Tenor dieser wissenschaftlichen Arbeit ist die Untersuchung kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) mit Fokus auf deren Möglichkeiten, die sogenannten High Potentials zu identifizieren und durch entsprechende Maßnahmen längerfristig an das Unternehmen zu binden. Aufgrund des immer intensiveren Wettbewerbs, der zunehmenden Dezentralisierung der Unternehmensaktivitäten und der Internationalisierung, der sich auch KMU nicht mehr entziehen können, sowie dem durch den demographischen Wandel zusätzlich beschleunigten Mangel an hochqualifizierten Fachkräften ist dies unbedingt erforderlich. Bei der längerfristigen Bindung der High Potentials an das Unternehmen spielen eine Reihe von Einflussfaktoren eine Rolle, die im weiteren Verlauf dieser Arbeit beschrieben werden.
Die Rahmenbedingungen bei KMU sind völlig andere als bei großen Unternehmen oder Konzernen. Im Vergleich zu großen Unternehmen und Konzernen stehen KMU häufig nur begrenzte finanzielle Mittel und Ressourcen zur Verfügung, um nachhaltige Programme zu konzipieren und zu implementieren. Diese Rahmenbedingungen erfordern eine andere Vorgehensweise bei der Bindung der High Potentials, die häufig zunächst zu identifizieren sind. Es gilt, Konzepte zu entwickeln, die mit den vorhandenen Ressourcen umzusetzen sind. Es werden einige Konzepte vorgestellt, die KMU in der Praxis einsetzen sowie deren Erfahrungen damit. Das Hauptaugenmerk gilt dabei der Personalentwicklung und anderen immateriellen Anreizen. Der gesamte Bereich des Recruiting von High Potentials, insbesondere das Personalmarketing, wird nicht näher betrachtet.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. High Potentials – Begriffsbestimmung
3. Identifizierung der High Potentials
3.1 Anforderungsanalyse
3.2 Organisationsspezifisches Kompetenzmodell
3.2.1 Fachkompetenz
3.2.2 Methodenkompetenz
3.2.3 Sozialkompetenz
3.2.4 Persönliche Kompetenz
3.2.5 Führungskompetenz
3.2.6 Operationalisierung der Kompetenzmerkmale
3.3 Potenzialanalyse
3.3.1 Gütekriterien potenzialanalytischer Verfahren
3.3.1.1 Validität
3.3.1.2 Reliabilität
3.3.1.3 Objektivität
3.3.1.4 Pragmatische Umsetzbarkeit
3.3.2 Methoden der Potenzialanalyse
3.3.2.1 Potenzialeinschätzung durch die Führungskraft
3.3.2.1.1 Statusorientierte Kompetenzeinschätzung
3.3.2.1.2 Zukunftsgerichtete Potenzialeinschätzung
3.3.2.1.3 Leistungs-Potenzial-Matrix
3.3.2.1.4 Wahrscheinlichkeitsaussage
3.3.2.1.5 Etwaige Problembereiche
3.3.2.2 Potenzialinterviews durch Human Resources
3.3.2.3 Potenzial-Assessment-Center
3.3.2.4 Development-Center
3.3.2.5 Sonstige Diagnostische Verfahren
3.3.3 Grenzen der Potenzialanalyse
4. Bindung von High Potentials
4.1 Allgemeine Einflussfaktoren im Rahmen der Mitarbeiterbindung
4.2 Einflussfaktoren bei High Potentials
4.2.1 Studie von Thom
4.2.2 Studie von Kirchgeorg/Lorbeer
4.2.3 Lebensphasenkonzept eines Mitarbeiters nach Glasl
4.2.4 Zwischenfazit
4.3 Methoden zur Bindung von High Potentials
4.3.1 Job-Rotation, Job-Enrichment und Job-Enlargement
4.3.2 Betriebsklima
4.3.3 Führung
4.3.4 Transparentes Karrieremanagement
4.3.5 Strukturiertes Bildungsmanagement
4.3.6 Work-Life-Balance
4.3.7 Unternehmenskultur
5. High Potentials in kleinen und mittleren Unternehmen
5.1 Kleine und mittlere Unternehmen – Definition
5.2 Rahmenbedingungen
5.3 Befragung von kleinen und mittleren Unternehmen
5.4 Ergebnisse der Befragung
5.4.1 Anforderungen an High Potentials
5.4.2 Identifizierung
5.4.3 High Potential-Programme
5.4.4 Bindung und Bindungserfolg
5.5 Zwischenfazit
6. Best Practise – Cycos AG
6.1 Cycos AG - das Unternehmen
6.2 Konzeptphase
6.3 Durchführung der Anforderungsanalyse
6.4 Definition des Kompetenzmodells
6.5 Potenzialeinschätzung und Diskussion der Potenzialkandidaten
6.6 Psychometrisches Verfahren
6.7 Durchführung des Potenzial-Assessment-Centers
6.8 Entwicklungs- und Maßnahmenplanung
6.9 Fazit und Ausblick
7. Abschließende Bemerkungen
Anlage (Fragebogen)
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Statusorientierte Kompetenzeinschätzung
Abbildung 2: Zukunftsgerichtete Potenzialeinschätzung
Abbildung 3: Leistungs-Potenzial-Matrix
Abbildung 4: Kompetenzmodell – cyPATH
Abbildung 5: Leistungsbeurteilung – cyPATH
Abbildung 6: Potenzialeinschätzung – cyPATH
Abbildung 7: Leistungs-Potenzial-Matrix – cyPATH
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Wahrscheinlichkeitsaussage
Tabelle 2: Ergebnisse der Befragung
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Tenor dieser wissenschaftlichen Arbeit ist die Untersuchung kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) mit Fokus auf deren Möglichkeiten, die sogenannten High Potentials zu identifizieren und durch entsprechende Maßnahmen längerfristig an das Unternehmen zu binden. Aufgrund des immer intensiveren Wettbewerbs, der zunehmenden Dezentralisierung der Unternehmensaktivitäten und der Internationalisierung, der sich auch KMU nicht mehr entziehen können, sowie dem durch den demographischen Wandel zusätzlich beschleunigten Mangel an hochqualifizierten Fachkräften ist dies unbedingt erforderlich. Bei der längerfristigen Bindung der High Potentials an das Unternehmen spielen eine Reihe von Einflussfaktoren eine Rolle, die im weiteren Verlauf dieser Arbeit beschrieben werden.
