimmten für aktivistische deutsche Parteien, nur ca. 250'000 stimmten für Parteien, die sich einer Zusammenarbeit mit den tschechoslowakischen Organen immer noch widersetzten.
Präsident Masaryk, Premier Švehla und andere hatten schon vor den Wahlen laut über eine Regierungsbeteilgung deutscher (und slowakischer) Parteien nachgedacht und sich dazu positiv geäussert. Deutsche Minister waren von da an bis in die letzten Monate der Ersten Republik in der Zentralregierung vertreten. Die deutschen aktivistischen Parteien, die alle irredentistischen Programme ablehnten, erlangten bei den Parlamentswahlen von 1920, 1925 und 1929 jeweils zwischenn 74 und 83 % aller deutschen Stimmen[26]. Die aktivistischen sudetendeutschen Parteien gelangten ab dem Aufkommen der Sudetendeutschen Heimatfront (1933; ab 1935 Sudetendeutsche Partei) Konrad Henleins massiv unter Druck und verloren ebenso drastisch an Popularität. Hier kann nicht näher auf die Gründe für den Aufstieg von Henleins SdP eingegangen werden. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass die wichtigsten Gründe, warum der Ascher Turnlehrer in nur zwei Jahren fast zwei Drittel der sudetendeutschen Wählerschaft hinter sich bringen konnte, vor allem die Machtergreifung der Nationalsozioalislsten im Deutschen Reich sowie – als zweiter Hauptgrund – die Massenarbeitslosigkeit gerade im deutsch besiedelten Grenzgebiet der ČSR waren. Die Verschärfung der Nationalitätenpolitk durch die Kabinette von Ministerpräsident Malypetr, die 1933 das Verbot der beiden rechtsgerichteten sudetendeutschen Parteien DNSAP und DNP beinhaltete, spielte – ob gewollt oder nicht – Henleins Bewegung (und ab 1935 Partei) zusätzlich in die Hände. Dass die deutschen Arbeitslosen durch die Prager Zentralregierung gezielt benachteiligt worden seien, entbehrt der Beweise. Sozialminister war gerade in der akutesten Zeit der Krise ein sudetendeutscher Sozialdemokrat (Ludwig Czech). Nach dem Anschluss Österreichs an Deutschland gaben die „demokratischen“ deutschen Parteien dem Druck Henleins (bzw. Hitlers) schliesslich nach[27] und gingen mit einer Grosszahl ihrer Mitglieder in der SdP auf[28] (März 1938). Dem vorausgegangen war ein 1936 neuauflebender Aktivismus (Jungaktivismus), dessen Hauptvertreter Wenzel Jaksch (DSAP), Hans Schütz (Christsoziale) und Gustav Hacker (Dt. Agrarier) waren. Die Jungaktivisten wurden mit Forderungen nach Autonomie zusehends zurückhaltender, da eine solche zum gegebenen Zeitpunkt wohl nichts Anderes als ein Anheimfallen der sudetendeutschen Mehrheitsgebiete an den Nationalsozialismus bedeutet hätte. Stattdessen überreichten Vertreter der jungaktivistsichen Parteien am 28. Januar 1937 Ministerpräsident Hodža ein Memorandum, in dem es vor allem um nationale Gerechtigkeit (d.h. Reziprozität, z.B bei der Postenverteilung im Verwaltungsapparat) und Berücksichtigung der sudetendeutschen wirtschaftlichen Krisengebiete bei Notstandsarbeiten sowie stärkere Vertretung der Deutschen im öffentlichen Dienst ging. Ihre Vorschläge flossen denn auch in einen Regierungsbeschluss vom 18. Februar 1937 ein, der von da weg innerhalb des sudetendeutschen Lagers entweder als Erfolg oder Versagen der aktivistischen Politik gewertet wurde, die SdP-Strategen aber durchaus für eine gewisse Zeit ins Schwitzen gebracht haben dürfte[29].
Ab spätestens November 1937, als die Steuerung von Henleins Partei durch die deutschen Nationalsozialisten im Lichte vorhandener Dokumente unverkennbar wird[30], wird die Sudetendeutsche Frage zu einer internationalen Frage, der sich auch die westeuropäischen Mächte England und Frankreich zu widmen hatten. Im Gegensatz dazu interessierte die gleichzeitig brodelnde Slowakische Frage zu dieser Zeit noch kaum eine ausländische Regierung – höchstens die ungarische, in geringem Masse die polnische. Auch Hitler wurden die Möglichkeiten, die mit dem Ausspielen der slowakischen Karte geöffnet würden, erst erstaunlich spät bewusst.
