Wird ein ArbN gekündigt, so muss er nach dem Ablauf der Kündigungsfrist bzw. im Fall der fristlosen Kündigung nach deren Zugang seinen Arbeitsplatz räumen. Die Tatsache, dass er möglicherweise von der Unrechtmäßigkeit der Kündigung überzeugt ist und daher Kündigungsschutzklage erhebt, ändert nichts daran, dass er erst einmal den Betrieb verlassen muss. Gewinnt er den Kündigungsschutzprozess, so gilt das Arbeitsverhältnis als ununterbrochen fortbestehend und er kann auf seinen Arbeitsplatz zurückkehren. Für die Zwischenzeit ergibt sich aber das Problem, dass sich der Kündigungsschutzprozess über Monate oder Jahre erstreckt, in denen der ArbN den Bezug zum Betrieb, den Kollegen und seiner Tätigkeit verliert, so dass sich die Trennung zu seinem Arbeitsplatz mit fortschreitender Abwesenheit verstärkt. Zwar kann der ArbN seine rechtliche Position dadurch wahren, dass er die Kündigung gerichtlich überprüfen lässt, jedoch wird er dadurch gegen die Verschlechterung seiner tatsächlichen Stellung nicht gesichert. Dem kann am wirkungsvollsten begegnet werden, indem er seinen Arbeitsplatz bis zur endgültigen Klärung der Rechtmäßigkeit der Kündigung nicht verlässt, sondern seine Weiterbeschäftigung beansprucht. Der ArbN wird so im Verlauf des Verfahrens zum „Hüter seines Arbeitsplatzes“ und kann der tatsächlichen Verschlechterung seiner Position entgegenwirken.
Für den ArbN bestehen zwei Möglichkeiten, einen Weiterbeschäftigungsanspruch geltend zu machen: Neben dem besonderen betriebsverfassungsrechtlichen Weiterbeschäftigungsanspruchs des § 102 V BetrVG hat das BAG im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung einen allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch für die Dauer des Kündigungsrechtsstreits entwickelt, der abhängig vom Stand des Verfahrens Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen berücksichtigt.
Die vorliegende Arbeit hat den von der Rspr. entwickelten allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch zum Inhalt und setzt sich mit diesbezüglichen Problemfeldern auseinander. So ist insb. die Rechtsnatur des aus dem Weiterbeschäftigungsanspruch entstehenden Arbeitsverhältnisses umstritten. Daraus resultiert die Problematik der Ansprüche, Rechte und Pflichten der Parteien während der Weiterbeschäftigung und nach deren Ende. Aufmerksamkeit wird der aktuellen Diskussion um den Teilzeitcharakter des Weiterbeschäftigungsverhältnisses geschenkt. Gleiches gilt für die Problematik hinsichtlich des Annahmeverzugs des Arbeitgebers.
Im Folgenden wird zu zeigen sein, dass...
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
Erster Teil: Einführung
Zweiter Teil: Hauptteil
A. Der Weiterbeschäftigungsanspruch
I. Der allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch
1. Die Entwicklung des Anspruchs in der Rechtssprechung
2. Kritik durch das Schrifttum
3. Stellungnahme
4. Die Voraussetzungen des Anspruchs
a) Unwirksame Kündigung
b) Interessenabwägung
(aa) Interessenverschiebung während des Prozesses
(bb) Stellungnahme
c) Kündigungsschutzklage und Weiterbeschäftigungsantrag
5. Rechtsfolge
II. Abgrenzung zum Weiterbeschäftigungsanspruch gem. § 102 V BetrVG
B. Zustandekommen des Weiterbeschäftigungsverhältnisses
I. Durchsetzung mittels einstweiliger Verfügung
II. Durchsetzung mittels Zwangsvollstreckung
C. Das Weiterbeschäftigungsverhältnis
I. Rechtsnatur
1. Freiwillige Weiterbeschäftigung vor Erlass eines Urteils
2. Beschäftigung nach Erlass eines klagestattgebenden Urteils
a) Freiwillige Vereinbarung
b) Erzwungene Weiterbeschäftigung
(aa) Fehlerhaftes Arbeitsverhältnis
(bb) Tatsächliches Arbeitsverhältnis
(cc) Analogie zu § 102 V BetrVG
(dd) Bereicherungsrechtliches Arbeitsverhältnis
II. Der Teilzeitcharakter
1. Grundlagen und Diskussionsstand
a) Anwendbarkeit des TzBfG im Rahmen des allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs
b) Befristung und Bedingung
(aa) Prozessbedingung als bloße Rechtsbedingung
(bb) Die Ansicht Bayreuthers
(cc) Stellungnahme
c) Sachlicher Grund
d) Schriftformerfordernis des § 14 IV, 21 TzBfG
(aa) Anwendbarkeit der §§ 14 IV, 21 TzBfG auf die einvernehmliche Prozessbeschäftigung
(bb) Stellungnahme
2. Die Rspr. des BAG, exemplarisch am Urteil vom 22.10.2003
a) Der Sachverhalt
b) Ergebnis und Begründung
3. Kritik am BAG und Stellungnahme
D. Ansprüche aus dem Weiterbeschäftigungsverhältnis
I. Vertraglich vereinbarte Weiterbeschäftigung
II. Erzwungene Weiterbeschäftigung
1. Tatsächliche Beschäftigung
2. Vergütungsansprüche
a) Lohnansprüche
b) Sonderzahlungen
3. Urlaubsgewährung bzw. Urlaubsabgeltung
4. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
III. Stellungnahme
E. Ende des Kündigungsrechtsstreits und Rechtsfolgen im Hinblick auf das Prozessbeschäftigungsverhältnis
I. Wegfall einer Voraussetzung, insb. Klagerücknahme, und Aufhebungsvereinbarung
II. Ergehen einer rechtskräftigen Entscheidung
1. Das Gericht gibt der Klage rechtskräftig statt
a) Voraussetzungen des Annahmeverzugs
(aa) Rechtswirksamer Arbeitsvertrag
(bb) Angebot der Arbeitsleistung
(cc) Leistungsfähigkeit des ArbN
(dd) Leistungswilligkeit des ArbN
(ee) Nichtannahme der Arbeit durch den ArbG
b) Rechtsfolge des Annahmeverzugs
(aa) Nachzahlungspflicht
(bb) Einschränkung: Anrechnung des anderweitigen Erwerbs
c) Ende des Annahmeverzugs