Die Rahmenbedingungen bei KMU sind völlig andere als bei großen Unternehmen oder Konzernen. Im Vergleich zu großen Unternehmen und Konzernen stehen KMU häufig nur begrenzte finanzielle Mittel und Ressourcen zur Verfügung, um nachhaltige Programme zu konzipieren und zu implementieren. Diese Rahmenbedingungen erfordern eine andere Vorgehensweise bei der Bindung der High Potentials, die häufig zunächst zu identifizieren sind. Es gilt, Konzepte zu entwickeln, die mit den vorhandenen Ressourcen umzusetzen sind. Es werden einige Konzepte vorgestellt, die KMU in der Praxis einsetzen sowie deren Erfahrungen damit. Das Hauptaugenmerk gilt dabei der Personalentwicklung und anderen immateriellen Anreizen. Der gesamte Bereich des Recruiting von High Potentials, insbesondere das Personalmarketing, wird nicht näher betrachtet.
2. High Potentials – Begriffsbestimmung
Spätestens seit den Sternstunden der New Economy, als Ed Michael, amerikanischer Direktor der Unternehmensberatung McKinsey, 1998 das Schlagwort „War for talents“ prägte, sprechen alle über diese sogenannten High Potentials.[1] Manager, Personaler, Studenten, alle gebrauchen diese Bezeichnung für die jungen, ehrgeizigen Absolventen, die von den Unternehmen so begehrt werden, dass man von einem „Kampf um die Besten“ spricht.
In der Literatur findet man unterschiedliche Definitionen des High Potentials. So beschreibt Van winsen High Potentials als hoch begabte Frauen oder Männer, die sich nicht nur durch ihre fachliche Qualifikation positiv aus der Masse herausheben, sondern vor allem durch ihr soziales Verhalten und Engagement. Die Bezeichnung High Potential wird mehrheitlich auf junge Talente unter den Hochschulabsolventen angewandt.[2] Van winsen ergänzt ihre Beschreibung aber auch um den schon seit einigen Jahren im Berufsleben stehenden Fach- und Führungsnachwuchs mit erkennbarem Entwicklungspotenzial (Young Professionals) und schließt ebenfalls Nichtakademiker ein, die ihre bisherige Karriere durch konsequente Weiterbildung inner- und außerhalb des Unternehmens voran getrieben haben. Ferner zählt sie auch die sogenannten „Überflieger“ (High Flyers) zu den High Potentials. Mitarbeiter, die ihre Fähigkeiten und ihr Potenzial bereits durch herausragende Leistungen bewiesen haben und sich somit für weiterführende Aufgaben empfohlen haben – „eben die besonderen Juwelen des Hauses“.[3] Kunz charakterisiert einen „Potenzialträger im engeren Sinne“ als jemanden, der sich durch ausgezeichnete fachliche, persönliche und soziale Kompetenzen auszeichnet. Der besonderes Lern- und Entwicklungsvermögen, verbunden mit einer überdurchschnittlichen Karrieremotivation aufweist sowie eine hohe Entwicklungsgeschwindigkeit bei adäquater Förderung. Ferner zeigt ein solcher Kandidat seine Eignung für die spätere Übernahme von Schlüsselpositionen mit herausgehobener Fach- und Führungsverantwortung.[4]
Das Staufenbiel Institut nennt den High Potential auch Right Potential und definiert dessen Profil als „Top-Nachwuchskraft mit überdurchschnittlichem Hochschulabschluss, kurzer Studiendauer, qualifizierten Praktika, Berufs- und Auslanderfahrung, mindestens zwei Fremdsprachen fließend und überzeugendem Auftreten. Unter High Potentials versteht man Einsteiger, die allen Anforderungen der Personalabteilung mehr als gerecht werden“.[5]
Es wird deutlich ersichtlich, dass sich in der Literatur keine einheitlichen Definitionen und auch keine allgemein gültigen Kriterien finden lassen. An der Definition des Staufenbiel Instituts ist jedoch interessant, dass der High Potential auch gleichzeitig als Right Potential definiert wird. Das lässt es sinnvoll erscheinen, auf eine generelle Definition zu verzichten. Jedes Unternehmen sollte sein eigenes Anforderungsprofil an einen High Potential erarbeiten, beispielsweise in Form einer spezifischen Anforderungsanalyse oder eines organisationsspezifischen Kompetenzmodells.[6]
Bemerkenswert ist, dass sowohl Van winsen als auch Kunz persönliche und soziale Kompetenz bei einem High Potential fordern. Die Definition des Staufenbiel Instituts fordert dies zumindest implizit, wenn von den Einsteigern erwartet wird, dass sie „allen Anforderungen der Personalabteilung mehr als gerecht werden“. Diese Forderung scheint begründet zu sein, beklagen sich doch Unternehmen oftmals über arrogantes Auftreten der High Potentials.
Interessant in diesem Zusammenhang ist auch, dass in der Literatur, wenn von High Potentials die Rede ist, von Personen jüngeren Alters oder jüngeren Mitarbeitern gesprochen wird, aber kein explizites Höchstalter angegeben wird.[7] Insbesondere vor dem Hintergrund des am 18.08.2006 in Kraft getretenen Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes sollte in Bezug auf das Merkmal Alter sichergestellt werden, dass bei den internen oder externen Auswahlrichtlinien für High Potentials eine etwaige Benachteiligung ausgeschlossen werden kann.
3. Identifizierung der High Potentials
Es stellt sich die Frage, wie ein Unternehmen seine High Potentials identifizieren kann. Diese Frage soll im Folgenden beantwortet werden. Es wird davon ausgegangen, dass sich im Unternehmen High Potentials befinden, die es zu identifizieren gilt.