Es gibt – wie schon erwähnt – in der Literatur die Ansicht, wonach Henlein schon von Anfang an ein Anhänger der Nazi-Ideologie gewesen sei, mit dem Ziel, das deutsche Mehrheitsgebiet ans Deutsche Reich anzuschliessen. Während des Krieges machte Henlein gegenüber NS-Funktionsträgern verschiedentlich Aussagen, wonach sein Ziel von Anfang an der Anschluss des Sudetenlandes an Deutschland gewesen sei, er dieses Ziel aber geschickt hätte kaschieren müssen, um nicht Gefahr zu laufen, mit seiner Bewegung bzw. Partei in die Illegalität gedrängt zu werden. Solchen Aussagen stehen zumindest Henleins ideologische Herkunft[31] - der „Kameradschaftsbund“ - und natürlich seine Äusserungen in der Öffentlichkeit von 1933-1938 entgegen. Die Tatsache, dass finanzielle Zuwendungen an Heimatfront-nahe Kreise von deutschen Staatsämtern schon ab 1934 nachzuweisen sind, bedeutet nicht, dass sich Henlein ab diesem Zeitpunkt automatisch auch als 5. Kolonne Hitlerdeutschlands sehen musste.
[...]
[1] Eine ausführliche und gut kommentierte Sammlung von die Innen- wie Aussenpolitik der Tschechoslowakei betreffender Dokumente ist zu finden in: Gronský / Hřebejk, Dokumenty k ústavnímu vývoji Československa I. (1918-1945), Praha 1997.
[2] Vgl. die mehrbändige Sammlung von Gerichtsakten in: Poverenictvo informacií (ed.), Pred súdom národa, Bratislava 1947.
[3] Beispiele für programmatische Wechsel andeutende Personalneubesetzungen sind: Rudolf Beran (Agrarier) anstelle von František Udržal, Jan Malypetr bzw. Antonín Švehla; Karel Sidor, Jozef Tiso, Ferdinand Ďurčanský, Alexandr Mach u.a. übernehmen Führunsgposten in Hlinkas Slowakischer Volkspartei; inwiefern die Ablösung T.G. Masaryks als Präsident durch Edvard Beneš einen programmatischen Wechsel darstellt, ist durch die sich aussenpolitisch massiv veränderte Lage schwer zu beurteilen; Beispiele für Parteineugründungen infolge Abspaltung sind: Jiří Stříbrný (tritt aus National-sozialistischer Partei aus und gründet rechtsgerichtete „Liga“); Radola Gajda konstituiert tschechische Faschisten; Martin Rázus schliesst sich mit seiner evangelisch ausgerichteten Slowakischen Nationalpartei 1935 Hlinkas Volkspartei an.
[4] In dieser Arbeit wird die Československá strana národně socialistická durchweg „National-sozialistische Partei“ genannt, deren Mitglieder „National-Sozialisten“. Zu beachten ist allerdings, dass das Wort národně in der tschechischen Originalbezeichnung der Partei ein Adjektiv ist, wohingegen auf Tschechisch Mitglieder der Partei n árodní socialisté genannt werden, d.h. in diesem Fall verwandelt sich das Adverb in ein Adjektiv.
[5] Gemäss Volkszählung von 1930 lebten in der Tschechoslowakei insgesamt 14,4 Mio. Einwohner, von denen rund 9,69 Mio. (67 %) „Tschechoslowaken“ (7,4 Mio. Tschechen und 2,3 Mio. Slowaken), 3,23 Mio. Deutsche, 0,69 Mio. Madjaren, 0,55 Mio. Rusynen (inkl. Ukrainern und Russen), 186'000 Juden und 82‘000 Polen waren. Rund 50'000 Einwohner gehörten einer anderen Nationalität an. Zahlen gemäss Crampton / Crampton, Atlas of Eastern Europe in the Twentieth Century, London / New York 1995, 61.
[6] Es war in der ČSR gesetzlich verboten, eine Loslösung eines bestimmten Gebietes vom Staat zu propagieren (u.a. „Gesetz zum Schutz der Republik“ von 1923). Das 1933 erlassene Verbot gegen die Deutsche Nationalsozialistische Arbeiterpartei (DNSAP) wirkte auch auf Henlein, der in seiner (ab 1935 so genannten) Sudetendeutschen Partei viele der ehemaligen Anhänger der DNSAP sammelte. Deshalb forderte Henlein bis zu seinem Putschversuch und der Flucht ins Deutsche Reich nur immer eine „Föderalisierung“ des Staates. Vielfach unbeachtet in der Forschung ist die Tatsache, dass während des ganzen Bestehens der Tschechoslowakei (Tschecho-Slowakei) Pressezensur kein unbekanntes Phänomen war.
