Die vorliegende Arbeit setzt sich zum Ziel, anhand von Plinius´ Tätigkeit in Pontus et Bithynia die Vernetzung der römischen Zentrale mit ihren Provinzen eingehender kennenzulernen. Dabei sollen fundierte Haltungen in den beiden Fragen ermöglicht werden, über die in der modernen Literatur am meisten Unklarheit herrscht: Ob Plinius ein selbständiger Statthalter war und ob seine Mission als ein Sonderfall zu bezeichnen ist. Die daraus hervorgehenden Resultate ermöglichen es im Verbund mit grundlegenden Kenntnissen über die Provinzverwaltung zu beurteilen, welche Rolle Plinius´ Statthalterschaft in dem Wechselspiel zwischen Zentrum und Peripherie der römischen Herrschaft eingenommen hat.
Inhaltsangabe
A. EINLEITUNG
B. VORAUSSETZUNGEN FUR PLINIUS' STATTHALTERSCHAFT
I. Die Vernetzung von Reichszentrale und Peripherie
a) Die Verwaltungstatigkeit Roms
1.Die Provinzeinteilung des Jahres 27 v. Chr
2.Der EinfluB der Kaiser auf die offentlichen Provinzen
3.Die Finanzen des Reiches
4.Das provinziale Rechtswesen
b) Der Statthalter
1.Die verschiedenen Typen von Provinzstatthaltern
2.Die statthalterliche Tatigkeit
3.Die Begleitung des Statthalters wahrend seiner Tatigkeit in der Provinz
4.Der Statthaltersitz und das Statthalterarchiv
c)Die lokale Selbstverwaltung im griechischen Osten
1.Die Polis
2.Die verschiedenen Typen von Stadten
3.Die Privilegien der Stadte
4.Die Aufgaben der Stadte
5.Die stadtische Verfassung
6.Die wirtschaftlichen Leistungen der stadtischen Oberschicht
7.Eingriffe der Reichszentrale bei auftretenden Schwierigkeiten
8.Die Aufsicht Roms uber die stadtische Gesetzgebung
9.Die diplomatische Tatigkeit der Stadte
10.Die Provinziallandtage
II. Plinius und seine Provinz
a) Die Provinz Pontus et Bithynia
1.Die Einrichtung der Provinz durch Pompeius
2.Die Provinz seit Antonius
3.Militarische Aspekte
4.Die Probleme der Provinz
b) Plinius' Laufbahn
1.Die fruhen Jahre bis zu seinem Konsulat
2.Die personliche Beziehung zwischen Plinius und Traian
3.Plinius' Amter nach seinem Konsulat
4.Plinius' personliche Voraussetzungenfur seine Statthalterschaft
C. PLINIUS' STATTHALTERSCHAFT
I. Das zehnte Buch der Briefsammlung des Plinius
a) Die Herausgabe der Briefe
b) Wer beantwortete Plinius' Anfragen?
c) Der Inhalt der Anfragen des Plinius und der Antworten Traians
II. Plinius' Arbeit in seiner Provinz
a) Die Hauptaufgaben
1.Plinius' Status in der Provinz
2.Traians Anweisungen an Plinius zur Ausubung seiner Tatigkeit
3.Vorangegangene ReaktionenromischerHerrscher auf besondere Situationen
4.Traians AnlaB fur eine auBerordentliche MaBnahme
b) Die praktische Ausubung der Statthalterschaft durch Plinius
III. Analysen zu Plinius' Anfragen und Traians Antworten
a) Inhaltliche Schwerpunkte
b) Die Notwendigkeit der Anfragen
c)Die Argumente des Plinius und Traians Entscheidungen
d) Die Charakterisierung der Entscheidungen Traians
IV. Plinius' Verwaltungstatigkeit im Urteil
a) War Plinius ein selbstandiger Statthalter?
b) War Plinius' Statthalterschaft ein Sonderfall?
D. ZUSAMMENFASSUNG
E. LITERATURVERZEICHNIS
A. Einleitung
Der Briefwechsel zwischen dem Statthalter der Provinz Pontus et Bithynia der Jahre 110 bis 1121, Gaius Plinius Caecilius Secundus, und seinem direkten Vorgesetzten, dem romischen Kaiser Traian, ist eine Quelle von hervorragendem Wert, die der Nachwelt einen tiefen Einblick in die politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Verhaltnisse einer romischen Provinz bietet. Ebenfalls stellt sich in den Briefen die Personlichkeit eines kaiserlichen Beamten dar sowie seine Amtsfuhrung, um deretwillen er sich immer wieder an den Herrscher wandte. Dieser gut dokumentierte Einzelfall romischer Provinzverwaltung wird in der vorliegenden Arbeit betrachtet mit dem Ziel, anhand eines Beispiels die Vernetzung der romischen Zentrale mit ihren Provinzen eingehender kennenzulernen.
Bei einer solchen Studie muB stets im Auge behalten werden, daB eine einheitliche Verwaltungsstruktur im Imperium Romanum im Grunde nicht existierte. Millar stellt dementsprechend in seinen Untersuchungen fest:
what we see is not an arrangement of compartments, of administrative hierarchies, but an array of institutions, communities and persons, the relations between which depended on political and diplomatic choices which could be made of any of the parties. What passes for 'administration' was in fact largely either jurisdiction and the settlement of disputes, or diplomacy"2
In einem Uberblick wird daher zunachst das gesamte ,,array of institutions, communities and persons' betrachtet, da nur so eine Vorstellung von der Wechselwirkung zwischen Zentrale und Peripherie der Herrschaft gewonnen werden kann. Der Hauptteil der Arbeit wird dann diese Wechselwirkung anhand der Statthalterschaft des Plinius untersuchen und dabei prufen, ob diese ein Beispiel auch fur die Tatigkeit anderer Beamten abgibt. Die gesamte Untersuchung lauft also auf die Frage nach der Besonderheit von Plinius' Statthalterschaft hinaus, die es erst moglich macht, dieses Amt in die von der Zentrale gelenkte Provinzverwaltung einzuordnen und die Moglichkeiten des Kaisers, in die Angelegenheiten einer Provinz einzugreifen, sowie deren Ausschopfung sichtbar zu machen.
Fur die Bearbeitung dieser Aufgabenstellung laBt sich keine lineare Vorgehensweise finden, die ihre Ziele geradlinig verfolgt. Vielmehr muB versucht werden, das Problem von verschiedenen Seiten anzugehen und sich dabei gleichsam spiralig der zentralen Frage anzunahern. Um diese Methodik in ein luzides System zu bringen, sollen die einzelnen Arbeitsschritte kurz charakterisiert werden.
Begonnen wird mit einer Beleuchtung des eigentlichen Arbeitsfeldes eines Provinzstatthalters. Dabei wird zum einen auf die Arbeit der romischen Zentrale und ihrer Vertreter vor Ort, besonders der Statthalter, eingegangen3 ; zum anderen wird gezeigt, wie die Polis, das in der Praxis entscheidende Element der Reichsverwaltung im griechischen Osten, zugleich ein Arbeitsfeld fur und Freiraum von der romischen Zentralverwaltung darstellte, ein Aspekt, durch dessen Betrachtung das Prinzip romischer Provinzverwaltung erst wirklich deutlich wird. Bei diesem Uberblick wird, ohne Prozesse, die vorher ihren Anfang nahmen oder spater zu einem AbschluB kamen, ganzlich auszublenden, insbesondere die Epoche der fruhen Kaiserzeit mit dem Blick auf den griechischen Osten in den Mittelpunkt geruckt, um so die Vorgange in Pontus et Bithynia und die dort von Plinius dem Jungeren ausgeubte Statthalterschaft angemessen einordnen zu konnen.
Immer noch einfuhrend, aber bereits scharfer auf das eigentliche Ziel ausgerichtet wird die Beschaftigung mit der Provinz Pontus et Bithynia sein, die bereits die Probleme und besonderen Gegebenheiten anreiBt, mit denen Plinius sich wahrend der Ausubung seines Amtes auseinanderzusetzen hatte. Geklart werden soll vor allem, welche rechtlichen Grundlagen in der Provinz vorherrschten und welche besonderen Probleme die Verwaltung der Provinz erschwerten.
Darauf folgt die Annaherung an den zentralen Teil der Untersuchung. Fragen nach Plinius' Karriere bis zu seinem Amtsantritt, nach seiner Beziehung zu Traian und seinen personlichen Voraussetzungen fur das Amt werden betrachtet, um aufzuklaren, auf welcher Art von Beziehung der intensive Briefwechsel zwischen Statthalter und Kaiser basierte und warum der Kaiser Plinius mit einer Mission betraut hat, die -soviel sei vorweggenommen - von einer gewissen Brisanz war.
Diese einfuhrenden Aspekte werden moglichst komprimiert dargeboten, da der Schwerpunkt der Arbeit auf Plinius' Statthalterschaft selbst liegen soll.4 Es werden jedoch, soweit moglich, die grundsatzlichen Arbeitsbedingungen Erwahnung finden, die in dem sich mit speziellen Fragen beschaftigenden Briefwechsel zwischen Plinius und Traian nicht zur Sprache gekommen sind. Zudem werden die auBeren und inneren Voraussetzungen herausgearbeitet, unter denen Plinius in seiner Provinz gearbeitet hat, so daB sein spezifisches Tatigkeitsfeld und seine dafur vorhandenen Kompetenzen deutlich werden.
Mit einem kurzen Abschnitt uber die Genese der Briefsammlung und der einzelnen Briefe, dem wichtigsten Quellenmaterial im Rahmen dieser Arbeit, sowie einer Wiedergabe der Anfragen und der Antworten, die bereits einige den Inhalt betreffende Kommentare mit einbezieht, ruckt nun Plinius' Statthalterschaft in den Mittelpunkt. Zunachst werden die Hauptaufgaben, die Plinius in seiner Provinz zu erfullen hatte, rekonstruiert, wobei auch auf die Frage eingegangen wird, warum Traian uberhaupt Pontus et Bithynia unter seine Obhut genommen und einen ihm weisungspflichtigen Statthalter eingesetzt hat. Wie dieser in der Praxis sein Amt ausgeubt hat, wird dann im AnschluB nachgezeichnet, so daB nach den Tatigkeiten der Statthalter im allgemeinen die Amtsfuhrung eines einzelnen dieser hohen Beamten deutlich wird.
Darauf werden verschiedene Analysen zu den einzelnen Briefen und Briefpaaren vorgenommen, deren Ergebnisse noch einmal naher an die zentralen Fragen der vorliegenden Arbeit heranfuhren: zum ersten, in welchen statthalterlichen Aufgabenbereichen Plinius schwerpunktmaBig Grunde fand, sich mit Anfragen an den Kaiser zu richten, und zum zweiten, ob diese Anfragen tatsachlich notwendig waren. Darauf werden die Antworten Traians in die Untersuchung miteinbezogen, um herauszufinden, wie Traian auf Plinius' Anfragen einging und welche Vorstellungen von Provinzverwaltung schlieBlich aus seinen Antwortschreiben hervorgehen. Denn uber die Haltung Traians zu verschiedenen Fragen wird auch die Politik deutlich, die Plinius gegenuber den Provinzialen zu verfolgen hatte.
Die Arbeit wird abgeschlossen mit einer Beurteilung von Plinius' Statthalterschaft, die sich zum einen der haufig aufgeworfenen Frage nach seiner Selbstandigkeit stellt und zum anderen das bereits angedeutete Problem bearbeitet, ob seine Verwaltungstatigkeit in Pontus et Bithynia als Sonderfall betrachtet werden muB.
