Das Erkenntnisinteresse dieser Arbeit richtet sich auf die Frage, wie bei Mediationsfällen im Gemeinwesen die Wahrscheinlichkeit erhöht werden kann, dass die von BürgerInnen erarbeiteten Veränderungswünsche, wenn sie im Bereich öffentlichen Regelungsanspruchs liegen, auch von Politik und Verwaltung berücksichtigt und umgesetzt werden. Als praxisrelevante und handlungsorientierte Ergebnisse werden Ideen und Vorschläge zu dieser Frage auf Grundlage von Expertenbefragungen geprüft und ggf. erweitert werden.
Die Fragestellung geht von der Erfahrung aus, dass sich in der Konfliktbearbeitung durch Gemeinwesenmediation (GWM) immer wieder der private Konfliktkontext mit öffentlichen Belangen überschneidet. Im Sinne von Partizipation bei Veränderungsprozessen z.B. in Stadtteilen kann das durchaus erfreulich sein, in der Praxis von Gemeinwesenmediation werden jedoch die Grenzen von Mediationsverfahren im Gemeinwesen immer wieder deutlich. Genaueres Hinsehen führt den Betrachter direkt zum Spannungsverhältnis zwischen den unterschiedlichen Handlungslogiken, Verfahrensweisen und Rahmenbedingungen bei politisch-administrativen, rechtlichen und mediativen Verfahren in Deutschland.
Der einschränkende Fokus der Betrachtungen liegt somit auf der Kopplung von GWM zum öffentlichen Bereich, da es dort wiederholt um Konfliktthemen geht, die zu ihrer Bearbeitung und Lösungsfindung letztlich einer im behördlichen Verfahren erzielten positiven politisch-administrativen Entscheidung bedürfen. In der Praxis zeigt sich dabei, dass Mediationsverfahren von den dann formal zuständigen Entscheidungsinstanzen sogar als Konkurrenz wahrgenommen werden können . Das betrifft auch die Frage nach der Legitimität einer solchen Beteiligungsform in einer repräsentativen Demokratie, in der das Mehrheitsprinzip sowohl die Verantwortlichkeit als auch die „Vernünftigkeit“ (staatlicher) Machtausübung gewährleisten soll.
Diesem Anspruch an Regelungshoheit steht die Feststellung gegenüber, dass demokratisch legitimierte Institutionen nicht mehr die eigentlich erwünschte und praktizierte Legitimation vor den BürgerInnen bieten aufgrund eines hohen Maßes an Vereinnahmung der Vertretungsrechte und –funktionen durch das politisch-administrative System.
Die Arbeit fragt nach den Bedingungen, die GWM braucht, um trotz dieser Schwierigkeiten im dargelegten Spannungsfeld erfolgreich praktiziert zu werden und gibt Antworten aufgrund vorliegender Literatur und den Erfahrungen ausgewiesener ExpertInnen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Fragestellung
1.2 Aufbau der Arbeit
1.3 Untersuchungsrahmen und Interviewmethode
1.3.1 Auswahl der ExpertInnen
1.3.2 Auswertung der Interviews
2 Gemeinwesenmediation
2.1 Mediation
2.2 Methoden und Techniken
2.3 Begriffsklärung: Gemeinwesenmediation in Abgrenzung zu Stadtteilmediation, Nachbarschaftsmediation und Mediation im öffentlichen Bereich
2.3.1 Welche Konflikte sind Gegenstand von Gemeinwesenmediation?
2.3.2 Der räumliche Bezug
2.3.3 MediatorInnen
2.3.4 Die weiteren Ziele von Gemeinwesenmediation
3. Gesellschaftspolitischer Rahmen für Gemeinwesenmediation
3.1 Mediation und Demokratie
3.1.1 Legitimität von Mediation
3.1.1.1 Interne Legitimation
3.1.1.2 Externe Legitimation
3.2 Mediation und Verwaltungsverfahren
3.3 Mediation und Recht
3.4 Mediation als Partizipation
3.4.1 Partizipation als zivilgesellschaftlicher Prozess
3.4.2 Partizipation an repräsentativ legitimierter Entscheidungsgewalt
4 GWM im Kontext sozialer Arbeit
4.1 Gesellschaftliche Funktion Sozialer Arbeit
4.2 Gemeinwesenarbeit – Überlegungen zur Bedeutung der Methodendiskussion
4.3 Konzepte der Gemeinwesenarbeit
4.3.1 Konzeptionelle Grundpositionen in der Entwicklung der Gemeinwesenarbeit
4.3.2 Leitstandards der Gemeinwesenarbeits-Ansätze
4.4 Möglichkeiten von GWM innerhalb sozialer Arbeit
4.4.1 Mediation als Beteiligungsform – Konfliktbearbeitung als Aktivierungs- und Vitalisierungschance
4.4.2 Mediation als Deeskalation
4.4.3 Mediation als Netzwerkarbeit und konkrete Kooperation
4.4.4 Mediation als „Empowerment“
5 Vorschläge zu Gestaltungsmöglichkeiten an der Schnittstelle zwischen privater und öffentlicher Konfliktregelung
5.1 Freiwillige Selbstbindung der Beteiligten
5.2 Beteiligte und Stakeholder
5.2.1 Mitsprache- und Entscheidungskompetenzen in der Mediation
5.2.2 Mandatsklärung und Rückkopplung
5.2.3 Rollenkonflikte
5.2.4 Akteure vor Ort – Teilnehmer oder potentielle MediatorInnen?
5.3 Ziel- und Ergebnisvorstellungen
5.3.1 Ergebnisoffenheit
5.3.2 Art der Vereinbarung
5.4 Transparentes Verfahrensdesign – „Geschäftsordnung“
5.5 Unterstützende Rahmenbedingungen
5.6 Unabhängigkeit
5.7 Konfliktanalyse im Vorfeld
6 Ergebnisse der ausgewerteten Interviews
6.1 Beteiligung am Mediationsverfahren
6.2 Freiwillige Selbstbindung
6.3 Reichweite der Bemühungen, Verhandlungsrahmen und Ziele von GWM
6.4 Erhöhung der Wahrscheinlichkeit des Eingangs von Mediationsergebnissen in Verwaltungsentscheidungen
6.5 Wenn Entscheidungsträger die Ergebnisse mitnehmen
6.6 Auswirkungen der Letztentscheidungskompetenz in der Mediation auf die Beteiligten
6.7 Rollenkonflikte und Funktionsüberschneidungen
6.8 SozialarbeiterInnen und SozialpädagogInnen als MediatorInnen
6.9 Konfliktanalyse
6.10 Verfahrensdesign
6.11 Öffentlichkeitsarbeit
6.12 Setting
6.13 Unabhängigkeit, Allparteilichkeit
6.14 Unterstützende Rahmenbedingungen und Ressourcen im Mediationsfall
6.15 Unterstützende Rahmenbedingungen und Ressourcen für ein GWM-Projekt
6.16 Rolle der SozialarbeiterInnen/SozialpädagogInnen
7 Zusammenfassung
8 Literaturverzeichnis
9 Anhang
Interviewleitfaden
Mehrebenenmodell von T. Klöck
1. Einleitung
Ein Fall aus eigener Mediations-Praxis, wie er sich in vielen Städten ähnlich ereignen könnte:
Vor einer Kita in einem Plattenbaugebiet endet eine Straße mit Wendeschleife, in der sich schon seit Jahren eine Jugendclique traf. Seit fast einem Jahr wandelte sich die Gruppenzusammensetzung. Viele kamen nicht mehr aus dem Stadtteil, kamen mit Autos, tranken Bier, hörten Musik und wurden immer mehr von den BewohnerInnen[1] und der Kita als Ärgernis wahrgenommen. Die AnwohnerInnen fühlten sich gestört und hatten Ängste, da die Jugendlichen auf Bitten und Ermahnungen provozierend reagierten, ein Anwohner mit einer Pistole bedroht wurde und die Polizei und Stadtverwaltung anscheinend nichts ausrichtete. Die Kita-Mitarbeiterinnen waren sauer wegen der Verunreinigungen und Scherben, die einigen Autoreifen den Garaus machten. Also baten sie MediatorInnen um Unterstützung, die nach zwei orientierenden Vorgesprächen eine Idee vom Ausmaß des Konfliktes und den schon involvierten Personen und Institutionen bekommen hatten. Nachdem Streetworker mit den Jugendlichen Kontakt aufgenommen hatten, waren diese auch bereit, sich zusammen mit der Kita, den Anwohnern, Vertretern der Wohnungsunternehmen und einigen Ämtern zu einer Mediation zu treffen. Themen hier: Lärm, Scherben, Müll, Umgang bzw. Nicht-Umgang miteinander, Ängste, Beleidigungen, Mauerschäden an der Kita durch regelmäßiges Urinieren, Angst vor Vertreibung der Jugendlichen, Rufschädigung der Kita.
Die Mediationssitzungen verliefen nach anfänglich starken Schuldzuweisungen und verbalen Angriffen sehr konstruktiv. Fast alle Beteiligten arbeiteten aktiv mit, entwickelten Verständnis für- und Lösungsvorschläge miteinander. Es wurden Ideen erarbeitet, die räumliche Situation vor der Kita zu entzerren, um die Nutzungen durch die unterschiedlichen Interessengruppen besser gewährleisten zu können. Die Jugendlichen, BewohnerInnen, Hausmeister und die Kita-Mitarbeiterinnen einigten sich über den Umgang miteinander und die Jugendlichen entwarfen, von den Streetworkern begleitet, hochmotiviert für den Rand des Platzes eine einfache Unterstellmöglichkeit, die sie selbst bauen wollten. Hier traten ernste Hemmnisse auf. Die Stadtverwaltung bestand - im Gegensatz z.B. zur Meinung der Polizei - auf einer ordentlichen Prüfung des Vorhabens und Einhaltung der bautechnischen Vorschriften und langfristigen Planungsverfahren. Die Streetworker befanden sich nun in der Situation, die Jugendlichen bremsen zu müssen, wenn sich nicht erneut eine konfrontative Haltung gegenüber VertreterInnen der Stadtverwaltung aufbauen sollte. Sie schwankten zwischen dem Impuls, den vorzeitigen Baubeginn durch die Jugendlichen zuzulassen, um deren Wünschen und Bedürfnissen Ausdruck verleihen zu können bzw. auch als ein Sichtbarmachen von Störpotential und der Sorge um die bisher guten Beziehungen und Mediationsergebnisse.
Bis zu diesem Zeitpunkt war die Motivation der BürgerInnen und Jugendlichen und Kita-Mitarbeiterinnen hoch und ihre Stellung auch gegenüber Vertretern der Stadtverwaltung und Polizei selbstbewusst und bestimmt. So lange wie sie das Gefühl hatten, zusammen mit den Ämtern gleichberechtigt, kooperativ zu arbeiten, blieb dieses Selbstbewusstsein erhalten. Im Laufe der Lösungsfindung kristallisierte sich immer stärker die Grenze ihrer Selbstwirksamkeit heraus – in der Einsicht, dass letztendlich die Entscheidung über die Umsetzung der Ideen vom für sie willkürlich und undurchschaubar erscheinenden Verwaltungshandeln abhängt. Genau in dem Maße, wie diese Einsicht durch das Verhalten der Ämter bzw. des Verwaltungshandelns bestätigt wurde, wuchs einerseits wieder die altbekannte Frustration, andererseits eine neue Energie und auch Mut zum gemeinsamen Auftreten, um ihre Ideen zu realisieren.
Von den MediatorInnen wurde nicht ausreichend bedacht, die TeilnehmerInnen auf evtl. auftretende Hemmnisse bezüglich der Umsetzung frühzeitig vorzubereiten und eine Prüfung der vorhandenen Ressourcen anzuregen.
Für eine rasche Umsetzung des Plans, so dass die Jugendlichen das Dach in absehbarer Zeit anfangen könnten zu bauen, war Geld, Unterstützung bei den Genehmigungsverfahren und eine gute Kommunikation zwischen den Ämtern und den Beteiligten notwendig. Die finanziellen Mittel (Material) konnten nach entsprechenden Anträgen durch den zuständigen Sanierungsträger zur Verfügung gestellt werden. Für eine Unterstützung bei der Planung war er selbst zeitlich und finanziell überfordert. Die Streetworker konnten dies auch nicht leisten, da sie diesen Stadtteil nur einmal in der Woche aufsuchten. Eine unbürokratische Unterstützung aus der Verwaltung konnte leider nur zum Teil gewonnen werden und ein Quartiersmanagement gab es nicht. So war diese Idee schon von vornherein nur mit großen Hindernissen umsetzbar.