(aa) Anforderungen der Rechtsprechung
(bb) Kritik am BAG
(cc) Stellungnahme
2. Das Gericht weist die Klage rechtskräftig ab
a) Rückabwicklung der ausgetauschten Leistungen
(aa) Die Weiterbeschäftigung erfolgte freiwillig
(bb) Die Weiterbeschäftigung erfolgte zwangsweise
b) Anspruch des ArbG auf Schadenersatz
(aa) Die Kritik Schumanns
(bb) Stellungnahme
Dritter Teil: Zusammenfassung und Lösungsvorschlag
A. Zusammenfassung
B. Lösungsvorschlag
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Literaturverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Erster Teil: Einführung
Wird ein ArbN gekündigt, so muss er nach dem Ablauf der Kündigungsfrist bzw. im Fall der fristlosen Kündigung nach deren Zugang[1] seinen Arbeitsplatz räumen. Die Tatsache, dass er möglicherweise von der Unrechtmäßigkeit der Kündigung überzeugt ist und daher Kündigungsschutzklage erhebt, ändert nichts daran, dass er erst einmal den Betrieb verlassen muss. Gewinnt er den Kündigungsschutzprozess, so gilt das Arbeitsverhältnis als ununterbrochen fortbestehend und er kann auf seinen Arbeitsplatz zurückkehren. Für die Zwischenzeit ergibt sich aber das Problem, dass sich der Kündigungsschutzprozess über Monate oder Jahre erstreckt, in denen der ArbN den Bezug zum Betrieb, den Kollegen und seiner Tätigkeit verliert, so dass sich die Trennung zu seinem Arbeitsplatz mit fortschreitender Abwesenheit verstärkt. Zwar kann der ArbN seine rechtliche Position dadurch wahren, dass er die Kündigung gerichtlich überprüfen lässt, jedoch wird er dadurch gegen die Verschlechterung seiner tatsächlichen Stellung nicht gesichert. Dem kann am wirkungsvollsten begegnet werden, indem er seinen Arbeitsplatz bis zur endgültigen Klärung der Rechtmäßigkeit der Kündigung nicht verlässt, sondern seine Weiterbeschäftigung beansprucht. Der ArbN wird so im Verlauf des Verfahrens zum „Hüter seines Arbeitsplatzes“[2] und kann der tatsächlichen Verschlechterung seiner Position entgegenwirken.
Für den ArbN bestehen zwei Möglichkeiten, einen Weiterbeschäftigungsanspruch geltend zu machen: Neben dem besonderen betriebsverfassungsrechtlichen Weiterbeschäftigungsanspruchs des § 102 V BetrVG hat das BAG im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung einen allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch für die Dauer des Kündigungsrechtsstreits entwickelt, der abhängig vom Stand des Verfahrens ArbG- und ArbNinteressen berücksichtigt. Die Notwendigkeit eines allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs ergab sich für das BAG daraus, dass die Sicherungsmöglichkeit des Arbeitsplatzes, der den Mittelpunkt der Persönlichkeitsentfaltung des ArbN darstelle, nicht davon abhängig gemacht werden dürfe, ob im Betrieb ein Betriebsrat besteht und dieser der Kündigung ordnungsgemäß widersprochen hat.
Die vorliegende Arbeit hat den von der Rspr. entwickelten allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch zum Inhalt und setzt sich mit diesbezüglichen Problemfeldern auseinander. So ist insb. die Rechtsnatur des aus dem Weiterbeschäftigungsanspruch entstehenden Arbeitsverhältnisses umstritten. Daraus resultiert die Problematik der Ansprüche, Rechte und Pflichten der Parteien während der Weiterbeschäftigung und nach deren Ende. Aufmerksamkeit wird der aktuellen Diskussion um den Teilzeitcharakter des Weiterbeschäftigungsverhältnisses geschenkt. Gleiches gilt für die Problematik hinsichtlich des Annahmeverzugs des Arbeitgebers.
Im Folgenden wird zu zeigen sein, dass
- das deutsche Arbeitsrecht des in der Rspr. entwickelten allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs bedarf.
- der freiwilligen Weiterbeschäftigung ein Vertragsabschluss zugrunde liegt, während die erzwungene Weiterbeschäftigung ein bereicherungsrechtliches (synonym: rechtsgrundloses) Arbeitsverhältnis darstellt.
- die Rechte und Pflichten der Parteien, sowie die Rückabwicklung im Fall des Obsiegens des ArbG sich maßgeblich nach dieser Differenzierung bestimmen.
- die einvernehmliche Prozessbeschäftigung zwar einen Teilzeitcharakter besitzt, der Rechtsprechung, die hierauf das Schriftformerfordernis des § 14 IV TzBfG anwendet, aber nicht zuzustimmen ist.
- dem ArbN im Weiterbeschäftigungsverhältnis nicht dieselben rechtlichen Vorzüge zu gewähren sind wie im ungekündigten Arbeitsverhältnis.
- die Rückabwicklung des Prozessbeschäftigungsverhältnisses nach den Grundsätzen des Bereicherungsrechts zu förderlichen Ergebnissen gelangt, jedoch der Anspruch auf Annahmeverzugslohn von der Rspr. zu ArbN-freundlich ausgestaltet ist.
Zweiter Teil: Hauptteil
A. Der Weiterbeschäftigungsanspruch
I. Der allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch
Mit Beschluss vom 27.02.1985 hat der GS erstmals entschieden:
„Außerhalb der Regelungen der § 102 V BetrVG, § 79 II BPersVG hat der gekündigte ArbN einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung über den Ablauf der Kündigungsfrist oder bei einer fristlosen Kündigung über deren Zugang hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsprozesses, wenn die Kündigung unwirksam ist und überwiegende schutzwerte Interessen des ArbG einer solchen Beschäftigung nicht entgegenstehen.“[3]
Diese damals progressive Entscheidung entspricht heute der ständigen Rspr., deren Grundzüge im Folgenden dargestellt werden.
