Diese Arbeit widmet sich der interessanten Frage, wie Hitler im Jahr 1933 den Widerstand innerhalb der Reichsregierung brechen konnte.
Inhaltsverzeichnis
1. Vorbemerkungen
2. Die Koalition NSDAP-DNVP – Eine ambivalente Regierungskoalition
3. Das Konzept der ,,Zähmung“ Hitlers
4. Die Entmachtung des Reichstages
4.2. Die Folgen des Reichstagbrandes vom
4.3. Die Reichstagswahlen vom
4.4. Der Weg zum Ermächtigungsgesetz am
4.5. Das Ermächtigungsgesetz und seine Folgen
4.6. Die Zerschlagung der DNVP
5. Ein Fazit
6. Literaturverzeichnis:
6.1. Quellenverzeichnis:
6.2. Sekundärliteratur:
1. Vorbemerkungen
Während des Proseminars der neueren Geschichte ,,Die Probleme der Republik von Weimar 1919-1933“ bei Herrn Prof. Dr. Ahmann stellte sich die Frage, wie Hitler auf dem Weg zu seiner Diktatur ab dem 30.1.1933 mit seiner Partei[1], der NSDAP, in nur wenigen Monaten sämtliche Widerstände innerhalb der Reichsregierungsebene der Weimarer Republik ausschalten konnte.
Am 9.11.1918 wurde von Philipp Scheidemann die Republik[2] in Berlin ausgerufen. Die Republik stellte keine gewünschte Staatsform dar, sondern war das Ergebnis eines verlorenen Krieges.[3] Bedroht durch linke und rechte Kräfte, stark eingeengt durch den Versailler Vertrag, handlungsbeschränkt wegen einer anti-parlamentarischer Mehrheit im Reichstag, aufgrund der Ruhrbesetzung und einer einsetzenden Inflation auf eine Zerreisprobe gestellt und angesichts zahlreicher anderer Krisen, schien es das größere Wunder zu sein, dass die Republik das Jahr 1923 überstand, als dass die Republik bereits scheiterte.[4] Es folgte die Phase der sogenannten ,,goldenen zwanziger“[5] Jahre von 1924 bis 1929, in der es so schien, als ob die Republik doch langfristig Bestand halten könne: Die linken und rechten Angriffe auf die Republik verstummten nahezu, Frankreich wich von seinem Plan der strickten Durchsetzung des Versailler Vertrags immer mehr ab und gab der Republik somit mehr Handlungsfreiräume als zuvor, die sogenannte Große Koalition sorgte für eine Mehrheit im Reichstag, die Währungsreform und vor allem die amerikanischen Kredite sorgten für eine Wiederbelebung der Wirtschaft. Doch dieser neu einsetzende Wohlstand war sehr trügerisch. Mit der einsetzenden Weltwirtschaftskrise am 24.10.1929 wurden die amerikanischen Kredite abgezogen und es setze eine Massenarbeitslosigkeit in der Republik ein. Die Große Koalition, welche der Republik politische Einigkeit und Festigkeit geben sollte, zerbrach aufgrund des fehlenden Konsenses innerhalb der Koalition über die Frage einer Beitragserhöhung der Arbeitslosenversicherung.[6] Die neuen folgenden Minderheitsregierungen konnten die steigende Unzufriedenheit und die Not der Bevölkerung in ihrer prekären Situation nicht mildern. Dies führte zu einem erneuten Machtanstieg der linken und rechten Kräfte, vor allem die der NSDAP. Die NSDAP wurde am 31.7.1932 zu der stärksten Partei der Republik und verhalf somit Hitler am 30.1.1933, nach monatelangen Ringen um das höchste Amt innerhalb der Reichsregierung nach den Reichspräsidenten von Hindenburg, zum Reichskanzleramt. Hitler, mit dessen Hilfe man die Staatsnot lindern wollte, verstand es in nur wenigen Monaten eine Diktatur zu errichten.[7] So schrieb der französische Botschafter Franyois-Poncet am 4. Juli 1933 an seine Regierung in Paris, dass ,,der Nationalsozialismus [...] eine Wegstrecke, für die der italienische Faschismus fünf Jahre benötigte, in fünf Monaten zurückgelegt“[8] habe.
Wie war dies möglich, wenn doch die Gefahr, die von Hitler ausging, innerhalb der Reichsregierung früh erkannt wurde?[9] Wie konnte Hitler nun die zahlreichen Widerstände innerhalb der Reichsregierung beseitigen, die sich ihm in den Weg stellten?