Die systematische Identifizierung der High Potentials setzt einen geeigneten methodischen Ansatz voraus, der in der gesamten Organisation angewandt wird. Dieser Prozess muss in allen Bereichen des Unternehmens nach einheitlichen Kriterien erfolgen, damit sichergestellt ist, dass die Ergebnisse nach einem einheitlichen Standard erzielt werden.[8] Ein geeigneter methodischer Ansatz, um die Potenzialträger zu identifizieren, ist eine Potenzialanalyse. Als Vorstufe zur Durchführung einer Potenzialanalyse ist die Erarbeitung eines unternehmensspezifischen Anforderungsprofils oder Kompetenzmodells sinnvoll, anhand derer später eine Aussage über die individuellen Fähigkeiten und das vermutete Entwicklungspotenzial eines Mitarbeiters getroffen wird.[9]
3.1 Anforderungsanalyse
Die Anforderungsanalyse ist ein probates Mittel um ein unternehmensspezifisches Anforderungsprofil zu erstellen. Als für die Eignungsdiagnostik wichtigsten Arten von Anforderungen zählt beispielsweise Schuler Eigenschaftsanforderungen (z. B. Fähigkeiten und Interessen), Verhaltensanforderungen (z. B. Fertigkeiten und Gewohnheiten), Qualifikationsanforderungen (z. B. Kenntnisse und Fertigkeiten) und Ergebnisanforderungen (z. B. Problemlösungen und Qualitätsstan-dards) auf. Schuler räumt allerdings ein, dass diese Anforderungen nicht immer scharf trennbar sind.[10]
Um die vorgenannten Anforderungen zu bestimmen, stehen grundsätzlich drei Wege zur Verfügung: die erfahrungsgeleitet-intuitive Methode, die personenbezogen-empirische Methode und die arbeitsplatzanalytisch-empirische Methode, wobei sich Letztere in den meisten Fällen als Methode der Wahl herausgebildet hat. Auch die „Critical Incident Technique“ (CIT) lässt sich dieser Gruppe der arbeitsplatzspezifischen Verfahren zuordnen.[11]
Auf die drei erstgenannten Methoden wird im weiteren Verlauf der Arbeit nicht näher eingegangen, da eine andere Vorgehensweise vorteilhafter und vor allem pragmatischer erscheint: Das Management, d. h. die Führungskräfte, unterstützt von der Personalabteilung, legen das Anforderungsprofil fest; die Kompetenzmerkmale, die einen Potenzialträger auszeichnen. Dabei handelt es sich um die Schlüsselqualifikationen, die für die zukünftige Entwicklung und den Erfolg des Potenzialträgers in dem Unternehmen von besonderer Bedeutung sind.[12] Bei diesem Vorgehen können die vermeintlichen Schlüsselqualifikationen mittels der CIT überprüft werden: Welches Verhalten hat sich bei der Erfüllung der Aufgaben erfolgskritisch ausgewirkt?
In der Praxis werden gem. Kunz beispielsweise häufig die folgenden Anforderungsmerkmale genannt, wenn Potenzialträger charakterisiert werden sollen: „Lernfähigkeit und kognitive Flexibilität; analytisches Denken; systematische Prioritätensetzung und Arbeitsorganisation; Ziel- und Ergebnisorientierung; Kritikfähigkeit und Urteilsvermögen; Konfliktstabilität; Entscheidungsvermögen; Führungsfähigkeit; Karrieremotivation und Qualifizierungsbereitschaft; Belastbarkeit und Stresstoleranz; Durchsetzungsfähigkeit; Teamgeist; Kommunikation, Rhetorik und Präsentationsvermögen; Innovationsorientierung; Unternehmerisches Denken und Handeln.“[13]
Kromrei zählt als Schlüsselqualifikationen „Handlungswissen; Fähigkeit zum selbständigen, selbstverantwortlichen Lernen; Kommunikationsfähigkeit; Kooperations- und Teamfähigkeit; Fähigkeit zur (Selbst-)Organisation; Problemlösefähigkeit; Informations- und Verarbeitungsfähigkeit; Flexibilität; Reflexions- und Selbstentwicklungsfähigkeit“ auf.[14]
Aus diesen wünschenswerten Schlüsselqualifikationen und Fähigkeitsmerkmalen kann nun ein organisationsspezifisches Kompetenzmodell entwickelt werden.[15]
3.2 Organisationsspezifisches Kompetenzmodell
Ein Kompetenzmodell hilft, die einzelnen Fähigkeitsmerkmale bzw. Kompetenzen, die im Vorfeld zusammengetragen wurden, zu systematisieren und zu strukturieren. Die einzelnen Merkmale werden Kategorien zugeordnet, die später als Kompetenzdimensionen dienen. So bieten sich bei den vorgenannten Merkmalen eine Strukturierung in die klassischen Dimensionen Fachkompetenz, Methodenkompetenz, Sozialkompetenz und Persönliche Kompetenz an.[16] Im Zusammenhang mit High Potentials, potenziellen Führungskräften, empfiehlt es sich, diese Dimensionen durch Führungskompetenz sowie bei Bedarf durch weitere Dimensionen zu erweitern, damit ein unternehmensspezifisches Kompetenzmodell entsteht.
In der Literatur finden sich teilweise weitere Kompetenzdimensionen, wie beispielsweise Veränderungskompetenz und Ad Hoc-Kompetenz.[17] Die Einführung weiterer Dimensionen sollte allerdings kritisch geprüft werden, da das Kompetenzmodell dem Anwender ansonsten unübersichtlich und überladen erscheinen könnte. Sind in einer Organisation allerdings starke Veränderungen notwendig, beispielsweise im Rahmen einer Reorganisation, eines kontinuierlichen Change-Projekts oder einer längerfristigen Neuaufstellung in einem umkämpften Marktsegment, so kann die Dimension Veränderungskompetenz organisationsspezifisch erforderlich sein.
Mansfield teilt Kompetenzmodelle in drei Klassen ein: das „single-job“-Modell, das „one-size-fits-all“-Modell und den „Multiple-Job Approach“, die sich in ihrer Betrachtungsweise, der Identifizierung von Kompetenzen und deren Anwendbarkeit (positionsspezifisch, unternehmensübergreifend oder funktionsbereichsspezifisch) unterscheiden.[18] Relevant für die unternehmensweite Identifizierung der High Potentials ist das „one-size-fits-all“-Modell, da es sich organisationsübergreifend anwenden lässt, d. h. dabei hilft, Potenzialträger in allen Bereichen des Unternehmens zu erkennen. Sind einzelne Bereiche im Fokus, empfiehlt sich die Verwendung des „Multiple-Job Approach“.
Das „one-size-fits-all“-Modell sieht sich der Kritik ausgesetzt, dass es aufgrund seiner unternehmensübergreifenden, allgemeinen Anwendbarkeit austauschbar wirkt und sein hohes Abstraktionsniveau eine Identifikation der Stelleninhaber mit dem Modell verhindert.[19] Dem ist entgegen zu halten, dass dieses Modell gerade aufgrund seiner organisationsübergreifenden Anwendbarkeit gewählt wird, um High Potentials im gesamten Unternehmen zu identifizieren, und bei dessen Entwicklung bewusst auf eine unternehmensspezifische Ausgestaltung zu achten ist, beispielsweise durch die Auswahl der relevanten Fähigkeitsmerkmale oder durch eine Erweiterung um zwingend erforderliche Kompetenzdimensionen.
Im Folgenden werden die vorgenannten fünf allgemeinen Kompetenzdimensionen Fachkompetenz, Methodenkompetenz, Sozialkompetenz, Persönliche Kompetenz und Führungskompetenz näher betrachtet.