1. Die Entwicklung des Anspruchs in der Rechtssprechung
Logische Voraussetzung für einen Weiterbeschäftigungsanspruch während des Kündigungsrechtsstreits ist ein Beschäftigungsanspruch während des bestehenden Arbeitsverhältnisses. Zu Weimarer Zeiten bestand ein Beschäftigungsanspruch nur für ArbN, die auf die tatsächliche Beschäftigung zur Erhaltung oder Fortentwicklung ihrer Fähigkeiten angewiesen waren, beispielsweise Künstler, Lehrlinge, Ärzte.[4] Für andere Berufsgruppen existierte ein solcher Anspruch nicht. Allgemein anerkannt wurde ein Anspruch des ArbN auf tatsächliche Beschäftigung während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses erst nach In-Kraft-Treten des Grundgesetzes durch die richtungsweisende Entscheidung des 2. Senats des BAG vom 10.11.1955.[5] Grundlage des Beschäftigungsanspruchs ist das Arbeitsvertragsrecht, so dass der Anspruch aus §§ 611, 613, 242 BGB i.V.m. Art. 1, 2 GG abgeleitet wird.[6] Neben der Bezahlung gehöre die tatsächliche Beschäftigung zu den vertraglichen Nebenpflichten des ArbG.[7] Begründet wurde das Bestehen eines solchen Anspruchs mit dem ideellen Beschäftigungsinteresse des ArbN und dem in den Art. 1 I und 2 I GG garantierten Schutz des Persönlichkeitsrechts. Die Anerkennung eines ArbN beruhe nicht nur auf dessen finanzieller Stellung, sondern auch auf seiner beruflichen Fähigkeit. Eine nicht nur kurzfristige Freistellung würde den ArbN faktisch zum Nichtstun zwingen, wodurch er zum unnützen Glied der Berufsgemeinschaft degradiert und dadurch in seiner Menschenwürde herabgesetzt würde.[8]
Bezüglich der Fortentwicklung vom Beschäftigungsanspruch hin zum Weiterbeschäftigungsanspruch bestand lange keine einheitliche Linie. Das BAG hatte sich 1977 erstmals mit der Frage eines Weiterbeschäftigungsanspruches auseinander zu setzen, den es mit der Begründung, ein solcher Anspruch sei mit dem geltenden Recht nicht vereinbar, ablehnte.[9] Einige Instanzgerichte folgten dem 2. Senat in seiner Entscheidung nicht.[10] Die bestehende Rechtsunsicherheit bereitete in der Kündigungspraxis Probleme. Erst aufgrund einer Vorlage des 7. Senats[11] an den GS wurde höchstrichterlich entschieden, dass es außerhalb der Regelung des BetrVG einen allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch gebe.[12] Dabei verwies der GS auf die zum Beschäftigungsanspruch entwickelte Begründung des Schutzes des Persönlichkeitsrechts und der Menschenwürde.[13] Auch diese Rspr. erfuhr Kritik durch einige Arbeits- und Landesarbeitsgerichte.[14]
Mittlerweile hat das BAG den Weiterbeschäftigungsanspruch erweitert und wendet ihn entsprechend auf Änderungskündigungen an, wenn der ArbN das Änderungsangebot auch nicht unter Vorbehalt angenommen hat[15], und auf Fälle von befristeten oder bedingten Arbeitsverhältnissen[16].
2. Kritik durch das Schrifttum
Die Bejahung eines Beschäftigungsanspruchs im unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis sowie die Begründung über den Schutz des Persönlichkeitsrechts haben in der Literatur Zuspruch gefunden.[17] Die Beschäftigungspflicht entspricht mittlerweile ständiger Rspr. und wird auch von der Literatur nicht mehr in Zweifel gezogen.[18]
Hinsichtlich des durch den GS entwickelten allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs besteht nach wie vor Uneinigkeit.[19] Vor allem die Frage, ob die Entwicklung des allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs die Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung überschreitet und das BAG sich daher über den in Art. 20 III GG verankerten Grundsatz der Bindung der Rspr. an Gesetz und Recht hinwegsetzt, steht bei dieser Kritik im Mittelpunkt.[20] Bengelsdorf stellt fest, dass schon keine Regelungslücke bestehe, die das BAG zu schließen berechtigt wäre[21] und moniert in diesem Zusammenhang, das BAG habe die Grenze der Rechtsfortbildung trotz der überwiegend ablehnenden Literatur, die der „wichtigste Maßstab zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung“ sei, überschritten.[22] Gamillscheg beanstandet darüber hinaus auch die argumentative Herleitung des allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs und zieht die Behauptung, dass der nicht weiterbeschäftigte ArbN in Menschenwürde und Persönlichkeitsrecht verletzt würde, in Zweifel.[23]
3. Stellungnahme
Zunächst ist dem BAG darin zuzustimmen, dass der Schutz des Arbeitsplatzes nicht vom Bestehen eines Betriebsrates und dessen ordnungsgemäßem Widerspruch abhängig gemacht werden kann. Insofern besteht der Bedarf nach einem außerhalb des BetrVG und BPersVG existierenden allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch, um den das Kündigungsschutzrecht zu erweitern ist. Das BAG begründet diesen Anspruch mit dem Schutz des individuellen Beschäftigungsinteresses. Dem ist zuzustimmen, da die berufliche Tätigkeit das Leben des einzelnen maßgeblich mitbestimmt, der Persönlichkeitsentfaltung, der Selbstverwirklichung und auch dem Streben nach Anerkennung der eigenen Leistung dient. Daher ist der ArbN in so hohem Maße schutzwürdig, dass es die Entwicklung eines allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs rechtfertigt.
Die Frage, ob ein allgemeiner Weiterbeschäftigungsanspruch außerhalb der §§ 102 V BetrVG, § 79 II BPersVG existieren kann, war ein heftig diskutiertes arbeitsrechtliches Problem der 70er und 80er Jahre. Lange bestand aufgrund der uneinheitlichen Rspr. des BAG und der Instanzgerichte eine extreme Rechtsunsicherheit, die nicht hinnehmbar war. Erst durch den Beschluss des GS wurde diese Diskussion in eine einheitliche Richtung gelenkt, so dass Sympathisanten und Kritiker eine anschauliche Grundlage für ihre Stellungnahme hatten und so den anfänglich vagen und wenig zu Ende gedachten Anspruch konstruktiv kritisieren konnten. Schon für den Schritt in Richtung Rechtseinheitlichkeit verdient der Beschluss Zuspruch.
Evident ging die Entwicklung dieses Anspruchs über die bestehenden gesetzlichen Grenzen hinaus und die Vereinbarkeit mit Art. 20 III GG ist in der Tat fragwürdig. Jedoch sollte bei dieser Kritik auch bedacht werden, dass die Anerkennung des allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs im Prinzip die Konsequenz aus dem zwar nicht gesetzlich verankerten, aber doch allgemein anerkannten Beschäftigungsanspruch im unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis darstellt, der nur um die Möglichkeit der vorläufigen Vollstreckbarkeit erweitert wurde. Daher ist Hanau[24] darin zu folgen, dass man in diesem Rechtsprechungsakt nicht unbedingt eine Rechtsfortbildung, sondern auch nur die Anwendung der allgemeinen Regeln sehen kann. Geht man doch von einer Rechtsfortbildung aus, so ist die Einstufung als unzulässig nicht überzeugend: Entgegen der Auffassung, es bestehe keine Gesetzeslücke, die durch richterliche Rechtsfortbildung geschlossen werden müsste, ist folgendes festzuhalten: Zwar enthält das BetrVG als Gesetz abschließende Regelungen. Jedoch existiert, wie eingangs erwähnt, außerhalb des BetrVG im dt. Arbeitsrecht kein vergleichbarer Schutz für ArbN, die dem Schutzbereich des BetrVG nicht unterfallen. Insofern besteht eine Rechtslücke, die durch den allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch geschlossen werden kann.