Die Vereinbarungen über eine zusätzliche von der Stadt gestellte Mülltonne, von der Polizei gesponsorte Bänke, das Aufstellen einer Tischtennisplatte und der Umgang zwischen den Beteiligten vor Ort konnten innerhalb weniger Wochen nach Beendigung der Mediation umgesetzt werden und zeigten somit auch kurzfristig erleb- und sichtbare Ergebnisse. Die Entzerrung der räumlichen Situation und der Bau einer Unterstellmöglichkeit dauerte insgesamt fast drei Jahre – für Stadtteilentwicklung ein annehmbarer Zeitraum, für Jugendliche eine Ewigkeit.
Dieser und ein anderer ähnlicher Fall im Jahr 2000, in denen ich als Mediator[2] die Beteiligten bei der Konfliktbearbeitung unterstützen konnte, waren der Ausgangspunkt, mich stärker mit der Frage zu beschäftigen, wie Verwaltung sinnvoll in Mediationsverfahren eingebunden werden könnte. In der weiteren Beschäftigung mit Gemeinwesenmediation (GWM), dem Aufbau einer Mediationsstelle in Potsdam und dem Austausch mit anderen MediatorInnen z.B. im Forum Stadtteilmediation Berlin/Brandenburg oder der Fachgruppe Gemeinwesenmediation im Bundesverband Mediation, konnten einige Teilfragen beantwortet werden, doch noch viel Praxisrelevantes bleibt offen. Die folgenden Betrachtungen versuchen, das Thema umfassender zu behandeln.
1.1 Fragestellung
Das Erkenntnisinteresse dieser Arbeit richtet sich auf die Frage, wie bei Mediationsfällen im Gemeinwesen die Wahrscheinlichkeit erhöht werden kann, dass die von BürgerInnen erarbeiteten Veränderungswünsche, wenn sie im Bereich öffentlichen Regelungsanspruchs liegen, auch von Politik und Verwaltung berücksichtigt und umgesetzt werden. Als praxisrelevante und handlungsorientierte Ergebnisse sollen formulierte Ideen und Vorschläge zu dieser Frage auf Grundlage von Expertenbefragungen geprüft und ggf. erweitert werden.
Die Fragestellung geht von der Erfahrung aus, dass in der Konfliktbearbeitung durch GWM immer wieder der private Konfliktkontext sich mit öffentlichen Belangen überschneidet. Im Sinne von Partizipation bei Veränderungsprozessen z.B. in Stadtteilen kann das durchaus erfreulich sein, da im konkreten Konflikt ein starker Wunsch nach Änderung, Wandel und Berücksichtigung von eigenen Interessen bei den beteiligten BürgerInnen vermutet werden kann. In der Praxis von Gemeinwesenmediation, die staunend vor dem Erfolg der Community Mediation Center in den USA und auch England steht, werden jedoch die Grenzen von Mediationsverfahren im Gemeinwesen immer wieder deutlich. Genaueres Hinsehen führt den Betrachter direkt zum Spannungsverhältnis zwischen den unterschiedlichen Handlungslogiken, Verfahrensweisen und Rahmenbedingungen bei politisch-administrativen, rechtlichen und mediativen Verfahren in Deutschland.
Der einschränkende Fokus der Betrachtungen liegt somit auf der Kopplung von GWM zum öffentlichen Bereich, da es dort wiederholt um Konfliktthemen geht, die zu ihrer Bearbeitung und Lösungsfindung letztlich einer im behördlichen Verfahren erzielten positiven politisch-administrativen Entscheidung bedürfen. In der Praxis zeigt sich dabei, dass Mediationsverfahren von den dann formal zuständigen Entscheidungsinstanzen sogar als Konkurrenz wahrgenommen werden können[3]. Das betrifft auch die Frage nach der Legitimität einer solchen Beteiligungsform in einer repräsentativen Demokratie, in der das Mehrheitsprinzip sowohl die Verantwortlichkeit als auch die „Vernünftigkeit“ (staatlicher) Machtausübung gewährleisten soll.
Diesem Anspruch an Regelungshoheit steht die Feststellung gegenüber (s.u.), dass demokratisch legitimierte Institutionen[4] nicht mehr die eigentlich erwünschte und praktizierte Legitimation vor den BürgerInnen bieten aufgrund eines hohen Maßes an Vereinnahmung der Vertretungsrechte und –funktionen durch das politisch-administrative System (PAS). Gleichzeitig geht damit die Einbeziehung der konkreten Alltagserfahrung der Betroffenen in den politischen Prozess verloren.
Für GWM stellt sich die Aufgabe, ob durch sie tatsächlich direkte Mitgestaltungsmöglichkeiten geschaffen werden können, die im Prozess der formellen Demokratie (teilweise) legitimiert sind, wobei beide Entscheidungsverfahren ihrem Wesen treu bleiben können. Hier kann die Sorge aufkommen, ob und wie GWM zukünftig den Spagat zwischen dem partizipativen Anspruch auf der einen Seite und der Gefahr einer Instrumentalisierung hinsichtlich einer höheren Legitimation politischen Handelns im Sinne einer „Feigenblattfunktion“ aushält.
Um GWM als eine wirksame Form von Beteiligung weiter entwickeln zu können, ist es wichtig, die Rahmenbedingungen und die damit verbundenen etwaigen Probleme, Fragen und möglichen Antworten zu wissen. Das bedeutet auch, Mediation im Kontext des „Arbeitsfeldes Gemeinwesen“ zu betrachten, das traditionellerweise zu den Aufgaben Sozialer Arbeit zählt. In anderen Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit ist die Aufnahme von Mediation in den Methodenkanon schon weiter fortgeschritten. Für die Gemeinwesenmediation geschieht dies anscheinend zögerlicher. Ein weiteres Ziel besteht hier in der Beantwortung der Frage, was GWM in Bezug auf die Aufgaben der Gemeinwesenarbeit leisten könnte.
1.2 Aufbau der Arbeit
Diese Arbeit besteht aus fünf Teilen. Nach der Darstellung der methodischen Vorgehensweise wird in einem ersten Schritt allgemein Mediation vorgestellt und aus dem Kontext der vielfältigen Begriffslandschaft heraus eine Arbeitsdefinition für „Gemeinwesenmediation“ entwickelt.
Im zweiten Schritt soll sich der Bedeutung der politisch-administrativen und rechtlichen Rahmenbedingungen für GWM in Deutschland angenähert werden. Die Betrachtung des gesellschaftspolitischen Rahmens bezieht sich thematisch auf GWM als Partizipation, die Legitimität von Mediation und bzgl. des Verhältnisses von Mediation zu Demokratie, Verwaltungsverfahren und Recht. Diese Themenkomplexe hängen zwar sehr eng zusammen und bedingen sich gegenseitig, werfen aber auch jeweils spezifische Fragen auf.
Das dann folgende Kapitel widmet sich der Verortung von GWM in der Sozialen Arbeit, speziell der Gemeinwesenarbeit. Zudem wird versucht zu konkretisieren, welche Rolle und Aufgaben GWM hier übernehmen könnte.
Vor dem Hintergrund dieser ersten Punkte werden im vierten Schritt handlungsorientierte Ideen und Vorschläge zum Umgang mit der Schnittstelle zwischen privater und öffentlicher Konfliktregelung gegeben. Die Vorschläge waren Grundlage für die geführten Experteninterviews, deren Auswertung im abschließenden Teil vorgenommen wird.
1.3 Untersuchungsrahmen und Interviewmethode
Wie im vorigen Punkt schon angedeutet, besteht der Untersuchungsrahmen für die verfolgte Fragestellung aus der begrifflichen und inhaltlichen Konkretisierung des Konzepts der Gemeinwesenmediation, den gesellschaftstheoretischen Bezügen und der Betrachtung des Verhältnisses von GWM und Gemeinwesenarbeit. Die auf dieser Grundlage und den eigenen Erfahrungen im Bereich der GWM formulierten Ideen, Vorschläge und Thesen waren Orientierung für den verwendeten Leitfaden[5] in den Experteninterviews, aufgrund derer sie wiederum hinterfragt, konkretisiert und erweitert werden sollten. Die Interviews waren als „problemzentrierte Interviews“ konzipiert, die sich nach Mayring besonders für die theoriegeleitete Forschung eignen, „überall dort, wo schon einiges über den Gegenstand bekannt ist, wo dezidierte, spezifische Fragestellungen im Vordergrund stehen.“[6]
Da der Bereich der Gemeinwesenmediation vergleichsweise jung ist und bisher gesammelte Erfahrungen noch nicht systematisch erhoben und ausgewertet wurden, verfolgten die Interviews so auch ein stark exploratives Interesse. Dies ist u.a. an den Fragen im Leitfaden ersichtlich. Sie spiegeln ein deduktives Vorgehen wider, mit sehr weiten Fragen beginnend, um nicht vorzeitig einzuschränken, zu immer spezifischeren Themen. Dies wurde den InterviewpartnerInnen auch deutlich gemacht, damit sie sich nicht über dadurch entstehende thematische Überschneidungen wunderten. Kreutz und Titscher nennen dieses Vorgehen auch „Trichtern“ von Fragen, da es von Vorteil ist, komplexere Themenbereiche mit offenen und geschlossenen Fragen zu erfassen, wobei in der Frageabfolge die Möglichkeiten alternativer Antworten immer weiter eingeschränkt werden[7].
Meine Kenntnis des Arbeitsfeldes von „Innen“ war einerseits von Vorteil, da ich mit der aktuellen fachlich-inhaltlichen Diskussion relativ vertraut bin, die für mich wichtigen Themen in den Interviews genauer ansprechen konnte und das kollegiale Verhältnis zu den InterviewpartnerInnen dem Gesprächsverlauf und einer Offenheit zuträglich waren. Nachteilig wirkte sich dies in der Versuchung aus, in eine Fachdiskussion einzusteigen und auf Gegenfragen der InterviewpartnerInnen zum Thema stellungnehmend und argumentierend einzugehen. Aus diesem Grunde und weil jedes Gespräch mit den ausgewählten ExpertInnen natürlich auch eine persönliche und fachliche Bereicherung darstellte, wurde jeweils in einem telefonischen Vorgespräch und in Gesprächen vor und/oder nach den Interviews die Gelegenheit zum Austausch genutzt.
Die leitfadengestützten qualitativen Interviews wurden alle persönlich geführt und auf Band aufgenommen. Eine Ausnahme stellte das erste Interview mit T. Metzger dar, das telefonisch geführt, aber auch mitgeschnitten wurde. Als Erstinterview nutzte ich es neben der inhaltlichen Behandlung des Themas zur Erprobung des Leitfadens. Im Ergebnis dessen wandelte ich ihn danach noch geringfügig ab, hauptsächlich hinsichtlich einer präziseren Fragestellung. Die ersten weiter gestellten Fragen, die eine sehr explorative, fast narrative Funktion bzgl. der erwarteten Antworten hatten, erfüllten ihre angedachte Aufgabe und ich behielt sie deswegen bei – auch auf die Gefahr hin, dass die Auswertung durch häufigere Mehrfachnennungen und Überschneidungen aufwendiger werden könnte.
1.3.1 Auswahl der ExpertInnen
Für die Auswahl der ExpertInnen bestanden folgende Kriterien:
- Sie sollten ausgebildete MediatorInnen sein,
- praktische Erfahrung in der Fallarbeit im Bereich der Gemeinwesenmediation und eine Vorstellung von der Praxisrelevanz der verfolgten Fragestellung haben und
- nicht nur als „freie“ MediatorInnen tätig sein, sondern auch die Arbeit eines Projekts zur Konfliktvermittlung im Gemeinwesen kennen. Dies z.B. durch den Aufbau (bzw. Mitarbeit) eines eigenen Projekts und/oder durch Begleitung, Ausbildung, Fallsupervision, etc. von Gemeinwesen-mediationsprojekten.
- Und sie sollten möglichst an der Fragestellung interessiert sein.
