"§ 509: Corpus meum habet determinantum in hoc mundo positium, locum, aetatem, situm."
"Indem der Körper zur Zielscheibe für neue Machtmechanismen wird, bietet er sich neuen Wissensformen dar. Es handelt sich mehr um einen Körper der Übung als um einen Körper der spekulativen Physik; eher um einen von der Autorität manipulierten Körper als um einen von Lebensgeistern bevölkerten Körper; um einen Körper der nützlichen Dressur und nicht der rationellen Mechanik."
Dass diese Stellungnahmen zusammenpassen versucht Christoph Menke in den beiden im Folgenden behandelten Essays zu zeigen. Die Disziplin der Ästhetik und Zweierlei Übung nehmen beide Bezug auf Überwachen und Strafen und reflektieren auf das Werk aus ästhetischer Sicht. Die Übung wird dabei in den Vordergrund gerückt, „[ü]ben“ schreibt Menke „kann ich nur, was ich selbst tun kann. Darauf zielt ja das Üben: es selbst tun zu können“. Und an anderer Stelle, gleichsam erweitert, heißt es: „[i]ch kann nur wollen, was ich kann – was auszuführen und wozu oder wobei mich zu führen ich die Macht, die Fähigkeit, das Vermögen habe.“
So es in meiner Macht steht werde ich versuchen von diesen Gedanken geleitet die beiden Artikel zusammenzufassen und sie teilweise zu kombinieren. Der Schwerpunkt wird am ersten Text liegen, der zweite wird ergänzend verwendet. Am Ende der Arbeit wird eine kurze Stellungnahme folgen.
Inhalt
0 Einleitung
I. Die Disziplin der Ästhetik
1. Ästhetische Disziplin
2. Ästhetische Differenz
II. Zweierlei Übung
1. Gemeinsamkeiten von disziplinärer und ästhetisch-existentieller Subjektkonzeption
2. Unterschiede von disziplinärer und ästhetisch-existentieller Subjektkonzeption
III. Schluss
IV. Literatur
0 Einleitung
§ 509: Corpus meum habet determinantum in hoc mundo positium, locum, aetatem, situm.[1]
Indem der Körper zur Zielscheibe für neue Machtmechanismen wird, bietet er sich neuen Wissensformen dar. Es handelt sich mehr um einen Körper der Übung als um einen Körper der spekulativen Physik; eher um einen von der Autorität manipulierten Körper als um einen von Lebensgeistern bevölkerten Körper; um einen Körper der nützlichen Dressur und nicht der rationellen Mechanik.[2]
Dass diese Stellungnahmen zusammenpassen versucht Christoph Menke in den beiden im Folgenden behandelten Essays zu zeigen. Die Disziplin der Ästhetik[3] und Zweierlei Übung[4] nehmen beide Bezug auf Überwachen und Strafen und reflektieren auf das Werk aus ästhetischer Sicht. Die Übung wird dabei in den Vordergrund gerückt, „[ü]ben“ schreibt Menke „kann ich nur, was ich selbst tun kann. Darauf zielt ja das Üben: es selbst tun zu können“.[5] Und an anderer Stelle, gleichsam erweitert, heißt es: „[i]ch kann nur wollen, was ich kann – was auszuführen und wozu oder wobei mich zu führen ich die Macht, die Fähigkeit, das Vermögen habe.“[6]
So es in meiner Macht steht werde ich versuchen von diesen Gedanken geleitet die beiden Artikel zusammenzufassen und sie teilweise zu kombinieren. Der Schwerpunkt wird am ersten Text liegen, der zweite wird ergänzend verwendet. Am Ende der Arbeit wird eine kurze Stellungnahme folgen.