Um diese Fragen beantworten zu können, soll zunächst die Grundlage erläutert werden, mit der Hitler innerhalb der Reichsregierung gelangen konnte: Die Koalition zwischen der NSDAP und der DNVP.
Wie ist diese Koalition zustande gekommen und welche Ziele verfolgte sie?
In der Folge wird notwendiger Weise das Konzept der ,,Zähmung“ Hitlers darlegt werden, um nun im Verlauf der Hausarbeit chronologisch erklären zu können, wie Hitler alle Widerständer auf den Weg zu seiner Diktatur innerhalb der Regierungsebene beseitigen konnte. Das Fazit wird zuletzt die erarbeiteten Ergebnisse zusammenfassen.
Es wird auffallen, dass sich für diese Hausarbeit zum großen Teil auf die Arbeiten von Karl Dietrich Bracher, Eberhard Jäckel und Hans Ulrich Thamer gestützt wurde. Dies war der Fall, da sich ihre Arbeiten nicht nur auf einen relativen neuen Stand der Forschung befinden, sondern weil ich ihre Arbeiten auch am ergiebigsten befand.
2. Die Koalition NSDAP-DNVP – Eine ambivalente Regierungskoalition
Hitler vermochte es am 30.1.1933 nicht allein mit seiner Partei die Regierung zu führen, weil Hindenburg befürchtete, dass Hitler ansonsten eine Diktatur errichten würde.[10] Überhaupt wurde Hitler nur widerwillig Hindenburg zum Reichskanzler ernannt. Otto Meisner, der Staatssekretär unter Hitler war der Meinung, dass ,,Hindenburg [...] sich erst nach langem Zögern entschlossen habe, die Führung der Regierung Adolf Hitler zu übertragen, nachdem keine andere verfassungsmäßige Möglichkeit mehr blieb, als eine Rechtsregierung unter Hitlers Leitung zu berufen.“[11] Hitler wurde wohl nur Reichskanzler, weil seine Koalitionspartner, insbesondere Papen[12], Hindenburg überreden konnten, ihn zum Reichskanzler zu ernennen.[13] Hindenburg hielt es für möglich bei der Koalition zwischen der NSDAP und der DNVP, welche unter der Führung von Alfred Hugenberg stand[14], in naher Zukunft eine Mehrheit im Reichstag zu erlangen.[15] Hitler wurde also nicht nur von einer politischen Kraft, seiner NSDAP, sondern auch noch von einer anderen politischen Kraft getragen, der DNVP. Eberhard Jäckel kommt deshalb zu dem Schluss, dass Hitler ,,sich [...] in einer ungewöhnlichen und prekären Lage befand. In der Regel wird ein Herrscher oder eine Führungsgruppe von einer Gruppierung getragen, die ein gemeinsames Interesse hat und gleiche oder ähnliche Ziele verfolgt.“[16] Eberhard Jäckel fügt noch hinzu, dass die ,,Interessen und Ziele“ der NSDAP und der DNVP ,,in vielen Bereichen geradezu entgegengesetzt waren.“[17] Während die NSDAP eine Diktatur unter Hitler anstrebte[18], versuchte die konservative DNVP das vorherige konstitutionelle Regierungssystem in der Weimarer Republik wieder einzuführen.[19] Dies stellte Hitler vor eine schwierige Aufgabe, denn ,,wer eine derartige Regierung führt, die aus zwei gegensätzlichen Gruppierungen besteht, ist in Gefahr, eine von ihnen oder sogar beide zu enttäuschen und so ihre Unterstützung zu verlieren.“[20] Allerdings besaßen die NSDAP und die DNVP auch ein gleiches Ziel, was sie verbündete: Beide Parteien beabsichtigen die Auflösung der parlamentarischen Regierungsform.[21] Die Koalitionspartner waren also zugleich Verbündeter und Konkurrent, die sich gegenseitig für ihre Interessen ausnutzen wollten um an ihre Ziele zu gelangen. Anschließend wollten dann beiden Parteien den jeweiligen Koalitionspartner entmachten.[22]
3. Das Konzept der ,,Zähmung“ Hitlers