Hinsichtlich der Ausgestaltung des allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs arbeitet die Rspr. zwar ergebnisorientiert, indem sie die ArbG- und ArbNinteresen individuell berücksichtigt. Jedoch kommt sie gerade deswegen zu richtigen und vor allem ausgewogenen Resultaten, was im Sinne der beteiligten Parteien ist.
Daher ist dem GS in seiner Rspr. zuzustimmen und das Bestehen des allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs zu befürworten.
4. Die Voraussetzungen des Anspruchs
a) Unwirksame Kündigung
Zunächst bedarf es einer Kündigung, die entweder offensichtlich unwirksam ist oder deren Unwirksamkeit gerichtlich festgestellt wurde.[25] Eine offensichtlich unwirksame Kündigung liegt vor, wenn sich die Unwirksamkeit schon aus dem ArbGvortrag ergibt, so dass sich die Unwirksamkeit jedem Kundigen geradezu aufdrängt.[26]
Beispiele: Die Kündigung erfolgte, ohne dass der Betriebsrat beteiligt wurde. Vorschriften des besonderen Kündigungsschutzes (§ 9 I 1 MuSchG, § 85 SGB IX) wurden nicht berücksichtigt.
In einem solchen Fall tritt das ArbGinteresse an der Nichtbeschäftigung völlig zurück und der Weiterbeschäftigungsanspruch wird bereits mit Ablauf der Kündigungsfrist gewährt.[27] Spätestens ab einem der Klage stattgebenden Urteil in erster oder zweiter Instanz kann der ArbN seine Weiterbeschäftigung durchsetzten, wenn überwiegende schutzwerte Interessen des ArbG einer solchen Beschäftigung nicht entgegenstehen.[28]
b) Interessenabwägung
(aa) Interessenverschiebung während des Prozesses
Der Weiterbeschäftigungsanspruch ist als relativer Anspruch ausgestaltet, nämlich in Abhängigkeit von einer Interessenabwägung, um die diametralen Bestreben der Parteien im Kündigungsschutzprozess zu berücksichtigen.[29] Die Interessengewichtung verschiebt sich dabei abhängig vom Stadium des Kündigungsschutzverfahrens.
Zunächst überwiegt, abgesehen von Fällen der offensichtlich unwirksamen Kündigung, das ArbGinteresse, den ArbN nach Ablauf der Kündigungsfrist nicht weiter zu beschäftigen.[30] Der ArbG hat die Kündigung ausgesprochen und damit im Rahmen seiner grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit gehandelt. Vorerst sprechen keine Anzeichen gegen die Rechtmäßigkeit der Kündigung, sodass kein Anlass besteht, die unternehmerische Handlungsfreiheit einzuschränken.[31] Der ArbG hat ein Interesse an der Nichtbeschäftigung, das er durch die Kündigung zum Ausdruck gebracht hat. Würde er den ArbN gleichwohl weiterbeschäftigen, stünde das im Widerspruch zu der Kündigung und ließe die Kündigungsgründe unglaubwürdig erscheinen.[32]
Nach obsiegendem, nicht rechtskräftigem Urteil überwiegt hingegen das Interesse des ArbN an seiner Weiterbeschäftigung. Der ArbN hat daher einen Weiterbeschäftigungsanspruch, es sei denn, überwiegende schutzwerte Interessen des ArbG stehen der Beschäftigung entgegen.[33] Die bloße Rechtsunsicherheit des Prozessausgangs begründet kein überwiegendes Interesse des ArbG an der Nichtbeschäftigung, solange ein Urteil zugunsten des ArbN besteht.[34] Ein überwiegendes Interesse des ArbG besteht aber dann, wenn er auch im unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis zur vorläufigen Suspendierung berechtigt wäre, etwa im Fall des Verdachts des Verrats von Betriebsgeheimnissen oder in Fällen strafbaren Handelns.[35]
(bb) Stellungnahme
Der ständige Wechsel der Interessengewichtung und die Ausnahmeregelung,
die getroffene Gewichtung beim Vorliegen besonders schwerwiegender Gründe wieder durchbrechen zu können, erscheint zwar diffus, ist jedoch die einzige Möglichkeit, für beide Seiten akzeptable Ergebnisse zu schaffen, und keine schematischen Entscheidungen zu treffen.
Kritikwürdig ist jedoch systematische Einordnung der Interessenabwägung, weil hierbei folgendes Problem besteht: Da die Abwägung der diametralen Interessen auf ArbG- und ArbNseite vom BAG auf die Tatbestandsebene gehoben wurde, trifft das Gericht bereits an dieser Stelle eine Entscheidung darüber, welchem Interesse es den Vorzug gewährt. Daraus ergibt sich, dass bei der Vollstreckung des Urteils eigentlich keine neuen Gesichtspunkte mehr vorgebracht werden können und die nach § 62 I 2 ArbGG gegebene Möglichkeit, die Zwangsvollstreckung unter Berufung auf einen nicht zu ersetzenden Nachteil zu verhindern, läuft dadurch praktisch leer.[36] Entweder wurde bereits zuvor der Anspruch nicht gewährt (und der Kläger hat somit kein Urteil, das er vollstrecken könnte) oder aber dem Anspruch wurde stattgegeben, weil das Gericht das Vorbringen des ArbG nicht für gewichtig genug hielt, so dass auch der Vollstreckung nichts entgegensteht.
Systemgetreuer wäre es, auf der Tatbestandsebene nur den Stand des Verfahrens zu berücksichtigen und danach einen Weiterbeschäftigungsanspruch zuzusprechen oder zu verwehren und auf der Ebene der Zwangsvollstreckung die Interessenabwägung vorzunehmen. Dafür spricht auch, dass die Interessen letztlich erst durch die Zwangsvollstreckung berührt werden und nicht schon durch den Anspruch selbst.[37]
c) Kündigungsschutzklage und Weiterbeschäftigungsantrag
Der ArbN muss gegen die Kündigung durch Erhebung einer Kündigungsschutzklage vorgehen und seine Weiterbeschäftigung beantragen, um zu sichern, dass er mit Obsiegen im Kündigungsschutzprozess unmittelbar auch seine Weiterbeschäftigung realisieren kann.[38] Nach überwiegender Ansicht ist der Antrag auf Weiterbeschäftigung bereits mit der Kündigungsschutzklage als unechter Hilfsantrag für den Fall des Obsiegens zu stellen.[39]
5. Rechtsfolge
Liegen die Voraussetzungen vor, hat der ArbN einen Weiterbeschäftigungsanspruch, den er zwangsweise durchsetzen kann.
