Diese Arbeit entsteht im Rahmen eines Men’s Studies-Seminars und hat die Figuration
des Ritters zum Gegenstand. Der Ritter in seiner Männlichkeit soll am Beispiel von
Hartmanns von Aue Erec1 betrachtet werden. Seine Entwicklung vom einfachen Mann, der
sich er noch bewähren muss, zum Krieger bis hin zum Landesherrscher, soll untersucht
werden.
Eine große Rolle innerhalb dieser Entwicklung spielt Erecs Frau Enite, die ihm
zunächst auch zum Verhängnis wird. Sein verligen wird zu einer immensen Krise und Erec ist
der Spagat zwischen Rittertum und Minne nicht gelungen. Um die Spannung, der Erec
ausgesetzt ist, verstehen zu können, werden zunächst die Grundlagen des Rittertums und der
Artusepik gegeben. Ausgehend von der These, dass Erec ohne seine Frau kein guter
Artusritter hätte werden können, sollen einzelne, prägnante Szenen betrachtet und analysiert
werden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Figuration des Ritters im Mittelalter
3. Die Artusepik
4. Aventiure und Minne – eine Begriffserläuterung
5. Männlichkeit zwischen Aventiure und Minne: Erec
6. Fazit
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Diese Arbeit entsteht im Rahmen eines Men’s Studies-Seminars und hat die Figuration des Ritters zum Gegenstand. Der Ritter in seiner Männlichkeit soll am Beispiel von Hartmanns von Aue Erec[1] betrachtet werden. Seine Entwicklung vom einfachen Mann, der sich er noch bewähren muss, zum Krieger bis hin zum Landesherrscher, soll untersucht werden.
Eine große Rolle innerhalb dieser Entwicklung spielt Erecs Frau Enite, die ihm zunächst auch zum Verhängnis wird. Sein verligen wird zu einer immensen Krise und Erec ist der Spagat zwischen Rittertum und Minne nicht gelungen. Um die Spannung, der Erec ausgesetzt ist, verstehen zu können, werden zunächst die Grundlagen des Rittertums und der Artusepik gegeben. Ausgehend von der These, dass Erec ohne seine Frau kein guter Artusritter hätte werden können, sollen einzelne, prägnante Szenen betrachtet und analysiert werden.
2. Die Figuration des Ritters im Mittelalter
Der Ursprung des Rittertums liegt vor allem im 8. Jahrhundert nach der Einführung des Steigbügels. Durch ihn konnte dem Ritter mehr Standfestigkeit zu Pferde gewährt werden und wirkte sich so auch positiv auf das Kriegsgeschehen aus.[2]
Das Wort des Ritters entstammt dem lateinischen miles, welches in seiner Grundbedeutung den Krieger meint. Erst langsam ging der Bedeutungswandel zum Ritter vonstatten. Der Begriff ist weiterhin mehrdeutig und hat keine feste Zuschreibung zu Krieger oder Ritter erlangt.[3] Als Synonym zum miles findet sich ab dem 9. Jahrhundert auch der vasallus, woraus ebenfalls zu schließen ist, dass „der miles sich in dieser Zeit von Krieger allgemeiner Art zum vasallus […] gewandelt hat […].“[4] Ab dem 11. Jahrhundert findet sich neben dem miles der Begriff des ministerialis, dem Dienstmann. Er wird synonym verwendet. Allerdings bezieht sich dieser Begriff zumeist auf Unfreie. Es entsteht eine neue soziale Gemeinschaft, sodass im 12. und 13. Jahrhundert auch diese Dienstmänner als edle Ritter bezeichnet werden (milites nobiles). Im christlichen Ritter, dem miles christianus, wird die Rolle der Kirche für die Entwicklung des Rittertums deutlich.[5]
Eine der Hauptaufgaben des Ritters war der „Schutz der Armen, Witwen und Waisen.“[6] Diese Verpflichtung beruhte auf dem christlichen Gebot der Nächstenliebe, und beinhaltete damit einhergehend auch den Schutz der Kirche samt ihren Dienern. Gleichzeitig wird daran aber auch deutlich, dass das Kriegertum mehr und mehr verchristlicht werden sollte.[7] Weiterer wichtiger Aspekt für den Ritter ist der Dienst für Gott. Dieser ist Gott stets vollkommen unterstellt und das Handeln für Gott wird zur Motivation für den einzelnen Kampf.[8]