Durch den Besuch von Tagungen, Fachgruppentreffen, Informationen von anderen MediatorInnen, Recherchen im Internet und einschlägigen Fachzeitschriften, machte ich ca. 20 Projekte bzw. Personen aus, die evtl. diesen Kriterien genügen könnten. Obwohl ich bzgl. der gesuchten spezifischen Fallerfahrungen sowieso schon nicht euphorisch hoffnungsvoll gestimmt war, überraschte mich die bisher scheinbar geringe Anzahl solcher Fallkonstellationen doch. Mit allen MediatorInnen führte ich telefonisch Vorgespräche, wo wir gemeinsam prüften, ob sie persönlich für das Thema aus ihrer Erfahrung etwas beitragen könnten. Alle waren sehr interessiert an der Fragestellung und verwiesen teilweise meine Anfrage in schriftlicher Form an KollegInnen weiter, wenn sie selbst nicht aussagekräftig sein konnten. Letztendlich fanden sich sieben geeignete MediatorInnen für Interviews: Tilman Metzger, Monia Ben Larbi, Wilfried Kerntke, Zeliha Yetik, Hans-Jürgen Rojahn, Jamie Walker und Dirk Splinter. Leider fiel die komplette Interviewaufnahme mit Dirk Splinter einem technischen Defekt des Mikrofons zum Opfer, das nach den ersten Minuten unbemerkt ausfiel, so dass nur sechs Interviews auswertbar waren.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Fünf von ihnen sind auch überregional und in der bundesweiten Fachdiskussion sehr aktiv. Alle sind in der Mediationsausbildung tätig und einige engagieren sich u.a. in der Theoriebildung bzw. der Verbindung von Theorie und Praxis der Mediation. Damit kann von solider Fachkompetenz und Praxiserfahrung ausgegangen werden, die sich auch in den Interviews widerspiegelte.
1.3.2 Auswertung der Interviews
Alle Interviews wurden zunächst wörtlich transkribiert. In der weiteren Auswertung wurde sich am Prozessmodell induktiver Kategorienbildung von Mayring orientiert. Danach wird der Text durchgegangen und vor dem Hintergrund der Vorüberlegungen und der Fragestellung werden Antwort-Kategorien konstruiert, denen weitere Textstellen zugeordnet werden (Subsumtion). Die Plausibilität der Kategorienbildung wird in der ersten Phase ständig überprüft - ob die Logik und der Abstraktionsgrad zur Fragestellung passen und in der Abgrenzung der Kategorien zueinander. Nach ca. 10-50% des Textes, wenn keine neuen Kategorien mehr gebildet werden, werden sie einer entgültigen Revision unterzogen. Nach einem abschließenden Textdurchgang kann mit der Interpretation und zusammenfassenden Analyse begonnen werden.[8]
Parallel und nach der Kategorienbildung wurden im ersten Schritt die wörtlichen Aussagen in Paraphrasen gefasst, wobei Person und Textstelle kenntlich (Codes) blieben. Außerdem wurden Aussagen mit aufgenommen, die sich nicht direkt auf in Gemeinwesenmediationen gemachten Erfahrungen bezogen, sondern Vergleiche zu Erfahrungen in anderen Mediationsbereichen anstellten, wo strukturell ähnliche Fragen und Probleme aufgeworfen werden. Diese Vergleichs-Aussagen blieben immer besonders gekennzeichnet.
Einige besonders interessante Aussagen wurden zudem wörtlich beibehalten, um sie ggf. einfacher zitieren zu können. Die Paraphrasen wurden dann weiter zusammengefasst, die Codes wurden weggelassen, womit die inhaltlichen Aussagen vom Text gelöst und letztendlich als Ergebnis in diese Arbeit eingingen (Kapitel 6).
2 Gemeinwesenmediation
Bei der Bezeichnung von Mediation im Gemeinwesen wurden in den letzten Jahren recht undifferenziert die Begriffe der Stadtteilmediation, Gemeinwesenmediation, Nachbarschaftsmediation und auch das englische „Community mediation“ synonym verwendet.
Allen Begriffen gemeinsam ist die Mediation als Verfahren. Die spezifischen Bezeichnungen deuten auf weitere Schwerpunktsetzungen hin.
Ausgehend von einer allgemeinen Definition des Begriffs „Mediation“ wird im folgenden versucht, ein Verständnis von Gemeinwesenmediation als Arbeitsdefinition zu entwickeln bezüglich der sich überschneidenden und auch abzugrenzenden Begriffe: Mediation im öffentlichen Bereich, Nachbarschafts-mediation und Stadtteilmediation.
2.1 Mediation
Mediation kann grundsätzlich beschrieben werden als ein Verfahren zur Konfliktbearbeitung mit Unterstützung eines vermittelnden Dritten. Mediation soll den Konfliktparteien helfen, eigenverantwortliche und konsensuale Lösungen zu finden.
Wichtige Merkmale der Mediation sind[9]:
- Anwesenheit eines allparteilichen Dritten
- Einbeziehung aller Konfliktparteien
- informelle außergerichtliche Ebene
- Freiwilligkeit der Teilnahme und Selbstbestimmung bzgl. der bearbeiteten Konfliktthemen und der Lösungsmöglichkeiten
- prozessual: Mediation ist von der Form her ein Verfahren mit Regeln und verschiedenen Phasen, wobei die MediatorInnen verantwortlich für den Prozeß sind.
Die Grundstruktur des Verfahrens ähnelt sich in den meisten Mediationsformen, wobei je nach Konfliktfeld Mediation „eine hohe problembezogene Anpassungsfähigkeit“ aufweist, wie Fallauswertungen für den öffentlichen Bereich ergaben.[10] Das fallspezifische Verfahrensdesign und die verwendeten Methoden sind abhängig z.B. von der Anzahl der TeilnehmerInnen, der Art des Konflikts, kulturellen und politischen Hintergründen, der Komplexität des Konfliktthemas und dem sozialen Rahmen, in dem sich der Konflikt bewegt, der Eskalationsdynamik und erreichten –stufe.
Allgemein können die Mediationsphasen wie folgt beschrieben werden[11]:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Mediation ist eine Möglichkeit zur Konfliktbearbeitung und Konfliktlösung.
In den Kanon der Handlungsmöglichkeiten läßt sich Mediation nach den Kriterien der Eigenverantwortlichkeit und Regelungsinstanz wie folgt einordnen:[12]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die aufgeführten Problem- bzw. Konfliktbehandlungsmöglichkeiten von der administrativen Entscheidung bis hin zur Anwendung von Gewalt stützen sich hauptsächlich auf das Vertreten von Rechts- und Machtpositionen im Unterschied zu Mediation, Verhandlung und Diskussion, deren Grundlage die Interessen und Bedürfnisse der Beteiligten als meist „privatautonome Rechtssetzung“[13] bilden. Hier lässt sich schon die Problematik der in einigen Konfliktfeldern fehlenden verfahrensexternen Legitimation[14] von Mediation erkennen.
Die Wirksamkeit von Mediation hängt natürlich auch von der Eskalationsstufe des Konflikts ab. F. Glasl unterscheidet auf einer Skala neun Eskalationsstufen, die zugleich die abnehmenden subjektiven Handlungsoptionen bzw. -alternativen der Konfliktparteien bis zur Selbstsaufgabe beschreiben: 1. Verhärtung, 2. Debatte, 3. Tatsachen schaffen, 4. Koalitionen eingehen, 5. Demaskierung des Gegners, 6. Drohung u. Gegendrohung, 7. Begrenzte Schläge, 8. Zersplitterung, 9. Gemeinsamer Untergang. Bezogen auf den Zusammenhang zwischen Konflikteskalationsstufe und Wirkungsgrad von Mediation lässt sich der Einsatzbereich kennzeichnen von Stufe 3 bis 7, wobei die Kernmöglichkeit bei den Stufen 4-6 auf der Eskalationsskala liegt.[15]
F. Glasl stellt aktuell eine „Gegenbewegung zum universellen Begriffs-verständnis von Mediation“ fest, die differenzierter unterscheidet, „welche Art der Mediation für welche Art von Konfliktsituation geeignet ist.“[16] Auf Grundlage einer Einschätzung der erreichten Eskalationsstufe können tendenziell Aussagen getroffen werden, welches Maß an (Non-)Direktivität die geplanten Interventionen bzgl. der drei Aspekte Inhalt (Streitfragen), Interaktion (Gestaltung der Beziehungen der Konfliktparteien) und Verfahrensform haben sollten, damit eine Konfliktbearbeitung erfolgreich sein kann. Synoptisch stellt F. Glasl die verschiedenen Modelle und Bezeichnungen für eine Konfliktbearbeitung zum Stufenmodell der Eskalation in Beziehung.[17] Eine Ausführung dessen führt hier zu weit. Der hier wichtige Gedanke daraus ist, dass MediatorInnen ihre zur Verfügung stehenden Vermittlungs-kompetenzen sinnvoll und verantwortlich einsetzen sollten mit dem Wissen um ihre Grenzen.
Ungeachtet der meist ähnlichen Verfahrensweise in Mediationen existieren unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der allgemeinen Zielstellung, der Erfolgskriterien und der Reichweite der Bemühungen. Diese Auffassungen beeinflussen natürlich auch die Art und Weise, auf was und wie letztendlich die MediatorInnen im Verfahren methodisch ihren Schwerpunkt setzen. Ausschlaggebend sind dabei oft die Profession der MediatorInnen, z.B.[18] PsychologInnen, JuristInnen, PädagogInnen, WirtschaftswissenschaftlerInnen, ... und die Konfliktfelder wie Familienmediation, Nachbarschaftsmediation, Umweltmediation, Wirtschaftsmediation, Trennung- und Scheidungs-mediation, Schulmediation, ...
Um eine hohe Qualität und ein Mindestmaß an fachlicher Methodik zu gewährleisten wurden/werden für verschiedene Mediationsfelder Richtlinien und ethische Grundhaltungen formuliert, z.B. durch den Bundesverband für Mediation, Bundesarbeitsgemeinschaft für Familienmediation, Centrale für Mediation, Europarat-Empfehlung für Familienmediation Nr. R 98/1.
2.2 Methoden und Techniken
Wie schon angedeutet, ist die jeweilige Mediationspraxis v.a. abhängig vom Mediationsbereich, der vorliegenden Konfliktsituation und dem Ausbildungshintergrund der MediatorInnen. Das in Mediationen verwendete „Handwerkszeug“ reicht von Moderations- und Gesprächsführungstechniken, Analysekonzepten, über Methoden aus dem Bereich der Organisationsentwicklung, bis weit in therapeutische Techniken hinein.
Wichtige Beispiele für „Handwerkzeug“, das immer mit der notwendigen mediativen Haltung, bewusst eingebettet in einen kommunikativen Prozess, angewendet wird, sind[19]:
- Aktives Zuhören und Paraphrasieren: das Gesagte mit eigenen Worten wiederholen (oder wiederholen lassen), dabei Interessen u. Bedürfnisse hervorheben, ggf. negative Aussagen umformulieren oder auch drastifizieren
- Ich-Botschaften
- Auffordern zur Aussage und Reaktion
- Aufgreifen von Schlüsselworten und nonverbaler Kommunikation
- Zusammenfassen, Strukturieren des Gesprächs
- Fragen: z.B. Informationsfragen, offene und geschlossene Fragen, zirkuläre Fragen, Skalierungen, Wunderfrage, hypothetische Fragen, Kartenabfragen, ...
- kurze Rollenspiele zur Verdeutlichung von Kommunikationsmustern oder als Übung zum Perspektivwechsel
- Einsetzen von Analogien, Metaphern oder Geschichten
- Visualisierungstechniken
- kreative Methoden als metaphorischer Klärungsprozess (z.B. „Farbenschach“, „Konflikt in Orange“) oder bei Suche nach Lösungsvorschlägen
- Eindoppeln (MediatorIn spricht stellvertretend für Konfliktpartei)
- Arbeit mit Skulpuren (Einfühlen und Darstellen der Situation), soziometrische Übungen oder Aufstellungen
- reflecting team: MediatorInnen sprechen vor den Konfliktpartein über die Situation, Gefühle, Bedürfnisse, ... miteinander
- Gemischtes Doppel: Kombination von Einzelgespräch und reflecting team
- u.U. Shuttle-Mediation, wenn Konfliktparteien noch nicht direkt miteinander sprechen wollen/können
- Fish-bowl Setting: Innen- und Außenkreis, wobei in den Innenkreis eingewechselt werden kann, um mitzureden
Die Vielfalt der verwendeten Methoden und Techniken wächst, je mehr die angewendeten Methoden weiterentwickelt werden und aus anderen Fachdisziplinen „nützliches Handwerkszeug“ übernommen wird.
2.3 Begriffsklärung: Gemeinwesenmediation in Abgrenzung zu Stadtteilmediation, Nachbarschaftsmediation und Mediation im öffentlichen Bereich
Die Existenz synonym verwendeter Begrifflichkeiten verweist einerseits auf
das Verständnis der Mediationsansätze in der Praxis in diesem Feld und ihre Entwicklung. Andererseits macht dies auch den Bedarf nach einer noch ausstehenden theoretischen Auseinandersetzung deutlich.
