[Aus der Einleitung] Seit dem Schulmassaker in Littleton am 20. April 1999 diskutiert die deutsche Öffentlichkeit über ein mögliches Verbot von ‚Killerspielen‘, jenen Computerspielen also, in denen der Spieler in 3D-Perspektive durch eine virtuelle Actionwelt rennt und – so der Vorwurf – als alleiniges Ziel das brutale Abschlachten von Gegnern, seien es Terroristen oder unschuldige Passanten, hat. Auch Robert Steinhäuser setzte sich häufig an den PC um Counter-Strike zu spielen – ebenso ein Spiel, dessen Reiz sich größtenteils auf die Ausschaltung von anderen Spielern beschränkt. Am 24.06.2002 beendete er sein Leben, nachdem er 16 Menschen an seiner ehemaligen Schule, dem Erfurter Johann-Gutenberg-Gymnasium, mit einer Pistole umgebracht hatte, wobei sein martialischer Auftritt mit Sturmhaube und schwarzer Kleidung Parallelen zu den Protagonisten des Computerspiels erkennen ließen.
Spätestens seit dieser Tat wird im öffentlichen Diskurs angenommen, dass häufige Ausübung von brutalen Gewaltakten in Computerspielen die Bereitschaft zu Gewalttaten in der realen Welt äußerst stark fördert. Diese Annahme führte nicht nur zu einem neuen Jugendschutzgesetz, sondern einer beständigen Forderung verschiedener Politiker nach einem kompletten Verbot von ‚Killerspielen‘, welches unablässig gefordert wird. Bei soviel politischer Überzeugung entsteht die Frage, ob das Bild, welches Politiker und Medien der Öffentlichkeit von solchen Computerspielen suggerieren, wissenschaftlich fundiert ist, ob gewalttätige Handlungen in der Virtualität Rückschlüsse auf die Gewaltbereitschaft des Spielers in der realen Welt möglich machen.
Katharsisthese, Erregungsthese, Suggestionsthese, Habitualisierungsthese und noch viele andere stellten die Wissenschaftler auf, ohne jedoch einen Konsens finden zu können, da keine dieser Modelle als Antwort ausreicht. In der nachfolgenden Arbeit, soll das General Affective Aggression Model (GAAM) – das aktuell modernste Modell – zusammen mit zwei auf dem GAAM basierenden empirischen Studien vorgestellt und kritisch besprochen werden. Hiernach werden mögliche Konsequenzen für die pädagogische Arbeit des Lehrers thematisiert, wobei dafür Schulkinder und ihr Konsum von gewalthaltigen Computerspielen in den Fokus rücken. Im Fazit soll – soweit möglich – ein Urteil zu der Annahme, dass Gewalt in Computerspielen zu einer Aggressions-Steigerung führe und Gewaltbereitschaf in der Realität fördere, gefällt und das GAAM abschließend reflektiert werden.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Das General Affective Aggression Model
2.1 Kurzfristige Auswirkungen von gewalthaltigen Computerspielen
2.2 Langfristige Auswirkungen von gewalthaltigen Computerspielen
2.3 Empirische Studien zum GAAM
2.3.1 Anderson & Dill: Kurz- und langfristige Auswirkungen von gewalthaltigen Computerspielen
2.3.2 Frindte & Obwexer: Kurzfristige Auswirkungen von gewalthaltigen Computerspielen
2.3.3 Zusammenfassung
3 Konsequenzen für den Lehramtsberuf
3.1 Medienkonsum der 12- bis 19-Jährigen
3.2 Persönliche Konsequenzen für mich als Lehrer
4 Fazit
5 Bibliographie
Literaturverzeichnis
Internetquellenverzeichnis
1 Einleitung
Seit dem Schulmassaker in Littleton am 20. April 1999 diskutiert die deutsche Öffentlichkeit über ein mögliches Verbot von ‚Killerspielen‘, jenen Computerspielen also, in denen der Spieler in 3D-Perspektive durch eine virtuelle Actionwelt rennt und – so der Vorwurf – als alleiniges Ziel das brutale Abschlachten von Gegnern, seien es Terroristen oder unschuldige Passanten, hat.[1] Die beiden Schüler, welche insgesamt 13 Menschen und sich selbst umbrachten, spielten mit Vorliebe solche 3D-Ego-Shooter wie DOOM oder Quake.