Der einmal entstandene Weiterbeschäftigungsanspruch kann im Verlauf des Verfahrens auch wieder untergehen, beispielsweise durch ein Berufungsurteil, das nunmehr dem ArbG Recht gibt.[40] Beim Ausspruch einer erneuten Kündigung muss unterschieden werden: Spricht der ArbG während des Kündigungsschutzverfahrens eine erneute Kündigung aus und stützt sie auf denselben Lebenssachverhalt wie die gerichtlich bereits für unwirksam befundene Kündigung, handelt es sich um eine „Trotzkündigung“[41], die keine Auswirkung auf den Weiterbeschäftigungsanspruch und dessen Vollstreckbarkeit hat.[42] Wird die erneute Kündigung hingegen auf einen neuen Lebenssachverhalt gestützt und ist sie nicht offensichtlich unwirksam, geht der Weiterbeschäftigungsanspruch unter.[43] Grund dafür ist die zusätzliche Unsicherheit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses.[44] Dabei müssen die Gründe für die erneute Kündigung umso genauer geprüft werden, je wahrscheinlicher es scheint, dass die neue Kündigung in rechtsmissbräuchlicher Weise zur Verhinderung der Zwangsvollstreckung erging.[45]
II. Abgrenzung zum Weiterbeschäftigungsanspruch gem. § 102 V BetrVG
Der Anspruch auf Weiterbeschäftigung nach § 102 V BetrVG ist lex specialis zum allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch und das im Vergleich „schärfere Schwert“[46]: So bewirkt das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen (ordentliche Kündigung, frist- und ordnungsgemäßer Widerspruch des Betriebsrats, Erhebung der Kündigungsschutzklage), dass das Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes auflösend bedingt durch die rechtskräftige Klageabweisung fortbesteht.[47] Der ArbN erhält vom Tag nach Ablauf der Kündigungsfrist an einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung. Auch wenn rechtskräftig die Wirksamkeit der Kündigung festgestellt wird, hat das Arbeitsverhältnis bis zum Urteilserlass ununterbrochen und unverändert fortbestanden. Das bedeutet, dass alle vertraglichen Pflichten Gültigkeit hatten, insb. keine Rückabwicklung der erbrachten Leistungen erfolgt.[48]
Des weiteren ist der Zweck der Norm nicht, das individuelle Beschäftigungsinteresse des ArbN zu schützen, sondern die kollektivrechtlichen Befugnisse des Betriebsrates zu stärken.[49] Durch § 102 BetrVG soll die Möglichkeit der Einflussnahme des Betriebsrates auf die Zusammensetzung der Belegschaft gesichert werden.[50]
B. Zustandekommen des Weiterbeschäftigungsverhältnisses
Je nach Fallgestaltung kann der ArbG ein Interesse daran haben, den ArbN weiterzubeschäftigen, um z.B. die Gefahr des Annahmeverzugs (vgl. E. II. 1. a) ) auszuschließen. Entsteht das Weiterbeschäftigungsverhältnis nicht auf freiwilliger Basis, bleibt dem ArbN nur die zwangsweise Durchsetzung.
I. Durchsetzung mittels einstweiliger Verfügung
Der Weiterbeschäftigungsanspruch kann grds. auch im Wege der einstweiligen Verfügung geltend gemacht werden.[51] Um eine einstweilige Verfügung zu erwirken, bedarf es eines Verfügungsanspruchs und eines Verfügungsgrundes.[52] Der Verfügungsanspruch besteht, wenn eine hinreichende Aussicht auf Erfolg in der Hauptsache besteht, die wiederum nur gegeben ist in den Fällen der offensichtlich unwirksamen Kündigung oder wenn der ArbN besondere Gründe vorbringen kann, die sein sofortiges Weiterbeschäftigungsverlangen rechtfertigen.[53]
Beispiele: Der Lehrling oder Auszubildende hat ein solches besonderes Interesse an der Weiterbeschäftigung, um seine Berufsausbildung weiterzuführen Ebenfalls ein solches Interesse haben der Berufssportler, der im Training bleiben muss, und der Künstler, der auf die Publikumspräsenz angewiesen ist.
Der Verfügungsgrund ist gegeben, wenn die einstweilige Verfügung zur Abwendung wesentlicher Nachteile im Hinblick auf das ideelle Beschäftigungsinteresse oder aus anderen Gründen notwendig erscheint.[54]
Grund für den engen Anwendungsbereich der einstweiligen Verfügung ist, dass dem ArbN die Möglichkeit offen steht, den Weiterbeschäftigungsanspruch regulär im Kündigungsschutzprozess zu verfolgen und ein erstinstanzliches Urteil abzuwarten.[55] Der einstweilige Rechtsschutz kommt daher auch nur für die Zeit zwischen Ablauf der Kündigungsfrist und Ergehen eines erstinstanzlichen Urteils in Betracht.[56] Danach hat der ArbN, sofern das Gericht seinem Klagebegehren stattgibt, ein gem. § 62 ArbGG vorläufig vollstreckbares Urteil und somit keinen Verfügungsgrund mehr.[57]
Problematisch ist der Fall, dass der ArbN zwar in der ersten Instanz obsiegt, aber in der Kündigungsschutzklage keinen gesonderten Antrag auf Weiterbeschäftigung gestellt hat. In diesem Fall existiert wegen der überwiegenden Wahrscheinlichkeit des endgültigen Obsiegens im Rechtsstreit ein Verfügungsanspruch. Die einstweilige Verfügung ist zulässig, insb. da mangels Weiterbeschäftigungsantrag diesbezüglich kein Urteil vorliegt. Doch scheitert es am Verfügungsgrund: Da der ArbN die Möglichkeit der klageweisen Durchsetzung des Weiterbeschäftigungsanspruchs nicht wahrnimmt, räumt er seinem Rechtsschutzinteresse schon selbst nicht das nötige Gewicht ein, das für den Erlass einer einstweiligen Verfügung nötig wäre.[58]
II. Durchsetzung mittels Zwangsvollstreckung
Das Urteil auf Weiterbeschäftigung ist gem. § 62 I 1 ArbGG vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung selbst richtet sich nach § 888 ZPO.[59] Voraussetzung ist, dass der zu vollstreckende Titel inhaltlich hinreichend bestimmt ist. Art und Inhalt der beanspruchten Beschäftigung müssen entweder ausdrücklich oder zumindest konkludent aus Tatbestand und den Entscheidungsgründen des Urteils zu entnehmen sein.[60] Die Zwangsvollstreckung ist unzulässig, wenn sie dem ArbG unmöglich ist.[61] Das ist etwa der Fall, wenn wegen einer Umorganisation des Betriebes der Arbeitsplatz weggefallen ist, für die der ArbG aber darlegungs- und beweispflichtig ist.[62]
Beispiel: Die Behauptung, den ArbN deshalb nicht weiterbeschäftigen zu können, weil der Arbeitsplatz weggefallen und die Weiterbeschäftigung daher unmöglich sei, wurde in einer Entscheidung des LAG Schleswig-Holstein als rechtsmissbräuchlich abgewiesen. Das Gericht war der Ansicht, der Arbeitsplatz sei gerade deswegen wegrationalisiert worden, um den ArbN nicht mehr beschäftigen zu müssen.[63]
Für eine Abwendung der Zwangsvollstreckung gem. § 62 I 2 ArbGG durch den ArbG bleibt praktisch kein Raum (vgl. A. I. 4. b).