Ziel vieler Praxisprojekte war und ist der Aufbau eines Angebotes ehrenamtlicher Mediation bei Streitigkeiten zwischen Nachbarn (im rein privatrechtlichen Bereich), wobei sie in diesem eingeschränkten Konfliktkontext nicht notwendig unterscheiden brauchten hinsichtlich unterschiedlicher Systeme und Systemebenen bzgl. des meso- oder makrosozialen Rahmens.
Grundlage der Überlegungen ist u.a. der Begriff des Gemeinwesens[20]:
Gemeinwesen wird im Sinne von Lebenswelt der Menschen in einem sozialen Raum, z.B. einem Stadtteil verstanden. Aus der Perspektive der BewohnerInnen beschreibt dies z.B. Wohnen, Zusammenleben der Familie, Einkaufen, Arbeit, Freizeit, Nachbarschaftsbeziehungen, Freundschaften ... und auch Konflikte.
Damit bezieht Gemeinwesen die Nachbarschaft mit ein und meint außerdem auch die strukturelle Ebene, die Beziehungen zwischen größeren Interessengruppen und sozialräumliche Gegebenheiten in denen Konflikte entstehen. Die explizite Berücksichtigung von Ebenen außerhalb privater Konflikte zwischen Nachbarn (mikrosoziale Ebene) bei Gemeinwesen-mediation kennzeichnet allgemein den Unterschied zum engeren Begriff der Nachbarschaftsmediation.
Mit Zunahme von Praxiserfahrung und dem Bemühen um orientierende Standards innerhalb des Bundesverbandes Mediation e.V. geht auch ein begrifflicher Klärungsversuch einher. Ein erster Diskussionsvorschlag[21] für eine Definition der GWM macht die große Spannbreite dieses Begriffs deutlich:
„GWM bezieht sich immer auf ein räumlich begrenztes soziales Gefüge, mit einer eigenen Identität, z.B. ein Quartier, eine Gemeinde bzw. ein Stadtteil. Der Begriff der GWM steht für einen Prozess der in verschiedenen Phasen ablaufen kann, nämlich:
- Initiierung (Aktivierung) eines Potentials des Gemeinwesens etwa durch Bildungsangebote
- Formung einer Struktur für die Gewährleistung eines dauerhaften Mediationsangebotes für das Gemeinwesen (z.B. Einrichtung einer Mediationsstelle oder Bildung eines Netzwerkes)
Der Prozess der GWM zielt auf die Befähigung des Gemeinwesens ab, Konflikte im Gemeinwesen mit eigenen Ressourcen konstruktiv zu bearbeiten, oder andere Ressourcen, die zur konstruktiven Konfliktbearbeitung erforderlich sind, zu aktivieren oder zu organisieren.“
Als Vergleich bietet sich die Definition von GWM in ihren neun Merkmalen des amerikanischen Herkunftsmodells an, die für die aktuelle Entwicklung in Deutschland als hilfreiche Reflexionsfläche herangezogen werden[22]:
1. „Das Einsetzen von ausgebildeten ehrenamtlichen MediatorInnen aus dem Gemeinwesen.
2. Träger sind unabhängige gemeinnützige Organisationen oder die öffentliche Verwaltung.
3. Die ehrenamtlichen MediatorInnen repräsentieren die demographische Vielfalt des Einzugsgebietes.[23]
4. Die BürgerInnen haben direkten Zugang zu den Mediationsdiensten.
5. Die BürgerInnen können den Mediationsservice unabhängig von ihrer Zahlungsfähigkeit nutzen.
6. Die Förderung kooperativer Beziehungen im Gemeinwesen.
7. Bildungsarbeit im Gemeinwesen zur alternativen Konfliktbearbeitung.
8. Konfliktnahe Intervention.
9. Das Angebot einer Alternative zum Recht in jeglicher Phase eines Konfliktes.“[24]
Schon hier wird das Programmatische des zivilgesellschaftlich orientierten Ansatzes von Gemeinwesenmediation deutlich, das Bürger und Bürgerinnen u.a. dazu befähigen möchte, in ihrem sozialen Umfeld auftretende Konflikte kooperativ und konsensorientiert zu bearbeiten.
Eine praxisbezogene Definition der GWM bezieht sich auf verschiedene Aspekte:
1. Welche Konfliktthemen werden bearbeitet?
2. Der räumliche Bezug
3. Was sind die weiteren konzeptionellen Ziele von GWM?
4. Wer sind/ woher kommen die MediatorInnen? Bzw. wer bearbeitet die Konflikte?
2.3.1 Welche Konflikte sind Gegenstand von Gemeinwesenmediationt?
Gemeinwesenmediation kennzeichnet besonders die Berücksichtigung struktureller Rahmenbedingungen im Stadtteil. Die von GWM bearbeiteten Konflikte sind meist Mehrebenenkonflikte (mikro-, meso-, makrosoziale Ebenen) auch zwischen verschiedenen Systemen (u.a. politisch-administrativ, privat) und Systemebenen, für deren Bearbeitung zum großen Teil rechtliche und bürokratische (formale) Verfahren angedacht sind.
Der Definitionsvorschlag spricht von „Konflikten im Gemeinwesen“. Nach dem oben beschriebenen Verständnis vom GW können es alle auftretenden Konflikte sein, von Familienstreitigkeiten über Nachbarschaftskonflikte bis zu Konflikten über die Nutzung von Sozialräumen. Somit werden auch Themen aus dem Feld der Umweltmediation, bzw. Mediation im öffentlichen Bereich (z.B. Bau von Spielplätzen, Umgestaltung des öffentlichen Raumes, Wohnumfeldmaßnahmen, ...), religiöse und interkulturelle Konflikte, Arbeitswelt, Verwaltung, ... mit einbezogen[25].
An dieser Stelle ist die Diskussion um die Klärung, Erweiterung und Wandlung des Begriffs „Umweltmediation“ für die GWM-Debatte interessant und betrifft sie. Zuerst hauptsächlich mit „Umwelt(schutz)mediation“ assoziiert, wurde deutlich, dass diese Art der Mediation immer mehr politisch-strukturelle Themen der Gesellschaft betrifft. Aus der notwendigen Konkretisierung des Begriffs „Umwelt“ im Sinne von gesellschaftlichem Umfeld oder Lebenswelt angeregt, wurde schließlich durch einen Expertenkreis beim Förderverein für Umweltmediation e.V. vorgeschlagen, dieses Mediationsfeld „Mediation im öffentlichen Bereich“ zu benennen. „Öffentlich“, weil die Konfliktaustragung im öffentlichen Raum (im Gegensatz zu Privatsphäre) stattfindet und die einer entsprechenden Mediation zugrunde liegenden Konflikte in der Öffentlichkeit diskutiert werden. Mitinbegriffen ist der gesamte Bereich der politischen Willensbildung, der durch Meinungsäußerungen von Interessengruppen, Politik, Wirtschaft und Verwaltung gekennzeichnet ist.[26]
Noch ist jedoch die Definitionsfrage für Mediationsverfahren im öffentlichen Bereich nicht hinreichend geklärt.[27] Ein Vorschlag, der dem Expertenkreis folgt und weiter konkretisiert, machen die Oldenburger Mediatoren um Zillessen und Troja der MEDIATOR GmbH:
„Gegenstand dieser Verfahren sind Konflikte im öffentlichen Raum, also im politisch-administrativ gestaltbaren gesellschaftlichen Bereich. Damit ist sowohl der physische Raum (bei konkreten baulichen Projekten und Vorhaben) als auch der soziale Raum (bei der Vorbereitung oder der Erstellung von Programmen und politischen/rechtlichen Normvorstellungen) gemeint.“ Weiter identifizieren sie in Abgrenzung zu anderen Mediationsfeldern als Haupterkennungsmerkmal die „Beteiligung von Vertretern aus Politik und Verwaltung“.[28]
Schaut man in die Praxis der Gemeinwesenmediation, so kann festgestellt werden, dass es bei einigen Konfliktfällen deutliche Überschneidungen zur Definition von Mediation im öffentlichen Bereich gibt und sie auch deren Kriterien erfüllen:
1. „Bearbeitung eines im öffentlichen Bereich angesiedelten absehbaren oder bereits offenkundigen Konflikts (Kennzeichen: Beteiligung von Vertretern aus Politik und öffentlicher Verwaltung in ihren beruflichen Rollen am Konflikt).
2. Beteiligung wesentlicher betroffener Interessengruppen (z.B. Bürger-initiativen, Verbände, Vorhabenträger, Vertreter aus Politik und öffentlicher Verwaltung).
3. Verhandlung/Diskussion größtenteils in direkter (face-to-face) Kommuni-kation.
4. Verfahrensleitung durch eine/n externe/n Dritte/n ohne eigene betroffene Interessen bezüglich der Konfliktinhalte und ohne inhaltliche Entscheidungskompetenz.
5. Personale Trennung von Mittler- und Planerrolle.
6. Ziel: Eine Einigung der Konfliktparteien, die in einen politischen oder administrativen Planungs- oder Entscheidungsprozess einfließen soll.“[29]
Die Gemeinsamkeiten von Mediation im Umwelt- bzw. öffentlichen Bereich und Gemeinwesenmediation bei der Konfliktbeschreibung und teilweise -bearbeitung werden deutlich bei der Betrachtung des von Markus Troja entwickelten Modells zur Beschreibung der inneren Struktur von umwelt(politischen) Konflikten[30]. Es stellt die Beziehung zwischen Personalem Kontext, Institutionellem Kontext und dem Thematischen Kontext eines Konfliktes dar und kann den jeweiligen Konfliktkern näher bestimmen.
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Dieses Modell erscheint als Analyserahmen für die konflikttheoretische Betrachtung und die Entwicklung adäquater Konfliktbearbeitungsstrategien auch für Gemeinwesenkonflikte sehr geeignet. Hier lässt sich die Interdependenz der Kontexte gut erkennen. Bei der Bearbeitung von Gemeinwesenkonflikten müssen gleichermaßen alle drei Konfliktbereiche berücksichtigt werden.
Das Problem der Überschneidung der Definitionen von Mediation im öffentlichen Bereich und GWM, hat die MEDIATOR GmbH vorerst versucht zu lösen, indem sie vorschlagen, sobald Konflikte „nicht oder nicht mehr auf den privaten Bereich beschränkt sind und die Einschaltung von Behörden in ihrer Gestaltungs- und Kontrollfunktion notwendig machen, […], nicht mehr von Gemeinwesenmediation, sondern von Mediation im öffentlichen Bereich zu sprechen.“[31] Gemeinwesenmediation bedeutet dann explizit ein Verbleiben im privaten Rahmen, wenn „keine direkte Beteiligung von Behörden als Teilnehmer am Verfahren erforderlich ist.“[32]
Diesem Vorschlag zur Differenzierung beider Bereiche folgend, würden unter GWM fast nur Nachbarschaftsmediationsfälle zählen, wobei im Falle einer Ausweitung des Konfliktkontextes, die in der Praxis oft schwierige Frage zu beantworten wäre, wann Behörden direkt oder indirekt beteiligt sind – wie nah oder fern sie zum Konflikt stehen. Eine klare Entweder-Oder-Trennung kann bei vielen GW-Konflikten so nicht gemacht werden, da z.B. trotz nicht direkter Teilnahme von Behörden sie als Stakeholder[33] ein großes Interesse an der Bearbeitung haben und zudem ihren (in-formellen) Einfluss geltend machen könnten.
Vor dem Hintergrund der Rolle und Verortung von GWM(-projekten) im Gemeinwesen, scheint diese Grenzziehung zu kurz zu greifen und den Ausgangspunkt des Konflikts und dessen Implikationen zu vernachlässigen. Der Ausgangspunkt der Mediation im öffentlichen Bereich könnte zugespitzt als Top-Down- und bei GWM als Bottom-Up-Prozess gesehen werden. Im ersten Bereich steht oft eine Planungsvorhaben (geplante Beteiligung) im Vordergrund und im zweiten ein akuter Konflikt (u.U. als „Symptomträger“) im Gemeinwesen, wie z.B. randalierende Jugendcliquen im Stadtteil, Unzufriedenheit über Sauberkeit und Ordnung in einem Kiez, ... der sich zuerst bei konkreten Personen äußert, die mit ihrem Ärger auch einen Veränderungsbedarf anmelden und aktiv werden (wollen).