Auch Robert Steinhäuser setzte sich häufig an den PC um Counter-Strike zu spielen – ebenso ein Spiel, dessen Reiz sich größtenteils auf die Ausschaltung von anderen Spielern beschränkt. Am 24.06.2002 beendete er sein Leben, nachdem er - mit Pistole und Pumpgun bewaffnet - 16 Menschen an seiner ehemaligen Schule, dem Erfurter Johann-Gutenberg-Gymnasium, umgebracht hatte, wobei sein martialischer Auftritt mit Sturmhaube und schwarzer Kleidung Parallelen zu den Protagonisten des Computerspiels erkennen ließen.
Spätestens seit dieser Tat wird im öffentlichen Diskurs angenommen, dass häufige Ausübung von brutalen Gewaltakten in Computerspielen die Bereitschaft zu Gewalttaten in der realen Welt äußerst stark fördert. Diese Annahme führte nicht nur zu einem neuen Jugendschutzgesetz, sondern einer beständigen Forderung verschiedener Politiker nach einem kompletten Verbot von ‚Killerspielen‘, welches unablässig gefordert wird.[2] Bei soviel politischer Überzeugung entsteht die Frage, ob das Bild, welches Politiker und Medien der Öffentlichkeit von solchen Computerspielen suggerieren, wissenschaftlich fundiert ist, ob gewalttätige Handlungen in der Virtualität Rückschlüsse auf die Gewaltbereitschaft des Spielers in der realen Welt möglich machen.
Katharsisthese, Erregungsthese, Suggestionsthese, Habitualisierungsthese und noch viele andere stellten die Wissenschaftler auf, ohne jedoch einen Konsens finden zu können, da keine dieser Modelle als Antwort ausreicht.[3] In der nachfolgenden Arbeit, soll das General Affective Aggression Model (GAAM)[4] – das aktuell modernste Modell – zusammen mit zwei auf dem GAAM basierenden empirischen Studien[5] vorgestellt und kritisch besprochen werden. Hiernach werden mögliche Konsequenzen für die pädagogische Arbeit des Lehrers thematisiert, wobei dafür Schulkinder und ihr Konsum von gewalthaltigen Computerspielen in den Fokus rücken. Im Fazit soll – soweit möglich – ein Urteil zu der Annahme, dass Gewalt in Computerspielen zu einer Aggressions-Steigerung führe und Gewaltbereitschaft in der Realität fördere, gefällt und das GAAM abschließend reflektiert werden.
2 Das General Affective Aggression Model
Das Hauptproblem der meisten Thesen (Katharsisthese, Imitationsthese usw.) zur Erklärung der Wirkung von gewalthaltigen PC-Spielen ist das Fehlen des Spielers als Person, welche interagiert und somit interaktiv in das Geschehen eingreift. Aus diesem Grund greifen die klassischen Medientheorien nicht mehr, denn die Erfahrung der Gewalt ist durch die aktive Rolle des/der Nutzer/in direkter als beispielsweise beim TV-Konsum, auf welchen die meisten Theorien fußen. Aus diesem Grund entwickelten Anderson, Deuser und DeNeve das General Affective Aggression Model, welches einige Elemente/Vorstellungen der genannten Theorien integriert, beispielsweise verschiedene Aussagen der Stimulationsthese oder der Habitualisierungsthese, und gleichzeitig versucht, der aktiven Rolle des/der Konsumenten/in Rechnung zu tragen.[6] Dabei dient dieses kognitive Modell zur Erklärung von sowohl kurz- als auch langfristigen Wirkungen von Computerspielen, in denen Gewalt beziehungsweise massive Gewalt vorkommt.