Wie die allgemeinen Einfuhrungen lediglich in einem groben Uberblick gegeben werden, ohne dabei freilich auf die Diskussionen einzelner Problemfelder ganz zu verzichten, wird es auch den Briefwechsel selbst betreffend in dieser Untersuchung nicht um einzelne Aspekte gehen, beispielsweise die recht gut dokumentierte Anklage gegen den in Rom selbst als Vortragsredner wohlbekannten Dion Cocceianus aus Prusa (auch bekannt unter seinem Beinamen Chrysostomos) oder das Problem, das Plinius im Zusammenhang mit den Christen beschaftigte. Vielmehr soll die Gesamtheit der Briefe im Mittelpunkt stehen und verstarkt unter funktionellem Gesichtspunkt betrachtet werden, was eine detaillierte Diskussion einzelner inhaltlicher Faktoren nur selten zulaBt. Auch die Kontinuitat, in der Traians Provinzpolitik stand und die bei den flavischen Kaisem ihren Ursprung genommen hatte5, soil an dieser Stelle nicht ausgefuhrt werden, da diese Thematik uber das eigentliche Anliegen dieser Arbeit hinausgehen wurde. SchlieBlich muB auf eine Bearbeitung der in den Digesten gesammelten und Traian zugeschriebenen Reskripte verzichtet werden, ,,erstklassige Zeugnisse“6, die uber die Regierungsauffassung Traians weitere Hinweise und somit fur die vorliegende Arbeit weitere interessante Aspekte liefern konnten. Hier liegt noch Bedarf, dem die vorliegende Arbeit schon aus Grunden des Umfangs nicht nachkommen kann.
Die Quellenlage fur die vorliegende Untersuchung ist, wie so haufig im Umgang mit der Antike, problematisch. So liegt bei der Bearbeitung der Briefsammlung des Plinius die Schwierigkeit darin, daB diese Quelle einzigartig ist und daher ohne Vergleich dasteht. Dies bringt auch das Problem mit sich, daB zwischen der politischen Haltung Traians und derjenigen des Plinius kaum unterschieden werden kann; gerade bei einem derart um alle Vorgange besorgten Kaiser, wie Traian es war, konnte es nicht der Statthalter sein, der die Grundeinstellung bestimmt hat. Vielmehr war es Traian selbst, der die Richtung vorgab.7
Eine dennoch moglichst gerechte Beurteilung von Plinius' Arbeit in seiner Provinz soll mit Hilfe einiger moderner Untersuchungen vorgenommen werden. Unter diesen ist an erster Stelle der Kommentar von A.N. Sherwin-White zu samtlichen Plinius-Briefen zu erwahnen. Dieser ist, wie der Untertitel mitteilt, ,,a historical and social commentary“ und gibt neben ausfuhrlichen Einleitungen zu verschiedenen Themen sehr detailliert Informationen zu den einzelnen Briefen und ihren Inhalten.8
Eine weitere Studie, die sich eingehend auch mit der Statthalterschaft Plinius' des Jungeren befaBt, ist die Dissertation von M. Faltner: im Rahmen eines Vergleichs zwischen den beiden gut belegten Missionen Ciceros (in Cilicien) und Plinius' betrachtet Faltner auch Plinius' Arbeitsweise und den EinfluB, dem sie von Seiten Traians unterlag.
Des Weiteren gibt es Untersuchungen wie die von Wilcken, Vidman, Talbert oder Strobel, die sich mit einem oder mehreren Problemen zu Plinius' Tatigkeit in Pontus et Bithynia beschaftigen, sowie den Kommentar von Williams zu Plinius' Briefwechsel mit Traian, der viele Aspekte sehr knapp darstellt und dabei oft die verschiedenen Forschungsansatze diskutiert.
Zuletzt hat Fell in seiner Studie daruber, ob der Traian ubertragene Ehrenname Optimus in der Realitat begrundet sei, auch dessen Haltung zu verschiedenen Aspekten der Provinzverwaltung untersucht; auBerdem streifte er an verschiedenen Stellen Plinius' Statthalterschaft, da dessen Schriften und vor allem der Briefwechsel mit dem Princeps von herausragender Bedeutung auch fur Fells Arbeit sind.
Insgesamt fehlt jedoch ein Werk, das Plinius' Statthalterschaft befriedigend behandelt, bisherige Ergebnisse zusammenfaBt und neue Probleme zur Diskussion stellt.9 Ein Versuch soll an dieser Stelle unternommen werden, die Hintergrunde dieser Statthalterschaft zu beleuchten, eine Reihe einzelner Probleme resumierend zu bearbeiten sowie auf bisher unbefriedigend geloste Fragen einzugehen und in eigenen Ansatzen Stellung zu nehmen.
Der Briefwechsel zwischen Kaiser Traian und seinem Statthalter, dem jungeren Plinius, ist in seiner Form einzigartig.10 Es muB daher stets beachtet werden, daB der Vergleich mit anderen Provinzen und anderen Statthalterschaften, fur die eine so genaue Dokumentation nicht vorliegt, nur schwer moglich ist. Vor allem die Beantwortung der SchluBfragen, auf denen ein wichtiger Akzent dieser Arbeit liegt, wird daher nur mit gewissen Einschrankungen durchfuhrbar sein; nichtsdestotrotz soll sie so vorbereitet und angegangen werden, daB eine Tendenz deutlich und, bei allem Diskussionsbedarf, uberzeugend werden kann.
B. Voraussetzungen fur Plinius' Statthalterschaft
I. Die Vernetzung von Reichszentrale und Peripherie
a)Die Verwaltungstatigkeit Roms
1. Die Provinzeinteilung des Jahres 27 v. Chr.
Im Zuge des endgultigen Abschlusses der Epoche des Zweiten Triumvirats hat Augustus im Januar des Jahres 27 v. Chr. die Provinzen aus seiner BotmaBigkeit in die Obhut des romischen Gemeinwesens zuruckgeben. Im Gegenzug wurde durch eine Entscheidung des Senates ein Teil von ihnen wieder Augustus unterstellt, so daB es zu einer Aufteilung der Provinzen kam: teils wurden sie, wenn sie schon sicher befriedet waren und als politisch ruhig angesehen werden konnten, dem Volk, teils, wenn dort noch das Militar tatig sein muBte, dem Kaiser zur Verwaltung zugesprochen.11 Eine strikte Trennung existierte de factojedoch nicht:
„Both the Emperor and the Senate, predominantly of course the former, made regulations (sometimesjointly) affecting the provinces. The Emperor could deal directly with provinces of both types or with communities within them. The Senate (...) is found dealing with individual places in these provinces."12
Damit stimmt uberein, daB in formeller Hinsicht samtliche Provinzen der Herrschaft von senatus populusque Romanus unterstanden. Augustus selbst konstatierte: ,,Omnium provinciarum populi Romani (...) fines auxi“13 Dementsprechend kann, wie Millar uberzeugend vertritt, von „senatorischen“ Provinzen nicht gesprochen werden, da die Quellen fur solch eine Bezeichnung keinerlei Hinweise geben. Das imperium uber diese provinciae stand formell dem romischen Volk zu, die dementsprechend als publicae provinciae oder provinciae populi Romani bezeichnet wurden.14
Die Anzahl von kaiserlichen und offentlichen Provinzen stand dabei nicht fest, sondern konnte sich aufgrund von romischen Gebietsgewinnen oder durch aus verschiedenen Grunden vorgenommene Umverteilungen verandern. Am Ende der Regierungszeit Traians gab es zehn offentliche Provinzen, die von zwei Konsularen und acht gewesenen Praetoren verwaltet wurden, sowie 22 kaiserliche, dieje elfKonsularen und ehemaligen Praetoren unterstanden.15
2.Per Einflufi der Kaiser auf die offentlichen Provinzen
Wie bereits kurz angedeutet wurde, lafit sich feststellen, dafi der Kaiser auch auf die publicae provinciae grofien Einflufi ausubte. Piesen Einflufi zeigt beispielsweise eine Inschrift aus dem Jahr 57/58, der zu Folge Iulius Aquila, ein kaiserlicher Prokurator, eine Strafie in Bithynien (zwischen Apameia und Nicaea) repariert hat16, obwohl Bithynien zu diesem Zeitpunkt eine publica provincia gewesen war.17 Pies lafit sich damit begrunden, dafi der Kaiser dank seines imperium maius proconsulare den Statthaltern der offentlichen Provinzen ubergeordnet und daher zu solchen Eingriffen befugt war. Entsprechend konnte er den Prokonsuln auch direkte Anweisungen geben.18 Beispiele dafur gibt es seit Augustus, ausgepragt ist dieses Phanomen seit der Zeit der flavischen Kaiser.19 Pes Weiteren konnte der Kaiser Spezialbeamte in eine provincia populi Romani schicken, um die dortigen Zustande zu uberprufen bzw. sie neu zu ordnen, wenn die Situation aus dem Lot geraten war.20 Schliefilich konnten auch einzelne civitates ihre Gesandtschaften sowohl an den Kaiser als auch an den Senat schicken, unabhangig davon, ob sie in einer offentlichen oder einer kaiserlichen Provinz zu finden waren.21
Paraus, dafi viele Beamten der Kaiserzeit ihre Amtsgewalt vom Herrscher ubertragen bekommen hatten, hatte sich der Instanzenzug gebildet, auf dessen Grundlage sich zunachst die untergebenen Beamten, bald aber auch die stadtromische, italische und peregrine Bevolkerung des Reiches an den Kaiser wandte, um ihre Berufungen (appellationes) von diesem behandeln zu lassen.22 So entstand das Appellationswesen, das dem Kaiser eine weitere Moglichkeit der Einflufinahme auch auf die publicae provinciae gab. Allerdings war fur die Appellanten sowohl das Risiko als auch der Aufwand an Zeit und Geld erheblich grofier als die ebenfalls mogliche Anrufung des Statthaltergerichts, so dafi hauptsachlich die wohlhabenden Burger der Oberschicht die Moglichkeit der Appellation wahrnahmen. Pabei ubernahm der Kaiser vornehmlich politisch brisante Falle und schwere Vergehen, in die die fuhrenden sozialen Schichten und vor allem der Senatorenstand verwickelt waren und die mit Konfiskation, Exil oder dem Tod bestraft wurden. Der Senat, der ebenfalls in der fruhen Kaiserzeit die Funktion einer Berufungsinstanz erlangte, setzte sich besonders mit Zivilverfahren sowie Fallen, die die Reichseliten und insbesondere seine eigenen Mitglieder betrafen, auseinander; auch hier hatte der Kaiserjedoch als Konsul, einfaches Senatsmitglied oder als dessen Vorsitzender maBgeblichen EinfluB.23
Auf diese Weise erhielt das Appellationswesen die Kontrollfunktion auch uber die Provinzbeamten. Diese haben ihrerseits haufig versucht, diese Art der Verwaltungskontrolle, die bei den Untertanen groBe Zustimmung fand, zu behindern, wogegen sich wiederum eine Reihe kaiserlicher Verfugungen24 richtete. Auch ubernahm der Kaiser in wichtigen Fragen ganze ProzeBkomplexe und konnte durch die diesbezuglichen Urteile juristische Normen bestimmen. Mit dem Appellationswesen wurde somit ein Instrument innerhalb der Verwaltung geschaffen bzw. verfeinert, durch das die kaiserliche Zentrale das Rechtswesen im Imperium Romanum nach ihren Vorstellungen gestaltet hat.25
3.Die Finanzen des Reiches
Es gab zwei zentrale Einrichtungen fur die Finanzen, einmal die des Kaisers, den fiscus Caesaris, und die Staatskasse, die offiziell aerarium populi Romani, aufgrund ihres Standortes im Saturntempel auf dem Kapitol in Rom auch als aerarium Saturni bezeichnet wurde.26 Der Unterschied zwischen den Einrichtungen ist schwer zu greifen, auch weil sich ihre Zustandigkeiten uberschnitten, schon fruh beide Zweige durch vom Kaiser bestellte Beamte verwaltet wurden und ihre Gelder fur ahnliche Projekte aufgewendet wurden.27
Der fiscus Caesaris, das kaiserliche Privatvermogen, wurde von einem a rationibus verwaltet, der wohl der wichtigste Burovorsteher der kaiserlichen Regierungszentrale war.28 Zum kaiserlichen patrimonium gehorten die Einnahmen aus den kaiserlichen Landereien und Bergwerken, verschiedene Formen von Erbschaften sowie Guter, die entweder keine Besitzer hatten oder fur die es testamentarische Verfugungen gab, die gesetzlich unwirksam geworden waren.