Der Begriff der GWM kann besser kennzeichnen, aus welchem Bereich der Konflikt bzw. der Impuls zur Veränderung gekommen ist und wer ein Anliegen auch im Sinne bürgerschaftlichen Engagements hat. Werden die Konfliktbearbeitungen im Gemeinwesen, die den öffentlichen Bereich berühren, als Mediationen im öffentlichen Bereich bezeichnet, könnte es zu einer auch begrifflichen „Vereinnahmung“ der aus dem GW angemeldeten Impulse kommen. Wird der öffentliche Bereich berührt, kommt aufgrund der dann veränderten Verbindlichkeit (Legitimation) des Verfahrens und der Mediationsergebnisse sowieso schon die Sorge um das noch bestehende Maß an Eigenverantwortlichkeit und Mitbestimmung von BürgerInnen auf.
Zugespitzt formuliert: In der GWM besteht die Gefahr, dass die Betroffenen an der Schwelle zur institutionellen Ebene „entmündigt“ werden und das ursprüngliche partizipative Potential des eigenverantwortlichen Engagements in der konkreten Konfliktbearbeitung abhanden kommt.
Hier soll aus genannten Gründen Mediation, wenn sie ihren Ausgang im Gemeinwesen nimmt und neben dem privaten und thematischen auch den institutionellen Konfliktkontext berührt, als Gemeinwesenmediation bezeichnet werden.
Außerdem soll, wegen der spezifischen Fragestellung dieser Arbeit, die begriffliche Trennlinie zwischen Nachbarschafts- und Gemeinwesenmediation vorgenommen werden.
Die explizite Berücksichtigung der meso- und makrosozialen Ebenen außerhalb privater Konflikte zwischen Nachbarn (mikrosoziale Ebene) bei Gemeinwesenmediation kennzeichnet den Unterschied zum in der Praxis verwendeten Begriff der „Nachbarschaftsmediation“.
Nachbarschaftsmediation ist somit ein Teilbereich der Programmatik der Gemeinwesenmediation, beschränkt sich als Begriff jedoch auf Konflikte im privaten Bereich zwischen Nachbarn oder Nachbarschaften. Bei der Konfliktbearbeitung werden hauptsächlich der personale und der thematische Kontext berücksichtigt. Der institutionelle Kontext spielt nur insofern eine Rolle als er den Rahmen bildet, innerhalb dessen Personen (und Gruppen) versuchen, ihre Konflikte zu bearbeiten[34]. Das heißt z.B., dass die Regelung und Lösung von Konflikten nur im rechtlich zulässigen Rahmen geschehen darf.[35] In der Praxis der Nachbarschaftsmediation stellt sich dies jedoch meist als problemlos dar.
2.3.2 Der räumliche Bezug
Die Diskussion des räumlichen Bezuges bietet sich bzgl. zweier Richtungen an:
Die erste betrifft die Rolle und Verortung eines GWM-Projekts in der Praxis. In dem oben zitierten Definitionsvorschlag bezieht sich die Aktivität einer GWM-Stelle auf ein „soziales Gefüge“ explizit im Sinne eines Sozialraums (Quartier, Gemeinde, ...) und nur implizit auf die Humanbeziehungen. Für die Entwicklung eines Praxisprojekts ist dies von entscheidender Bedeutung, denn sie betrifft damit Fragen nach der Größe des Projekts, der zu erwartenden Konfliktfälle, der Kopplung an bestehende Strukturen (z.B. Quartiersmanagement, Stadtverwaltung, Kirchengemeinde, ...), der Finanzierung und der Zielgruppen. Die Grundlage der Entscheidung, wie und von wem ein Sozialraum definiert wird, kann sich demnach eher nach „äußeren“ Kriterien, wie z.B. Verwaltungsstruktur, räumliche Struktur und Sanierungsgebieten (finanzieller Aspekt) richten oder nach „inneren“ subjektiven Kriterien, wie sie auch eine lebensweltorientierte soziale Arbeit formuliert[36].
Als weitere Diskussionsrichtung spiegelt sich der räumliche Bezug in der Begriffsverwendung wider: Der Begriff Stadtteilmediation betont hauptsächlich diesen räumlichen Aspekt. Zu vermuten ist, dass sich der Begriff gerade durch die Entwicklung von Projekten in Kopplung an Fördermaßnahmen für (benachteiligte) Stadtteile angeboten hat, wie z.B. in Berlin oder Frankfurt/Main[37]. Dies wird noch unterstützt durch eine entsprechende Verwaltungsstruktur, also ob z.B. wie in Berlin die Verwaltung an den Stadtteilen (Bezirken) orientiert ist oder es wie in kleineren Städten nur eine zentrale Verwaltung gibt. Diese Stadtteilorientierung war in Berlin u.a. ein Kriterium, dass sich im November 2001 eine Arbeitsgruppe „Forum Stadtteilmediation Berlin-Brandenburg“ benannt hat.
Nach Aussagen von Tilman Metzger[38] orientiert sich der Wirkungskreis von Gemeinwesenmediationsstellen eher an der Stadtgröße/Einwohnerzahl als an räumlichen Gegebenheiten. So würde z.B. die Mediationsstelle Brückenschlag e.V. in Lüneburg für die ganze Stadt ausreichen.[39]
Da viele Projekte sich räumlich auf nur einen Stadtteil konzentrieren, hat dieser Begriff auch eine Berechtigung. Abzuwarten bleibt noch, wie sich Gemeinwesenmediation in Deutschland entwickeln wird. Ob der teilweise kleinräumige Stadtteilbezug aufrechterhalten werden kann, wird sich in den nächsten Jahren zeigen. In der Praxis scheint sich langsam herauszukristallisieren, dass bei der Entwicklung von Projekten sich der Fokus verschiebt von der Gründungsphase, die oft von Fördermitteln unterstützt wird, zu einer Ausrichtung der Projektstruktur auf langfristige Absicherung der Koordinationsaufgaben und Qualitätssicherung bei einem hohen Maß an Unabhängigkeit vom unsicheren kommunalen „Finanztropf“.
2.3.3 MediatorInnen
Besonderheit des GWM-Konzeptes ist der Einsatz von ausgebildeten ehrenamtlichen MediatorInnen aus dem Gemeinwesen. Diese sollten die demographische Vielfalt des Einzugsgebietes repräsentieren. Träger der Mediationsstelle kann eine unabhängige gemeinnützige Organisation oder die öffentliche Verwaltung sein. Die ehrenamtlichen MediatorInnen werden oft kostenlos ausgebildet und werden dafür eine bestimmte Zeit unentgeltlich tätig, koordiniert von hauptamtlichen MitarbeiterInnen.[40]
Dieses Konzept von ehrenamtlichen MediatiorInnen ist sehr nah an der Lebenswelt der Konfliktparteien, der Zugang niedrigschwellig und hat einen starken Multiplikatoreffekt hinsichtlich der Etablierung einer konstruktiven Streitkultur im Gemeinwesen. Grenzen sind Bearbeitungen von komplexen Fällen, die den institutionellen Kontext mit betreffen und ggf. eine zu große Nähe der MediatorInnen zu den Konfliktparteien bzw. den verhandelten Themen (Parteilichkeit, Eigeninteressen). Die komplexen Fälle sind dann v.a. das Feld professioneller Gemeinwesenmediation und der Frage der fallabhängigen Parteilichkeit kann mit einem guten Fallmanagement vorgebeugt werden.
2.3.4 Die weiteren Ziele von Gemeinwesenmediation
Hinsichtlich der Reichweite der Bemühungen kann Mediation grob im „engeren Sinne“ und im „weiteren Sinne“ gesehen werden. Im engeren Sinne beschäftigt sie sich eher mit einzelnen Konfliktfällen in engerem sozialen Rahmen; im weiteren Sinne hat sie weitreichendere Veränderungen im System im Blick und verortet sich nahe der Organisationsentwicklung als „Systemsupervision“[41]. Dieser Ansatz findet sich z.B. häufig in den Mediationsfeldern Schule, Wirtschaft und Politik. Hinsichtlich der allgemeinen Zielstellung und Erfolgsbewertung von Mediation, quasi dem Leitbild, dem die MediatorInnen folgen, kann nochmals grob differenziert werden: Erstens in den „Problemlösungsansatz“, der seinen Ursprung im Konzept des sachgerechten Verhandelns nach dem „Harvard-Konzept“[42] hat und zweitens in den „Transformativen Ansatz“, dessen Herkunft u.a. in der Idee von Mediation als einer grassroot-Bewegung zu suchen ist[43].
In der folgenden Übersicht werden diese Ansätze schematisch dargestellt:
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Im Diskussionsvorschlag zur Definition von GWM gibt es Hinweise auf den in der GWM oft vertretenen Ansatz der transformativen Mediation: so z.B. die Bildungsangebote zur Initiierung bzw. Aktivierung eines Potentials im GW und seine Befähigung, die konstruktive Konfliktbearbeitung in eigene Verantwortung zu übernehmen. Im Gegensatz zu sachorientierteren Ansätzen[44] von Mediation, die eine Lösung oder Vereinbarung als Hauptziel von Mediation anstreben (z.B. Harvard-Konzept) zielt der transformative Ansatz auf eine nachhaltige Verhaltensveränderung beim Bearbeiten des Konfliktes durch Empowerment (Förderung des Selbstvertrauen, des Selbstwertgefühls und der Handlungsfähigkeit der Personen) und Recognition (Wahrnehmung und Anerkennung anderer Perspektiven und Einsicht in das eigene Konfliktverhalten/Konfliktdynamik)[45].
Mediation baut in formaler Hinsicht auf die Parteienautonomie auf[46]. Es wird nicht stellvertretend für die BürgerInnen gehandelt, sie übernehmen die Verantwortung für die Lösung selbst. Damit erfahren sie eine Selbstwirksamkeit in Kooperation mit anderen. In diesem koevolutionären Handeln werden die Beteiligten aus der lähmenden Konfliktsituation artikulations- und handlungsfähig. In diesem Sinne ist Mediation in einen systemisch orientierten Lernkontext einzuordnen[47].
F. Winter bezeichnet die weiterreichende Zielstellung neben der konkreten Konfliktbearbeitung auch die „Sozialpolitischen Ziele“ des von ihm vertretenen Konzepts der „Sozialen Mediation“. Dazu zählt er auch die:
- „Stärkung der Beteiligung und Verantwortung der Bewohner eines Quartiers und der Gemeinschaft
- Stärkung von Integration und sozialer Kontrolle der Gemeinschaft
- Erweiterung des Verhaltensrepertoires und der Konfliktlösungspotentiale der Gemeinschaft
- Etablierung einer Kultur konstruktiver Konfliktlösungsstrategien in der Gemeinschaft sowie
- Minderung von Kriminalisierungseffekten und Stigmatisierungen“[48]
Neben der eher personalen Ebene zielt der transformative Ansatz auch auf eine Veränderung der strukturellen Bedingungen. Diesbezüglich wird immer wieder mit Blick auf Machtungleichgewichte darauf verwiesen, dass Mediation in diesen Kontexten nur „Schönheitsreparatur“ sei, da es sich bei der Mehrzahl der Problemursachen um strukturelle Fragen handele. Dies setzt die Annahme voraus, dass Mediation keine Wirkung auf strukturelle Bedingungen im System hat. Für die Vorstellung einer direkt(iv)en Einflussnahme mag dies zutreffen, jedoch eine Verstörung, ein Offensichtlichmachen dieser Struktur und das Erleben eines Mediationsprozesses zeitigt aller Wahrscheinlichkeit nach eine Wirkung bei allen Beteiligten. Im oben beschriebenen Konflikt-Kontext-Schema von M. Troja wird diese wechselseitige Beeinflussung der mikro-, meso- und makrosozialen Ebene deutlich. Selbst die Art und Weise der Beziehung von thematischem und personalem Kontext wirkt in den institutionellen Kontext hinein und beeinflusst den institutionellen Wandel[49].
Breidenbach beschreibt diesen Mediationsansatz als „Social-Transformation-Projekt der Mediation“[50]: Im Mittelpunkt steht dabei die „community“-Idee: Aus der Gemeinschaft und ihrem Wertgefüge kommende MediatorInnen sollen in dem Sinne tätig werden, dass sie unabhängig vom Justizsystem (das durch seine Lebensweltdistanz die Gemeinschaft nur weiter fragmentiert) die Gemeinschaft stärken und einen neuen Sinn entwickeln helfen, indem sie bei der Konfliktbearbeitung mehr Gewicht auf den Zusammenhang zwischen individuellen Konflikten und der Gemeinschaft legen.