2.1 Kurzfristige Auswirkungen von gewalthaltigen Computerspielen
Die kurzfristigen Effekte des GAAM werden in Abbildung 1 gezeigt.[7] Aggression entsteht in vier Ebenen, die einen Kreislauf bilden und aufeinander aufbauen. Input Variables heißt die erste Ebene, wobei es hier zwei Variablen gibt – die persönliche und die situative. Die Persönlichkeits-Variable ist relativ festgelegt und drückt sich beispielsweise durch hohe Aggressionsbereitschaft als Persönlichkeitseigenschaft aus. Die momentane Situation, in welcher sich der Mensch befindet, wird durch die zweite Variable dargestellt – er/sie könnte zum Beispiel tätlich angegriffen oder verbal provoziert werden. Spielt demnach eine Person ein gewalttätiges Computerspiel – dieses wäre die Situations-Variable – verändert sich der aktuelle internale Zustand des Menschen in Kognition (Gedanken an Aggression), Emotion (Stimmungslage) und Erregung/ Arousal, welche alle untereinander verknüpft sind und in Wechselwirkung miteinander stehen.[8] Somit würde das Spielen eines gewalthaltigen Computerspiels verschiedene Folgen haben können: Durch aggressive Kognition könnten aggressive Skripte gestartet werden, während gleichzeitig Feindseligkeit als Zustand (Emotion) hervorgerufen wird und die Erregung, beispielsweise durch Erhöhung der Herzrate, steigt.
Diese inneren Veränderungen werden in der dritten Ebene Appraisal Processes automatisch bewertet, zum Beispiel als Bedrohung. Zusätzlich kann es neben der intiutiven Bewertung zu einer kontrollierten (Neu-)Bewertung kommen, welche beispielsweise durch den Wunsch nach Vergeltung aggressionssteigernd wirkt, aber auch Schlichtung oder Ausweichen wären hier als mögliche Konsequenzen möglich. Das folgende Verhalten ist der Output der vorherigen drei Ebenen und kann beispielsweise eine Drohung oder ein Kampf sein. Die mögliche Reaktion des Gegenüber – eine Ohrfeige – führt zu einem neuen Kreislauf, da das fremde Verhalten auf die Situation einwirkt und dadurch der gesamte Modellprozess von vorne beginnt.
Ob ein aggressives Verhalten folgt oder nicht, hängt davon ab, welche Verhaltensskripts durch die Input Variables aktiviert, welche Emotionen erweckt wurden, ob eine körperliche Erregung stattfand und wie die ganzen inneren Zustände von der jeweiligen Person bewertet wurden. Menschen, die als Persönlichkeit sehr aggressiv sind, also eine aggressive Prädisposition haben, müssten demnach eine stärkere Reaktion auf gewalttätige Computerspiele zeigen, denn ihre aggressiven Verhaltensskripts sind durch häufigere aggressive Überlegungen ausgebildeter und damit für das Gehirn einfacher zugänglich. In diesem Modell können gewalthaltige Computerspiele in der ersten Ebene des Spiels – als situative Variable – Einfluss auf sämtliche anderen Punkte des GAAM nehmen, einschließlich des Aggressionspotential und des Gewaltpotentials.
Abbildung 1: Kurzfristige Auswirkungen von gewalthaltigen Computerspielen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Quelle: ANDERSON/ DILL: Video Games, S. 773.)