Das aerarium Saturni hatte seit republikanischer Zeit unter der Aufsicht des Senates gestanden. Unter Claudius anderte sich dies jedoch, und seit 56 wurde fur seine Leitung ein praefectus aerarii durch den Kaiser bestellt, ebenso fur das aerarium militare, aus dem die Versorgung der Veteranen bestritten wurde. Der Staatskasse waren die Provinzkassen untergeordnet, dementsprechend bestanden ihre Einnahmen aus den Geldern fur die Verpachtung von Steuern und Land, aus Abgaben, Geldstrafen und Kriegskontributionen sowie den Uberschussen aus der Provinzialverwaltung.29
In den kaiserlichen Provinzen waren procuratores, in den offentlichen procuratores patrimonii fur die Verwaltung des kaiserlichen patrimonium zustandig. Sie hatten zunachst noch mit den Statthaltern im Bereich der Finanzen konkurriert. Schon bald aber war dieser Sektor aus der allgemeinen Administration herausgelost worden. Die Prokuratoren wurden in Finanzfragen unabhangig, da sie direkt dem Kaiser unterstanden. Ihr Kompetenzbereich war entweder durch einen lokalen Bezirk (mit Zustandigkeit meist fur die Einziehung der Grundsteuer) oder durch eine Steuerart (mit der Zustandigkeit in verschiedenen Distrikten) bestimmt.30 Das Recht, direkte Steuern einzunehmen, wurde also nicht mehr wie noch zur Zeit der Republik in Rom versteigert, sondern durch diesen neuen Beamtentyp getragen. Die wichtigste Einnahmequelle des romischen Kaiserreiches war die eben erwahnte Grundsteuer, die von allen Provinzbewohnern erhoben wurde, und zwar teilweise in Form von Naturalien, meist aber als feste Geldsteuer, die sowohl dem Boden (tributum bzw. stipendium soli) als auch den Personen (tributum bzw. stipendium capitis) auferlegt wurde.31
Lediglich unregelmaBig anfallende Steuern wie beispielsweise die Erbschafts- und Freilassungssteuern wurden weiterhin, wie bereits zur Zeit der Republik, von Pachtern oder Pachtgesellschaften eingetrieben, und zwar zu einem Satz, den die Prokuratoren zuvor festgelegt hatten. Damit behielten diese societates publicanorum, jedoch nun unter strenger Kontrolle der Prokuratoren, weiterhin einen gewissen Stellenwert im Bereich der Steuereintreibung, zumal von ihnen die wichtigste der indirekten Steuern, die an den Reichsgrenzen, an manchen Provinzgrenzen und an den Grenzen eigens eingerichteter Bezirke erhobenen Zolle (portoria), eingenommen wurden.32
4.Das provinziale Rechtswesen
Die politische und juristische Einrichtung einer Provinz hing von der Situation ab, in der sie unter romische BotmaBigkeit gefallen war. Dementsprechend gab es keine lex provinciarum, die fur alle Provinzen gultig war, sondern Feldherrn oder Statthalter haben, je nachdem, ob die Provinz zuvor erobert oder groBere Unruhen beigelegt worden waren, die eine Neuordnung notwendig gemacht hatten, aufgrund von Senatsvorgaben oder denen einer Senatskommission fur die einzelnen Provinzen Satzungen aufgestellt, die vom Senat und eventuell auch vom Volk in einer lex ratifiziert werden muBten. Nach dieser hatten sich dann die nachfolgenden Statthalter zu richten.33 Beispiele uberlieferter legesprovinciae sind die lex Pompeia aus Pontus et Bithynia, die lex Rupilia aus Sizilien, die lex Cornelia aus der Provinz Asia und die Gesetzgebung des P. Lentulus Spinther fur Zypern. AuBerdem ist durch einen Inschriftenfund in Ephesus die lex portorii Asiae uberliefert, die ebenfalls Hinweise auf eine Provinzsatzung erkennen laBt.34
Zu diesen Satzungen, von denen uns keine vollstandig uberliefert ist, traten die senatus consulta, die, einmal erlassen, allgemein gultig waren, sofern dies nicht durch sie selbst explizit anders festgelegt worden war. Auch die constitutiones principum, die kaiserlichen Verfugungen, die das Mittel der kaiserlichen Rechtssetzung waren, blieben dauerhaft in Kraft. Bei ihnen ist zu unterscheiden zwischen solchen, die sich auf das gesamte Imperium Romanum, solchen, die sich auf einzelne Provinzen, und solchen, die sich auf einzelne Burgerschaften bezogen.35 Dabei gab es funf Arten von kaiserlichen Verfugungen: die edicta, meist die Belange bestimmter Gemeinschaften betreffende Kundmachungen und Anordnungen, die der Kaiser verbreiteten lieB36, die mandata, die Auftrage der Kaiser an ihre Legaten bei deren Amtsantritt, die decreta, juristische Entscheidungen, die in zivilen oder Strafgerichtsprozessen getroffen worden waren, und die rescripta, schriftliche Bescheide auf Anfragen von Amts- oder Privatpersonen oder auch solchen von Korperschaften.37 AuBerdem scheinen auch mundliche Erklarungen des Kaisers als Antworten beispielsweise an eine Gesandtschaft aufgezeichnet und als constitutiones principum behandelt worden zu sein.38
Alle Edikte konnten, wie auch die anderen kaiserlichen rechtsgebenden AuBerungen, die Rechtssprechung der Statthalter beeinflussen. Dies konnte entweder geschehen, wenn das Edikt die Vorgehensweise von Statthaltern vorschrieb, wenn das Edikt von einer der Parteien vor Gericht zitiert wurde, wenn allgemeine Edikte explizit oder implizit Unterweisungen fur Statthalter beinhalteten oder wenn ein Edikt durch einen personlichen Brief begleitet wurde, der einige weitere Erlauterungen enthielt.39
Die mandata waren fur den Statthalter vergleichbar mit einem Leitfaden, nach dem er zu handeln hatte. Die Aufgaben, die ihm in diesem Leitfaden gestellt worden sind, bezogen sich sowohl auf Grundlagen des Amtes als auch auf wichtige Detailfragen. Sie waren meist tralatizischen Charakters, da sie regelmaBig, individuell oder fur alle Statthalter erganzt, wieder ausgegeben wurden. So zeigen die mandata den normativen Willen der kaiserlichen Zentrale zu Gestaltung und Durchdringung der Verwaltung.40 Sie mussen unterschieden werden in diejenigen, die einen allgemeineren verwaltungstechnischen Corpus bildeten, der im gesamten Imperium Romanum Geltung hatte, und jenen, die den Eigenschaften einer bestimmten Provinz sowie deren fest umrissenen Notwendigkeiten angepaBt waren und deshalb nur dort galten. Sie stellten kein allumfassendes Regelwerk dar, sondern eine Mischung aus Leitprinzipien, Neuerungen zum Bestehenden und Anweisungen auf verschiedenen Gebieten41, was sie wohl zur einzigen Form aktiver Kommunikation von Seiten des Kaisers gegenuber einem Amthalter machte.42
Ebenso wie die mandata nahm auch das edictum tralaticium einen normativen Charakter an. Hierbei handelte es sich um einen festen Bestand von Edikten, die von Statthalter zu Statthalter weitergegeben wurden und zu dem jeder einzelne unterschiedlich viel beitrug. Jeder Statthalter gab namlich ein edictum perpetuum, eine Art Programm uber Grundsatze und MaBnahmen derjeweiligen Amtszeit, heraus, das sich zum GroBteil aus dem Kanon des edictum tralaticium zusammensetzte, aber auch neue Regelungen einfuhren konnte, die dann in dieses Corpus aufgenommen wurden.43 Auf diese Weise bildeten sich Rechtsnormen heraus, die sich langsam anderten und vermehrten.
Die rescripta, die kaiserlichen Antwortschreiben in Form von epistulae oder von subscriptiones, also einfacher Aktenvermerke, waren rechtliche Musterfalle, nach denen in ahnlich gelagerten Problemen zu urteilen war.44 Obwohl sie sich auf Einzelfalle bezogen, waren sie verallgemeinerungsfahig und wurden als Prazedenzfalle behandelt.45 Epistulae waren dabei die gangige Form der Korrespondenz zwischen dem Kaiser und hoheren Verwaltungsangestellten46, uber sie verkehrten Personen von senatorischem oder Ritterstand mit dem Kaiser. Sowohl in Rom als auch auf Reisen und Feldzugen bearbeitete der kaiserliche ab epistulis die gesamte Korrespondenz des Kaisers, worunter auch die Aufgabe fiel, mandata zu verschicken. DaB sich jedoch der Kaiser nicht selbst mit seiner Korrespondenz befaBt hatte, kann nicht nachgewiesen werden; der ab epistulis ist nicht als Verfasser von Antwortschreiben belegt. Einzuschranken ist dies nur dahingehend, als es schon seit der fruhen Kaiserzeit neben dem fur den lateinisch gefuhrten Schriftverkehr zustandigen ab epistulis Latinis einen ab epistulis Graecis fur den griechisch gefuhrten gegeben hatte. Letzterer hatte tatsachlich die Aufgabe, selber Texte zu diktieren oder aus dem Lateinischen zu ubersetzen, um das sprachliche Niveau amtlicher Schreiben auch im Griechischen wahren zu konnen.47
Der Kontakt von Privatpersonen, einfachen Soldaten und Dorfern zum Kaiser wurde uber libelli hergestellt, unter denen ursprunglich zwei Typen zu unterscheiden sind: diejenigen, die Informationen gegen dritte Parteien beinhalteten, und solche, die als Bittschriften oder juristische Anfragen zu bezeichnen sind. Letztere wurdenjedoch schon seit der Zeit der spaten Republik die charakteristischeren48 und interessieren in diesem Zusammenhang.