3.2.1 Fachkompetenz
Fachkompetenz ist die Fähigkeit, erlerntes Wissen lösungsorientiert einsetzen zu können, um die berufstypischen Aufgaben fachgerecht, selbständig und eigenverantwortlich zu bewältigen.[20] Bei diesem Wissen handelt es sich um fachliche Fertigkeiten und Kenntnisse sowie Verständnis fachspezifischer Fragestellungen und Zusammenhänge, wie sie in der Regel durch eine akademische oder praktische Ausbildung erworben werden und durch Berufserfahrung und kontinuierliche Weiterbildung sukzessive vertieft werden. Im weiteren Verlauf des Berufslebens findet in den meisten Fällen eine Spezialisierung statt, da das Unternehmensumfeld spezifische Anforderungen an den Mitarbeiter stellt. So ist etwa die Kenntnis des betrieblichen Fachjargons oder speziell angewandter Technologien erforderlich, um Aufgaben- oder Problemstellungen technisch einwandfrei und zielgerecht zu lösen.[21]
3.2.2 Methodenkompetenz
Methodenkompetenz nennt man die Fähigkeit, Tätigkeiten, Aufgaben und Lösungen methodisch kreativ zu gestalten und dabei auch das geistige Vorgehen zu strukturieren.[22] Michelsen beschreibt Methodenkompetenz ausführlicher als „[...] die Fähigkeit und Bereitschaft zu zielgerichtetem, planmäßigen Vorgehen bei der Bearbeitung von Aufgaben und Problemen. Darüber hinaus beinhaltet der Begriff auch die Fähigkeit und Bereitschaft, sich Methoden zur Bewältigung beruflicher [...] Herausforderungen zu vergegenwärtigen und zu reflektieren, ferner den jeweiligen Situationen angemessene Verfahren auszuwählen sowie flexibel einzusetzen.“[23]
Methodenkompetenz beginnt also beim persönlichen Zeitmanagement, wie auch dem Einsatz geeigneter Software und Kommunikationsinstrumente, um seine Aufgaben effizient und zielgerichtet zu lösen, und reicht bis hin zum strukturierten Projektmanagement.
3.2.3 Sozialkompetenz
Sozialkompetenz bezeichnet die Fähigkeit, mit anderen, d. h. Kollegen, Kunden, Vorgesetzten und Mitarbeitern, gut umgehen zu können; diese richtig einzuschätzen, zu motivieren, zu führen und zu entwickeln.[24] Der Begriff Sozialkompetenz wird auch häufig synonym mit den sogenannten „Soft Skills“ verwendet.
Michelsen definiert Sozialkompetenz als „[...] Fähigkeit und Bereitschaft, sich mit anderen rational und verantwortungsbewusst auseinander zu setzen und zu verständigen sowie im Interesse der eigenen Person und der Gruppe gestaltend zu wirken.“[25]
Eine alternative, interessante Definition stammt von Asendorpf, nach der sich die Soziale Kompetenz aus zwei Komponenten zusammen setzt: Konfliktfähigkeit und Kooperationsbereitschaft. Sozial kompetente Menschen verfügen somit über die Gabe, diese zwei eher gegensätzlichen Verhaltensweisen situativ so einzusetzen, dass es ihnen möglich wird, eigene Ziele innerhalb sozialer Beziehungen zu erreichen, ohne die Beziehung zu gefährden.[26]
Sozialkompetenz umfasst beispielsweise im Umgang mit anderen: Kritikfähigkeit, Menschenkenntnis und Toleranz; in Bezug auf Zusammenarbeit mit anderen: Teamfähigkeit, Kooperationsbereitschaft, Konfliktfähigkeit und Kommunikationsfähigkeit. In einer Führungsrolle kommen Aspekte wie Verantwortungsbewusstsein, Konsequenz, Vertrauen und eine Vorbildfunktion dazu. Zusammenfassend wird häufig von „emotionaler Intelligenz“ gesprochen.
3.2.4 Persönliche Kompetenz
Unter persönlicher Kompetenz, oder auch personale Kompetenz genannt, versteht man die Fähigkeit, sich selbst richtig einschätzen zu können. Dazu gehört, sich kritisch und realistisch in verschiedenen Situationen selbst analysieren und beurteilen zu können. Unverzichtbar ist ebenfalls die Kenntnis der eigenen Stärken und Schwächen sowie die neutrale Beurteilung der eigenen Leistung und der Außenwahrnehmung der eigenen Person.[27] Michelsen erweitert die persönliche Kompetenz um den privaten und öffentlichen Bereich und spricht in diesem Zusammenhang von Humankompetenz: „[Sie] bezeichnet die Fähigkeit und Bereitschaft, als Individuum die Entwicklungschancen und Herausforderungen im Beruf sowie daran anknüpfend auch im privaten wie öffentlichen Leben zu durchdenken und zu beurteilen, eigene Begabungen zu entfalten. Lebenspläne zu fassen und fortzuentwickeln.“[28]
Die persönliche Kompetenz beinhaltet also auch, dass man seine Potenziale für zukünftige Positionen richtig einschätzen kann und sich seiner eigenen Möglichkeiten und Grenzen bewusst ist. Dies gilt auch für eventuelle gesundheitliche Engpässe, bzw. Einschränkungen.[29]
3.2.5 Führungskompetenz
Führungskompetenz ist die Fähigkeit, Aufgaben zu delegieren, Mitarbeiter zu motivieren, ein erfolgreiches Zielmanagement zu betreiben, d. h. herausfordernde, aber erreichbare Ziele zu setzen und deren Erfüllung zu überprüfen sowie seine Mitarbeiter zu fordern und zu fördern.[30] Die Mitarbeitermotivation schließt sowohl die Motivation der eigenen, disziplinarisch unterstellten Mitarbeiter als auch die Motivation von beispielsweise Mitgliedern eines Projektteams ein, für das man (temporär) die Verantwortung trägt. Entscheidungsstärke und Überzeugungsvermögen sind ebenfalls unverzichtbare Aspekte von Führungskompetenz. Bei der Betrachtung der einzelnen Faktoren wird deutlich, dass die Dimension Führungskompetenz eine Schnittmenge zu der Dimension Sozialkompetenz aufweist. Es ist richtig, dass Führungskräfte eine besonders ausgeprägte Sozialkompetenz benötigen, diese einen aber nicht automatisch zu einer guten Führungskraft werden lässt. Insbesondere eine ausgeprägte Delegationsfähigkeit, effizientes Zielmanagement und Entscheidungsstärke sind zentrale Bestandteile der Dimension Führungskompetenz.