2.2 Langfristige Auswirkungen von gewalthaltigen Computerspielen
Abbildung 2 zeigt, worauf sich langfristige Effekte nach dem General Affective Aggression Model gründen: Durch die beständige und wiederholende Beschäftigung einer Person mit gewalthaltigen PC-Spielen werden seine Verhaltensskripts, die sich auf Aggression beziehen, ständig ausgebildet und praktiziert, wodurch sich aggressionsbezogene Strukturen ebenfalls weiter ausbilden. Dadurch verändert sich seine aggressive Einstellung und der Zugang zu den aggressiven Verhaltensskripts wird deutlich leichter, auch – so die wissenschaftliche Annahme – in der Realität. Die Legitimation von Aggression bzw. Gewalt steigt und es kommt zu einem feindseligen Attributionsbias. Zudem schätzt man das Verhalten des Gegenübers eher aggressiv ein. Die Empathie mit Gewaltopfern kann ebenso sinken, wie der Glaube an Gewalt als Lösung von Problemen steigen kann, beispielsweise werden die negativen Folgen von Gewalt nicht mehr so bewußt wahrgenommen und aggressive Handlungen nicht sensibel genug angesehen. All dies kann zum Increase in Aggressive Personality, also zur Entstehung beziehungsweise Stabilisierung einer aggressiven Persönlichkeit führen, wodurch sich langfristig die Input-Variablen ändern: Die aggressivere Persönlichkeit verändert selbstverständlich die personalen Variable aus, denn die Person wird nun zum einen eher zu brutalen Computerspielen greifen und zum anderen diese auch anders wahrnehmen, d.h. beispielsweise können sich auf der internalen Ebene aggressivere Skripts stärker entwickelt haben, was zu einer Kettenreaktion führen kann.
Abbildung 2: Langfristige Auswirkungen von gewalthaltigen Computerspielen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Quelle: ANDERSON/ DILL: Video games, S. 775)
[...]
[1] Für eine Übersicht über verschiedene Computerspielgattungen und ihren jeweiligen Bezug zur Gewalt vgl. FEIBEL, Thomas: Killerspiele im Kinderzimmer. Was wir über Computer und Gewalt wissen müssen. Düsseldorf und Zürich 2004, S. 68ff.
[2] Vgl. http://www.spiegel.de/netzwelt/spielzeug/0,1518,491046,00.html;
http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,482459,00.html
[3] Für einen kurzen Überblick der verschiedenen Theorien vgl. FAULSTICH, W.: Medienpsychologie. In: FAULSTICH, W. (Hrsg.): Grundwissen Medien. 5., vollständig überarbeitete und erheblich erweiterte Auflage. Paderborn 2004, S. 73f. Ebenso einen Überblick sowie Kritik bieten: KLIMMT, C./ TREPTE, S.: Theoretisch-methodische Desiderata der medienpsychologischen Forschung über die aggressionsfördernde Wirkung gewalthaltiger Computer- und Videospiele. In: KLIMMT,C./ TREPTE, Sabine: Zeitschrift für Medienpsychologie. Themenheft: Computerspiele und Aggression, 15 (4). Göttingen 2003, S.115f.
[4] Vgl. ANDERSON, C.A./ DEUSER, W.E./ DeNEVE, K.M.: Hot temperatures, hostile affect,
hostile cognition, and arousal: Tests of a general model of affective aggression. In: HARACKIEWICZ, J..M. (Hrsg.): Personality and Social Psychology Bulletin, 21. Madison 1995, S. 434-448.
[5] Vgl. ANDERSON, C.A./ DILL, K.E.: Video games and aggressive thoughts, feelings and behaviour in the laboratory and in life. In: JUDD, C.M: Journal of Personality and Social Psychology, 78. Washington 2000, S. 772-790; FRINDTE, W./ OBWEXER, I.: Ego-Shooter – Gewalthaltige Computerspiele und aggressive Neigungen. In: KLIMMT,C./ TREPTE, S.: Zeitschrift für Medienpsychologie. Themenheft: Computerspiele und Aggression, 15 (4). Göttingen 2003.
[6] Vgl. FRINDTE/ OBWEXER: Ego-Shooter, S. 142f.
[7] Diese und nachfolgende Abbildungen unterscheiden sich von dem Original-Modell-Schema durch ihren Schwerpunkt auf die Wirkung von gewalthaltigen Computerspielen. Für das Original vgl. ANDERSON/ DEUSER/ DeNEVE: Tests of a general model of affective aggression, S. 436.
[8] Bspw. kann Verärgerung zu einem schnelleren Pulsschlag fühlen, d.h. die Emotion nimmt Einfluss auf die Erregung.
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