Dass Novalis, der typisch Schriftsteller der Romantik, mit großer Sorgfalt und Hingabe seinem bürgerlichen Beruf als kursächsischer Salinenassessor nachging, wirkt auf den ersten Blick befremdlich. Doch bei genauerer Betrachtung stellt sich die Doppelexistenz seiner beruflichen und schriftstellerischen Laufbahn als fruchtbar heraus. Gerade seine intensive Auseinandersetzung mit der Mineralogie, der Geologie, der Mathematik, der Chemie, der Physik und der Medizin prägen sein poetisches Lebenswerk .
Der Protagonist Heinrich durchläuft auf einer Reise mehrere Stationen, die seinen Lebensweg von Innen heraus beeinflussen. Ganz bewusst als Antwort auf Goethes Wilhelm Meisters Lehrjahre angelegt, sollte der Roman „eine Apotheose der Poesie seyn. Heinrich von Afterdingen wird im 1sten Theile zum Dichter reif – und im Zweyten, als Dichter verklärt.“ Novalis’ fundierte Kenntnisse im Bereich der Technik und des Bergbaus machen sich bei seinen Ausführungen im Heinrich von Ofterdingen bemerkbar. Immer wieder fungieren darin Naturwelten und insbesondere Berge und Bergwerke als zentraler Schlüssel zur Seele des Helden. Detaillierte Schilderungen der Natur und romantische Bergwerksmotive durchziehen die Kernkapitel wie feine Erzadern einen Stollen. Vor allem im fünften Kapitel spielen Bergwerke und deren technologischer Stand mit Ausbeutung von Bodenschätzen eine elementare Rolle. Doch sind diese Bergwerke nicht vordergründig rein technischer Natur. Novalis beschreibt hier vielmehr die „Bergwerke der Seele.“
Im Folgenden soll untersucht werden, wie die Bergwerksmotive im Zusammenhang von Technik und Natur stehen, um so für die poetische innere Reife des Protagonisten zum Reflexionsort der eigenen Seele zu werden. Hierbei sind vor allem die Mentoren ausschlaggebend, da sie den Prozess der Inneren Reife Heinrichs maßgeblich voranbringen. Die Betrachtung stützt sich mehrheitlich auf textnahe Analyse einzelner Pas-sagen, die exemplarisch für die Thematik und Entwicklung des Romans herangezogen werden.
Inhalt
I. Einleitung
1. Zur Entstehung des Werkes
2. Technologisierung und Natur
3. Mentoren und Bergwerksmotive
II. Fazit: Die Bergwerke als Reflexion der menschlichen Seele
III. Literaturverzeichnis
I. Einleitung
Dass Novalis, der typisch Schriftsteller der Romantik, mit großer Sorgfalt und Hingabe seinem bürgerlichen Beruf als kursächsischer Salinenassessor nachging, wirkt auf den ersten Blick befremdlich. Doch bei genauerer Betrachtung stellt sich die Doppelexistenz seiner beruflichen und schriftstellerischen Laufbahn als fruchtbar heraus. Gerade seine intensive Auseinandersetzung mit der Mineralogie, der Geologie, der Mathematik, der Chemie, der Physik und der Medizin prägen sein poetisches Lebenswerk[1].
Der Protagonist Heinrich durchläuft auf einer Reise mehrere Stationen, die seinen Lebensweg von Innen heraus beeinflussen. Ganz bewusst als Antwort auf Goethes Wil helm Meisters Lehrjahre angelegt, sollte der Roman „eine Apotheose der Poesie seyn. Heinrich von Afterdingen wird im 1sten Theile zum Dichter reif – und im Zweyten, als Dichter verklärt.“[2] Novalis’ fundierte Kenntnisse im Bereich der Technik und des Bergbaus machen sich bei seinen Ausführungen im Heinrich von Ofterdingen bemerkbar. Immer wieder fungieren darin Naturwelten und insbesondere Berge und Bergwerke als zentraler Schlüssel zur Seele des Helden. Detaillierte Schilderungen der Natur und romantische Bergwerksmotive durchziehen die Kernkapitel wie feine Erzadern einen Stollen. Vor allem im fünften Kapitel spielen Bergwerke und deren technologischer Stand mit Ausbeutung von Bodenschätzen eine elementare Rolle. Doch sind diese Bergwerke nicht vordergründig rein technischer Natur. Novalis beschreibt hier vielmehr die „Bergwerke der Seele.“[3]
Im Folgenden soll untersucht werden, wie die Bergwerksmotive im Zusammenhang von Technik und Natur stehen, um so für die poetische innere Reife des Protagonisten zum Reflexionsort der eigenen Seele zu werden. Hierbei sind vor allem die Mentoren ausschlaggebend, da sie den Prozess der Inneren Reife Heinrichs maßgeblich voranbringen. Die Betrachtung stützt sich mehrheitlich auf textnahe Analyse einzelner Passagen, die exemplarisch für die Thematik und Entwicklung des Romans herangezogen werden.
1. Zur Entstehung des Werkes
Im Juni 1799 war Freiherr Georg Philipp Friedrich von Hardenberg zur Taufe seines Patenkindes nach Artern gereist. Dieser Ort liegt nahe dem Bergrücken Kyffhäuser, südöstlich des Unterharzes an der thüringischen Grenze. Auf seiner Reise entdeckte Novalis den Stoff für sein Werk Heinrich von Ofterdingen.