3.2.6 Operationalisierung der Kompetenzmerkmale
Nachdem die einzelnen Kompetenzdimensionen des organisationsspezifischen Kompetenzmodells durch klare, verständliche Definitionen von einander abgegrenzt sind, gilt es, die einzelnen Kompetenzmerkmale mithilfe gut nachvollziehbarer Erläuterungen näher zu charakterisieren bzw. zu operationalisieren. So ist sichergestellt, dass der Interpretationsspielraum des Beurteilers eingegrenzt und die Erfassungsgenauigkeit gesteigert wird.[31]
Das Untermerkmal (Kompetenzmerkmal) Teamfähigkeit der Dimension Sozialkompetenz könnte beispielsweise folgendermaßen operationalisiert werden: Teamfähigkeit ist die Fähigkeit mit anderen zusammen sozial zu agieren und sich und sein Können im Sinne einer Gruppenaufgabe optimal einzubringen. Dies erfordert sowohl personale als auch interpersonale Fertigkeiten.
3.3 Potenzialanalyse
Sind die einzelnen Kompetenzmerkmale den einzelnen Kompetenzdimensionen strukturiert zugeordnet, entsteht ein unternehmensübergreifendes, organisationsspezifisches Kompetenzmodell („one-size-fits-all“-Model). Es gilt nun, vereinfacht gesagt, dieses Kompetenzmodell im Rahmen einer Potenzialanalyse mit den Profilen der Mitarbeiter in der Organisation abzugleichen und die Ergebnisse der einzelnen Potenzialanalysen zu bündeln, um einen organisationsweiten Überblick zu erhalten, wer als Potenzialträger einzustufen ist.[32]
Eine Potenzialanalyse, die systematisch durchgeführt wird und auf transparenten Verfahren und Methoden basiert, führt zu einer höheren Akzeptanz des Identifizierungskonzepts. D. h. Mitarbeiter und Führungskräfte sind angemessen darüber zu informieren, welche Ziele mit der Potenzialanalyse verfolgt werden, wie die Verfahren aufgebaut sind und welche Mitarbeiter einbezogen werden.[33]
Bei der Wahl des Verfahrens zur Potenzialanalyse muss im Vorfeld eine Kosten-Nutzen-Analyse durchgeführt werden. Der Aufwand der Implementierung darf nicht den zu erwartenden Nutzen übersteigen. Dies ist insbesondere bei KMU zu berücksichtigen, die in der Regel über stark eingeschränkte Ressourcen verfügen, um ein solches Verfahren zu implementieren und durchzuführen. In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass die einzelnen Verfahren und die daraus resultierenden potenzialanalytischen Aussagen unterschiedlicher Gültigkeit und Güte sind. Nachfolgend wird daher auf die Gütekriterien von potenzialanalytischen Verfahren eingegangen. Im Anschluss daran werden verschiedene Verfahren und Methoden der Potenzialanalyse vorgestellt, unter Berücksichtigung ihrer Vor- und Nachteile.
3.3.1 Gütekriterien potenzialanalytischer Verfahren
Einleitend sei darauf hingewiesen, dass es sich bei zukunftsorientierten Potenzialaussagen regelmäßig um „Wahrscheinlichkeitsaussagen“ handelt – sie gelten nur unter dem Vorbehalt einer angenommenen Kontinuität der individuellen Weiterentwicklung.[34] Trotzdem gibt es allgemeingültige Gütekriterien, die bei einer Entscheidung für bestimmte potenzialanalytische Verfahren zu beachten sind. Zu diesen Kriterien gehören Validität, Reliabilität, Objektivität sowie Pragmatische Umsetzbarkeit. Die vorgenannten Kriterien werden im Folgenden kurz erläutert, ohne sich dabei mit den testtheoretischen Grundlagen auseinander zu setzen, deren Kenntnis als vorhanden vorausgesetzt wird.
3.3.1.1 Validität
Validität, oder auch Gültigkeit (einer Messung und eines Ergebnisses), bezieht sich auf die Angemessenheit, die Bedeutung oder Sinnhaftigkeit und die Nützlichkeit der spezifischen Schlüsse, die aus Ergebnissen eines Verfahrens gezogen werden. Als Methoden oder „Strategien“ der Validierung unterscheidet man Inhaltsvalidierung, kriterienbezogene Validierung und Konstruktvalidierung. Zur näheren Betrachtung sei auf die Literatur verwiesen.[35]
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Validität vorliegt, wenn das jeweilige Verfahren genau das misst, was gemessen werden soll: das Potenzial, bzw. die Potenzialstärke. Bei der Potenzialanalyse ist das Gütekriterium Validität nur eingeschränkt zu erfüllen, da die Prognose über das Potenzial eines Mitarbeiters umso unsicherer und fehlerbehafteter wird, je weiter diese in die Zukunft reicht. Um das Ergebnis einer Potenzialanalyse zu validieren, bietet es sich an, Potenzialaussagen und Entwicklungsvorhersagen rückblickend zu überprüfen, indem man beispielsweise nach zwei bis drei Jahren die Entwicklung des Mitarbeiters mit den Entwicklungsvorhersagen abgleicht.[36] Übereinstimmungen oder geringe Diskrepanzen gelten als Validitätsbeweis. Kunz führt in diesem Zusammenhang allerdings aus, dass „Diskrepanzen von Potenzialannahmen und tatsächlicher Bewährung in einer Schlüsselfunktion jedoch nicht zwangsläufig auf methodische Schwächen des Verfahrens zurückzuführen [sind]. Dies erhöht die Komplexität des Gültigkeitsnachweises.“[37]
3.3.1.2 Reliabilität
Unter Reliabilität ist die Zuverlässigkeit oder Genauigkeit eines Verfahrens zu verstehen. In der Testtheorie wird zwischen der Stabilität des Messwerts und der Äquivalenz der Aufgaben und Testformen unterschieden.[38]
Das Gütekriterium der Reliabilität ist erfüllt, wenn Potenzialeinschätzungen und
-messungen im Falle einer Wiederholung zu gleichen oder ähnlichen Ergebnissen führen. In der Praxis werden Potenzialanalysen selten wiederholt, um deren Zuverlässigkeit zu überprüfen, da eine Wiederholung regelmäßig mit hohem Aufwand verbunden ist. Potenzialaussagen im Rahmen des jährlichen Mitarbeitergesprächs werden im Rahmen dieser Arbeit nicht als Potenzialanalyse gewertet, da sich diese in der Regel auf eine Potenzialeinschätzung durch die Führungskraft beschränken.
