Einleitung
Das Jahr 1992 wird in der Literatur durchgängig als Wendepunkt der Weltpolitik angesehen. In diesem Jahr fand in Rio de Janeiro die Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung (eng. United Nations Conference on Environment and Development, UNCED) statt. Zusammen mit den Mitgliedsstaaten, privaten Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen wurden marktwirtschaftliche Lösungen für ökologische Probleme und Ansätze für eine nachhaltige Entwicklung in der Agenda 21 gefunden. Seit dem Erdgipfel von Rio spielen Nichtregierungsorganisationen neben den Regierungen und internationalen Organisationen bei global ausgerichteten politischen Entscheidungsprozessen und der praktischen Umsetzung dieser Politik eine zunehmend wichtige Rolle (Hummel 2001: 22). Mehr als 2000 NGOs1 nahmen am Erdgipfel teil, seitdem nimmt die Zahl der regierungsunabhängigen Organisationen stetig zu, um die Herrschenden in aller Welt wie ein „Little Brother“ (Fetscher 1995: 125f.) zu überwachen. NGOs, die in den Bereichen Entwicklungszusammenarbeit und Umweltschutz tätig sind, haftet ein positives Image an. Sie werden als „neue Helden“ und als „Hoffnungsträger für Millionen“ deklariert (Spiegel special, 1995). Mit einer komplexer werdenden Welt der Globalisierung, gemeint sind u.a. die transnationale Wirtschaftspolitik, internationale Menschenrechtsstandards, vernetzte Kommunikationstechnologien und ökologische Krisen, wächst die Menge an NGOs, während die öffentliche Aufmerksamkeit durch ihre spektakulären Aktionen und Medienpräsenz auf NGOs gelenkt wird (Heins 2002: 9).
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. NGOs in der Entwicklungszusammenarbeit
2.1 Begriffsdefinition und Merkmale von NGOs
2.2 Unschärfen des Begriffs NGO
2.3 Aktivitäten von NGOs in der Entwicklungszusammenarbeit
2.4 Finanzierung
3. Gesellschaftliche Bedingungen für die Entstehung von NGOs
4. Bedeutungszunahme von NGOs
5. Wirkungsgrenzen von NGOs in der Entwicklungszusammenarbeit
5.1 Allgemeine Kritikpunkte
5.1.1.Evaluierungen
5.1.2 Veruntreuung von Geldern
5.1.3 Instrumentalisierung durch Politik und Medien
5.2 Verhalten von NGOs in Konfliktgebieten
6. Fazit
7. Literatur
1. Einleitung
Das Jahr 1992 wird in der Literatur durchgängig als Wendepunkt der Weltpolitik angesehen. In diesem Jahr fand in Rio de Janeiro die Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung (eng. United Nations Conference on Environment and Development, UNCED) statt. Zusammen mit den Mitgliedsstaaten, privaten Unternehmen und Nichtregierungs-organisationen wurden marktwirtschaftliche Lösungen für ökologische Probleme und Ansätze für eine nachhaltige Entwicklung in der Agenda 21 gefunden. Seit dem Erdgipfel von Rio spielen Nichtregierungsorganisationen neben den Regierungen und internationalen Organisationen bei global ausgerichteten politischen Entscheidungsprozessen und der praktischen Umsetzung dieser Politik eine zunehmend wichtige Rolle (Hummel 2001: 22). Mehr als 2000 NGOs[1] nahmen am Erdgipfel teil, seitdem nimmt die Zahl der regierungsunabhängigen Organisationen stetig zu, um die Herrschenden in aller Welt wie ein „Little Brother“ (Fetscher 1995: 125f.) zu überwachen. NGOs, die in den Bereichen Entwicklungszusammenarbeit und Umweltschutz tätig sind, haftet ein positives Image an. Sie werden als „neue Helden“ und als „Hoffnungsträger für Millionen“ deklariert (Spiegel special, 1995). Mit einer komplexer werdenden Welt der Globalisierung, gemeint sind u.a. die transnationale Wirtschaftspolitik, internationale Menschenrechtsstandards, vernetzte Kommunikationstechnologien und ökologische Krisen, wächst die Menge an NGOs, während die öffentliche Aufmerksamkeit durch ihre spektakulären Aktionen und Medienpräsenz auf NGOs gelenkt wird (Heins 2002: 9).
In dieser Arbeit wird untersucht, wodurch den NGOs in der Entwicklungszusammenarbeit Grenzen gesetzt werden. Dazu wird im zweiten Teil der vorliegenden Arbeit der Begriff „Nichtregierungsorganisation“ weitestgehend definiert und für die Fragestellung eingegrenzt. Des Weiteren wird erklärt, womit und wo sich NGOs in der Entwicklungszusammenarbeit betätigen, bevor die Finanzierungsmöglichkeiten ihrer Einsätze und Projekte erläutert werden. Im dritten Teil erfolgt die Erläuterung über gesellschaftliche und sozialstrukturelle Entstehungsursachen von NGOs, bevor im vierten Teil auf die Bedeutungszunahme von NGOs eingegangen wird. Im letzten Teil werden schließlich die Wirkungsgrenzen von NGOs beleuchtet, die gleichzeitig in der Literatur auch als Kritikpunkte gegenüber NGOs angeführt werden.