Die libelli wurden dem Kaiser meist personlich bei dessen salutationes ubergeben, konnten aber auch durch Beamte deren eigenen Meldungen beigefugt werden49. Nun ist wohl nicht zu klaren, wie die Zusammenarbeit zwischen dem Kaiser und dem fur diese Art von Schriftverkehr zustandigen a libellis zumal im hier behandelten Zeitraum funktionierte. Vermutlich wurde dem Kaiser ein libellus uberreicht, dieser gab ihn einem Gehilfen weiter, um ihn dann spater zur Abfassung der subscriptio wieder ausgehandigt zu bekommen.50 Die subscriptiones, ,,one of the primary forms of communication between emperor and subject“51, wurden diesen Eingaben unten beigefugt, um dann einige Tage lang offentlich angeschlagen zu bleiben, so dab sie von jedem, auch vom Antragsteller, gelesen werden konnten. Dieser offentliche Anschlag mubte stets abgewartet werden, es sei denn, der Antragsteller hatte die Antwort bereits mundlich erfahren.52
Da der Kaiser auf seinen Reisen stets vom notwendigen Beamtenapparat und seinem Beraterstab, dem Reisekonsilium53, begleitet wurde, konnte er immer entscheidungsfahig bleiben. Es ist davon auszugehen, dab des Kaisers Sekretare in dieses Reisekonsilium aufgenommen worden sind und dabei auch ihre Aufgaben als ab epistulis latinis wie graecis, a libellis, a rationibus oder als fur die Rechtssprechung am Hofe zustandiger54 a cognitionibus ausgefullt haben. So befand sich, gleich wo der Kaiser sich aufhielt, auch die Regi erungszentral e.55
Gesandtschaften haben sich in der Regel direkt an den Kaiser gewandt; befand sich dieser auf Reisen, reisten sie ihm entweder nach oder warteten in Rom auf seine Ruckkehr. Auch kam es vor, daB bereits in Rom eingereichte Bittschreiben dem Kaiser nach- und von diesem zur offentlichen Ausstellung zuruckgesandt wurden. Von auBen kommende Gesandtschaften wurden nicht uberall vom Kaiser empfangen, sondern nur in solchen Stadten, in denen er sich langer aufhielt und die die entsprechenden Unterbringungs- und Verpflegungsmoglichkeiten besaBen, wobei es sich eventuell um die auf der Reiseroute liegenden Statthaltersitze und Hauptorte der Gerichtssprengel gehandelt haben kann.56
Im Gegensatz zu den reaktiven Anordnungen der Reskripte, die wohl durch ,,eine Art passiver Benachrichtigung“57 verbreitet worden sind - ein Antragssteller konnte seinen Statthalter uber den Ausgang seines Falles benachrichtigen, abgesehen davon bestand stets die Moglichkeit der Selbstinformation58 -, muBten aktive Anordnungen wie Edikte und senatus consulta durch die Zentralverwaltung publiziert werden, was naturlich nur dort geschah, wo die Anordnungen von Belang waren.59 Dabei erfolgte die erste Publikation eines Ediktes an dem Ort, wo der Kaiser es erlassen hatte. Entweder kam es dann durch Kopien in Umlauf, oder der Kaiser gab Anordnung, wo und manchmal auch wie lange das Edikt ausgestellt werden sollte.60 Zumindest allen Statthaltern, wenn nicht allen Stadten muBten Informationen, deren Verbreitung fur das ganze Reich gewahrleistet sein muBte, mitgeteilt werden, was teilweise zu regelmaBig wiederkehrenden Terminen wie den Konsulwahlen geschah.61 Neben dieser aktiven Benachrichtigung, die naturgemaB auBerst aufwendig war, waren die romischen municipia und coloniae im ganzen Reich auch zur Selbstinformation verpflichtet; die Befehlsubermittlung an die Provinzstadte erfolgte im Laufe der Zeit immer mehr uber die jeweiligen Statthalter.62
Das vom a commentariis verwaltete Archivwesen war ein ausgefeiltes System, das in Zweifelsfallen konsultiert werden konnte, und zwar entweder in einem eigens als tabularium errichteten Gebaude in Rom oder in einer Unterbringung auf dem Palatin, wo es in den kaiserlichen Residenzen Platz gefunden haben konnte.63 Archiviert wurden Gerichtsurteile und die verschiedenen kaiserlichen Privilegien, die Edikte, Reskripte und libelli rescripti, also die Bittschriften, die nur mit einer subscripts beantwortet worden waren. So war es moglich, noch auf weit zuruckliegende Aktenvorgange zuruckzugreifen.64
Die Muhe, die auf das Archivwesen verwendet wurde, das ja zumindest zum Teil aus Schreiben der Bevolkerung an die Zentrale sowie den Antworten darauf bestand; die Tatsache, daB die beiden Kanzleien des a libellis und des ab epistulis die wichtigsten ihrer Art waren; daB es unbedingte Pflicht des Kaisers war, auch das einfache Volk anzuhoren (erinnert sei hier nur die von Cassius Dio erzahlte bekannte Episode um Kaiser Hadrian65 ); schlieBlich ganz allgemein die groBe Anzahl von Briefen und Antworten, die zwischen Zentrale und Peripherie hin und her wanderten: all dies zeigt, daB in dieser Wechselbeziehung der zentrale Aspekt kaiserlicher Regierung liegt, die immer eine gewisse Nahe zur gesellschaftlichen Realitat gewahrleistet hat.66
In diesem System kamen durchaus politische Grundsatze zum Tragen, so z.B. in der Burgerrechtspolitik gegenuber Soldaten und der peregrinen Reichsbevolkerung, das Interesse und die Fursorge fur die Bauern den Bereich der Agrarpolitik betreffend, ebenso auf dem Gebiet der Religionspolitik, dieja fur eine gewisse Toleranz stand, sowie der Umgang mit den Stadten und ihrer Selbstverwaltung. Dies sind nur Beispiele fur Bereiche, in denen Entwicklungen in Gang gesetzt und weitergefuhrt wurden oder Regierungsmaximen uber langere Zeitraume durchgesetzt worden sind und die zeigen, daB kaiserliche Entscheidungen nicht allein den Wert einer einfachen positiven oder negativen Antwort in bezug auf eine individuelle Frage hatten, sondern durchaus im weiteren Zusammenhang politischer Grundsatze zu sehen sind.67
Mit der Frage nach politischen Grundsatzen, an denen sich die kaiserliche Politik ausgerichtet hat, hangt die Diskussion daruber zusammen, ob der Kaiser eine passive oder eine konstruktive Politik betrieben hat. Millar geht dabei von ersterem aus: eine effektive zentrale Burokratie sei nicht aufgebaut worden und der Kaiser habe den Beratern und Gehilfen wenig EinfluB gelassen. Seine Position macht Millar beispielsweise an der Beziehung zwischen dem Kaiser und seinen Statthaltern fest:
,,It is perhaps precisely in relation to provincial governors that the passivity of the emperor's role, and its substantial (though not complete) limitation to the function of responding to reports, requests and inquiries, is most striking. It is a highly significant fact, which we tend to dwell as too little, that the correspondence of Pliny and Trajan contains not a single example of a letter sent spontaneously by the emperor.“68
Bleicken spitzt diesen Standpunkt Millars wie folgt zu:
,,So tritt uns bei Millar der Kaiser als ein zwar fur seine Untertanen rastlos tatiger, aber doch initiativloser Herrscher entgegen, der alles an sich herankommen laBt und dann als Patron mehr oder weniger personlich entscheidet (...); ein ruhriger, einsamer aber eher reagierender als agierender Regierungschef.“69
Dagegen argumentiert Bleicken ausfuhrlich und kommt zu dem SchluB, daB der Kaiser die res publica gemaB der uberlieferten Tradition gelenkt habe, und zwar vor allem deshalb, weil den Romern das Neue stets suspekt und nicht erstrebenswert gewesen sei. Er habe sich an die uberlieferten Aufgaben halten mussen, wobei er aber stets, wenn notwendig, in die Lage eingegriffen habe.70 Seine Aufgabe habe also ein passives Verhalten gar nicht zugelassen. Unter vorausschauender Planung sei seine Politik dabei nicht erfolgt, da hierfur die Einsicht gefehlt habe. Positionen muBten gehalten, Verluste verhindert, Fehlverhalten korrigiert und Entwicklungen der Zeit der uberlieferten Lebensordnung angepaBt werden. In diesem Zusammenhang sei die kaiserliche Reaktion auf die Anfrage von unten von besonderer Bedeutung gewesen: dieses System habe die Regierung uber alle Ablaufe und Probleme im gesamten Imperium informiert und sie in die Lage versetzt, je nach politischer Wichtigkeit Einzelfalle aufzugreifen und zu bearbeiten.71
In seinem Nachwort zur zweiten Auflage seiner Untersuchung gibt Millar selbst der Kritik in Teilen Recht und akzeptiert insbesondere die zitierte Arbeit von Bleicken als ,,the most valuable and serious of published responses“72 auf seine Arbeit. Fur ihn ist das System von Anfrage und Antwort ein Modell, dem einerseits zwar weite Teile der von ihm untersuchten Falle zuzuordnen sind, bei dem er aber ,,ran the risk of ignoring the cumulative and generalising effect of these decisions, which if looked at globally could be thought of as embodying positive policies.“73 Damit kommt er selbst der Synthese der beiden Standpunkte am nachsten, die dem Verfasser sinnvoll erscheint: das die im Detail reaktive Haltung des Kaisers betonende Anfrage-Antwort-Modell, uber das grundsatzlich Politik in der Praxis gemacht wurde, kann bei der Gesamtbetrachtung der aus den Antworten hervorgehenden Tendenzen zur Erstellung eines Kataloges von festen Vorstellungen verhelfen, der die theoretische Grundlage dieser Politik darstellte.74 Zudem muB nochmals daran erinnert werden, daB auch die mandata durch ihren meist tralatizischen Charakter ein normatives Element gebildet haben, das nicht nur aus Reaktionen auf Anfragen von unten bestand; bei ihnen handelte es sich um aktive MaBnahmen hinsichtlich bestimmter Situationen, die unter dem EinfluB bestimmter Vorstellungen standen. Dies betont den konstruktiven Aspekt kaiserlicher Politik.
b)Der Statthalter
Nachdem schon im vorangegangenen Kapitel die Sprache auf den Statthalter gekommen ist bei der Frage, wie er von der Zentrale aus gelenkt worden ist und unter welchen juristischen Bedingungen er in seiner Provinz arbeitete, soll dieser Beamtentypus naher beleuchtet werden.