‚Um gut zu schreiben, ist es notwendig, dass man sich in einer bequemen und in der dazu passenden Lage befindet. Man muß den Körper gerade halten, ein wenig nach der linken Seite geneigt und nur ein wenig vorgebeugt, und zwar so, daß, wenn man den Ellbogen auf den Tisch setzen würde, das Kinn sich …’[7]
I. Die Disziplin der Ästhetik
Während im 16. und 17. Jahrhundert die Beziehung von Kunst und Macht klar geregelt erscheint – mittels dem „Begriff der Repräsentation“[8] – scheint sie sich im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts mehr und mehr aufzulösen, ohne jedoch gänzlich zu verschwinden. Maßgeblich daran beteiligt ist nach Michel Foucault das Aufkommen der disziplinären Regelungen. „Gewiss gab es seit langem viele Disziplinarprozeduren – in den Klöstern, in den Armeen, auch in den Werkstätten. Aber im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts sind die Disziplinen zu allgemeinen Herrschaftsformen geworden“.[9] Diese wollen den Körper nicht besitzen - nicht Sklaverei, sondern Nutzbarmachung ist das Ziel des neuen Souveräns.
Die Kunst ist natürlich weiterhin vorhanden, jedoch nicht um eine Macht schillernd zu repräsentieren - oder den Körper zu quälen als Peinigungskunst - sondern sie wird zur reinen Nutzbarmachung verwendet. Mit Menke zielt die Disziplinarmacht mithilfe der Kunst darauf ab, „Körper herzustellen, die gerade deshalb gefügig, zum normalen Funktionieren nützlich sind, weil sie der Selbstbestimmung fähig sind.“[10]
Nichts anderes ist damit gemeint als wieder ein Hinweis auf die Zwillingsbedeutung von assujettissement[11] : Unterwerfung und Subjektivation.[12]
Nicht zufällig gibt Alexander Gottlieb Baumgarten dieser neuen Art der Kunstwahrnehmung im deutschen Sprachraum einen Namen, die Geburt der Ästhetik fällt in eben diesen von Foucault so eindringlich beschrieben aesthetic turn im Laufe des 18. Jahrhunderts. Wenngleich Foucault sich nicht auf die Ästhetik Baumgartens bezieht, ist diese nach Menke permanent im Hintergrund anwesend.
1. Ästhetische Disziplin
Die Veränderung der Kunst geht Hand in Hand mit einer Veränderung des Körpers oder zumindest mit einer veränderten Sichtweise der Körper. Von der reinen mecha- nischen Wahrnehmung weg entsteht so etwa wie ein „natürlicher Körper“, ein „Körper der Übung“.[13] Menke arbeitet nun heraus, dass die Beschreibungen dieses neuen Körpers, der im Entstehen ist – „Individualität“, „Kraft und Fähigkeit“, „Dynamik“, „organisch“[14] – dasselbe Vokabular aufweist mit dem eben auch die Ästhetik, vor allem Baumgarten, operiert.
Als weiteres wichtiges Moment benützt Foucault die Zeitdimension um den neuen Körper und seine Formung zu beschreiben und verständlich zu machen, die Zeitlichkeit macht ja die Übung erst sinnvoll. Wenn etwas optimiert werden soll, wenn etwas besser oder zumindest gut werden soll, benötigt es eine Verbesserung – oder als Minimum den Glauben daran. Dies ist auch eine der zentralen Thesen in Überwachen und Strafen um die Veränderung des Strafsystems zu erklären: die Aussicht auf die Besserungsfähigkeit der Menschen in der Zukunft. Und auch hier macht Menke eine Überschneidung mit der Ästhetik Baumgartens aus – „[d]ie Übung ist aber ebenso zentral für die Disziplinarmacht wie für die philosophische Ästhetik, die sie griechisch als askesis oder lateinisch als exercitatio bezeichnet.“[15]
Ist also die Übung erst einmal mit der Zeitdimension verwoben, so kann man sie mit Foucaults Ansatz innerhalb Baumgartens Konzept vergleichen: Übung ist nötig, um die natürlichen ästhetischen Voraussetzungen der Seele zu den „habitus pulchre cogitandi“[16] zu schulen sowie um die „disciplina aesthetica“ zur Überwindung von „ignoratia vel incertitudine“[17] anzuwenden.