3.3.1.3 Objektivität
Lienert versteht unter Objektivität den Grad, in dem die Ergebnisse eines Test, bzw. Verfahrens, unabhängig vom Durchführenden sind. Vollständige Objektivität liegt vor, wenn ein Verfahren völlig unabhängig davon ist, wer es anwendet und auswertet, d. h. wenn verschiedene Personen zu den gleichen Ergebnissen gelangen.[39] Die Testtheorie differenziert die Aspekte der Objektivität weiter nach den einzelnen Phasen eines Verfahrens: Durchführungs-, Auswertungs- und Interpretationsobjektivität.
Schriftliche, standardisierte Erhebungsverfahren erfüllen das Objektivitätskriterium eher als beispielsweise subjektiv geprägte Potenzialeinschätzungen durch die jeweilige Führungskraft. Ist hingegen das Verfahren der Potenzialeinschätzung standardisiert und können innerhalb einer Projekt- oder Matrix-Organisation weitere Fachführungskräfte oder Projektleiter um ihre Potenzialeinschätzung des Mitarbeiters gebeten werden, kann die Potenzialeinschätzung verdichtet werden und so auf ihre Objektivität hin untersucht werden.[40]
3.3.1.4 Pragmatische Umsetzbarkeit
Kunz ergänzt die drei Gütekriterien der klassischen Testtheorie um das Kriterium „Pragmatische Umsetzbarkeit“. Dies erscheint gerade im Zusammenhang mit kleinen und mittleren Unternehmen vernünftig, da die potenzialanalytischen Verfahren individuell auf die jeweilige Organisation zugeschnitten sein müssen, genau wie das organisationsspezifische Kompetenzmodell. Die Verfahren selbst dürfen nicht zu komplex sein, der Aufwand sollte überschaubar sein und in einer angemessenen Relation zum erwarteten Nutzen stehen[41] – siehe auch Kapitel 3.3 dieser Arbeit.
An dieser Stelle sei angemerkt, dass die Implementierung und Durchführung potenzialanalytischer Verfahren nicht durch zu hohe Anforderungen an die Gütekriterien beeinflusst werden sollte. Sicherlich ist bei der organisationsspezifischen Auswahl potenzialanalytischer Verfahren auch auf die Gütekriterien zu achten, aber die Tatsache, dass bei der Potenzialanalyse noch kein „Königsweg“ der sicheren Diagnose gefunden wurde, sollte ebenfalls berücksichtigt werden.[42]
3.3.2 Methoden der Potenzialanalyse
Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Verfahren und Methoden der Potenzialanalyse: Potenzialeinschätzung durch die Führungskraft, Potenzialinterviews durch Human Resources, Potenzial-Assessment-Center, Development-Center sowie weitere diagnostische Verfahren. Die einzelnen Verfahren unterscheiden sich in ihrer Methodik, im Durchführungsaufwand und ihrer Komplexität.
3.3.2.1 Potenzialeinschätzung durch die Führungskraft
Die Potenzialeinschätzung durch die verantwortliche Führungskraft, in der Regel der unmittelbare Vorgesetzte, verbindet eine aktuelle Leistungsbeurteilung mit der Einschätzung, wie sich der Mitarbeiter kurz- bis mittelfristig entwickeln wird. D. h. die Potenzialeinschätzung durch die Führungskraft setzt sich aus statusorientierter Kompetenzeinschätzung und zukunftsgerichteter Potenzialeinschätzung zusammen.[43]
3.3.2.1.1 Statusorientierte Kompetenzeinschätzung
Im ersten Schritt, der statusorientierten Kompetenzeinschätzung, beurteilt die Führungskraft den aktuellen Fähigkeitsstatus des Mitarbeiters bezogen auf das zuvor erstellte Kompetenzmodell. Um die Bewertung quantitativ zu strukturieren, bietet es sich an, eine geeignete Skalierung zugrunde zu legen, etwa von 1 bis 4, wobei die einzelnen Werte für folgende Ausprägungen stehen können:
1 = die Anforderungen werden nicht erfüllt
2 = die Anforderungen werden in der Regel erfüllt
3 = die Anforderungen werden voll erfüllt
4 = die Anforderungen werden in besonderem Maße erfüllt und teilweise übertroffen
Auf einen „Wert in der Mitte“, beispielsweise 3 bei einer Skala von 1 bis 5 wird bewusst verzichtet, um der „Tendenz zur Mitte“ vorzubeugen, die regelmäßig zu Beurteilungsfehlern führen kann.[44] Ferner ist darauf zu achten, dass die Bewertung nicht zu detailliert vorgenommen wird, beispielsweise mit zu vielen Skalenstufen, damit diese praktikabel bleibt. Die Bewertung sollte nicht zu „feinkörnig“ vorgenommen werden, d. h. die Anzahl der als wesentlich angenommen Kompetenzmerkmale wird auf ein sinnvolles Maß beschränkt.[45]
Die Kriterien für die Beurteilung der aktuellen Leistung könnten beispielsweise folgendermaßen aussehen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Statusorientierte Kompetenzeinschätzung
Die einzelnen Kompetenzdimensionen können beliebig durch weitere organisationsspezifische Kompetenzmerkmale ergänzt werden, so dass eine „passgenaue“ Beurteilung des aktuellen Fähigkeitsstatus erfolgen kann.
Neben der unmittelbaren Führungskraft können auch Projektleiter, die den Mitarbeiter innerhalb eines Projektteams führen oder geführt haben, gebeten werden, eine Beurteilung abzugeben. Geben mehrere Personen ein Urteil ab, ist eine geeignete Form der Verknüpfung der Einzelurteile zu wählen, beispielsweise Summation, Mittelwert-Bildung oder eine übergreifende Gesamteinschätzung.[46]
3.3.2.1.2 Zukunftsgerichtete Potenzialeinschätzung
Die statusorientierte Kompetenzeinschätzung ist noch keine Potenzialeinschätzung. Diese erfolgt im zweiten Schritt, der zukunftsgerichteten Potenzialeinschätzung. Bei der Potenzialeinschätzung ist die Führungskraft gehalten, Annahmen zur vermuteten Weiterentwicklung der einzelnen Kompetenzen des Mitarbeiters zu treffen. Es empfiehlt sich in diesem Zusammenhang, einen Zeithorizont zu definieren, auf den sich die Einschätzung bezieht. So dürfte es schwierig sein, eine Potenzialeinschätzung über eine Zeitspanne von zehn Jahren abzugeben, da Einschätzungen dieser Art regelmäßig sehr spekulativ sind. Ein realistischer Zeithorizont könnte zwei bis drei Jahre sein, verknüpft mit einer Wahrscheinlichkeitsaussage, welche künftigen Funktionen bzw. Positionen ein Kandidat in diesem Zeitraum voraussichtlich übernehmen könnte.[47]
Um die Potenzialeinschätzung quantitativ zu strukturieren, gilt es ebenfalls, eine geeignete Skalierung zugrunde zu legen. Wird die Skala von 1 bis 4 beibehalten, können die einzelnen Werte beispielsweise für folgende Ausprägungen stehen:
1 = kein Potenzial
2 = geringes Potenzial
3 = teilweise Potenzial
4 = viel Potenzial
Die Kriterien für die Einschätzung des Potenzials innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre, angelehnt an die Kriterien zur Leistungsbeurteilung, könnten beispielsweise folgendermaßen aussehen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Zukunftsgerichtete Potenzialeinschätzung
Auch bei der Potenzialeinschätzung gilt, dass die einzelnen Kompetenzdimensionen beliebig durch weitere organisationsspezifische Kompetenzmerkmale erweitert werden können, um eine unternehmensspezifische Potenzialeinschätzung zu erhalten.