1. Die verschiedenen Tvpen von Provinzstatthaltern
Ein Statthalter einer dem romischen Volk zugesprochenen Provinz wurde vom Senat durch ein Losverfahren ermittelt und hieB, da er die Konsuln von Rom vertrat, proconsul. Die Dauer seines Dienstes betrug ein Jahr. Provinzen wie Africa und Asia hatten gegenuber den anderen offentlichen Provinzen einen herausgehobenen Rang, so daB sie ausschlieBlich von Konsularen verwaltet werden durften und dementsprechend provinciae proconsulares hieBen.75
Was die dem Kaiser unterstellten Provinzen anbelangt, so gilt es, sich vor Augen zu halten, daB im eigentlichen Sinne von einer groBen kaiserlichen provincia ausgegangen werden muB, also einem Amtsbereich, in dem der Kaiser kraft seines imperium proconsulare seine Macht ausgeubt hat. Wegen der GroBe der provincia Caesaris muBte er diesejedoch unterteilen, und wegen seiner zahlreichen weiteren Pflichten war er gezwungen, ihre Aufsicht weiterzudelegieren.76 Auf der Grundlage seiner prokonsularischen Macht bestimmte er daher Statthalter, die ihn dort vertraten. Ihre Amtsbezeichnung lautete legati Augusti pro praetore, da sie vom Kaiser unter einer bestimmten Aufgabenstellung - derjenigen der Provinzverwaltung - in die Provinz gesandt wurden, und zwar im Range eines propraetorischen Stellvertreters, da den des prokonsulischen Oberbefehlshabers uber die Provinzen, rein formell gesehen, bereits der Kaiser selbst einnahm und sie von diesem abhangig waren.77 Die legati Augusti pro praetore waren also dem Kaiser gegenuber weisungsgebundene Beamte und konnten durch ihn beliebig ernannt und entlassen werden. Der Dauer ihrer Amtsfuhrung waren keine Grenzen gesetzt, da die Provinzen dem Kaiser auf Lebenszeit ubergeben worden waren. Sie kann grundsatzlich - bei zahlreichen Ausnahmen - bei drei bis funf Jahren angesetzt werden.78
Der Berufungsmodus und die Amtsdauer sind also die formalen Unterschiede zwischen proconsules und legati Augusti pro praetorei.79 Ein wichtiger informeller Unterschied bestand daruber hinaus im AusmaB der Kommunikation zwischen den beiden Statthaltertypen und dem Kaiser. Diese Unterschiede gehen vor allem in die Richtung, daB es fur die legati Augusti zahlreiche Beispiele dafur gibt, daB sie im Briefwechsel mit dem Herrscher standen, der freilich meist von ihnen selbst ausging,80 wahrend Ahnliches fur die Prokonsuln zunachst weit seltener nachzuweisen ist. Dieser Unterschied wurde jedoch mit der Zeit geringer und war nach anderthalb Jahrhunderten verschwunden, als sich die Kommunikation zwischen Prokonsuln und Kaiser an die zwischen legati Augusti und Kaiser angepaBt hatte.81
Auf diese Unterschiede ist zuruckzufuhren, daB die provinciae populi Romani vor dieser Entwicklung insgesamt schlechter verwaltet worden sind als die kaiserlichen.82 Deshalb hat Traian damit begonnen, in den offentlichen Provinzen den EinfluB des Senats weiter einzuschranken und verschiedene Amter fur Sonderaufgaben einzurichten bzw. auszubauen, die in die Provinzen geschickt wurden, um vor allem die dortigen Finanzen in Ordnung zu bringen.83
Aufgrund seiner groBen strategischen und wirtschaftlichen Bedeutung, auch derjenigen fur die Versorgung Roms, nahm Agypten eine Sonderstellung ein. Nach Augustus' Sieg bei Actium ist dieses Gebiet kaiserliche Provinz geworden, doch ist als Statthalter ein ritterstandischer Beamter eingesetzt worden, der als praefectus Aegypti bezeichnet wurde. Kein Mitglied des Senates, dessen Gefolgschaft Augustus sich zujenem Zeitpunkt noch nicht sicher sein konnte und dem er deshalb keine Gelegenheit zur EinfluBnahme uber die Provinz geben wollte, sollte ihre Leitung ubernehmen84, nicht einmal betreten werden durfte sie von Senatoren und Rittern hoheren Ranges ohne ausdruckliche Genehmigung, damit niemand einen Vorteil aus der Sonderstellung Agyptens ziehen konnte.85
Bis Mitte des dritten nachchristlichen Jahrhunderts existierte daruber hinaus eine stets variierende kleinere Zahl von Provinzen, die wie Agypten durch Ritter verwaltet wurden, deren Titel der von procuratores war. Abgesehen von den Provinzen, die nicht selbstandig, sondern dem legatus der Nachbarprovinz unterstellt waren, hatte der ritterstandische Statthaltertypus ahnliche Qualitaten und Kompetenzen wie sein senatorisches Pendant86, bekam aber dem praefectus Aegypti entsprechend kaiserliche Auftrage87. Warum diese Provinzen als prokuratorische eingerichtet worden sind, muB unklar bleiben.88
Alles in allem lassen sich die kaiserlichen und die offentlichen Provinzen nicht in jeder Hinsicht voneinander unterscheiden, da auch die Kompetenzen von Kaiser und Senat in letzteren nicht eindeutig voneinander abgegrenzt waren. Zu groB waren die Eingriffsmoglichkeiten des Kaisers auch in den nicht kaiserlichen Provinzen, die soweit gehen konnten, daB der Kaiser ihre Fuhrung - zeitweilig oder endgultig - ubernahm.89 Er nahm also insgesamt groBeren EinfluB auf die Verwaltung der Provinzen als der Senat, was schlieBlich soweit ging, daB spatestens Hadrian auch den Prokonsuln Auftrage mit auf den Weg gab und schlieBlich alle Statthalter selbst ernannte.90
2.Die statthalterliche Tatigkeit
Die Statthalter, deren Amt mit dem Eintreffen in der Provinz begann und mit dem Verlassen der Provinz endete, damit diese niemals ohne Statthalter war91, wurden, abgesehen von den prokuratorischen Provinzen, aus dem Kreis der Senatoren gewahlt bzw. ernannt. Sie muBten entweder gewesene Konsuln oder Praetoren sein, je nachdem, ob die Besatzung der Provinz aus zwei Legionen bestand oder nur eine oder gar keine Legion vorzufinden war. Die Kompetenzen stimmten ansonsten grundsatzlich uberein und sind in vier zentrale Bereiche zu ordnen. Der wichtigste war ublicherweise der Verwaltungsbereich, die Statthalter waren also zustandig fur das Funktionieren ihrer Provinzen, das Ausfuhren besonderer Instruktionen aus Rom, und ihnen unterstand die Finanzverwaltung, wozu die Erhebung der kaiserlichen Steuern und gegebenenfalls die Regulierung der Finanzen einzelner Stadte gehorten.92 In der Finanzverwaltung wurden die legati Augusti pro praetore von Finanzprokuratoren unterstutzt, in deren Aufgabenbereich auch die Verwaltung des kaiserlichen Privatvermogens sowie die Versorgung der Truppen lag; die Prokonsuln bekamen zu Beginn der Kaiserzeit die Hilfe von quaestores, die aber wohl bereits im Verlaufe des ersten nachchristlichen Jahrhunderts durch die procuratorespatrimonii verdrangt worden sind.93
Eine weitere zentrale Tatigkeit des Statthalters war die der Rechtssprechung, wobei er sich normalerweise mit Vergehen schwerwiegender Art auseinanderzusetzen hatte. Wahrend die Prokonsuln dabei noch auf die Hilfe von legati proconsulis, meist Senatoren, die bereits in Rom selbst die Praetur verwaltet hatten und so praktische Erfahrung haben sammeln konnen94, zuruckgreifen konnten, die die ihnen ubertragenen Falle bearbeiteten, hatten die kaiserlichen Statthalter, selbst lediglich legati, ublicherweise kein solches Personal.95
Des Weiteren hatte er auch religiose Pflichten wie beispielsweise das Einholen der Auspizien zu Beginn seines offiziellen Amtsantritts, den Vorsitz bei den Spielen der Koina und der Verteilung der Preise an die Sieger dieser Spiele. Und schlieBlich konnten Statthalter mit militarischen Kompetenzen ausgestattet sein, was naturlich besonders fur kaiserliche Provinzen, aber auch fur einige publicae provinciae der Fall war, in denen Truppen in wenn auch geringerer Anzahl stationiert waren.96 Hier hatten sie den Oberbefehl uber die Legionen und deren Kommandeure {legati legionis) und konnten eine Anzahl von Offizierspapieren ausstellen.
Seine Aufgabe in der Provinz ubte der Statthalter aus, indem er sie nach einer festgelegten Route durchreiste.97 Dabei verfolgte er einen festen Zeitplan, um es den jeweiligen Stadtbewohnern moglich zu machen, sich auf den Besuch vorzubereiten. Dies war namlich u.a. mit der Bereitstellung von Transportmitteln und Verpflegung verbunden.98 Die Provinzen waren in Gerichtssprengel (conventus) eingeteilt. In einem bestimmten Teil des Jahres, vermutlich dem, der einer Reise die besten auBeren Bedingungen verschaffte und im Einklang mit dem Provinzalltag lag99, verlieB der Statthalter seinen Sitz und besuchte die Hauptorte dieser Gerichtssprengel, deren Bewohner ihn unter Akklamationen und Musik mit einem zeremoniellen WillkommensgruB und BegruBungsansprachen empfingen. Darauf suchte er das lokale Heiligtum auf, brachte dort ein Opfer dar, um sich dann schlieBlich seinen eigentlichen statthalterlichen Pflichten zuzuwenden.100 Unterkunft vor Ort fand er entweder in einer offiziellen Residenz (praetorium) oder bei einem herausragenden Burger. Dort hielt er auch tagliche salutationes ab und empfing wahrend seiner Reisen Gesandtschaften.101
Dieses Konventsystem fand in den verschiedenen Provinzen sicherlich eine ganz unterschiedliche Auspragung, je nachdem, in welchem MaBe sie von auBen bedroht war und daher ein Schwerpunkt auf militarischen Fragen lag oder auch inwieweit eine Provinz uberhaupt urbanisiert war. Im Falle einer geringen Urbanisierung muBte sich ein Statthalter nicht auf einige Zentren festlegen, sondern hat eher alle Stadte aufgesucht.102
An den Hauptorten der Gerichtssprengel hielt der Statthalter wahrend seiner Rundreisen durch die Provinz Gerichtsverhandlungen ab, und zwar in aller Offentlichkeit unter freiem Himmel. Um dort ein Verfahren anzustrengen, muBte sich der Burger gewohnlich nicht an auBere Formalien halten, vielmehr versuchte er, den Statthalter vor Ort bei dessen Ankunft anzusprechen. Von dieser Moglichkeit, personlich an den Statthalter herantreten zu konnen, profitierte vor allem die armere Bevolkerungsschicht, da sie anlaBlich eines Streitfalles von der teuren Reise zum Statthaltersitz Abstand nehmen konnte.103 Wenn dann am festgesetzten Gerichtstermin die beiden Parteien ihre Standpunkte dargelegt hatten, beriet sich der Statthalter mit seinem consilium, um zu einem Urteil zu kommen. Gab es dabei
Schwierigkeiten, konnte er die Verhandlung unterbrechen und vertagen, um sich in der Zwischenzeit an den Kaiser zu wenden und dessen Rat einzuholen.104
Die Bevolkerung konnte sich auch durch Bittschriften an die Statthalter wenden, wobei die Ubergabe der Petitionen letztlich nur moglich war, wenn sich der Statthalter vor Ort aufhielt.105 Wie der Kaiser im Zusammenhang mit den libelli, so konnte der Statthalter die Petitionen mit einem Schreiben beantworten, konnte aber auch seine Antwort direkt auf der Bittschrift festhalten. Dann hatte er die Moglichkeit, die Antwort an die betroffene Instanz weiterzureichen oder sie dem Bittsteller auszuhandigen, der sich dann selbst an die jeweilige Instanz wenden muBte. Um dieses System zu rationalisieren, konnten mehrere Bittschriften zusammengefaBt werden, die ein und dieselbe Instanz betrafen. Die Bittsteller muBten sich dann selbstandig uber die sie betreffende Entscheidung informieren.106
Auf seiner Rundreise durch die Provinz kontrollierte der Statthalter vor Ort, oft auch auf Bitten ortlicher Magistrate hin, die offentlichen Bauten, er sorgte dafur, daB bereits begonnene zu Ende gebaut wurden und gab den Ratsherren, den zustandigen Magistraten und Patronen seine Anweisungen. Gegebenenfalls konnte er hierbei auch mit militarischer Unterstutzung eingreifen.107 AuBerdem hatte er die Moglichkeit, enge Beziehungen zu knupfen, die sich zu einem engen Patronageverhaltnis vertiefen lieBen108, was auch fur die jeweilige Stadt von groBem Nutzen war109. Uberhaupt brachte der Besuch des Statthalters der jeweiligen Provinzstadt finanzielle Vorteile, da dieser, vor allem wenn er sich langer am Ort aufhielt, viele Menschen aus der Umgebung anzog. Dies war stets ein positiver Aspekt, der unabhangig von seinem Beliebtheitsgrad war.110