Weiter verweist er auf die damit verbundene soziale Kontrolle, die sozialen Wandel fördern soll und setzt dort umgehend mit seiner Kritik an: Er sieht in der Community-Mediation die Gefahr sozialer Kontrolle durch Konformitätsdruck bzgl. maßgeblicher Werte, wenn einer nachbarschaftlichen Gemeinschaft eine Konfliktbehandlungsautorität zugewiesen wird und ihr Kontrolle über Bereiche gegeben werden, die gerade den selbstbestimmten Freiraum des Individuums ausmachen: „Wenn Werte ins Spiel kommen, dann meist die Werte der mehrheitlich anderen.[51] “
Dieser sorgenvoll kritische Hinweis ist verständlich vor dem Hintergrund verschieden ausgerichteter Projekte und Zielvorgaben (z.B. von Finanzgebern) und könnte als Aufforderung gesehen werden, achtsam mit diesem Thema umzugehen. Mit Blick eher auf staatliche Ansprüche bemerkt z.B. F. Winter in diesem Sinne, dass die Arbeitsweise der „Sozialen Mediation“ in Bremen so strukturiert ist, dass Mediation nicht als Ausweitung staatlicher Kontrolle missbraucht werden kann über etwaige Berichtspflichten an die Justiz oder anderer Verfahrensbeteiligte[52].
Die Sorge bzgl. der sozialen Kontrolle und Wertdominanz durch nachbarschaftliche Gemeinschaften wäre verständlicher, wenn GWM anstreben würde, eine verbindliche, formal institutionalisierte Konflikt-regelungsinstanz im Gemeinwesen zu werden (vielleicht sogar mit Schlichterfunktion). Doch heißt GWM dies gerade nicht und gibt auch nicht die Grundsätze von Mediation, wie Allparteilichkeit, Freiwilligkeit und Eigenverantwortung auf.
Hinsichtlich dieser weiteren Ziele räumt Breidenbach auch Ausnahmen bzgl. eines Erreichens ein, doch sei die Wahrscheinlichkeit zu gering, „dass in der Konfliktbehandlung gleichgerichtete, auf Veränderung des gesellschaftlichen Umfeldes zielende Interessen zutage treten, [...], als dass dies sich institutionell fördern ließe.“[53] Ein Nebeneffekt bzgl. einer gesellschaftlichen Veränderung wäre vielleicht noch, so Breidenbach, dass transformative Mediation zur Förderung einer kooperativen Streitkultur in der Gesellschaft beitragen könne.[54]
Diese Hoffnung des transformativen Gedankens scheint sich in der Praxis auch zu bestätigen, betrachtet man z.B. die bei untersuchten Mediationsfällen im öffentlichen Bereich gefundenen „weiche Faktoren“ bei den Ergebnissen: Demnach wurden eine Verbesserung der Beziehung zwischen den Konfliktparteien (81,8%), eine Verbesserung der Konfliktkultur der Akteure (65,2 %) und eine Verständigung über den Umgang mit zukünftigen Konflikten ( 36,4%) erreicht.[55]
Der transformative Ansatz der GWM hängt eng mit dem Gedanken der Mediation als einer Form von Partizipation an gesellschaftlichen Gestaltungsprozessen zusammen.
3 Gesellschaftspolitischer Rahmen für Gemeinwesenmediation
Da in dem hier benutzten Verständnis von GWM der institutionelle Konfliktkontext eine besondere Rolle spielt und die Kopplung von Mediation zu anderen Verfahren, gerade bezüglich der Entscheidungsmodi im politisch-administrativen System, im Fokus der Betrachtung steht, ist es notwendig, den gesellschaftspolitischen Rahmen für Mediation zu verdeutlichen. Im folgenden soll dies anhand des Verhältnisses von Mediation und Demokratie, der Legitimität von Mediation, Mediation und Verwaltungsverfahren, Mediation und Recht und Mediation und Partizipation, versucht werden. Wie zu sehen ist, hängen diese Themenkomplexe sehr eng zusammen, bedingen sich gegenseitig, werfen aber auch jeweils spezifische Fragen auf.
3.1 Mediation und Demokratie
Demokratie als politischer Begriff bezeichnet im Grunde die „Selbstbestimmung des Gemeinwesens“[56]. Die BRD hat als politische Grundordnung eine repräsentative (indirekte) Form der Demokratie in der innerhalb der Gewaltenteilung (Legislative, Exekutive, Judikative) durch ein Parlament Legislative und Exekutive eng verbunden sind.[57]
Das Volk (Demos) als Mehrheit beauftragt eine Minderheit, das Parlament (Mandatsträger des Volkes) und die Regierung, für das ganze Gemeinwesen und somit für sein Gemeinwohl zu sorgen. Das Parlament (Delegierte und Parteien) ist dem Volk gegenüber rechenschaftspflichtig. Das Verhältnis zwischen beiden ist gleichrangig, sie stehen nebeneinander, sind Subsysteme innerhalb des Gemeinwesens.[58] Durch demokratische Verfahren, soll damit im Prinzip die Vermittelbarkeit zwischen Mehrheit der Regierten und Minderheit der Regierenden strukturell gesichert sein und sich das Handeln der letzteren legitimieren.
Das politische System mit seinen im GG verfassten Prinzipien sichert die formelle Demokratie, wobei der Sozialstaat ihre materielle Erfüllung darstellt, indem er den Anspruch der rechtlichen Gleichheit bei faktischer Ungleichheit einzulösen versucht.[59] Da in einer pluralistischen und sozial faktisch ungleichen Gesellschaft nicht alle Interessen gleichermaßen befriedigt werden können, stellt sich die Frage, wessen Interessen durch politische, d.h. durch für eine bestimmbare Zahl von Menschen verbindliche Entscheidungen befriedigt werden sollen. Die Antwort findet sich im demokratischen Prozess, wo in einer öffentlichen Meinungsbildung soziale Gruppen gemeinsame Präferenz-strukturen und Kompromisse erarbeiten, die dann als Zielstellung (und Verteilungsrichtlinie) einen gesellschaftlichen Konses widerspiegeln müsste.
Wo jedoch durch Chancenungleichheiten für bestimmte Gruppen oder Situationen demokratische Entscheidungsmechanismen fehlen, müssen trotzdem Möglichkeiten gefunden werden, um die sozialen Erwartungen korrekt erfassen zu können[60].
Die Grundidee der Demokratie ist also, dass die Ausübung von Herrschaft auf die ausdrückliche Billigung der Herrschaftsunterworfenen basieren muss. Diesbezüglich stellt Zillessen[61] jedoch fest, dass in dem „Maße, wie die Funktion staatlich geregelter Daseinsvorsorge in den Vordergrund getreten ist, die ausdrückliche Billigung durch eine vorwiegend formale Zustimmung zur Herrschaftsausübung ersetzt worden [ist].“ Es sind damit nicht mehr die Ziele an sich, sondern die Auswahl derjenigen, die diese Ziele „fürsorglich“ für den BürgerInnen bestimmen, worauf sich Beteiligung bezieht. Dies geht so lange gut, wie die BürgerInnen den Eindruck haben, dass das Wohl des Gemeinwesens gewahrt bleibt oder sie sich nicht selbst sogar durch politische Entscheidungen direkt beeinträchtigt fühlen.
Das heißt also, dass die Legitimation des demokratischen Prozesses sich über seine Ergebnisse, gemessen an Kriterien der (subjektiven) sozialen Gerechtigkeit selbst stabilisieren kann und auch muss. Diese legitimatorische Basis kommt langsam abhanden[62]. Um sie wieder zu stärken, auch angesichts der Komplexität der gesellschaftlichen Probleme, ist staatliches Handeln verstärkt auf die Kooperation mit gesellschaftlichen Akteuren angewiesen.
In diesem gesellschaftlichen Wandel und mit einem veränderten Selbstverständnis der BürgerInnen reicht eine einfache Zustimmung der Regierten zum Zustandekommen eines Herrschaftsverhältnisses nicht mehr aus, sondern die Zustimmung ist zudem daran gebunden, wie stark die BürgerInnen den Inhalt von Entscheidungen mit beeinflussen können[63].
Das heißt damit auch, dass die bisherigen repräsentativen Verfahren zu einem neuen Miteinander von repräsentativer und direkter Demokratie ergänzt werden müssen. Neue diskursive Formen der Entscheidung(svorbereitung) können traditionelle um Funktionen wie kooperative Kommunikation und Reflexion erweitern und so der neuen Komplexität der aktuellen Entscheidungsbedingungen gerechter werden[64].
Das in den letzten 15 Jahren veränderte Staats-, Verwaltungs- und Demokratieverständnis deutet eine Bewegung in diese Richtung an: neben den Aufgaben „Ordnung und Sicherheit“, „Daseinsvorsorge“, „Gestaltung“ traten als weitere Staatsfunktionen „Orientierung“, „Organisation“ und „Vermittlung“ hinzu. In diesem Verständnis besteht die Aufgabe des Staates auch darin, einen neuen Raum für Kommunikationsprozesse zur Konfliktregelung zuzulassen, auch die eigenen Entscheidungen und Verfahren zur Debatte zu stellen und Ergebnisse kooperativer Beteiligungsverfahren in höherem Maße bei der Entscheidung zu berücksichtigen.[65]
Dies wird grundsätzlich an dem Letztentscheidungsanspruch des Staates nichts ändern, ist aber ein Schritt zu einem neuen Selbstverständnis als vermittlungsbereiter Kooperationspartner gesellschaftlicher Gruppen, der die Selbststeuerungsprozesse der Akteure unterstützt, die Rahmenbedingungen dazu garantiert und somit von dem Anspruch absoluter Entscheidungs-kompetenz ein wenig abrückt.[66]
Dieses neue Selbstverständnisses des Staates nähert sich dem Verständnis von Demokratie als Prozess des vermittelnden Diskurses, an dem (potentiell) jede und jeder teilnehmen kann.
Die hinter dieser Kommunikation stehenden Prinzipien dieser Diskursethik sind, dass alle, die von den Konsequenzen einer Entscheidung betroffen sind, gleichermaßen das Recht haben, in einen gleichberechtigten, kooperativen Streit zu treten und die Beteiligten lernen, sich in der Auseinandersetzung mit den anderen als Teil eines Ganzen zu sehen und solidarisch zu handeln[67].
Diese Art des Diskurses kann Mediation leisten. Duss-von Werdt bezeichnet deswegen „Mediation als Grundgebärde des demokratischen Umgangs miteinander“[68]. Im allgemeinen kann sie das, denn im engeren Sinne ist die Frage der Legitimität von Mediation noch offen.
Interessant sind die damit verbundenen rekursiven Prozesse: Lässt der Staat kooperatives Konfliktmanagement zu und sitzt in Vertretung von Politik oder Verwaltung mit am Tisch – dann zum Teil als „primus inter pares“[69], was auf das Bild über und das Selbstverständnis der Akteure des PAS selbst zurückwirken kann. Im idealen Sinn würden alle gleichberechtigt als Glieder des Gemeinwesens beteiligt sein und GWM dann z.B. die „Konkretisierung“ von Demokratie an der Basis bedeuten. Zudem die überschaubare Reichweite der Entscheidungen, gekoppelt an die persönliche Betroffenheit und davon getragener Motivation, als Bürger (und Mediand) zu partizipieren, eine höhere Wahrscheinlichkeit in sich birgt, mitzudenken und Entscheide mitzutragen[70].
Vom Blickwinkel der Diskursqualität kann Mediation scheinbar einiges leisten. Hinsichtlich des Problems, dass evtl. nicht alle Betroffenen teilnehmen können, führen Renn und Oppermann[71] an, dass „im Sinne des modernen Pluralismuskonzeptes das Gemeinwohl nicht durch Repräsentation der Gesamtbevölkerung, sondern durch Ausgleich zwischen Extremen im Spektrum der möglichen Meinungen erzielt werden kann“, wenn wenigstens die stärksten Kontrahenten repräsentiert wären. Trotzdem würden aber Probleme der mangelnden Beteiligung als demokratisches Defizit der Mediationsverfahren bestehen bleiben.
Es lässt sich also feststellen, dass Mediation die Prinzipien der Diskursethik prinzipiell gewährleistet und auch als Instrument zivilgesellschaftlichen Handelns oder im Sinne veränderter Staatsaufgaben eingesetzt werden könnte. Doch bleibt die begründete Sorge, dass Mediation in diesem Handlungsrahmen durch „selektive Verhandlungen [nur begrenzte Teilnahme; O.S.] demokratische Prinzipien der Mehrheitsentscheidungen aushebeln und möglicherweise das Gemeinwohl unterlaufen [würde; O.S.], wenn rechtlich garantierte und allgemeinverbindliche Regeln und Korrekturmöglichkeiten fehlen.“[72] Der/die Entscheidende muss eine „über“ den Konfliktparteien stehende, demokratisch legitimierte Institution sein, die die Entscheidung am Maßstab des allgemeinen Wohls prüfen und verantworten darf und muss[73].