3.3.2.1.3 Leistungs-Potenzial-Matrix
Die Ergebnisse der statusorientierten Kompetenzeinschätzung und der zukunftsgerichteten Potenzialeinschätzung können nun zusammen geführt und in der sogenannten Leistungs-Potenzial-Matrix, auch Personalportfolio genannt, abgebildet werden.
Auf der Abszisse der Matrix werden die kumulierten Skalenwerte der statusorientierten Kompetenzeinschätzung (Leistung) abgetragen, auf der Ordinate die kumulierten Skalenwerte der zukunftsgerichteten Potenzialeinschätzung (Potenzial).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Leistungs-Potenzial-Matrix
Die Leistungs-Potenzial-Matrix ermöglicht eine einfache grafische Darstellung der Ergebnisse der Kompetenz- und Potenzialeinschätzung und gibt Auskunft über die Verteilung der einzelnen Kandidaten. Ferner lassen sich anhand der Quadranten, in denen sich die Kandidaten wiederfinden, erste Handlungsempfehlungen ableiten. So bedürfen Mitarbeiter, die im A-Quadranten platziert sind, d. h. die Anforderungen, die an sie gestellt werden eher nicht erfüllen, aber eine sehr gute Potenzialaussage von der Führungskraft erhalten haben, besonderer Aufmerksamkeit ihrer Führungskraft. Es gilt, die Gründe und Ursachen herauszufinden, in denen die mangelhafte Leistungsmotivation liegt. Mitarbeiter, die sich im D-Quadranten befinden, könnten ermutigt werden, neue Aufgaben zu übernehmen und über ihre Funktionsentwicklung zu größerer Bandbreite hingeführt werden.
Besondere Beachtung verdienen die Kandidaten im B-Quadranten, dem sogenannten „Goldfischteich“. Hierbei handelt es sich um Mitarbeiter, die bereits Leistungsträger sind und eine beachtliche Potenzialaussage erhalten haben. Kandidaten, die sich im besonders gekennzeichneten Bereich des B-Quadranten befinden, sind als High Potentials zu bezeichnen.
3.3.2.1.4 Wahrscheinlichkeitsaussage
Die Potenzialeinschätzung durch die Führungskraft kann durch die oben erwähnte Wahrscheinlichkeitsaussage ergänzt werden. Die Führungskraft trifft eine Wahrscheinlichkeitsaussage, welche künftigen Funktionen bzw. Positionen ein Kandidat im Zeitablauf voraussichtlich übernehmen könnte. Es eignet sich folgende Darstellung, die von der Führungskraft auszufüllen ist, wobei die Funktionsbezeichnungen organisationsspezifisch festzulegen sind:[48]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Wahrscheinlichkeitsaussage[49]
3.3.2.1.5 Etwaige Problembereiche
Im Rahmen der Potenzialeinschätzung durch die Führungskraft kann es unter Umständen zu Problemen und klärungsbedürftigen Fragen kommen. Ergeben sich die Kompetenzmerkmale noch aus der Anforderungsanalyse, gilt es, für die statusorientierte Kompetenzeinschätzung und die zukunftsgerichtete Potenzialeinschätzung klare Regeln aufzustellen und deren Einhaltung sicherzustellen. So muss jede Führungskraft bei der Beurteilung und Potenzialeinschätzung den gleichen Bewertungsmaßstab anlegen, was regelmäßig eine Schulung der Führungskräfte erforderlich macht. Ferner gilt es, die Vorgesetzteneinschätzung zu verifizieren, beispielsweise durch die Einbeziehung weiterer Führungskräfte und einer Diskussion der Ergebnisse innerhalb des Management- bzw. Leitungskreises, sogenannter Personalsichtungsrunden.[50] Empfehlenswert ist weiterhin die Einbeziehung ergänzender und stärker objektiv ausgerichteter Einschätzungsverfahren, die in den nächsten Kapiteln erläutert werden.[51]
Zu berücksichtigen sind auch die Abgrenzungskriterien der Potenzialträger. Hierbei sollte es sich um nachvollziehbare Kriterien wie Alter, bisheriger beruflicher Werdegang, nachgewiesene objektive Qualifikationen, wie beispielsweise ein erfolgreich abgeschlossenes Hochschulstudium oder eine erfolgreich abgeschlossene Ausbildung, oder einschlägige berufliche Erfahrungen handeln, beispielsweise in der Projektarbeit oder bei komplexen Aufgabenstellungen im Tagesgeschäft. Je nachvollziehbarer und transparenter die Mindestanforderungen für einen Potenzialträger im Vorfeld definiert sind, im Hinblick auf fachliche, methodische, soziale, persönliche und führungsspezifische Kompetenzen, desto weniger Klärungsbedarf entsteht im Nachhinein.[52]
Ebenfalls festzulegen ist der Rhythmus, in welchem die Potenzialeinschätzungen erfolgen sollen. Diese können beispielsweise an jährliche Mitarbeitergespräche oder Leistungsbeurteilungen gekoppelt werden. Aber auch die seltenere Erhebung einer Potenzialanalyse ist denkbar, beispielsweise in Zeitabständen von zwei bis drei Jahren. Neben dem Rhythmus der Potenzialanalyse ist auch die Kommunikation der Ergebnisse an die Mitarbeiter zu planen; inwieweit werden die Mitarbeiter über die Ergebnisse informiert und wann ist der richtige Zeitpunkt.[53]
[...]
[1] Vgl. o.V., War for talents. Das Buhlen um High Potentials, in:
http://www.4managers.de/themen/war-for-talents/
[2] Vgl. VAN WINSEN (1999), High Potentials, S. 12.