C. Das Weiterbeschäftigungsverhältnis
I. Rechtsnatur
Der GS hat in dem Grundsatzbeschluss zwar den Weiterbeschäftigungsanspruch bejaht, jedoch offengelassen, welcher Rechtsnatur das daraus resultierende Verhältnis sein soll.[64] Wie schon erwähnt, kann das Weiterbeschäftigungsverhältnis aufgrund verschiedener Sachlagen zustande kommen.
1. Freiwillige Weiterbeschäftigung vor Erlass eines Urteils
Es steht dem ArbG und dem ArbN frei, trotz eines laufenden Kündigungsschutzprozesses Rechtsklarheit zu schaffen und die Weiterbeschäftigung des ArbN nach Ablauf der Kündigungsfrist zu vereinbaren.[65] Nach überwiegender Ansicht ist hierin ein Vertragsabschluss zu erblicken, da die Parteien ohne rechtlichen Druck einvernehmlich die Weiterbeschäftigung beschließen.[66] Die Vereinbarung kann eine Fortsetzung des bisherigen Vertrages oder einen Neuabschluss zum Inhalt haben und wird – weil das Arbeitsverhältnis nur in Ansehung des Kündigungsschutzprozesses geschlossen wurde – mit einer Befristung oder Bedingung verknüpft.[67] Die Unterscheidung zwischen Fortsetzung und Neuabschluss ist relevant für den Vertragsinhalt und kennzeichnet im Fall der rechtskräftigen Feststellung der Wirksamkeit der Kündigung die Rückabwicklung.[68]
2. Beschäftigung nach Erlass eines klagestattgebenden Urteils
Beschäftigt der ArbG den ArbN erst nach Erlass eines der Klage stattgebenden Urteils weiter, besteht Uneinigkeit darüber wie dieses Beschäftigungsverhältnis rechtlich einzuordnen ist.
a) Freiwillige Vereinbarung
Wird die Weiterbeschäftigung zwischen den Parteien vereinbart, spricht der äußere Schein dafür, dass auch hier ein Vertrag zustande gekommen ist. Jedoch erfolgt diese Beschäftigung aufgrund des Urteils, weil der ArbG erkannt hat, dass er wahrscheinlich im Kündigungsschutzprozess unterliegen wird. Es handelt sich daher vielmehr um einen richterlich „diktierten Vertrag“[69], den der ArbG nur zur Abwendung einer sonst drohenden Zwangsvollstreckung anbietet, worin kein Vertragswille zu erkennen ist.[70]
Da der ArbG nur zur tatsächlichen Beschäftigung verurteilt werden kann, nicht aber zum Abschluss eines Arbeitsvertrages (was sonst einen Kontrahierungszwang darstellte), kann man aus dem tatsächlichen Verhalten nicht auf einen Rechtsbindungswillen schließen.[71] Insofern gelten die gleichen Grundsätze wie für die Beschäftigung aufgrund einstweiliger Verfügung oder vorläufiger Zwangsvollstreckung.[72]
b) Erzwungene Weiterbeschäftigung
Kommt keine fakultative Einigung zustande, kann der ArbN seinen Weiterbeschäftigungsanspruch, wie schon erläutert, nach Erlass einer einstweiligen Verfügung oder eines vorläufig vollstreckbaren Urteils zwangsweise durchsetzen. In diesem Fall scheidet ein Vertragsschluss als Rechtsgrundlage erst recht aus. In Rspr. und Literatur werden verschiedene Modelle vertreten, denen das Prozessbeschäftigungsverhältnis zuzuordnen sein soll.
[...]
[1] Beide Situationen sind gleich zu behandeln. Im Folgenden wird der Einfachheit halber nur vom Ablauf der Kündigung gesprochen.
[2] Richardi, Thüsing, BetrVG § 102, Rn. 227.
[3] BAG NZA 1985, 702, 702.
[4] BAGE 13, 109, 113; Bächle, NJW 1979, 1693, 1693; Heinze, DB 1985, 111, 111; Löwisch, Rn. 77; Rolfs, § 611 BGB, Rn. 76.
[5] BAG v. 10.11.1955 AP § 611 BGB – Beschäftigungspflicht – Nr. 2.
[6] BAG NJW 1985, 702, 703; Dütz, Rn. 182; Holbeck/ Schwindl, Rn. 514.
[7] MünchArbR, Blomeyer, § 95, Rn. 13; Reichold, § 8, Rn. 93. a.A. ErfK, Preis, § 611, Rn. 703.
[8] BAG v. 10.11.1955 AP § 611 BGB – Beschäftigungspflicht – Nr. 2, II der Gründe; Bächle, NJW 1979, 1693, 1693.
[9] BAG v. 26.5.1977 AP § 611 BGB – Beschäftigungspflicht – Nr. 5, Leitsatz.
[10] LAG Berlin v. 24.9.1979 EzA § 611 BGB – Beschäftigungspflicht – Nr. 4; LAG Bremen AuR 1981, 384, 384; LAG Hamburg NJW 1979, 127, 127; LAG R-PF v. 28.3.1980 EzA § 1 KSchG – Tendenzbetrieb – Nr. 7; LAG Hamm v. 5.5.1983 EzA § 102 BetrVG 1972 – Nr. 52.
[11] BAG NJW 1984, 1200, 1200.
[12] BAG NZA 1985, 702, 702.
[13] Gamillscheg, in: FS für Thomas Dietrich zum 65. Geburtstag, 185, 193.
[14] LAG Köln NZA 1987, 158, 158; LAG Nds. DB 1986, 1126, 1126; LAG S-A v. 16.3.1993 LAGE § 611 BGB – Beschäftigungspflicht – Nr. 33; ArbGe Düsseldorf NJW 1985, 2975, 2975; ArbGe Nienburg NZA 1986, 829, 829.