Von Hardenberg, der sich nach einem Zweig seiner Vorfahren Novalis nannte, war zu dieser Zeit bereits nicht mehr der große Bewunderer von Goethes Roman Wilhelm Meisters Lehrjahre. Seine frühere Hochschätzung Goethes als „der wahre Statthalter des poetischen Geistes auf Erden“[4], war einer kritischen Sichtweise gewichen. So schrieb er um 1798: „Wilhelm Meisters Lehrjahre sind gewissermaaßen durchaus prosaisch – und modern. Das Romantische geht darinn zu Grunde – auch die Naturpoesie, das Wunderbare – Er handelt blos von gewöhnlichen menschlichen Dingen – die Natur und der Mystizism sind ganz vergessen.“[5]
Novalis wollte ganz bewusst einen Gegenentwurf zum Wilhelm Meister verfassen und fand durch die Reise nach Artern in den Chroniken seines Freundes Major von Funk den passenden Stoff. Es waren wohl mehrere Quellen, die ihm den mittelalterlichen Dichter „Heinrich von Afterdingen“ in Schriften wie das Leben der heiligen Elisabeth von Johannes Rothe, oder die Mansfeldische Chronik von Cyriacus Spangenberg nahe brachten. Novalis behielt die originale Schreibweise durchgängig bei. Erst mit der späteren Veröffentlichung von Schlegel und Tieck wurde die Namensform von „Afterdingen“ in „Ofterdingen“ übernommen.[6]
Die Entstehungszeit des Heinrich von Ofterdingen betrug weniger als ein Jahr. Novalis arbeitete an seinem Werk von Dezember 1799 bis Oktober 1800.[7] Der Ofterdingen I wurden sogar innerhalb von nur dreieinhalb Monaten vollendet.[8]
Bis Mitte Januar 1800 hatte Novalis dann auch die Kapitel 1 und 2 – vermutlich auch das 5. Kapitel mit den Bergwergsgesprächen – fertig gestellt. Mit großem Eifer und intensiver Arbeit gelingt Novalis am 5. April des selben Jahre die Beendigung des Ofterdingen I.[9] Danach folgt eine Pause von knapp vier Monaten, bevor er die Arbeit am O fterdingen II beginnt. Anhand von handschriftlichen Notizen in den „Berliner Papieren“ kann der zweite Teil in seinem Aufbau weitgehend nachvollzogen werden.[10] Dennoch bleibt das Werk durch den frühen Tod Novalis’ am 25. März 1801 unvollendet.
Immer wieder finden sich in beiden Teilen des Heinrich von Ofterdingen Bezüge zur Landschaft um den thüringischen Ort Artern und dem nahegelegenen Berg Kyffhäuser. Um den Kyffhäuser Bergrücken rankt sich eine für den Heinrich von Ofterdingen inspirierende Sage. Im Inneren des Berges liegt eine Höhle. Der Sage nach kann man dort Kaiser Friedrich I.[11] sehen, wie er auf einer Bank sitzt und schläft. Der berühmte rote Bart soll bereits durch den steinernen Tisch gewachsen sein. Doch nicht nur der Ort hat eine sagenumwobene Geschichte. Auch die Johannisnacht, die im Roman eine prominente Rolle einnimmt, hat einen lokalen Bezug zur Gegend um den Kyffhäuser.
[...]
[1] Vgl. Benedikt Jeßing: Metzler Autorenlexikon. Deutschsprachige Dichter und Schriftsteller vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Stuttgart, Weimar 2004. S. 588
[2] So Novalis einige Wochen vor Fertigstellung des ersten Teils an Ludwig Tieck. Vgl. Gerhard Schulz (Hrg.): Novalis. Beiträge zu Werk und Persönlichkeit Friedrich von Hardenbergs. Darmstadt 1986
[3] Ziolkowski, Theodore: German Romanticism and Its Institutions. Princeton 1990. S. 19
[4] Vgl. Herbert Uerlings (Hrsg.):“ Blütenstaub“: Rezeption und Wirkung des Werkes von Novalis. Tübingen 2000. S. 34
[5] Vgl. Fragmente und Studien 1799/1800. In: Novalis, Schriften: Die Werke Friedrich von Hardenbergs, ed. Paul Kluckhohn and Richard Samuel. Stuttgart 1960ff.
[6] Vgl. Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Reclam 8939. Stuttgart1987. S. 236
[7] Vgl. Novalis’ „Heinrich von Ofterdingen“. Erläuterungen und Dokumente. Reclam 8181.Stuttgart 1988. S. 135
[8] Die angebliche Fertigstellung des Ofterdingen I während der Wintermonate 1799/1800 in Artern erweist sich nach aktuellem Forschungsstand als zeitlich unhaltbar. Die ursprüngliche Annahme beruht auf Tiecks Novalis-Biographie.
[9] Vgl. Novalis’ „Heinrich von Ofterdingen“. Erläuterungen und Dokumente. S. 136
[10] Vgl. ebd. S. 136
[11] Kaiser Friedrich I. wurde auch Friedrich Barbarossa genannt. Mit diesem Namen wurde er zur Grundlage berühmter Sagen und Erzählungen um seine Person. Dennoch verarbeitet Novalis die Kyffhäuser-Sage nach der ursprünglichen Fassung und nimmt dabei stärkeren Bezug auf den „Messiaskaiser Friedrich II.
- Citation du texte
- Master of Arts Alexander Monagas (Auteur), 2007, Moderne Arbeitswelt und romantische Bergwerksmotive in Novalis’ „Heinrich von Ofterdingen“, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/85761
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