[3] Vgl. Ebenda, S. 12
[4] Vgl. KUNZ (2004), Nachwuchs fürs Management, S. 41.
[5] o.V., Net Economy-Glossar, High Potential, in: http://www.staufenbiel.de/index.php?id=253
[6] Vgl. THOM et al. (2003), Retention-Management für High Potentials, in: Jahrbuch Personalent-
wicklung und Weiterbildung 2004, S. 237; KUNZ (2004), Nachwuchs fürs Management, S. 45.
[7] Vgl. Ebenda S. 45; KUNZ (2004), Nachwuchs fürs Management, S. 43.
[8] Vgl. KUNZ (2004), Nachwuchs fürs Management, S. 51.
[9] Vgl. Ebenda, S. 56.
[10] Vgl. SCHULER (2000), Psychologische Personalauswahl, S. 59.
[11] Vgl. ECKARDT & SCHULER (1992), Berufseignungsdiagnostik, S. 536 ff.; SCHULER (2000),
Psychologische Personalauswahl, S. 59 ff.
[12] Vgl. KUNZ (2004), Nachwuchs fürs Management, S. 44 ff.
[13] Ebenda, S. 45.
[14] KROMREI (2006), Zur Bedeutung und Praxis von Kompetenzmodellen für Unternehmen, S. 19.
[15] Vgl. KUNZ (2004), Nachwuchs fürs Management, S. 45.
[16] Vgl. STILLER et al. (1998), Standortbestimmung und Perspektiven kaufmännischer und verwal-
tender Berufsbildung. Berichte zur beruflichen Bildung. Heft 215, S. 73.
[17] Vgl. z.B. KAHABKA (2004), Potenzialbewertung und Potenzialentwicklung der Mitarbeiter, in:
BRÖCKERMANN/PEPELS (Hrsg.), Personalbindung, S. 85.
[18] Vgl. MANSFIELD (1996), Building competency models: approaches for HR professionals, in:
Human Resource Management, Vol. 35, S. 7 ff.
[19] Vgl. KROMREI (2006), Zur Bedeutung und Praxis von Kompetenzmodellen für Unternehmen,
S. 23.
[20] Vgl. KAHABKA (2004), Potenzialbewertung und Potenzialentwicklung der Mitarbeiter, in:
BRÖCKERMANN/PEPELS (Hrsg.), Personalbindung, S. 86; Vgl. KROMREI (2006), Zur Bedeu-
tung und Praxis von Kompetenzmodellen für Unternehmen, S. 24.
[21] Vgl. KAHABKA (2004), Potenzialbewertung und Potenzialentwicklung der Mitarbeiter, in:
BRÖCKERMANN/PEPELS (Hrsg.), Personalbindung, S. 86.
[22] Vgl. ERPENBECK/HEYSE (1999), Die Kompetenzbiographie, hrsg. von Arbeitsgemeinschaft
Qualifikations-Entwicklungs-Management, Band 10, S. 156ff. ; KROMREI (2006), Zur Bedeutung
und Praxis von Kompetenzmodellen für Unternehmen, S. 24.
[23] MICHELSEN (1997), Lernen im Bereich der nichtfachlichen Kompetenzen, in MICHELSEN
(Hrsg.), Handlungsorientiertes Lernen, S. 76.
[24] Vgl. KAHABKA (2004), Potenzialbewertung und Potenzialentwicklung der Mitarbeiter, in:
BRÖCKERMANN/PEPELS (Hrsg.), Personalbindung, S. 85.
[25] MICHELSEN (1997), Lernen im Bereich der nichtfachlichen Kompetenzen, in MICHELSEN (Hrsg.), Handlungsorientiertes Lernen, S. 76.
[26] Vgl. ASENDORPF (2004), Psychologie der Persönlichkeit, S. 200.
[27] Vgl. KAHABKA (2004), Potenzialbewertung und Potenzialentwicklung der Mitarbeiter, in: BRÖCKERMANN/PEPELS (Hrsg.), Personalbindung, S. 86.
[28] MICHELSEN (1997), Lernen im Bereich der nichtfachlichen Kompetenzen, in MICHELSEN(Hrsg.), Handlungsorientiertes Lernen, S. 76.
[29] Vgl. KAHABKA (2004), Potenzialbewertung und Potenzialentwicklung der Mitarbeiter, in:
BRÖCKERMANN/PEPELS (Hrsg.), Personalbindung, S. 86.
[30] Vgl. VAN WINSEN (1999), High Potentials, S. 171.
[31] Vgl. KUNZ (2004), Nachwuchs fürs Management, S. 57.
[32] Vgl. Ebenda, S. 51.
[33] Vgl. Ebenda, S. 51.
[34] Vgl. KUNZ (2004), Nachwuchs fürs Management, S. 52.
[35] Vgl. SCHULER (2000), Psychologische Personalauswahl, S. 51 ff.
[36] Vgl. KUNZ (2004), Nachwuchs fürs Management, S. 52 ff.
[37] Ebenda, S. 53 f.
[38] Vgl. SCHULER (2000), Psychologische Personalauswahl, S. 50 f.
[39] Vgl. LIENERT (1989), Testaufbau und Testanalyse, S. 13.; SCHULER (2000), Psychologische Personalauswahl, S. 49f.
[40] Vgl. KUNZ (2004), Nachwuchs fürs Management, S. 54.
[41] Vgl. Ebenda, S. 54 f.
[42] Vgl. Ebenda, S. 55.
[43] Vgl. KUNZ (2004), Nachwuchs fürs Management, S. 57 f.
[44] Vgl. SCHNELL/HILL/ESSER (1999), Methoden der empirischen Sozialforschung, S. 330 f.
[45] Vgl. KUNZ (2004), Nachwuchs fürs Management, S. 58.
[46] Vgl. KUNZ (2004), Nachwuchs fürs Management, S. 58.
[47] Vgl. Ebenda, S. 60.
[48] Vgl. KUNZ (2004), Nachwuchs fürs Management, S. 60.
[49] KUNZ (2004), Nachwuchs fürs Management, S. 60.
[50] Weitere ausführliche Ausführungen zu dem Thema Personalsichtungsrunden, lassen sich u. a.bei KUNZ finden: Nachwuchs fürs Management, S. 77 ff.
[51] Vgl. KUNZ (2004), Nachwuchs fürs Management, S. 62.
[52] Vgl. KUNZ (2004), Nachwuchs fürs Management, S. 62 f.
[53] Vgl. Ebenda, S. 63.
- Citation du texte
- Markus Kotzur (Auteur), 2007, Identifizierung und Bindung von High Potentials in kleinen und mittleren Unternehmen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/85922
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