Welche Gefahr von Hitler ausging, war vor allem Hindenburg bekannt gewesen.[23] Aus diesem Grund wollte Hindenburg Hitler kontrolliert wissen, weshalb ein Konzept der ,,Zähmung“ Hitlers entstand. Dieses Konzept sah vor, Hitler durch eine Mehrheit an konservativen Ministern und durch die Autorität des Reichspräsidenten selbst in Schach zu halten. Denn der Reichspräsident besaß eine entscheidende Position, mit der er Hitler zügeln konnte. Hitler konnte nur mit der Notverordnung Nr. 48[24] des Reichspräsidenten innerhalb seines Präsidialkabinetts Gesetze erlassen.[25] Zugleich war Hitler von dem Vertrauen des Reichspräsidenten abhängig, der ihm jeder Zeit wieder das Vertrauen entziehen konnte.[26] Es war auch Hindenburg, der Papen damit beauftragte, und nicht Hitler, eine fähige Regierung zu bilden.[27] Dabei konnte Hitler als Reichskanzler nur zwei unbedeutend erscheinende Sitze im Kabinett erlangen[28], und zwar das Amt des preußischen Innenministers für Hermann Göring und das Amt des Reichsinnenministers für Wilhelm Frick.[29] Hitler standen dagegen, mit Papen als Vizekanzler und Reichskommissar von Preußen, ebenfalls Konstantin Freiherr von Neurath als Außenminister, Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigk als Reichsfinanzminister und Reichsaußenminister, Alfred Hugenberg als Minister für Wirtschaft, Landwirtschaft und Ernährung, Paul Freiherr von Eltz-Rübenach als Reichspost- und Reichsverkehrsminister, Dr. Franz Gürtner als Minister der Justiz, Franz Seldte, die führende Persönlichkeit der paramilitärischen Organisation des sogenannten Stahlhelms[30], als Arbeitsminister und der General Werner von Blomberg als Reichswehrminister, konservative Kräfte in einem Verhältnis von drei zu acht, Hindenburg mitgezählt sogar drei zu neun, gegenüber.[31] In dieser Machtkonstellation schien es für Hitler äußerst schwierig zu sein, sein Ziel der Errichtung einer Diktatur verwirklichen zu können. So schrieb die New York Times am 31.1.1933 ,,Die Zusammensetzung des Kabinetts lässt Herrn Hitler keine Bewegungsfreiheit, seinen diktatorischen Ehrgeiz befriedigen zu können.“[32]
[...]
[1] Haffner, Sebastian: Anmerkung zu Hitler, Gütersloh 31991, S. 35 f.
[2] Am 25.11.1918 wurde auf der Reichskonferenz der Länder in Berlin beschlossen an der Reichseinheit festzuhalten und eine verfassungsgebende Nationalversammlung am 20.1.1919 einzuberufen. Bis dahin überwachte eine von der Versammlung bestellter Zentralrat die Regierung. Als das Ergebnis der verfassungsgebende Nationalversammlung wurde in Weimar ein parlamentarische Demokratie errichtet. Die parlamentarische Demokratie löste die konstitutionelle Reichsverfassung von 1871 ab, in welcher man noch ohne eine Mehrheit im Reichstag regieren konnte.
Willoweit, Dietmar: Deutsche Verfassungsgeschichte: vom Frankenreich bis zur Wiedervereinigung Deutschlands, München 2001, S. 325 f.
[3] Herzfeld, Hans: Erster Weltkrieg und Friede von Versailles, in: Golo, Mann und Heuß, Alfred: Das zwanzigste Jahrhundert, Berlin 1969, (Propyläen Weltgeschichte Bd. IX, Nr.2) S. 121.
[4] Parker, R(obert) A(lexander) C(larke) (Hrsg.): Das Zwanzigste Jahrhundert: Europa 1918-1945, Frankfurt am Main 1967, S. 216-220.
[5] Schrader, Bärbelu.a.: Die ,,goldenen zwanziger“ Jahre, Wien 1987, S. 6.
[6] Ploetz, Karl Julius: Der Grosse Ploetz, Köln 342003, S. 884.
[7] Meisner, Otto: Staatssekretär unter Ebert, Hindenburg, Hitler, Hamburg 1950, S. 274.
[8] Ministère des Affaires Étrangères: Commission de Publication des Documents Diplomatiques Français, Documents Diplomatiques Français. Bd. III, Paris 1967 Auszugsweise übersetz in: Becker, J. und R. (Hg.): Hitlers Machtergreifung 1933. Dokumente vom Machtantritt Hitlers 30. Januar 1933 bis zur Besiegelung des Einparteienstaats 14. Juli 1933. Nr. 321. München 1983, S. 9-24.