Die Chance und Möglichkeit kooperativer Konfliktregelungsverfahren könnte also gleichzeitig „als Gefahr für staatliche Souveränität und Steuerungsfähigkeit angesehen [werden; OS], wenn auf dem Wege der Partizipation Kompetenzen bei der Regelung sozialer Konflikte an Private abgetreten werden.“[74]
An den Normen repräsentativer Demokratie gemessen, scheint Mediation als allgemeinverbindliches Entscheidungsverfahren also nicht in vollem Maße rechtmäßig zu sein. Ein Kriterium der Rechtmäßigkeit des Verfahrens im Rahmen der politischen Ordnung, das anzeigt, ob die gefundenen Konsense den Anspruch auf kollektive Verbindlichkeit erheben können – ist die Legitimität.
3.1.1 Legitimität von Mediation
Legitimität bezeichnet im Grunde die Rechtfertigung politischer Herrschaft, die sich an anerkannten Grundnormen und Verfahren orientiert. Nach Habermas besitzen nach dem Wegfallen metaphysisch begründeter Legitimationsansprüche (z.B. religiös begründet) heute allein Regeln und Kommunikationsvoraussetzungen legitimierende Kraft. Allgemeine Legitimitätskriterien für politische Verfahren sind v.a.: Sicherheit (Stabilität und Ordnung erhalten), Gerechtigkeit (Verteilung von Risiken und Nutzen) und Effizienz.[75]
Legitimität von Mediation ist ein Kriterium, ob diese Art der Konfliktbearbeitung zu kollektiv verbindlichen und anerkannten Ergebnissen führt. Der Prozess der Herstellung von Legitimität von Verfahren ist die Legitimation.
Wie für GWM aufgezeigt wurde, handelt es sich oft um die Überschneidung von privaten und öffentlichen Konfliktbereichen, deren Regelung im großen Maße durch den institutionellen Kontext bestimmt wird.
Die Legitimität dieser institutionalisierten (bürokratischen und rechtlichen) Entscheidungsverfahren wird in der Gesellschaft durch demokratische Legitimationsprozesse erreicht. Diese institutionalisierten Verfahren berücksichtigen vor allem den thematischen und institutionellen Kontext eines Konfliktes. Ihr „blinder Fleck“ ist der personale Kontext, in dem es um „emotional geprägte, interpersonelle Beziehungen, subjektive Wahrnehmung von Fakten, unterschiedliche Überzeugungen und Wertvorstellungen“[76] geht. Die Sach- und Beziehungsebenen sind in der konsensualen Bearbeitung von Konflikten jedoch nicht zu trennen, sie bedingen sich gegenseitig. Zu diesem „blinden Fleck“ kommt noch das schon erwähnte Steuerungsdefizit staatlichen Handelns hinzu. Die bisher für Konflikte im öffentlichen Bereich zuständigen formalen Institiutionen, v.a. politische Entscheidungsroutinen der Akteure aus Politik, Verwaltung und Interessensverbänden, die kollektiv verbindliche Entscheidungen fällen, weisen gravierende Defizite im Bereich der Konfliktregelung auf (Informationsdefizit, Demokratiedefizit, Kommuni-kationsdefizit)[77].
Hinsichtlich der Idee, Mediation als Bereicherung in die Verfahrenslandschaft einzufügen, stellt sich die Frage der Verbindlichkeit der Entscheidungen aus der Mediation für das PAS, damit die Ergebnisse der lokalen Konfliktregelungsverfahren zu einem relevanten Input des politischen Entscheidungssystems werden. Es zeigt sich jedoch bisher, dass die politischen und administrativen Entscheidungen, häufig wenig beeinflusst von den Ergebnissen der Mediation blieben. Es gibt also noch keine relevanten Bindungswirkungen oder Begründungszwänge für das PAS.[78]
Bzgl. des Verhältnisses zu demokratischen Verfahren kann Mediation dieses Defizit, wie im vorigen Abschnitt aufgezeigt, auch nicht so einfach ausgleichen. Es bestände die Gefahr, dass bestehende gewählte Repräsentanten und demokratische Gremien abgewertet würden, wenn Beschlüsse einer Mediation im öffentlichen Bereich ausschließlich bindend wären und vom PAS nur noch ratifiziert werden könnten. Die verfahrensinterne Legitimation ist auf die Beteiligung der direkten Konfliktakteure (max. Stakeholder) ausgerichtet und nicht auf eine basisdemokratische oder repräsentative Beteiligung. Demokratische Normen der Öffentlichkeit und Repräsentativität wären nicht gewährleistet.[79]
In der Praxis äußert sich dieses Problem wie z.B. bei einer Mediation in der Stadt Landsberg, wo „die einigende Kraft des Konsens, welcher differenziert in der Mediation gefunden werden konnte, ... in der groben politischen Auseinandersetzung wieder zerrieben [wurde].“[80] Dort wurde Mediation im Vorfeld als Verfahrenskonzept sogar im Stadtrat beschlossen, die Ergebnisse jedoch später über eine mittels Ratsbegehren initiierte Bürgerabstimmung abgelehnt.
Der Mangel an einer erfolgreichen Kopplung von Mediationsverfahren an politische und administrative Verfahren wirft folgende Frage auf:
Welche Voraussetzungen und Möglichkeiten können geschaffen werden, um den Transfer des Konsens zu den politischen Entscheidungsträgern und ggf. eine Einbindung von Mediationsverfahren in formale Entscheidungsprozesse abzusichern oder die Wahrscheinlichkeit dessen zu erhöhen?
Und das vor dem Hintergrund, dass der Staat weiterhin „als Verkörperung eines modernen, gleichsam durch das Reinigungsbad der antiautoritären Bewegung geläuterten Paterfamilias [erscheint; OS], der den Familien-mitgliedern geduldig zuhört, mit ihnen sogar über bestimmte Punkte verhandelt, aber doch nicht gewillt ist, die Macht des ´letzten Wortes` preiszugeben.“[81]
Die Legitimation von Mediation in diesen Zusammenhängen speist sich zum einen aus der verfahrensinternen Legitimation und zum anderen aus der verfahrensexternen Legitimation.
3.1.1.1 Interne Legitimation
Durch welche Faktoren wird Mediation als Verfahren zur Konfliktregelung und ihre Ergebnisse von den Beteiligten selbst als verbindlich anerkannt und damit legitimiert?
Interne Legitimation kooperativer (diskursiver) Konfliktregelungsverfahren hängt – je nach Fallkonstellation - vor allem ab von der prinzipiell offenen, transparenten und gleichberechtigten Einbeziehung der Konfliktparteien und sachkompetenter Akteure. Im einzelnen gehören dazu[82]:
- Neutralität von Mediatoren und Finanzierung,
- Klar vereinbarter Verhandlungsrahmen, der Verbindlichkeit und Vertraulichkeit gewährleistet,
- Faire und problemgerechte Auswahl der Beteiligten,
- Klärung des Verhandlungsmandates der Gruppenvertreter im Verfahren und der Rückkopplung zu den von ihnen Repräsentierten,
- Möglichkeit von Partizipation – wie direkt und in welchem Umfang (Reichweite der Bemühungen) soll die Beteiligung erfolgen?
- Qualität der inhaltlichen Kompetenz (Informationsinput und Bewertung), Einbezug von Laien- und Expertenwissen, Differenziertheit der verhandelten Interessen
- Effektivität der Konfliktkommunikation (kommunikative Kompetenz) in Form von Diskursen und Verhandlungen bei hohem qualitativen ...
- Diskursniveau (Wie gerecht wird es von den Entscheidungsbetroffenen gehalten und welche argumentative Qualität wird verwirklicht? Verfahrensgerechtigkeit und Umgang mit unterschiedlichen Gerechtigkeitsvorstellungen; Transformativer Ansatz – Ermöglichung koevolutionären Lernens und Veränderung der Sichtweisen)
Eine besondere Rolle kommt der Einschätzung der subjektiven Verfahrens-gerechtigkeit in Mediationen durch die Beteiligten zu. Demnach erhöht sich die subjektiv wahrgenommene Gerechtigkeit, wenn[83]:
- die Konfliktparteien am Verfahren mitwirken können, ihre Sichtweisen gleichermaßen im Verfahren berücksichtigt werden,
- sie respektvoll behandelt werden und die Kommunikation wertschätzend ist,
- Entscheidungen transparent aufgrund sachlicher und nachprüfbarer Argumente zustande kommen und nicht willkürlich erscheinen und
- diese argumentativen Prinzipien konsistent angewendet werden und ggf. mit inhaltlichen Gerechtigkeitsprinzipien begründet werden,
- entscheidungsrelevante Informationen auf ihren Wahrheitsgehalt geprüft werden,
- Entscheidungen revidiert werden können, wenn neue Informationen und Argumente hinzukommen,
- ethische Prinzipien die Grundlage der Entscheidungen sind und
- Verstöße gegen vereinbarte Diskursregeln von dem Mediator bzw. der Mediatorin benannt und unterbunden werden.
3.1.1.2 Externe Legitimation
Die Frage der externen Legitimation zielt auf die Verbindung des Verfahrens zu politischen Entscheidungsprozessen bestehender Institutionen (institutionelle Kopplung). Diese Einordnung in größere systemische Zusammenhänge bestimmt letztendlich auch die demokratische Qualität von Mediation, wenn sie den öffentlichen Bereich berührt.[84] Wie kann es trotz der Rolle des PAS als „pater familias“ gelingen, für Mediationsergebnisse eine (wenigstens informelle) Bindungswirkung zu erreichen und somit das verfahrensinterne Legitimationspotential für den politischen Prozess nicht verschenkt ist?
Hinsichtlich des Erreichens einer externen Legitimation müssen teils auch Faktoren der internen Legitimation relativiert werden. Z.B. die Vertraulichkeit, die mit einem Ausschluss der Öffentlichkeit von den Verhandlungen einhergehen kann, was die Nachprüfbarkeit von Argumenten und damit ggf. auch die Legitimation der Ergebnisse gegenüber den Nichtbeteiligten beeinträchtigt[85]. Andere „Fallstricke“ sind in der Bedingtheit des institutionellen Wandels verborgen. Änderungen bei Institutionen[86] müssen immer auch mit Akteuren durchgeführt werden, die sich den bisherigen institutionellen Bedingungen angepasst haben, um die Verfolgung ihrer Interessen zu ermöglichen.[87]
[...]
[1] In Bezug auf den schriftlichen Umgang mit weiblichen und männlichen Personen- bzw. Berufsbezeichnungen habe ich mich auf die Verwendung des großen „I“ entschieden. Bei Abweichungen handelt es sich explizit um Frauen oder Männer, oder selten, bei Gefahr der Unlesbarkeit.
[2] Zu dieser Zeit beschäftigten Birgit Rausch und ich uns in der damaligen „Konfliktwerkstatt Potsdam“ mit dem Versuch, Mediation als Instrument zur Stadtteilentwicklung „nutzbar“ zu machen. Anfang 2003 gründeten wir mit KollegInnen den „Lösungsweg e.V.“ mit angegliederter „Mediationsstelle Potsdam“ für Gemeinwesenmediation.
[3] Troja 1998, S. 94.
[4] In dieser Arbeit benutze ich einen sozialwissenschaftlichen Institutionenbegriff, nachdem Institutionen „allgemein anerkannte und somit auch relativ stabile Verhaltensmuster bzw. Regeln für das gesellschaftliche Zusammenleben, (...) gesellschaftliche Normen, etablierte Verfahren, Handlungs- und Beziehungsmuster (...) sowie rechtliche Regelungen und klar definierte Verteilungssysteme für Macht und/oder Ressourcen [sind]“ (Troja 2001, S. 105). Im engeren Sinne bezieht er begrifflich als Institutionen z.B. auch Parteien, Regierung, Parlament, Verwaltung, Gerichte, ... mit ein.
[5] Siehe Anhang
[6] Mayring 1999, S. 52.
[7] vgl. Kreutz/Titscher 1974, S. 45; Sie führen dies am Beispiel der Konstruktion von Fragebögen aus, wobei das Prinzip auch im Leitfadeninterview genauso sinnvoll erscheint.
[8] vgl. Mayring 1999, S. 92f und Mayring 1997, S. 75.