Kurz vor der Blütezeit des Rittertums im 10. Jahrhundert entwickelt sich eine Zweiteilung innerhalb des Kriegertums. Zum einen gibt es die Gruppe der Panzerreiter, die vor allem von Vasallen verkörpert wurde, und zum anderen die Gruppe der einfachen Ritter, größtenteils Bauern. Hauptaufgabe eines kriegerischen Lebens kam den Panzerreitern zu, sodass die Bauern lediglich in Notfällen eingesetzt wurden. Letztere waren wichtiger auf dem Acker, denn auf dem Kriegsfeld.[9]
Der höfische Ritter ist vor allem in den Artusromanen des Mittelalters anzutreffen. Hof Königs Artus’ ist Magnetpunkt für zahlreiche Ritter.[10] Am Hof haben die Ritter stets die Möglichkeit, durch ihre gute Kleidung und kritikloses Verhalten aufzufallen und ihre adlige Repräsentation zeigen zu können.[11] Dem Ritter werden feste Tugenden zugeteilt: „Stärke ist notwendig eine Qualität des kämpfenden Ritters, Freigebigkeit ist adlige Norm […].“[12] Darüber hinaus vertritt der Ritter stets ethische Werte wie Beständigkeit, Aufrichtigkeit, Freigebigkeit und Treue; er muss eine adlige soziale Stellung inne haben und über Reichtum verfügen.[13] Es ergibt sich also ein ästhetisches Ideal, das nicht allzu häufig erfüllt werden konnte.
Mehr und mehr gerät das Rittertum gegen Ende des Spätmittelalters in die Kritik. Häufige Niederlagen in den Kämpfen gegen Ägypten (1291), Ungarn (1396) oder Granada (1492) ereignen sich. Damit verloren die Ritter nun auch ihre theologische Legitimation und die Kriege waren fortan nicht mehr von einem Ehrgewinn geprägt, sondern mit Sinnlosigkeit behaftet. Was blieb, war das Nachtrachten der großen vergangenen Vorbilder und Ideale, die in weite Ferne gerückt waren.[14] Beginnend mit dem 15. Jahrhundert entwickelte sich der ritterliche Dienst stetig zu einem soldatischen Dienst und der Sold wird eingeführt. Das Ende des Rittertums hat seine Ursache vor allem in einer „neuen Kommandostruktur […], in der Zentralisierung des Heerwesens durch den Landesherrn und in der Einrichtung stehender Truppen seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts.“[15]
3. Die Artusepik
Die Geschichten um jenen König Artus, von dem wir nicht wissen, ob er eine historische Person ist oder doch nur eine fiktionale Figur darstellt, haben eine lange Tradition im gesamten Europa. Aufgrund der Tatsache, dass eine ganze literarische Gattung nach eben diesem König Artus benannt ist, soll an dieser Stelle ein Überblick über die Artusepik gegeben werden.[16]
Gattungstechnisch betrachtet gehört die Artusepik zur matière de Bretagne.[17] Geoffrey of Monmouth hat den Artusstoff in die europäische Literatur eingeführt.[18] In seinem 1138 vollendeten Werk Historia regum Britanniae berichtet Geoffrey von der kompletten Geschichte Britanniens und lässt das Land mit Hilfe von erfundenen Personen oder Ereignissen heroisch erscheinen.