Der Duden definiert eine Anekdote als "eine kurze, jemanden humorvoll charakterisierende Geschichte" (DUDEN 1996, S.112). Meyers Taschenlexikon bestimmt die Anekdote als "pointierte Geschichte" bzw. "epische Kleinform, die auf einen Moment zielt, in dem sich menschliche Charakterzüge enthüllen oder in dem die Merkwürdigkeit oder die tieferen Zusammenhänge einer Begebenheit zutage treten." (MEYERS TASCHENLEXIKON 1990, S.341). Dabei werden Gesellschaften verschiedener Epochen charakterisiert. In der Antike hingegen war Anekdote die Bezeichnung für entweder geheime oder für noch nicht veröffentlichte Werke. (vgl. SCHÄFER 1982, S.9-10)
Es gibt zahlreiche Definitionsarten der Anekdote, die zum Teil übereinstimmen, sich zum Teil aber auch widersprechen. Diese "Widersprüche und Komplikationen sowie Unklarheiten in der Begriffsdefinition ergeben sich aus der Tatsache, dass Anekdoten und ihre Grenzen zu benachbarten Prosagattungen (wie Facetie, Apophthegmata, Schwank, Witz, Kalendergeschichte, Parabel, Kurzgeschichte, Novelle usw.) außerordentlich fließend sind." (GROTHE 1984, S. 10)
Victor Lange versucht die Anekdote zu definieren, indem er ihre Unterschiedlichkeit zum Witz kenntlich macht. Bei der Anekdote werde eine bekannte Person durch eine pointierte sprachliche Äußerung charakterisiert. Es bedarf also anders als beim Witz keines weiteren interessanten Handlungszusammenhangs. Darüber hinaus verfüge die Anekdote über eine didaktische Tendenz, so dass sie sowohl als Überredungsmittel als auch Gesellschaftskritik taugt. ( vgl. ebd., S.10)
Im 18.Jahrhundert knüpfen Gottsched, Lessing und Adelung an die Tradition der Kurzprosa an und beschreiben die Anekdote folgendermaßen: "Die Anekdote hat die Bedeutung einer unbekannten Begebenheit." (ebd., S.11)
Ursprünglich war die Anekdote eine Form der mündlichen Kommunikation, die in vier verschiedenen Weisen auftritt:
1) "als volkstümlich-vorliterarisches Element des alltäglichen Erzählens"
2) "als Zweckform in der Geschichtsschreibung, d.h. als Form der Historiographie oder Biographie"
3) "seit dem 18./19. Jahrhundert als literarische Gattung"
4) "als gesellschaftliche Kommunikationsform in den Massenmedien" (SCHRADER 1986, S.159)
Wie schon erwähnt sind die Definitionen der Anekdote sehr vielfältig. Monika Schrader definiert die Anekdote vom Inhalt her. Sie sei eine Erzählform, die "eine charakterisierende Herzens- oder Geistesäußerung einer Person enthalte" (SCHRADER , S.159).
Inhaltsverzeichnis
- Definition des Begriffs Anekdote
- Geschichtlicher Überblick
- Aufbau und Form der Anekdote
- Dreiteiligkeit
- Die Einleitung: „occasio"
- Die Überleitung: „provocatio"
- Die Pointe: „dictum"
- Graphische Zusammenfassung des Aufbaus einer Anekdote
- Abgrenzung
- Anekdote — Schwank
- Anekdote - Kalendergeschichte
- Anekdote — Witz
- Typen der Anekdote
- Didaktischer Ausblick
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit der literarischen Gattung der Anekdote und bietet eine umfassende Darstellung ihrer Definition, Geschichte, Struktur, Abgrenzung zu anderen Gattungen, Typen und didaktischen Möglichkeiten.
- Definition und Entwicklung des Begriffs "Anekdote"
- Geschichtlicher Überblick über die Anekdote in verschiedenen Epochen
- Aufbau und Form der Anekdote, insbesondere die Dreiteiligkeit (Einleitung, Überleitung, Pointe)
- Abgrenzung der Anekdote von ähnlichen Gattungen wie Schwank, Kalendergeschichte und Witz
- Typen von Anekdoten und ihre unterschiedlichen Funktionen
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel definiert den Begriff "Anekdote" und beleuchtet die verschiedenen Definitionen und ihre Widersprüche. Es zeigt, dass die Anekdote eine fließende Grenze zu anderen Prosagattungen hat und sich durch ihre Kürze, Pointierung und charakterisierende Funktion auszeichnet.
Das zweite Kapitel gibt einen geschichtlichen Überblick über die Anekdote, beginnend mit ihren antiken Wurzeln und der Entwicklung des Begriffs "Anekdote" im 18. Jahrhundert. Es werden verschiedene Typen der Anekdote in der Literaturgeschichte vorgestellt und deren Intention und Entwicklung beleuchtet.
Das dritte Kapitel analysiert den Aufbau und die Form der Anekdote. Es werden die drei Erzählschritte "occasio", "provocatio" und "dictum" erläutert und anhand von Beispielen verdeutlicht, wie die Spannung bis zur Pointe gesteigert wird.
Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit der Abgrenzung der Anekdote von anderen literarischen Gattungen wie dem Schwank, der Kalendergeschichte und dem Witz. Es werden die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Gattungen aufgezeigt und anhand von Kriterien wie Intention, kommunikativer Absicht und Bezug auf bestimmte Persönlichkeiten differenziert.
Das fünfte Kapitel stellt verschiedene Typen von Anekdoten vor, die sich nach Funktion und Thematik unterscheiden. Es werden Klatschanekdoten, Standesanekdoten, geschichtliche Anekdoten, politische Anekdoten, mitmenschliche Anekdoten und Wanderanekdoten vorgestellt und ihre jeweiligen Merkmale erläutert.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Anekdote als literarische Gattung, ihre Definition, Geschichte, Struktur, Abgrenzung zu anderen Gattungen, Typen und didaktische Möglichkeiten. Der Text beleuchtet die charakterisierende Funktion der Anekdote, ihre pointierten Geschichten und die Bedeutung der Pointe als Höhepunkt der Erzählung. Weitere wichtige Themen sind die Dreiteiligkeit der Anekdote mit Einleitung, Überleitung und Pointe, die verschiedenen Typen von Anekdoten und ihre Verwendung in der Literaturgeschichte.
- Citation du texte
- Jörn Diercks (Auteur), Michael Hinkel (Auteur), 2001, Die Anekdote. Definition, geschichtlicher Überblick sowie Aufbau und Form, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/8520
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