3,Die Begleitung des Statthalters wahrend seiner Tatigkeit in der Provinz
Wie groB der Kreis der Personen war, den der Statthalter in seiner Provinz um sich hatte, laBt sich nicht bestimmen.111 Neben seiner familia im engeren Sinne brachte er noch eine Gruppe von wohl kaum mehr als zehn Beratern {comites oder cohors amicorum) mit, die ihm bei militarischen und juristischen Fragen sowie der Abfassung von Schriftstucken unterstutzte. Wahrend in den offentlichen Provinzen auch Amtsdiener {apparitores) eingesetzt waren, die der Prokonsul aus Rom mitbrachte und zu denen u.a. ein vielseitig verwendbarer Heifer (accensus), mehrere Sekretare (scribae), ublicherweise sechs Hctores und ein Herold (praeco) zahlten, wurden ansonsten Soldaten fur derlei Aufgaben herangezogen112, die aus dem jeweiligen Provinzheer abkommandiert worden waren.113 Diese officia, die hochstens einige hundert, sehr oft aber wesentlich weniger Personen stark waren114, hatten ihren Kommandeur im princeps praetorii. Der cornicularius war der ranghochste derjenigen officiales, die sich mit verwaltungstechnischen Aufgaben oder solchen der Rechtssprechung beschaftigten, und sorgte wohl in diesem Bereich fur die Organisation. Der commentariensis betreute die Amtstagebucher (commentarii) und sorgte fur die Durchfuhrung der Urteile bei der Strafgerichtsbarkeit. Fur ganz verschiedene Aufgaben zustandig waren die beneficiarii, die u.a. Verhaftete beaufsichtigten, Schreibarbeiten erledigten (wofur aber vor allem die librarii zustandig waren) und an zentralen logistischen Einrichtungen des Statthalters tatig waren. Die frumentarii suchten u.a. Verbrecher und bewachten Gefangnisse, die quaestionarii folterten Angeklagte, die stratores sorgten fur die Pferde des Statthalterstabes; die Hauptaufgabe der equites singulares war die einer (berittenen) Leibwache fur den Statthalter auf seinen Reisen durch die Provinz, und die pedites singulares waren eine Art strategische Reserve.115
4.Der Statthaltersitz und das Statthalterarchiv
In den Provinzen gab es meist eine Stadt, in der der Statthalter die meiste Zeit verbrachte.116 Wie eine Stadt diesen Status erlangen konnte, muB wegen der mangelhaften Quellenlage unklar bleiben. Haensch zufolge
,,sind drei Moglichkeiten in Betracht zu ziehen: 1. Dies spielte sich faktisch ein. 2. Ein bestimmter, sich allmahlich herausbildender Zustand wurde von einer romischen Institution - am ehesten sollte man an den Kaiser denken - nach einiger Zeit festgeschrieben. 3. Bei der Einrichtung einer Provinz wurde festgelegt, wo der Statthalter residieren sollte.“117
Ein Charakteristikum fur die Wahl der Statthaltersitze in den am Mittelmeer gelegenen Provinzen scheint darin zu liegen, daB die Residenzen nicht weiter als eine Tagesreise von der Kuste entfernt lagen, so daB sie vor allem moglichst schnell von Rom aus erreichbar waren.118 Dabei haben sich die festen Amtssitze wohl erst im Laufe des ersten nachchristlichen Jahrhunderts herausgebildet.119
Am Statthaltersitz war vielleicht die Rechtssicherheit groBer als in den anderen Stadten, da es hier leichter war, das Gericht des Statthalters anzurufen. Andererseits unterstand er auch einer groBeren Kontrolle, da der Statthalter sich hier am haufigsten aufhielt und somit leichter ein Auge auf die inneren Verhaltnisse werfen konnte. Weiterhin war es nirgends so einfach fur die fuhrenden Burger der Stadt, Kontakte mit der romischen Fuhrungsschicht zu knupfen. So kam es, daB der Statthalter auch fuhrende Burger der entsprechenden Gemeinde in sein consilium aufnahm. Umgekehrt war es aber auch moglich, daB die haufige Anwesenheit des Statthalters in einer Stadt aus ganz verschiedenen Grunden AnlaB zu Streitigkeiten gab.120
Das Statthalterarchiv war die Sammlung schriftlicher Aufzeichnungen, die wahrend der amtlichen Tatigkeit der Statthalters entstanden waren und nach dem Ende der jeweiligen Amtszeit in der Provinz, aber nicht unbedingt in einem eigenen Gebaude, nicht einmal an einem einzigen Ort, aufbewahrt wurden. Es lieferte die Moglichkeit, administrative, vor allem juristische Vorgange als Parallelen heranzuziehen oder aus Grunden der Kontrolle zu uberprufen. Das heiBt aber nicht notwendigerweise, ,,daB 1. in ihm der uberwiegende Teil oder gar die Gesamtheit der Unterlagen, zumindest in kopierter Form, aufbewahrt wurde, daB es 2. oft benutzt wurde und leicht zuganglich war (...) und 3. die dort vorhandenen Aufzeichnungen uber Verwaltungsvorgange als die maBgeblichen authentischen Beweismittel galten.“121
Sherwin-White vermutet, daB es zur Zeit des jungeren Plinius in offentlichen Provinzen keine Archive gegeben habe, wo der Statthalter benotigte Informationen hatte einholen konnen. Wahrend in kaiserlichen Provinzen die Archivierung von Dokumenten recht effizient funktioniert habe, allein deshalb, weil dort das notwendige, vom Militar gestellte Personal vorhanden war, sei dies in den offentlichen nicht der Fall gewesen, einerseits wegen des jahrlichen Wechsels der Beamten, andererseits wegen der Tatsache, daB die Prokonsuln moglicherweise zum Teil ihre Akten mit sich zuruck nach Rom nahmen. So sei beispielsweise zu erklaren, daB Plinius fast nur zu Dokumenten kam, die von Klagern vorgebracht wurden oder aus stadtischen Archiven stammten.122 Dagegen geht Haensch, obwohl sich nicht fur alle Provinzen Statthalterarchive nachweisen lassen123, grundsatzlich von der Existenz eines Statthalterarchivs fur eine jede Provinz aus124, wobei der commentariensis eines Statthalters neben der Fuhrung der commentarii auch fur die Archivierung und Konsultation alter Akten zustandig gewesen sei. So seien die commentarii eventuell seit der Zeit des Claudius, fur die eine Sammlung von Dokumenten nachgewiesen ist, die nicht mehr transportabel war und somit den Charakter eines Archivs angenommen hat, in einem Archiv aufbewahrt worden und dort allen Nachfolgern und der Offentlichkeit zuganglich gewesen125, sicherlich auch das jeweilige Provinzstatut126. Das gleiche kann, wenn auch erst etwas spater, fur die Korrespondenz des Statthalters mit dem Kaiser, den Organen des Romischen Staates sowie mit den Stadten gegolten haben, die eventuell auch uber die Amtszeit des jeweiligen Statthalters hinaus in der Provinz aufbewahrt wurde.127
c)Die lokale Selbstverwaltung im griechischen Osten
1. Die Polis
Im ostlichen Mittelmeerraum dominierte - abgesehen von Agypten - der Stadttypus der noZts; dabei gab es zwar regional, ethnisch, sozial und wirtschaftlich unterschiedliche Auspragungen, aber dennoch muB dieser Stadttypus als politisch einheitlich aufgefaBt werden. Ihn macht sein Selbstverstandnis als Stadtstaat aus, das auch dann empfunden wurde, wenn die Staatlichkeit juristisch nicht vorlag. Hinzu kam die republikanische Staatsform, die Wahlbarkeit der Beamten und das in unterschiedlicher Gewichtung auftretende politische Mitspracherecht aller Burger, das im Rahmen der stadtischen Institutionen (Rat und Volksversammlung) sowie auch bis zu einem gewissen Grade in den Gerichtshofen ausgeubt wurde. In hellenistischer Zeit hatte sich eine Mischform aus Oligarchie und Demokratie durchgesetzt, die wiederum von Stadt zu Stadt unterschiedlich gepragt war. Kennzeichnend fur die Polis war auch die griechische Sprache und Kultur, die jedoch weder als einzige in einer Polis anzutreffen waren noch uberhaupt fur diese exklusiv sein muBten.128
Der Arbeitsstab der Provinzstatthalter muBte wegen der mangelnden personellen Moglichkeiten sehr klein gehalten werden, weshalb die Romer groBen Wert darauf legten, daB anfallende Verwaltungsaufgaben in den Untereinheiten der Provinzen selbstandig erledigt wurden.129 Die Stadt spielte dabei die groBte Rolle, sie wurde die unterste Verwaltungseinheit eines riesigen Territorialstaates. Mit Hilfe eines mehr oder minder ausgepragten Netzes von Stadten konnte Rom am leichtesten das eigentliche Ziel der Reichsverwaltung, die Herrschaftssicherung130, erreichen und dafur seine Befehle in den Provinzen verbreiten sowie die Steuern eintreiben.131
Die Polis entwickelte sich so seit Mitte des vierten vorchristlichen Jahrhunderts bis zur Reichsreform Diokletians in ihrer Selbstandigkeit von einer politischen Einheit hin zu einer unpolitischen Selbstverwaltungseinheit.132 Dabei war die einzelne zunachst aufgrund ihrer relativen Selbstandigkeit jedoch weniger Teil des ganzen Imperium Romanum als vielmehr eine politische Einheit, die der Fremdherrschaft unterworfen worden war. Deshalb agierte sie mit anderen Poleis wie im zwischenstaatlichen Verkehr, und deshalb behielten manche Poleis ein eigenes imperium (apxn)133.
2. Die verschiedenen Tvpen von Stadten
Wie schon die hellenistischen Konige richteten die Romer neue Stadte zusatzlich zu den bereits vorhandenen ein, entweder durch die tatsachliche Anlage einer Siedlung, durch die Konstituierung einer Stadtverfassung oder durch einfache Wiederernennung.134 Am selbstandigsten waren die coloniae, also neu- bzw. wiedergegrundete und durch romische Burger, meist ehemalige Soldaten, besiedelte Stadte, deren Verfassung, Gesetze und Rechtsstellung denen romischer Stadte in Italien gleichkamen und gewissermaBen romische Inseln auf mehr oder weniger fremdem Territorium waren. Daher waren sie wie italische Stadte von direkter Besteuerung befreit.135 Ein Teil oder auch die gesamte ansassige Bevolkerung bekam den Status von coloni zugesprochen.136 Es wurde dabei nicht einmal vorausgesetzt, daB romische coloni sich niederlieBen, sondern es wurde der Status einer Kolonie mitsamt damit zusammenhangender Privilegien zuerkannt, die im Vergleich zum ursprunglichen Tvpus nicht vollstandig sein muBten. So hat sich im Laufe der fruhen Kaiserzeit die Bezeichnung als colonia zu einem Ehrentitel entwickelt.137
Fur den Westen des Reiches war der Tvpus des municipium charakteristisch. Diese municipia konnten entweder romischen oder latinischen Status besitzen, je nachdem, ob es sich bei ihnen um Neugrundungen mit romischen Burgern handelte, die weitgehend die gleichen Privilegien wie die coloniae besaBen, oder ob sie bereits bestehende Gemeinschaften waren, deren Organisation sich nach dem Vorbild der romischen Burgergemeinde richtete.138
Im griechischen Osten herrschten die fur frei erklarten Stadte (civitates liberae) vor. Diese civitates liberae waren Stadte, die den Status privilegierter Untertanen hatten und - in unterschiedlichem MaBe - frei von direkter romischer Herrschaft waren. Obwohl sie jedoch selbstandige, von Rom unter weniger belastenden Bedingungen abhangige Staaten waren, die im Grunde nicht zur Provinz und dem statthalterlichen Hoheitsgebiet gehorten, sondern ihr nur angegliedert waren und ihrer Freiheit jeweils individuell durch eine lex oder ein senatus consultum versichert worden waren, wurde ihre libertas im Laufe der Zeit eine bloBe Scheinvorstellung: die aus der libertas hervorgehenden Sonderrechte entsprangen der fiktiven Fortsetzung des vorprovinzialen amicus et socius-Verhaltnisses.139
[...]