[19] Geoffreys Werk ist mit einer hohen Zahl von Überlieferungen gekennzeichnet. Über 200 Handschriften sind erhalten, darunter auch zahlreiche Übersetzungen in Kymrische, Französische und Mittelenglische. Ziel Geoffreys mit seinem Werk war es vor allem, eine Person zu kreieren, die Karl dem Großen paroli bieten könne. Geoffrey, der um 1100 geboren sein muss, ist jedoch nicht der erste Dichter, der sich mit dem Artusstoff auseinandersetzt. Bereits im frühen 9. Jahrhundert existieren in der Historia Brittonum von Nennius zwei Stellen, die sich direkt auf Arthur, so die englische Bezeichnung, beziehen. So ist das Werk des Nennius eines der ältesten historischen Werke, das sich auf Arthur bezieht. Der Name Arthurs leitet sich aus der lateinischen Form Artorius ab und diese ist in Rom schon ab dem 2. Jahrhundert belegt. In der kymrischen Heldendichtung Y Gododdin von Aneirin aus der Zeit ca. 600 n. Chr. spielt Arthur ebenfalls eine Rolle. Dort taucht er als ausgezeichneter Kriegsheld auf. Des Weiteren wird Arthur – wenn auch nur beiläufig – in den Annales Cambriae erwähnt. Dort solle er an einer großen Schlacht teilgenommen haben und die Briten als Sieger hervorgehen lassen. Auch in Heiligenlegenden, die noch vor Geoffrey of Monmouth überliefert sind, findet sich Material über Artus; allerdings taucht der Name Artus in den ältesten dieser Heiligenlegenden nicht explizit auf.[20]
Der erste Artusroman, der sich ausschließlich um Artus und seine Ritter dreht, ist Erec et Enide von Chrétien de Troyes. König Artus erweckt dort einen alten Brauch zu neuem Leben, „nämlich die Jagd auf den weißen Hirschen mit einer speziellen Belohnung für den Sieger: er muß das schönste Fräulein am Hof küssen.“[21] Damit einhergehend wird auch das höfische Ideal vom besten Ritter und der schönsten Frau bestätigt und gefestigt. Der Brauch der Jagd auf den weißen Hirschen stammt aus der Mythologie und findet in der Artusepik erneut Verwendung.[22] Als wichtige Elemente des Artusromans sind besonders die großen Feste, die König Artus am Hof veranstaltet, die Rolle der Frau am Hof, sowie das Zusammenleben der Ritter und Edelfrauen zu nennen.[23]
4. Aventiure und Minne – Eine Begriffserläuterung
Der Begriff der âventiure stammt ursprünglich aus dem Altfranzösischen und leitet sich dort aus dem lateinischen aventura ab: ‘was geschehen soll’. Der semantische Bereich der âventiure geht damit bis zu den Bedeutungen Ende, Ziel oder Zufall, aber auch Ereignis. Die ältesten Belege für die âventiure finden sich im Alexiuslied und in den chansons de geste[24] aus dem 12. Jahrhundert. Innerhalb dieser Literatur kommt es zu einer Umdeutung des Begriffs und wird zu Schicksal, unerwartetes Ereignis oder Geschick erweitert. Vor allem die Artusromane haben an dieser Umdeutung mitgewirkt. Chrétiens de Troyes Erec verwendet die âventiure erstmals für seinen ritterlichen Helden, der aus seinem eigenen Antrieb heraus die âventiure sucht und durch seine ethische Waffentat eine gute Leistung erbringen kann, die die Bewährung der sozialen Ordnung gewährleisten kann. Entlehnt aus dem Altfranzösischen ergibt sich das mittelhochdeutsche âventiure, datierbar auf ca. 1150. Zunächst hat es auch im Mittelhochdeutschen die Bedeutung von Geschick oder zufälliger ritterlicher Begegnung. Die Umprägung, die Chrétien bereits vorgenommen hatte, wird auch von Hartmann weitestgehend übernommen und fortgeführt. Die ursprünglichen Bedeutungen bleiben aber erhalten. Die âventiure wird so zu einem Begriff, der zumeist in der weltlichen Epik verwendet wird.[25]
[...]
[1] Als Textgrundlage liegt zugrunde: Hartmann von Aue, Erec. Mittelhochdeutscher Text und Übertragung von Thomas Cramer. 26. Auflage. Frankfurt/M. 2005 (= Fischer Taschenbuch 6017). Im Folgenden abgekürzt als Erec.
[2] Vgl. Maurice Keen, Das Rittertum. Zürich u.a. 1999., S. 41. Ikonographische Belege bezeugen die Blütezeit des Rittertums mit den Steigbügeln auf die 2. Hälfte des 11. Jahrhunderts. Vgl. Keen, S. 42.