[7] Obwohl der Begriff „Nationalitäten“ für die vier sprachlichen Entitäten der Schweiz unpassend ist. Vielmehr bietet sich der viel schlichtere Begriff „Sprachgruppen“ an.
[8] Die Verfassung wurde von keinen nationalen Minderheiten verabschiedet, sondern nur von tschechischen und slowakischen Abgeordneten.
[9] Weder Beneš noch Masaryk bezeichneten die Tschechoslowakei bis 1938 jemals als „Nationalstaat“, ja beide setzten sich sogar immer wieder für den multiehtnischen Charakter ihrer Republik ein. Vgl. Brügel, Die Deutschen in der Vorkriegs-Tschechoslowakei, in: Mamatey / Luža (ed.), Tschechoslowakische Republik, 189-191. Vor allem K. Kramářs Nationaldemokraten – in den dreissiger Jahren nur noch Schatten ihrer selbst – sowie die tschechischen Sozialdemokraten gingen seit der Republiksgründung von einem tschechoslowakischen Nationalstaat aus.
[10] In den Pariser Friedensverträgen kam nur die Schreibweise mit Bindestrich vor, ebenso im Pittsburgher Abkommen vom Mai 1918.
[11] Der Sonderstatus bedeutete u.a., dass Staatsbeamte eine Prüfung in Tschechisch oder Slowakisch abzulegen hatten, oder dass die öffentlichen Betriebe Post und Eisenbahnen auf „Tschechoslowakisch“ betrieben wurden.
[12] Die Rolle des Rundfunks für die Deutschen der Tschechoslowakei stellt ein bisher wenig beachtetes - aber sehr aufschlussreiches! - Unterkapitel der sudetendeutschen Frage dar. Erst ab Oktober 1925 sendete die tschechische Station „Radiojournal“ dreimal wöchentlich je ca. 30 min auf deutsch von Prag aus, später eine Stunde täglich. Die Sendungen waren unter den tschechischen Stammhörern verständlicherweise nicht sehr beliebt, also gelang es auch nicht, die Sendezeit auf Kosten des tschechischen Anteils auszudehnen. Zudem waren sie im Grenzland nur schlecht zu empfangen, obwohl ca. ein Drittel der Runfunkkonzessionäre Deutsche waren. Erst im Mai 1938 (!) kam es zu einem deutschen Ganztagsprogramm aus Mělník, aber auch dieser Sender war z.B. in Mähren schlecht zu empfangen. Mehr als 90 % der Sudetendeutschen hörten bis 1938 reichsdeutsche bzw. einen österreichischen Sender (Leipzig, Breslau, Wien, München). Alle Angaben aus: Klášterková, Role německy vysílajících stanic ve vývoji Sudet v letech 1923-1938, in: Dějiny a současnost 2/21/1999, 42-44.
[13] Gemeint ist das Proporz-Wahlrecht, das auch ein Bestandteil der Februarverfassung war und unumgänglich zur Bildung einer Vielzahl von Kleinstparteien beitrug.
[14] Crampton, Eastern Europe in the Twentieth Century – And After, London / New York 19972, 61.
[15] Pittsburgher Abkommen: „Die Slowakei wird ihre eigene Verwaltung, ihr eigenes Parlament, ihre eigenen Gerichte haben“. Das Pittsburgher Abkommen ist im slowakischen Original zu finden bei: Gronský / Hřebejk, Dokumenty, 16-17.
[16] Die zweimalige ungarische Besetzung der Slowakei 1918 und 1918 (Béla Kuns Räterepublik) war noch in frischer Erinnerung.
[17] Ausserdem enthielt das Pittsburgher Abkommen eine slowakischerseits oft unbeachtete Schlussklausel, die besagte, dass die „detaillierte Festlegung der Ordnung des tschecho-slowakischen Staates den befreiten Tschechen und Slowaken und ihren gesetzlichen Vertretern überlassen“ werde. Masaryks spätere Aussage, dass er sich nicht wörtlich an das Pittsburgher Abkommen gebunden sehe, da er damals mit „Ausländern“ ein Abkommen geschlossen habe, ist nicht nur eine Ausrede. Dazu ist ein „Abkommen“ nicht unbedingt ein „Vertrag“ (v.a. nicht im Tschechischen: „dohoda“ versus „slmouva“).