1 Zur Diskussion um Plinius' Antrittsdatum als Provinzstatthalter siehe unten S. 59 Anm. 343.
2 F. Millar: The emperor, the senate and the provinces, in: Journal of Roman Studies 56, 1966 [kunftig zitiert als Millar (1966)], 166.
3 Oben zitierter Aussage Millars entsprechend wird hierbei die Konzentration auf dem juristischen Gebiet liegen.
4 Dennoch halt es der Verfasser der Vollstandigkeit halber fur notig, kurz auf in diesem Zusammenhang entlegene Gebiete wie beispielsweise die prokuratorischen Provinzen oder die municipia im romischen Westen einzugehen.
5 D. Magie: Roman rule in Asia Minor. To the end of the third century after Christ. Vol. I: Text, Princeton/ New Jersey 1950 (kunftig zitiert als Magie), 593.
6 M. Fell: Optimus Princeps? Anspruch und Wirklichkeit der imperialen Programmatik Kaiser Traians, Munchen 1992 (kunftig zitiert als Fell), 114.
7 Vgl. M. Faltner: Ideale der romischen Provinzverwaltung nach Cicero und Plinius dem Jungeren, Diss. Munchen 1955 (kunftig zitiert als Faltner), 80.
8 Vgl. dazu die Besprechung von F. Millar: Preview and discussion of: A.N. Sherwin-White: The letters of Pliny, in: Journal of Roman Studies 58, 1968 [kunftig zitiert als Millar (1968)], 218-224. Ein Problem beim Umgang mit dem Kommentar von Sherwin-White besteht darin, daB er, wie auch Millar (1968) 220 feststellt, bezuglich der Quellennachweise wenig sorgfaltig gearbeitet hat. Daher mussen seine Darlegungen immer wieder in Zweifel gezogen bzw. mit einer gewissen Einschrankung in Bezug auf ihre Gultigkeit versehen werden.
9 Weder im Fernleihverkehr noch uber individuelle Recherchen wurde dem Verfasser die Dissertation von N.J. Witherspoon: Rome and Bithynia: culture and conflict as revealed in the letters of Pliny the Younger, Diss. Arlington/ Texas 1978 zuganglich; der Titel dieser Dissertation verspricht interessante Ansatze; in der seither erschienenen und eingesehenen Literatur zum Thema fand sie allerdings keine Berucksichtigung.
10 Dies zeigt W. Williams: Pliny. Correspondence with Trajan from Bithynia (Epistles X). Translated, with introduction and commentary, Warminster 1990 (kunftig zitiert als Williams), 2 auch anhand der Briefe Ciceros und Frontos, die einen anderen Charakter als die des Plinius haben. Die erhaltenen Briefe Ciceros von seiner Statthalterschaft in Cilicien richteten sich meist an personliche Freunde; Fronto, der mit Antoninus Pius, Marc Aurel und Lucius Verus in Briefkontakt stand, nahm das Prokonsulat, das ihm zugewiesen worden war, gar nicht auf. Daruber hinaus sind kaiserliche Briefe zwar uberliefert, werden jedoch kaum jemals von den Briefen der Statthalter begleitet, auf die sie antworten sollten.
11 Dies entspricht der Darstellung von Strabon, Teoypa^iKa XVII 3, 25.
12 Millar (1966) 165.
13 Augustus, Res gestae 26, 1.
14 F. Millar: „Senatorial“ provinces: an institutionalized ghost, in: The Ancient World 20, 1989 [kunftig zitiert als Millar (1989)], 93-97. F.M. Ausbuttel: Die Verwaltung des romischen Kaiserreiches. Von der Herrschaft des Augustus bis zum Niedergang des Westromischen Reiches, Darmstadt 1998 (kunftig zitiert als Ausbuttel), 10 Anm. 4 schlieBt sich dem an.
15 W. Eck: Senatoren von Vespasian bis Hadrian. Prosopographische Untersuchungen mit EinschluB der Jahres- und Provinzialfasten der Statthalter, Munchen 1970 [kunftig zitiert als Eck (1970)], 14. Zum Unterschied zwischen Konsularen und ehemaligen Praetoren siehe unten S. 19.
16 PIR21 166.
17 Zu den Grunden fur diesen Einsatz vgl. P.N. Langer: Power and propaganda: Relations between Rome and Bithynia under the empire, Piss. Ann Arbor/ Michigan 1981 (kunftig zitiert als Langer), 61. Zahlreiche weitere Beispiele bietet Millar (1966) 162 ff.
18 B.E. Thomasson: Legatus. Beitrage zur romischen Verwaltungsgeschichte, Stockholm 1991 (kunftig zitiert als Thomasson), 27.
19 Millar (1966) 164. Seit Hadrian gibt es Beispiele dafur, dafi Prokonsuln den Kaiser um Rat fragten; spatestens seit dieser Zeit, vermutlich aber bereits seit Traian, wurden kaiserliche mandata an die Statthalter auch der publicae provinciae ausgestellt. [Millar (1966) 164 f.]
20 Siehe dazu unten S. 36.
21 Millar (1966) 166.
22 Zur Entstehung des Instanzenzuges vgl. J. Bleicken: Verfassungs- und Sozialgeschichte des Romischen Kaiserreiches, Bd.1., Paderborn (u.a.) 41995 [kunftig zitiert als Bleicken (1995)], 190.
23 Ausbuttel 61 ff.
24 Zu den einzelnen Formen kaiserlicher Verfugungen siehe unten S. 10.
25 J. Bleicken: Zum Regierungsstil des romischen Kaisers: eine Antwort auf Fergus Millar, Wiesbaden 1982 [kunftig zitiert als Bleicken (1982)], 15 ff.
26 Ausbuttel 10.
27 Vgl. F. Millar: The emperor in the Roman world (31 BC - AD 337), London 21992 [kunftig zitiert als Millar (1992)], 189 f.
28 Das Amt des a rationibus war eines der Zentralamter, die bereits im fruhen Prinzipat fur einzelne Sachressorts geschaffen worden sind. Diese Sekretare waren Vertrauensleute des Kaisers, wurden von diesem ausgewahlt undunterstandenihm direkt. [Bleicken(1995) 158 f.]
29 Ausbuttel 10 ff.
30 Bleicken (1995) 201.
31 Bleicken (1995) 195.
32 Bleicken (1995) 198 f.
33 Millar (1992) 397, ebenso Ausbuttel 26. Gegen eine festgelegte Vorgehensweise bei der Einrichtung von Provinzen durch leges provinciae richtet sich A. Lintott: Imperium Romanum. Politics and administration, London, New York 1993 (kunftig zitiert als Lintott), 28 ff.
34 C. Marek: Stadt, Ara und Territorium in Pontus-Bithynien und Nord-Galatia, Tubingen 1993 (kunftig zitiert als Marek), 42.
35 D. Norr: Imperium und Polis in der hohen Prinzipatszeit, Munchen 1966 [kunftig zitiert als Norr (1966)], 27.
36 Millar (1992) 256 geht davon aus, daB die Edikte der Zeit vor der Tetrarchie eher die Funktion von epistulae und Dekreten hatten, beispielsweise als Antwort auf eine Anfrage einer Stadt oder einer Provinzgesandtschaft him entsprechende Inschriften seien nur an Orten gefunden worden, wo sie von Relevanz waren.
37 Ausbuttel 8.
38 Williams 9.
39 Millar (1992) 317 f.
40 Bleicken (1982) 17.
41 A.N. Sherwin-White: The letters of Pliny. A historical and social commentary, Oxford 1966 [kunftig zitiert als Sherwin-W. (1966)], 589 f.
42 Millar (1992) 317. Ihr Inhalt konnte dabei in Form von einigen allgemeinen Grundsatzen den peregrini bekannt werden. { L. Vidman: Die Mission Plinius' des Jungeren in Bithynien, in: Klio 37, 1959 [kunftig zitiert als Vidman (1959)], 221 f., vgl. Plin. ep. X 110, 1.}
43 Williams 9.
44 Sherwin-W. (1966) 630.
45 Ausbuttel 8.
46 Sherwin-W. (1966) 536.
47 Millar (1992) 224 ff. Gegen Millar, der davon ausgeht, daB sich der Kaiser Arbeiten verschiedenster Art stets personlich stellte, steht der beispielsweise von Bleicken (1995) 158 ff. vertretene Ansatz, die Zentralamter hatten weitgehend selbstandig gearbeitet. W. Eck: Die staatliche Administration des romischen Reiches in der hohen Kaiserzeit. Ihre strukturellen Komponenten, in: Ders.: Die Verwaltung des romischen Reiches in der hohen Kaiserzeit. Ausgewahlte und erweiterte Beitrage, Bd. 1, Basel 1995 (kunftig zitiert als Eck I), 26 ff. unterstutzt weitgehend die Position von Millar, schrankt jedoch ein, daB ,,es im Verlauf der Entwicklung zu einer gewissen Verselbstandigung bestimmter Tatigkeitsbereiche auch in den sogenannten zentralen Ressorts gekommen“ (Eck I 27) sei.
48 Millar (1992) 240.
49 Plinius beispielsweise schickte fur P. Accius Aquila, einen centurio der cohors sexta equestris, einen libellus an Traian. Er machte aber zugleich klar, dab es sich hierbei um einen Ausnahmefall handelte:durum putavi negare (...).“ (Plin. ep. X 106.) Auberdem handelte es sich bei dem Klienten um eine politisch relativ hochgestellte Personlichkeit aus der Reichsbevolkerung. [Vgl. W. Eck: Zur Durchsetzung der Anordnungen und Entscheidungen in der hohen Kaiserzeit: Die administrative Informationsstruktur, in: Ders.: Die Verwaltung des romischen Reiches in der hohen Kaiserzeit. Ausgewahlte und erweiterte Beitrage, Bd. 1, Basel 1995 (kunftig zitiert als Eck II), 56 Anm. 5.]
50 Millar (1992) 249 f. In spaterer Zeit, wohl seit der ersten Halfte des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts, ist anzunehmen, dab der Kaiser, nachdem er seine Erkundigungen eingeholt hatte, nur noch den Grundtenor des Antwortschreibens vorgab, den der a libellis dann in einer subscriptio umzusetzen hatte. Aber auch dies kann nur Hypothese bleiben. [Millar (1992) 251.]
51 Millar (1992) 252.
52 Eck I 11.
53 Neben dem in Rom weilenden consilium principis, das sich mit Fragen der Jurisdiktion und der Administration zu beschaftigen hatte, existierte ein Reisekonsilium, das die kontinuierliche Abwicklung der Staatsgeschafte zu gewahrleisten hatte, wenn der Kaiser auf Reisen war. Die Mitglieder dieses Reisekonsiliums, die vom Kaiser wohl zumeist aus dem Kreis der Mitglieder des consilium principis ausgewahlt worden sind, hatten sich zusatzlich naturgemab mit strategischen Aufgaben auseinanderzusetzen. [H. Halfmann: Itinera principum. Geschichte und Typologie der Kaiserreisen im Romischen Reich, Stuttgart 1986 (kunftig zitiert als Halfmann), 92 ff.]