[15] BAG v. 28.3.1985 EzA § 767 ZPO – Nr. 1; DLW, Dörner, D, Rn. 2018.
[16] BAG NZA 1986, 562, 562; BAG BB 1986, 1437, 1437; Annuß/ Thüsing, Maschmann, § 17, Rn.17.
[17] Hueck/ Nipperdey, ArbR I, S. 380 f.; MünchArbR, Blomeyer, § 95, Rn. 8; Schaub, Koch, § 110, Rn. 5; Frey, BB 1959, 528, 529; Gamillscheg, AcP 164, 385, 423; Gumpert, BB 1961, 833, 833; Fabricius, ZfA 1972, 35, 72; Schaub, NJW 1981, 1807, 1808; Hümmerich, DB 1999, 1264, 1264.
[18] BAG NJW 1962, 1836, 1837; 1977, 215, 215; 1985, 702, 703; BAG SAE 1978, 66, 66; BAG v. 8.4.1988 AP § 611 BGB – Weiterbeschäftigung – Nr. 4 II 2 der Gründe; Dütz, in: FS 25 Jahre BAG, 1979, 71, 75; Schaub, NJW 1981, 1807, 1808; HK, Dorndorf, § 1 Anh. 2, Rn. 1; Reichold, § 8, Rn. 93; Lieb/ Jacobs, Rn. 387.
[19] Zustimmend: Berkowsky, NJW 1982, 905, 905; Bötticher, BB 1981, 1954, 1955; Dütz, NZA 1986, 209, 211; Erman, Edenfeld, § 611, Rn. 371 f.; Hanau, ZIP 1986, 3, 3; Kleemann, DB 1981, 2276, 2278; KR, Etzel, § 102 BetrVG, Rn. 271; Schäfer, NZA 1985, 691, 691; Schumann, NZA 1985, 688, 688. Ablehnend: Barton, NZA 1985, 77, 81; Bengelsdorf, DB 1986, 168 ff. und 222 ff; Coen, S. 75 ff.; Färber/ Kappes, NZA 1986, 215, 215; Heinze, DB 1985, 111, 129; Kraft, ZfA 1979, 123, 134; Lieb/ Jacobs, Rn. 388; Schwerdtner, ZIP 1985, 1361, 1364; Stege/ Weinspach, § 102, Rn. 162.
[20] Vgl. Barton, NZA 1985, 77, 79; Bengelsdorf, DB 1986, 168, 168; Dütz, NZA 1986, 209, 211; Gamillscheg, in: FS für Thomas Dietrich zum 65. Geburtstag, 185, 185; HK, Dorndorf, § 1 Anh. 2, Rn. 3; Mayer-Maly, BB 1984, 1751, 1753; Schumann, NZA 1985, 688, 689.
[21] Bengelsdorf, SAE 1987, 254, 256.
[22] Bengelsdorf, DB 1986, 168, 171.
[23] Gamillscheg, in: FS für Thomas Dietrich zum 65. Geburtstag, 185, 193.
[24] Hanau, ZIP, 1986, 3, 3.
[25] BAG NZA 1985, 702, 702; DLW, Dörner, D, Rn. 2010.
[26] BAG NJW 1985, 702, 707; BAG v. 19.12.1985 AP § 611 BGB – Beschäftigungspflicht – Nr. 17, B I der Gründe; Holbeck/ Schwindl, Rn. 515; Fastrich, in: FS 50 Jahre BAG, 2004, 349, 351; BAG NZA 1986, 566, 567; HK, Dorndorf, § 1 Anh. 2, Rn. 8; Dollmann, BB 2003, 2681, 2682.
[27] BAG NJW 1985, 702, 702; Dollmann, BB 2003, 2681, 2682; Junker, Rn. 337.
[28] Löwisch, Rn. 1407; Junker, Rn. 337.
[29] KündR, Mues, Teil 10, Rn. 473; Fastrich, in: FS 50 Jahre BAG, 2004, 349, 351; Dütz, NZA 1986, 209, 211.
[30] Dütz, NZA 1986, 209, 210; Schumann, NZA 1985, 688, 690.
[31] Dollmann, BB 2003, 2681, 2681; Junker, Rn. 336; Hümmerich, DB 1999, 1264, 1264; Michalski, Rn. 643; Junker, Rn. 336.
[32] Bächle, NJW 1979, 1693, 1695; Bengelsdorf, SAE 1992, 360, 365; Stahlhacke/ Preis/ Vossen, Rn. 1778.
[33] APS, Ascheid, § 4 KSchG, Rn. 95; ErfK, Kiel, § 4 KSchG, RN. 95.
[34] BAG NZA 1985, 702, 702; BAG NZA 1985, 709, 711; Reidel, NZA 2000, 454, 461.
[35] Färber/ Kappes, NZA 1986, 215, 216; Holbeck/ Schwindl, Rn. 517; Löwisch, Rn. 879.
[36] Vgl. dazu: Thieme, NZA 1986, Beilage 3, 20, 22 f.; MünchArbR, Wank, § 121, Rn. 73.
[37] Schumann, NZA 1985, 688, 688.
[38] DLW, Dörner, D, Rn. 2012; Schäfer, NZA 1985, 691, 691.
[39] Fastrich, in: FS 50 Jahre BAG, 2004, 349, 351; Schaub, Linck, § 123, Rn. 165; ErfK, Kiel, § 611 BGB, Rn. 96. a.A. Falkenberg, DB 1987, 1534, 1535.
[40] HK, Dorndorf, § 1 Anh. 2, Rn. 13.
[41] Schwerdtner, ZIP 1985, 1361, 1368.
[42] BAG NZA 1986, 566, 567; Dänzer-Vanotti, DB 1985, 2610, 2611; Dütz, NZA 1986, 209, 214; Falkenberg, DB 1987, 1534, 1534; Schumann, NZA 1985, 688, 690.
[43] BAG NZA 1986, 566; Schaub, Linck, § 123, Rn. 168; Schwerdtner, ZIP 1985, 1361, 1368;
[44] BAG BB 1986, 1435, 1435; HK, Dorndorf, § 1 Anh. 2, Rn. 13, 14; Schaub, Linck, § 123, Rn. 168.
[45] BAG v. 19.12.1985 AP § 611 BGB – Beschäftigungspflicht – Nr. 17, II 2 e der Gründe; HK, Dorndorf, § 1 Anh. 2, Rn. 14.
[46] Schrader/ Straube, RdA 2006, 98, 101.