[18] In den böhmischen Ländern wurden die župy auch deswegen nie eingerichtet, weil gemäss den Plänen Švehlas zwei der böhmischen Gaue eine deutsche Mehrheit gehabt hätten, was in den Augen tschechischer Nationalisten unannehmbar erschien.
[19] Das Gebiet der Karpatoukraine trug zwischen 1918 und 1939 verschiedene Namen. In dieser Arbeit wird einheitliche die Bezeichnung „Karpatoukraine“ verwendet.
[20] Mamatey ist der Meinung, dass das Gausystem – wäre es nur durchgesetzt und allmählich liberalisiert worden – ein „brauchbares Ventil für den kulturellen Partikularismus und die besonderen Bildungsbedürfnisse der nationalen Minderheiten und der Slowaken und Ruthenen“ abgegeben hätte können. Vgl. Mamatey / Luža, Tschechoslowakische Republik, 136.
[21] Der Wortlaut der St.-Germainer Bestimmungen über die Karpatoukraine, der später in das„Generalstatut über die Organisation und Administration der Karpatoukraine“ übernommen wurde, ist zu finden bei: Hořec (ed.), Dokumenty o Podkarpatské rusi, Praha 1997, 12-14.
[22] Vgl. die „Deutschen Akten zur auswärtigen Politik“, inkl. Protokolle und Niederschriften von Unterredungen zwischen Hitler und Führern der SdP; Protokolle der tschechoslowakischen Volksgerichte 1945-1946.
[23] Einer dieser war, dass die SdP 1935 eine Zeit lang erwog, eine Präsidentenkanditur Kramářs gegen Beneš zu unterstützen, obwohl der erstere ein Verfechter des Nationalstaatsgedankens war – eines Prinzips also, das denjenigen der SdP gerade diametral entgegenstand. Vgl. Brügel, Tschechen und Deutsche, 279f.
[24] Nämlich der Bund der Landwirte und die Deutsche Christlichsoziale Partei.
[25] Schon ab 1922 ist der Gedanke an Regierungsbeteiligung beim Bund der Landwirte (Agrarier) und den Christlichsozialen feststellbar, vgl. Brügel, Deutsche Vorkriegs-Tschechoslowakei, in: Mamatey / Luža, 192.
[26] Ebenda.
[27] Die Agrarpartei gelangte durch einen parteiinternen Putsch in die SdP; die Christlich-sozialen sahen es als Zeichen der Zeit an, in der SdP aufzugehen. Die bisherige Führung beider Parteien engagierte sich jedoch nie in der SdP und war weiterhin im demokratischen Lager aktiv.
[28] Die DSAP (Deutsche Sozialdemokratische Arbeiterpartei), jahrelang unter der Führung von L. Czech, ab März 1938 von W. Jaksch geleitet, trat der SdP nicht bei und bestand bis zu ihrem Verbot nach Anschluss des Sudetenlandes an das Deutsche Reich.
[29] vgl. Brügel, Tschechen und Deutsche, 309ff.
[30] Henleins Finanzierung und Steuerung durch Hitler war jedoch lange nicht allen bedeutenderen reichsdeutschen Funktionsträgern bewusst. So ist aus der Korrespondenz des deutschen Botschafters in Prag, Eisenlohr, mit dem Aussenministerium in Berlin bis September 1938 ersichtlich, dass dieser oftmals schlechter über die wahren Absichten Hitlers informiert gewesen zu sein scheint als der tschechoslowakische Staatsbürger Henlein. Das gleiche gilt für Reichsaussenminister von Neurath. Vgl. Brügel, Tschechen und Deutsche, 277 ff. Vgl. auch Seibt, Německo a Češi, 312f., zu einem wichtigen Schreiben Henleins an Hitler vom 19. November 1937, worin Henlen Hitler gegenüber seine Untergebenheit zusichert. Den aktuellen Forschungsstand zur Finanzhilfe des Deutschen Reiches gegenüber der SdP von 1935 bis 1938 berichtet: Kučera, Mezi Wilhelmstrasse a Thunovskou. Finanční podpora Německé říše Sudetoněmecké straně v letech 1935-1938, in: Český časopis historický 2/95/1997, 387-420.
[31] Vgl. Kural, Zwischen Othmar Spann und Adolf Hitler, in: Bohemia 2/39/1997, 371-376.
- Citar trabajo
- Adrian von Arburg (Autor), 1999, Autonomiepläne in der Tschechoslowakei und Jugoslawien 1938/39 - Dezentralisierungs- und Sezessionsbestrebungen vor dem Hintergrund außenpolitischer Bedrohung, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/86197
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