54 Bleicken (1995) 162.
55 Halfmann 151 f.
56 Mehr als die Feststellung der Moglichkeit laBt die unzureichende Quellenlage nicht zu, so Halfmann 152.
57 Eck II 56.
58 Eck II 57 Anm. 7.
59 Eck II 58 ff.
60 Millar (1992) 252 ff.
61 EckII61 f.
62 Eck II 65 ff.
63 Millar (1992) 264.
64 Bleicken (1982) 14 f.
65 Cassius Dio LXIX 6.
66 Bleicken (1982) 18 ff
67 Bleicken (1982) 30 ff.
68 Millar (1992) 317.
69 Bleicken (1982) 8.
70 Bleicken (1982) 23.
71 Bleicken (1982) 36 f.
72 Millar (1992) 642.
73 Millar (1992) 647.
74 Der Versuch der Erstellung eines solchen Kataloges wird fur Kaiser Traian unten S. 103 ff. vorgenommen.
75 Bleicken (1995) 148.
76 Thomasson 28.
77 Ausbuttel 29.
78 A. von Premerstein: Art. 'Legatus', RE 23. Hb. (kunftig zitiert als Premerstein), 1146.
79 So auchMillar (1989) 93.
80 Millar (1966) 158.
81 Millar (1966) 164 f. sowie Millar (1992) 313 f.
82 Vidman (1959) 219. P.A. Brunt: Charges of provincial maladministration under the early principate, in: Historia 10, 1961 (kunftig zitiert als Brunt), 201 ff. versucht zu zeigen, daB dies nicht der Fall war. Dabei uberzeugt seine Statistik nicht: 22 im Senat erloste Prokonsuln sind allein in den mit Abstand am meisten betroffenen Provinzen Pontus et Bithynia, Asia, Baetica, Creta et Cyrene und Africa an Korruptionsfallen beteiligt gewesen. Zwar erscheint sein Argument, daB ,,it probably seemed too hazardous to assail one who appeared high in the Emperor's esteem“ (Brunt 211), nicht unlogisch, bleibtjedoch zwangslaufig ohne Beleg. Auch daB kaiserliche Beamte meist in wenig zivilisierten Provinzen gewirkt hatten, die gar nicht in der Lage gewesen waren, selbstandig und den Gepflogenheiten entsprechend gegen ihre Statthalter vorzugehen (ebd.), kann nicht unbedingt uberzeugen: sollten ,,Rome's more barbarous subjects“ (Brunt 212) nicht auch Figuren hervorgebracht haben, die sich, ohne sofort Aufstande zu organisieren, gegen korrupte Statthalter aufjuristischem Wege zur Wehr hatten setzen konnen?
83 Siehe dazu unten S. 19.
84 J. Lehnen: Adventus principis. Untersuchungen zu Sinngehalt und Zeremoniell der Kaiserankunft in den Stadten des Imperium Romanum, Frankfurt/ M. (u.a.) 1997 (kunftig zitiert als Lehnen), 321.
85 Tacitus, Annales II 59, 3.
86 W. Eck: Die Leitung und Verwaltung einer prokonsularischen Provinz, in: Ders.: Die Verwaltung des romischen Reiches in der hohen Kaiserzeit. Ausgewahlte und erweiterte Beitrage, Bd. 1, Basel 1995 (kunftig zitiert als Eck III), 327 ff.
87 Millar (1992) 314.
88 Eck I 15.
89 Zu einem ahnlichen Ergebnis kommt Langer in ihrer Studie, vgl. Langer 181 f. Vgl. zu den Veranderungen, die auf diesem Gebiet von Seiten der Kaiser vorgenommen worden sind, Eck (1970) 21 ff.
90 Ausbuttel 30. Dementsprechend trat bei Hadrian, derja auch samtliche Provinzen inspizierte, der kaiserliche Titel des Prokonsuls vollends hervor, so H. Bellen: Grundzuge der romischen Geschichte. 2.Teil. Die Kaiserzeit von Augustus bis Diocletian, Darmstadt 1998 (kunftig zitiert als Bellen), 118.
91 Lehnen 322.
92 Langer 45 sowie 179.
93 Ausbuttel 32.
94 Eck (1970) 38 ff.
95 Williams 6 f. Die legati proconsulis hatten ein Pendant in den kaiserlichen Provinzen, die iuridici, deren Aufgabe vermutlich derjenigen der legati nachempfunden war. [Eck (1970) 38 und Anm. 5.] Ein iuridicus, der also den kaiserlichen Statthalter auf dem Gebiet der Jurisdiktion unterstutzte, laBt sich aber fur die Zeit vor den flavischen Kaisern nur einmal nachweisen. (Lintott 122 und 216 Anm. 59.) Dies laBt darauf schlieBen, daB dieser Posten auch fur die traianische Zeit nicht uberschatzt werden darf.
96 Langer 179.
97 Grundsatzlich bedurfte es fur nicht verbeamtete Senatoren bzw. fur jeden Sohn eines Senators einer besonderen Erlaubnis, um eine Provinz bereisen zu durfen, beispielsweise um den Zustand privater Guter zu uberprufen. Die Erteilung dieser Erlaubnis wurde durch den Kaiser entschieden, eine genehmigte Reise stand jedoch stets unter strenger Beaufsichtigung. (Lehnen 322.)
98 Lehnen 320.
99 R. Haensch: Capita provinciarum. Statthaltersitze und Provinzialverwaltung in der romischen Kaiserzeit, Mainz 1997 [kunftig zitiert als Haensch (1997)], 34.
100 Lehnen 332 ff
101 Millar (1992) 29 f.
102 Haensch (1997) 29. Lehnen 331 geht davon aus, daB die Statthalter auch die landlichen Gebiete aufgesucht haben, um die dort anzutreffenden Situationen zu inspizieren.
103 Lehnen 320.
104 Ausfuhrlicher dazu Ausbuttel 58 ff.
105 Die meisten Bittschriften lieBen die Statthalter freilich an rangniedere Beamte weiterleiten, so Ausbuttel 162.
106 Ausbuttel 162.
107 Ausbuttel 132 ff.
108 Lehnen 320.
109 Brunt 215.
110 Lehnen 332.
111 Haensch {1997) 720.
112 Haensch (1997) 712 vermutet, daB diese Unterscheidung mit der Provinzaufteilung des Jahres 27 v. Chr. zusammenhangen konnte, der zu Folge die Statthalter der kaiserlichen Provinzen nicht den Prokonsuln gleichgestellt werden sollten. Daher sei auch darauf verzichtet worden,jene mit apparitores auszustatten. Eine Ausnahme waren dabei die lictores, deren Amt von keiner anderen Gruppe versehen werden konnte und die deshalb zum Stab auch der kaiserlichen Statthalter gehoren muBten. Durch das Tragen der fasces sorgten sie fur die Ehrerbietung gegenuber den Statthaltern und fungierten als Amtsdiener beispielsweise beim Opfervollzug wie auch bei der der statthalterlichen Rechtssprechung. Ein Unterscheidungsmerkmal bestand dennoch: einen Prokonsuln begleiteten sechs Liktoren (in Asia und Africa zwolf), einen kaiserlichen Statthalter dagegen funf.
113 Haensch (1997) 713.
114 Haensch (1997) 388.
115 Diese Auflistung verschiedener Funktionen, die der Verfasser in diesem Zusammenhang fur wichtig erachtet, versteht sich lediglich als Auswahl; eine vollstandigere Erlauterung des officium findet sich bei Haensch (1997) 720 ff.
116 Haensch (1997) 26 zeigt in diesem Zusammenhang, daB es nominelle Provinzhauptstadte nicht gegeben hat, da es einen entsprechenden Titel wie z.B. den eines Statthaltersitzes nicht gegeben hat. Die Residenz eines Statthalters hatte, wenn uberhaupt, nur selten den Charakter eines Regierungssitzes im heutigen Sinne, so Haensch (1997) 36.
117 Haensch (1997) 27.
118 Haensch(1997) 364 ff.
119 Haensch (1997) 28. In den meisten Provinzen sind die Statthaltersitze schwer zu lokalisieren. Zu den Grunden siehe Haensch (1997) 361 ff. Da eine Stadt nicht ausgebaut wurde, wenn sie Statthaltersitz war oder werden sollte und Aspekte wie die Entwicklung einer Stadt in vorromischer Zeit und gunstige okonomische Bedingungen wichtiger waren als derjenige, Statthaltersitz zu sein, hatten in vielen Provinzen andere Stadte dasselbe Gewicht wie der Statthaltersitz und rivalisierten mit ihm. [Haensch (1997) 388.] Es hing grundsatzlich von der allgemeinen Stellung einer Stadt und somit auch des Statthaltersitzes ab, ob ein Titel wie der der metropolis oder der nprarp bzw. des caput provinciae zugesprochen wurde. [Haensch (1997) 372 ff.] Zu diesen Titeln siehe unten S. 36 Anm. 186.
120 Haensch (1997) 385 ff.
121 R. Haensch: Das Statthalterarchiv, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung fur Rechtsgeschichte 109, 1992 [kunftig zitiert als Haensch (1992)], 212.
122 Sherwin-W. (1966) 604 f.
123 Haensch (1997) 35
124 Haensch (1992) 214 ff. DaB Plinius fast nur zu Dokumenten gekommen sei, die von Klagern vorgebracht wurden oder aus stadtischen Archiven stammten, begrundet Haensch (1992) 217 damit, daB der Statthalter sich die Dokumente nicht habe selber besorgen konnen, da er einerseits eine Fulle von Entscheidungen zu treffen gehabt habe und andererseits sein Stab zu klein gewesen sei. Dies erscheint logisch, zumal das Statthalterarchiv nicht vonjedem Ort der Provinz aus gleich gut erreichbar gewesen sein wird.
125 Haensch (1992) 229 ff.
126 Haensch (1992) 277.
127 Haensch (1992) 245 ff.
128 R. Bernhardt: Polis und romische Herrschaft in der spaten Republik (149-31 v. Chr.), Berlin, New York 1984 [kunftig zitiert als Bernhardt (1984)], 8f. Bernhardt (1984) 9 ff. fuhrt auch die anderen Stadttypen an, die im griechischen Osten anzutreffen waren.
129 Lintott 129.
130 Ausbuttel 191.
131 D. Norr: Zur Herrschaftsstruktur des romischen Reiches: Die Stadte des Ostens und das Imperium, in: Temporini, H. (Hg.): Aufstieg und Niedergang der romischen Welt II 7, 1, Berlin, New York 1980 [kunftig zitiert als Norr (1980)], 16.
Daneben gab es noch vor allem in den weniger dicht besiedelten Gebieten die Krapm, also Dorfer, die fur ihre Regionen eine gewichtige administrative Rolle spielten. (Vgl. Lintott 130 f.)
132 Bernhardt (1984) 1.
133 Sie besaBen also neben ihrem stadtischen Territorium noch einen politischen Herrschaftsbezirk mit abhangigen Orten, denen die Tributpflicht auferlegt war und die bestimmte religiose Akte in der herrschenden Stadt durchfuhren sowie deren Gerichte anrufen muBten. [Norr (1966) 51.]
134 Millar (1992) 395 f.
135 Lintott 130.
136 Millar (1992) 407. Freilich versuchte Millar (1968) 222 selbst schon die Existenz von Doppelgemeinden, Gemeinden mit romischen Kolonisten und Burgern der griechischen Polis zu widerlegen.
137 Millar (1992) 408.
138 Lintott 130.
139 Bernhardt (1971) 97 ff.
- Citation du texte
- Philipp Wehmann (Auteur), 1999, Eine römische Statthalterschaft. Plinius der Jüngere in Pontus et Bithynia, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/85199
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