Sowohl Foucault[18] als auch Baumgarten sehen in der Übung eine oftmalige Wiederholung des Gleichen, sowie beide „das Exerzieren der Soldaten“[19] als Beispiel angeben. Beide betonen auch einen gewissen pädagogischen Effekt, da die Übung immer an die jeweilige Entwicklungsstufe angepasst sowie auch die Ausführung absolut korrekt durchgeführt werden müsse.
[...]
[1] § 509 Mein Körper hat in dieser Welt eine bestimmte Stellung, einen bestimmten Ort, ein bestimmtes Alter und eine bestimmte Lage.
Baumgarten, Alexander Gottlieb (1983): Texte zur Grundlegung der Ästhetik. Lateinisch-Deutsch. Übers. u. hrsg. v. Hans Rudolf Schweizer, Hamburg (Meiner), 4f. (in Zukunft zitiert als GÄ)
[2] Foucault, Michel (162004): Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses. Frankfurt a.M. (Suhrkamp), 199. (in Zukunft zitiert als ÜS)
[3] Menke, Christoph (2003): „Die Disziplin der Ästhetik. Eine Lektüre von ‚Überwachen und Strafen’“, in: Gertrud Koch, Sylvia Sasse, Ludger Schwarte (Hsg.): Kunst als Strafe. Zur Ästhetik der Disziplinierung. München (Fink), 109-121. (in Zukunft zitiert als DÄ)
[4] Menke, Christoph (2003): „Zweierlei Übung. Zum Verhältnis von sozialer Disziplinierung und ästhetischer Existenz“, in: Axel Honneth und Martin Saar (Hsg.): Michel Foucault. Zwischenbilanz einer Rezeption. Frankfurter Foucault-Konferenz 2001. Frankfurt a.M. (Suhrkamp), 283-299. (in Zukunft zitiert als 2Ü)
[5] DÄ 118
[6] 2Ü 288
[7] Salle, J.-B. de la (1826): Conduite des Ècoles chrétiennes, S.63, nach ÜS, 195f.
[8] DÄ, 109
[9] ÜS, 175f
[10] DÄ, 110
[11] Vgl. auch: Butler, Judith (2003): „Noch einmal: Körper und Macht“, in: Axel Honneth und Martin Saar (Hsg.): Michel Foucault. Zwischenbilanz einer Rezeption. Frankfurter Foucault-Konferenz 2001. Frankfurt a.M. (Suhrkamp), 61
[12] Auch: Gebundenheit und –pflicht in Zusammenhang mit Steuererklärungen, z.B.: assujettissement à l'impôt = Steuerpflicht(http://dict.leo.org/frde?lp=frde&lang=de&searchLoc=0&cmpType=relaxed§Hdr=on&spellToler=on&search=assujettissement&relink=on; Zugriff von 15.06.2007)
[13] ÜS, 199
[14] DÄ, 111; zitiert wird aus: ÜS, 201ff, 207, 209ff
[15] DÄ, 112
[16] Baumgarten, Alexander Gottlieb (21988): Aestetika (1750/59). Dt. Übers. Nach: Theoretische Ästhetik. Die grundlegenden Abschnitte aus der „Aesthetica“ (1750/58). Hg.v.H.R. Schweizer. Hamburg (Meiner), §47; zit. nach DÄ, 112. (in Zukunft zitiert als Ä)
[17] Ä, §62; DÄ, 112
[18] So wird Übung (exercice) zumindest in ÜS gebraucht. Zur Verwendung des Begriffs als „Übung eines selbst durch sich selbst“ siehe später, unter: ii, 1. Seite 11
[19] DÄ, 112; als Vergleich genannt: Ä, §49 und ÜS, 232
- Arbeit zitieren
- mag. Markus Kiesling-Luef (Autor:in), 2007, "Üben, üben, üben..." - Zum Begriff der Übung bei Foucault mithilfe von Menkes Überlegungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/85591
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