[47] BAG v. 10.3.1987 AP § 611 BGB – Weiterbeschäftigung – Nr. 1, I 4 der Gründe.
[48] BAG NZA 1986, 424, 424; 1996, 930, 930; APS, Koch, § 102 BetrVG, Rn. 242; GTAW, Woitaschek, § 102, Rn. 34; Schrader/ Straube, RdA 2006, 98, 101; Stahlhacke/ Preis/ Vossen, Rn. 2095.
[49] BAG NZA 1985, 702, 704; BAG SAE 1987, 251, 252; APS, Koch, § 102 BetrVG, Rn. 1.
[50] BAG NZA 1995, 521, 522; Kraft, in: FS für Otto Rudolf Kissel, 611, 613 f.; MünchArbR, Matthes, § 356, Rn. 2.
[51] LAG BaWü NZA 1995, 683, 683; Küttner, Weiterbeschäftigungsanspruch, Rn. 22; MünchArbR, Wank, § 121, Rn. 112; Palandt, Weidenkaff, § 611, Rn. 124; Reidel, NZA 2000, 454, 454.
[52] Schrader/ Straube, RdA 2006, 98, 103; Bader, Bader, § 1 Rn. 395; Schaub, Linck, § 123, Rn. 166; Falkenberg, DB 1987, 1534, 1536; Schäfer, NZA 1985, 691, 694.
[53] LAG Köln NZA 1986, 136, 136; Dollmann, BB 2003, 2681, 2683; Löwisch/ Spinner, § 4, Rn. 119; Schäfer NZA 1985, 691, 694 f.; Schaub, Linck, § 123, Rn. 166.
[54] BAG NZA 1985, 702, 708; LAG Nds. v. 22.5.1987 LAGE § 611 – Beschäftigungspflicht – Nr. 21; LAG R-PF v. 21.8.1986 LAGE § 611 – Beschäftigungspflicht – Nr. 19; ErfK, Kiel, § 4 KSchG, Rn. 102; HK, Dorndorf, § 1 Anh. 2, Rn. 53; Reidel, NZA 2000, 454, 461.
[55] Ostrowicz/ Künzl/ Schäfer, Rn. 388.
[56] Vgl. Fastrich, in: FS 50 Jahre BAG, 2004, 349, 359; MünchArbR, Wank, § 121, Rn. 47.
[57] LAG Köln v. 6.8.1996 LAGE § 611 BGB – Beschäftigungspflicht – Nr. 40; Grunsky, § 62, Rn. 24; Schäfer, NZA 1982, 691, 694; Schrader/ Straube, RdA 2006, 98, 103.
[58] Vgl. zur Problematik: LAG Frankfurt NZA 1988, 37, 37; LAG Köln v. 6.8.1996 LAGE § 611 – Beschäftigungspflicht – Nr. 40, Leitsatz; LAG Köln NZA-RR 2001, 387, 387; ArbGe Berlin BB 1989, 357, 357; Bader, Bader, § 1 Rn. 395; Dollmann, BB 2003, 2681, 2683; HK, Dorndorf, § 1 Anh. 2, Rn. 53; Ostrowicz/ Künzl/ Schäfer, Rn. 388; Schäfer, NZA 1985, 691, 694 f.; Stahlhacke/ Preis/ Vossen, Rn. 2146. a.A. Buchner, S. 80; Grunsky, § 62, Rn.. 24; Löwisch/ Spinner, § 4, Rn. 119.
[59] Buchner, S. 78; ErfK, Koch, § 62 ArbGG, Rn. 9; GMPM, § 62, Rn. 48; HK, Dorndorf, § 1 Anh. 2, Rn. 54; Schaub, Linck, § 123, Rn. 169.
[60] LAG S-H v. 6.1.1987 LAGE § 888 ZPO Nr. 10; LAG Hamm v. 21.11.1989 LAGE § 888 ZPO Nr. 20; LAG Berlin v. 8.1.1993 LAGE § 888 ZPO Nr. 27; LAG Frankfurt v. 27.11.1992 LAGE § 888 ZPO Nr. 30.
[61] LAG Köln NZA-RR 2002, 214, 214; KündR, Mues, Teil 10, Rn. 493.
[62] GMPM, § 62, Rn. 48; Thieme, NZA 1986, Beilage 3, 20, 23.
[63] LAG S-H v. 11.12.2003, Az. 2 TA 257/03.
[64] Vgl. Bengelsdorf, SAE 2005, 53, 57; H/ M , § 10, Rn. 355; MünchArbR, Wank, § 121, Rn. 92 ff.; Stahlhacke/ Preis/ Vossen, Rn. 2132.
[65] BAG v. 15.1.1986 AP § 1 LohnFG Nr. 66, II 1 der Gründe; MünchArbR, Wank, § 121, Rn. 94; Löwisch, Spinner, § 4, Rn. 121; Palandt, Weidenkaff, § 611, Rn. 123.
[66] BAG SAE 1986, 258; 1987, 249; Bayreuther, DB 2003, 1736; Bengelsdorf, SAE 2005, 53, 59; KassArbR, Schütz, 2.4., Rn. 552; v. Hoyningen-Huene/ Linck, § 4, Rn. 105; Kreßel, JZ 1988, 1102, 1104; Ricken, NZA 2005, 323, 328; Schrader/ Straube, RdA 2006, 98, 100; Walker, DB 1988, 1596, 1596. a.A. Ramrath, DB 1987, 92, 93.
[67] DLW, Dörner, D, Rn. 2027, 2028; Sittard/ Ulbrich, RdA 2006, 218, 220.
[68] BAG v. 15.1.1986 AP § 1 LohnFG Nr. 66, II 2 der Gründe.
[69] MünchArbR, Wank, § 121, Rn. 96.
[70] BAG v. 10.3.87, 1.3.1990, 17.1.1991 und 12.2.1992 AP § 611 BGB – Weiterbeschäftigung – Nr. 1, 7, 8, und 9; Dütz, AuR 1987, 317, 321; KR, Etzel, § 102 BetrVG, Rn. 282; Ramrath, DB 1987, 92, 93; Walker, DB 1988, 1596, 1596. a.A. LAG Nds. NZA 1989, 2234, 2235; Kreßel, JZ 1988, 1102, 1106; Künzel AuR 1993, 389, 394.
[71] DLW, Dörner, D, Rn. 2028; Schrader/ Straube, RdA 2006, 98, 104.
[72] BAG SAE 1987, 251, 253; 1992, 358, 360; Bengelsdorf, SAE 2005, 53, 57.
- Citar trabajo
- Jennifer Rasche (Autor), 2007, Der allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch. Über Rechte und Pflichten sowie Probleme im Kündigungsschutzprozess, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/85473
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