[3] Vgl. Josef Fleckenstein, Über Ritter und Rittertum: Zur Erforschung einer mittelalterlichen Lebensform. In: Vom Rittertum im Mittelalter. Perspektiven und Probleme. Hrsg. Ders. Goldbach 1997. (= Bibliotheca Eruditorium 19). S. 104-114., S. 106.
[4] Ebd., S. 107.
[5] Vgl. Fleckenstein, Über Ritter und Rittertum, a.a.O., S. 107f.
[6] Barbara Haupt, Der höfische Ritter in der mittelhochdeutschen Literatur. In: Rittertum und höfische Kultur der Stauferzeit. Hrsg. Johannes Laudage und Yvonne Leiverkus. Wien 2006 (= Europäische Geschichtsdarstellungen 12). S. 170-192., S. 173.; darüber hinaus auch: Joachim Bumke, Studien zum Ritterbegriff im 12. und 13. Jahrhundert. 2. Auflage. Heidelberg 1977.
[7] Vgl. Fleckenstein, Über Ritter und Rittertum, a.a.O., S. 111f.
[8] Vgl. Haupt, a.a.O., S. 175. Auch im Erec wird dieses Verhalten deutlich: Erec geht stets in die Kirche (vgl. u.a. V. 2490); vor seinen Kämpfen bittet er Gott um Beistand und auch nach seinen âventiuren zeigt Erec sich Gott gegenüber äußerst dankbar (vgl. z.B. V. 10085ff.).
[9] Vgl. Fleckenstein, Über Ritter und Rittertum, a.a.O., S. 107.
[10] Der Tafelrunde im Erec wohnen 140 außerordentlich gute Ritter bei, vgl. V. 1628-1627.
[11] Vgl. Haupt, a.a.O., S. 177ff.
[12] Ebd., S. 180.
[13] Vgl. Ebd., S. 181.
[14] Vgl. Joachim Ehlers, Die Ritter. Geschichte und Kultur. München 2006., S. 92f.
[15] Ebd., S. 99.
[16] Es ist dabei aber völlig klar, dass es bei der Fülle an Informationen an dieser Stelle nur ein kleiner Überblick mit den wichtigsten Elementen der Artusepik geben kann.
[17] Matière de Bretagne = Bezeichnung für den keltisch-bretonischen Sagenkreis um König Artus. Findet sich in der Literatur der Artusdichtung. Vgl. Gfrereis, a.a.O., S. 121; vgl. zu dieser Thematik auch Volker Mertens, Der deutsche Artusroman. Stuttgart 1998 (= Universal-Bibliothek 17609). S. 11.
[18] Vgl. Karl Otto Brogsitter, Artusepik. 2. Auflage. Stuttgart 1971 (= Realienbücher für Germanisten, Literaturgeschichte 38). S. 21.
[19] Vgl. Ebd., S. 33.
[20] Vgl. Ebd., S. 21ff.
[21] Mertens, a.a.O., S. 9.
[22] Vgl. Dagmar Ó Riain-Raedel, Untersuchungen zur mythischen Struktur der mittelhochdeutschen Artusepen. Ulrich von Zatzikhoven, ‘Lanzelet’ – Hartmann von Aue, ‘Erec’ und ‘Iwein’. Berlin 1978 (= Philologische Studien und Quellen 91). S. 21.
[23] Vgl. Mertens, a.a.O., S. 10.
[24] Chansons de geste bezeichnet das anonyme französische Heldenepos des Mittelalters und bezieht sich immer auf einen Stoff aus der nationalen Geschichte, hauptsächlich auf die Karolingerzeit. Vgl. Heike Gfrereis, Grundbegriffe der Literaturwissenschaft. Stuttgart u.a. 1999 (= Sammlung Metzler 320).
[25] Vgl. Ingrid Kasten / Volker Mertens, Art. Aventure (âventiure). In: Lexma (Bd. 1). Sp. 1289-1290.
- Citation du texte
- Katharina Milde (Auteur), 2007, Die Figuration des Ritters. Männlichkeit zwischen Aventiure und Minne in Harmanns "von Aue Erec", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/85396
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