[9] Thamer, Hans Ulrich: Verführung und Gewalt – Deutschland 1933-1945, München 51998, S. 224 f.
[10] Bullock, Alan: Hitler – Eine Studie über Tyrannei. Düsseldorf 1969, S. 237 f;
Görlitz, Walter: Hindenburg, Bonn 1953, S. 401 f;
Mathias, Erich u.a. Das Ende der Parteien 1933. Düsseldorf 1960, S. 579.
[11] Hubatsch, Walter: Hindenburg und der Staat, Göttingen u.a. 1966, S. 137;
Mathias S. 572;
Meisner S. 271.
[12] Hans Ulrich Thamer berichtet, dass insbesondere Papen Hindenburg unbedingt davon überzeugen wollte die Koalition zustande kommen zu lassen: ,,Papen sah sich am Ziel: Er hatte sich an Schleicher gerächt, das Zähmungskonzept durchgesetzt und war selbst in die Regierung zurückgekehrt.“
Thamer, Verführung S. 224.
[13] Jäckel, Eberhard: Hitlers Herrschaft, Stuttgart 31991, S. 38.
[14] Becker S. 18; Mathias S. 553.
[15] Die NSDAP hatte bei den letzten Wahlen am 30.11.1932 33,1% und die DNVP 8% der abgegebenen Stimmen erhalten. Unter der Rücksichtnahme eine nahezu proportionalen Steigerung der NSDAP-Wählerschaft schien in der Tat eine Mehrheit im Reichstag erreichbar zu sein. Meisner S. 271.
[16] Jäckel S. 38.
[17] Ebenda
[18] Carr, William: Adolf Hitler: Persönlichkeit und politisches Handel, Stuttgart u.a. 1980, S. 59f.
[19] Jäckel S. 14 f.
[20] Ebenda, S. 38 f.
[21] Ebenda, S. 39.
[22] Ebenda
[23] Bullock S. 237 f;
Görlitz S. 401 f;
Mathias S. 579.
[24] Der Reichspräsident konnte allein bestimmen, wann die Voraussetzungen für einen Notstand gegeben waren. Außerdem konnte er nahezu jede Maßnahme ergreifen, die ihm angemessen erschien, um den Notstand beheben zu können.
Jäckel S. 7
[25] Hans Ulrich Thamer ergänzte dazu: ,,Ganz deutlich wurde die politische Kontinuität im Einsatz der präsidialen Notverordnungsgewalt. Die Regierung Hitler knüpfte dort an, wo von Papen [...] aufgehört hatte.“
Thamer, Verführung S. 233;
Jäckel S. 42.
[26] Bullock S. 237 f; Görlitz S. 401 f.
[27],,Hitler musste dies verbittert zu Kenntnis nehmen.“, berichtete Walter Hubatsch. Hubatsch S. 137.
[28] Hierzu berichtet Alan Bullock: ,,So sei für Hitlers Partei nur das Reichsinnenministerium [das keine Macht über die Landespolizei besitze] unter Frick und ein Ministerium ohne Portefeuille unter Göring übriggeblieben. Zwar werde Göring auch preußischer Innenminister sein, aber da von Papen ja an der Spitze der preußischen Regierung stehe, sei Göring ebenfalls festgenagelt.“ Bullock S. 238.
[29] Görlitz S. 402.
[30] Der Stahlhelm, der Bund der Frontsoldaten galt als der bewaffnete Arm der DNVP. Er besaß 1930 über 500.000 Mitglieder und war damit der stärkste paramilitärische Verband der Weimarer Republik und ein enormer Pfeiler des sogenannten Zähmungskonzeptes, welche die SA- und SS-Verbände in Schach halten konnte. Bracher, Diktatur S. 155.
[31] Görlitz S. 404. Thamer, Hans Ulrich: Der Nationalsozialismus, Stuttgart 2002, S. 100 f; Steinert, Marlis: Hitler, München 1994, S. 261 f; Morsey, Rudolf: Franz von Papen. In: Morsey, Rudolf (Hrsg.): Zeitgeschichte in Lebensbildern. Mainz 1975, S. 82 f.
[32] New York Times. Zitiert nach: Toland, John: Adolf Hitler, Augsburg 1976, S. 374.
- Citation du texte
- Stefan Eberlein (Auteur), 2006, Das Scheitern der "Zähmung" Hitlers im Rahmen der NSDAP/DNVP-Regierung im Jahr 1933 , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/85937
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