[9] Über fast jeden einzelnen Begriff der in der allgemeinen Beschreibung der Merkmale von Mediation lässt sich ausführlich und kontrovers diskutieren. So etwa über den „Mythos der Freiwilligkeit“ – eher verstanden als Freiwilligkeit der Wahl, das Wesen von Allparteilichkeit oder Neutralität – und deren Grenzen, ob konsensuale Lösungen wirklich immer angestrebt werden, wie informell Mediation im gerichtsnahen Feld ist, ... die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Je nach Mediationsfeld und vertretener –schule werden diese Punkte unterschiedlich diskutiert. Dies soll hier nicht geschehen, da für den Zweck dieser Arbeit eine allgemeine Definition ausreichend ist und der Fokus auf andere Fragen bzgl. der Definition gerichtet sein wird.
[10] vgl. MEDIATOR 2004, S. 59. Die hier gemeinsame minimale Grundstruktur besteht in einer Vorphase (im Text Phase 1) und einer Hauptphase (Phasen 2-6) mit evtl. kleineren Arbeitsgruppen (vgl. ebd. S. 57f)
[11] vgl. z.B. Besemer 1999, S. 15f; Kessen/Troja 2002, S. 395ff; Glasl 1997, S. 427f – hier allg. für Vermittlungsstrategien.
[12] Besemer 1999, S. 44.
[13] Spangenberg 2000, S.87.
[14] Zur Unterscheidung von interner und externer Legitimation siehe Punkt 3.1.1ff.
[15] vgl. Glasl 1997, 215ff. und Sturm 2004, S. 16.
[16] Glasl 2004, S. 12.
[17] vgl. Glasl 2003, S. 102ff.
[18] Näheres zum Thema der Berufsbildstereotypen im Mediationsbereich wie z.B. „psychosoziale MediatorInnen“ oder „anwaltliche MediatorInnen“ und deren Wirkung in: Bernhardt/Winograd 2002 und Montada/Kals 2001. Bei Mediation im öffentlichen Bereich fand die MEDIATOR GmbH als Ausbildungshintergründe z.B. v.a. Sozialwissenschaftler, Juristen, Pädagogen, Psychologen, Dipl.Ing., Architekten, Planer, Volkswirte (vgl. MEDIATOR 2004, S.86).
[19] vgl. z.B. Besemer 1999, S. 116ff; Kessen/Troja 2002, S. 403ff; Montada/Kals 2001, S. 227ff; Thomann/Schulz v. Thun 2003 S. 84ff; Schlippe/Schweitzer 2002, S. 116ff.
[20] Der Begriff des „Gemeinwesens“ wurde einerseits von F. Tönnies als ein Typ von Gemeinschaft (gekennzeichnet durch kodifizierte Normen, tradierte Sitten u. Gebräuche und Bedürfnisse und Fähigkeiten der Mitglieder) beschrieben. Andererseits heutzutage eher allgemeiner im Gemeinde-ähnlichen Sinne als kleine räumlich begrenzte soziale Einheit verwendet, wobei Oelschlägel im Kontext der Gemeinwesenarbeit erweiternd eine ganzheitliche Betrachtungsweise des GW im Sinne von Lebensverhältnissen, Lebensformen und –zusammenhänge der Menschen (subjektive Lebenswelt) feststellt (vgl. Reinhold 1997, S. 204; Stimmer 1998, S. 201.).
[21] Vorschlag der Fachgruppe GWM des Bundesverbandes Mediation e.V. vom 4./5. Juni 2003.
[22] Diese Merkmale stellen jedoch nicht das „Maß der Dinge“ für deutsche GWM-Projekte dar, die eine eigene Definition erarbeiten, wie auch Gabrielle Gropman, langjährige Leiterin des Harvard Mediation Program in Cambridge (USA) nach dem Deutschlandbesuch Juni 2004 feststellte (Gropman 2004).
[23] Auch bei einer homogeneren Zusammensetzung der MediatorInnengruppe kann tendenziell eines der mit diesem Punkt angestrebten Ziele, der niedrigschwelligere Zugang durch höheres Vertrauen, mit dem Faktor des „anerkannten Stadtteilengagements“ ausgeglichen werden, wie die Evaluation eines Stadtteilvermittlungsprojekts in Berlin feststellt. Behn/Brandl 2002, S. 48.
[24] Definition der National Association for Community Mediation (NAFCM) zitiert in: Metzger 2000, S. 239.
[25] vgl. Metzger 2000, S. 242.
[26] Breinlinger et.al. 2000, S. 258f. Noch werden beide Begriffe, „Umweltmediation“ und „Mediation im öffentlichen Bereich“ parallel verwendet.
[27] vgl. MEDIATOR 2004, S. 6 u. 12ff.
[28] ebd. S. 16f.
[29] ebd. S. 36, Kriterien der für die dortige Untersuchung erhobenen Mediatonsfälle im öffentlichen Bereich.
[30] Troja 2001, S. 104.
[31] MEDIATOR 2004, S. 17.
[32] ebd. S. 22. In ihrer Untersuchung fassen sie traditionell als Gemeinwesenmediationsfälle bezeichnete Konflikte unter den Bereich „Politisch-soziale Problemfelder (vgl. ebd. S. 44f).
[33] zur Bedeutung von Beteiligten und Stakeholdern siehe u. Punkt 5.2.
[34] Troja 2001, S. 106.
[35] Deshalb argumentieren die Anwaltskammern, dass es sich bei Mediation um privatautonome Rechtssetzung handele mit Eingehung eines rechtsverbindlichen Vertrages. Mediation somit eine konkrete Rechtsgestaltung sei, die nur durch anwaltliche Mediatoren zulässig und ansonsten ein Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz ist (Spangenberg 2000, S. 87 f). Weiter dazu siehe unter Punkt 3.3 „Mediation und Recht“.
[36] Zum Verhältnis von Mediation zur (lebensweltorientierter) Sozialer Arbeit siehe Punkt 4.3.
[37] z.B. in Frankfurt/Main u.a. über das Programm „Soziale Stadt“ – einen Bericht über die Entwicklung und Arbeit dieses Projektes, das im Unterschied zu anderen bei einem Amt angegliedert ist (Amt für multikulturelle Angelegenheiten), geben Büttner et.al. 1997.
[38] In einem Gespräch der Fachgruppe GWM des Bundesverbandes Mediation.
[39] Dies scheint sich auch für die Mediationsstelle Potsdam zu bestätigen. Zuerst als Angebot für nur einen Stadtteil konzipiert, arbeitet sie jetzt übergreifend für die Gesamtstadt.
[40] nach Metzger 2000, S. 239 ff.
[41] Kolhoff 2001 und z.B. auch der Ansatz von Kerntke 2004; Das Hexagon ist adaptiert vom „Pädagogischen Hexagon“ von Faller 1998, S. 76ff, der mit diesem Modell die notwendigen Veränderungsbereiche bzw. –ebenen bei der Entwicklung wirksamer Systeme konstruktiver Konfliktbearbeitung in Kindergarten, Schule und Jugendarbeit unter Berücksichtigung ihrer Einbettung in kommunale Zusammenhänge verdeutlicht.
[42] Fisher/Ury/Patton 2000.
[43] Bush/Folger 1994.
[44] eine Zusammenstellung der Ansätze findet sich u.a. bei Glasl 2003; bei Breidenbach 1995, S. 119ff der es die verschiedenen „Projekte“ der Mediation nennt oder Besemer 2002b, S. 26, der sie als die verschiedenen „Mediations-Philosophien“ vorstellt.
[45] vgl. Besemer 2002b, S. 27; Kessen/Troja 2002, S. 403.
[46] vgl. Pelikan 1999, S. 11.
[47] vgl. Kohlhoff 2001, S. 84.
[48] vgl. Winter 2003, S. 73.
[49] Troja 2001, S. 400ff
[50] Breidenbach 1995, S.133.
[51] Breidenbach 1995, S. 244; Diesen Gedanken herrschaftsstabilisierender Effekte alternativer Verfahren der Konfliktreglung durch subtile Mechanismen sozialer Kontrolle hebt Bröckling (2002) auch hervor, weist aber darauf hin, dass die Unterstellung eines hegemonialen Programms oder gar eine gezielte Manipulationsstrategie des kapitalistischen Klassenstaates zu weit geht, sondern dieser Gedanke eher als kritische Reflexion die Entwicklung und Praxis von Mediation begleiten und eine Verklärung verhindern sollte.
[52] vgl. Winter 2003, S. 73f.
[53] Breidenbach 1995, S. 245.
[54] Eindrucksvoll wird auch die transformative Wirkung (Einstellung, Haltung, Konfliktkultur) der Mediation im öffentlichen Bereich am Beispiel der Flughafenmediation in Wien-Schwechat von H. Zillessen geschildert (Zillessen 2004).
[55] vgl. MEDIATOR 2004, S. 84.
[56] Duss-von Werdt 2003b, S. 31.
[57] Das Bundesverfassungsgericht (BverfG-Entscheidung 2,12f) hat 1952 einen „Minimalkatalog“ der Elemente des Demokratieverständnisses des Grundgesetztes aufgestellt: „So lässt sich die freiheitliche demokratische Grundordnung als eine Ordnung bestimmen, die unter Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu rechnen: die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortung der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition.“
[58] vgl. Duss-von Werdt 2003b, S. 33.
[59] vgl. Einem 2003, S. 71.
[60] vgl. Tenbruck 1972,
[61] vgl. Zillessen 2002, S. 3f.
[62] vgl. Einem 2003, S. 71f; Vor dem Hintergrund dieses Legitimitätsverlusts, der in den USA schon in den 60er Jahren offenkundig wurde, entwickelten sich vielfältige ADR-Verfahren dort viel früher als in Deutschland (vgl. Bröckling 2002, S. 5).
[63] vgl. Zillessen 1998, S. 11.
[64] vgl. Zillessen 2002, S. 8.
[65] vgl. Troja 2001, S. 144f.
[66] vgl. Leppert 1999, S. 60 und Zillessen 1998, S. 53.
[67] vgl. Duss-von Werdt 2002, S. 155 und Zillessen 2002, S.8.
[68] Duss-von Werdt 2000, S. 127; auch Kleve 2002, S. 175 betont, dass Mediation den aktuellen ethischen Postulaten einer diskursiven, dialogischen und kommunikativen Verfahrensqualität gerecht wird.
[69] vgl. Troja 1998, S. 78.
[70] Duss-von Werdt 2002, S. 152.
[71] vgl. Renn/Oppermann 2001, S.22.
[72] Troja 1998, S. 79.
[73] vgl. Groth 2001, S. 37.
[74] Troja 1998, S. 78.
[75] vgl. Troja 1998, S. 79ff.
[76] Troja 2001, S.107f.
[77] vgl. Troja 2002, S. 97.
[78] vgl. ebd., S. 98; das Ergebnis der DFG- Studie der MEDIATOR GmbH (2004, S. 79ff.) die 86 Mediationsverfahren im Zeitraum 1996-2002 auswertete, kommt zu einem positiveren Ergebnis, das besagt, dass in 82% der Fälle, „die Inhalte des Ergebnisses ´ganz` oder ´zum großen Teil` in den anstehenden politisch-administrativen Beschluss aufgenommen [wurden; O.S.]“. Wobei die Frage offen bleibt, inwieweit eine Umsetzung dann auch vollständig realisiert wurde.
[79] vgl. Troja 2002, S. 100.
[80] Meyer-Oldenburg/Sellnow 2003, S.131.
[81] Zillessen 1998, S. 9.
[82] vgl. Troja 2001, S. 145ff. Eine Synopse interner und externer Faktoren befindet sich ebd. S. 222ff.; vgl. auch Baumann 2002, S. 5.
[83] vgl. Montada/Kals 2001, S.117 u. Montada 2000, S. 50f.
[84] vgl. Troja 2001, S. 191.
[85] vgl. Renn/Oppermann 2001, S. 22 und Zillessen 2000, S. 140.
[86] auch hier gilt ein sozialwisssenschaftlicher Institutionenbegriff (allg. anerkannte und somit auch relativ stabile Verhaltensmuster und Regeln für das gesellschaftliche Zusammenleben, wie gesellschaftliche Normen, etablierte Verfahren, rechtliche Regelungen, klar definierte Verteilungssysteme für Macht und/oder Ressourcen. vgl. Troja 2002, S. 96.).
[87] Bzgl. der bestehenden Institutionen traten meist hohe Einrichtungskosten auf, die gemeinsam mit den damit aber erzielte positiven Lern- und Koordinationseffekten (z.B. darauf ausgerichtete Strukturen u. Netzwerke), erst einmal gegen einen Wandel sprechen, vgl. Troja 2002, S. 99.
- Quote paper
- Dipl. Sozialarbeiter/Sozialpädagoge Olaf Schulz (Author), 2004, Gemeinwesenmediation als Methode partizipativer Gemeinwesenarbeit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/85240
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