2. NGOs in der Entwicklungszusammenarbeit
Im Folgenden werden nun Definitionen und Merkmale von NGOs aufgezählt, um den Untersuchungsgegenstand weitestgehend auf das Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit einzuschränken. In der gesamten Arbeit wird der gängige, englische Begriff NGO (non-government-organisation) dem deutschen Begriff NRO (Nicht-Regierungsorganisation) vorgezogen.
2.1 Begriffsdefinition und Merkmale von NGOs
Eine universell akzeptierte und einheitliche Definition für NGOs existiert nicht. Stattdessen erklärt sich der Begriff aus seiner minimalistischen Negativabgrenzung, das heißt aus seiner Nicht-Staatlichkeit (Wegner 1993: 13). Der Begriff der NGOs wurde durch die UN (United Nations = Vereinte Nationen) geprägt. Bei der Ausarbeitung der Charter waren viele private Organisationen beteiligt, die letztendlich in die UN-Charter aufgenommen wurden. Die Vereinten Nationen stellten jedoch nie einen Katalog auf, in denen die UN-Kriterien für NGOs enthalten waren (Martens 2002: 30ff.). Lediglich die Nicht-Staatlichkeit der international tätigen Organisationen erklärt den speziellen Beraterstatus der NGOs im Artikel 71 der UN-Charter von 1951. In der Regel sollten diese Organisationen in mindestens drei Ländern vertreten sein (Neubert 1997: 32f.). Zu den im Rahmen der UN tätigen Organisationen zählten jedoch auch Wirtschaftsunternehmen, Mitgliederverbände und Gewerkschaften. Nach dem heutigen Verständnis werden jedoch nur solche Organisationen als NGO verstanden, die nicht gewinnorientiert sind. Sie gehören dem „Dritten Sektor“ an, der sich jenseits von Staat und Markt befindet (Wardenbach 2006: 186). Im Punkt 3 wird auf den Begriff des Dritten Sektors noch näher eingegangen.
Durch die Mitarbeit an Konferenzen, Anhörungen, Seminaren und Symposien beteiligen sich NGOs seit den 1980er Jahren immer stärker an entwicklungspolitischen Diskussionen. Infolgedessen kam es zu einem Bedeutungswandel des Begriffs. Auch kleine Organisationen, die nur in einem Land tätig sind, zählen seitdem zu NGOs. In der Literatur wird der Begriff NGO inflationär gebraucht. Jede Art des Zusammenschlusses, die nicht-staatlichen Status hat, erhält das Etikett „NGO“. Ins Spektrum fallen internationale Großorganisationen sowie informelle Nachbarschaftshilfen und lokale Frauengruppen, weswegen der Begriff NGO zu einem unpräzisen „Catch all“ Begriff geworden und aus seinem speziellen UN-Zusammenhang gelöst ist (Neubert 1997: 33).
Die extreme Diversität und Heterogenität der NGOs machen es unmöglich, ihnen gemeinsame und einheitliche Fähigkeiten und Eigenschaften zuzusprechen. Dennoch lassen sich im Bereich der entwicklungspolitisch tätigen NGOs einige Gemeinsamkeiten finden. Den Hauptzweck von NGOs sehen diese in der Ermöglichung der Befriedigung der physischen Elementarbedürfnisse und kulturell-politischen Grundbedürfnisse der Armutsgruppen auf höherem Niveau als zuvor (Wegner 1993: 14). Ihre Arbeit ist damit nicht dem eigenen Nutzen und Profit verbunden. Sie handeln auf freiwilliger Basis und haben eine gemeinnützige, altruistische Haltung. Neubert (1997: 34) bezeichnet NGOs daher auch als private Wohlfahrts- und Entwicklungsorganisationen. NGOs fungieren intermediär, das heißt, sie stellen die Verbindung zwischen den Geldgebern und der eigentlichen Zielgruppe von Entwicklungszusammenarbeit her. Indes sind sie politische Vermittler zwischen Staat und Gesellschaft und zwischen unterschiedlichen Gesellschaften auch auf internationaler Ebene. Zumindest formell sind sie weder direkt von Nationalstaaten und deren Regierungen abhängig noch treten sie als Marktakteure auf. Private Unternehmen sowie Parteien und Guerilla-Bewegungen können daher genauso wie Selbsthilfeorganisationen und Interessenverbände von dem Begriff NGO ausgeklammert werden, da sie sich primär am Eigennutz orientieren (Wegner 1993: 13f.).
Martens (2002: 34ff.) gliedert die idealtypischen Merkmale einer Nichtregierungsorganisation nach den einzelnen Buchstaben N, G und O. Diese verschiedenen Punkte sollen hier als Zusammenfassung dienen, um die wesentlichen Merkmale zu verdeutlichen. Als Akteur in der privaten Sphäre verfolgen NGOs keine primär materiellen Ziele. Sie sind aufgrund einer zivilgesellschaftlichen Initiative zustande gekommen und vertreten keine eigenen Interessen sondern die der Mitglieder und anderer Menschen, denen ihre Organisation zugute kommen soll (z.B. im Bereich Umweltschutz, Menschenrecht). NGOs erkennen das politische System, in dem sie agieren, an. D.h. sie handeln im Rahmen gesetzlicher Bedingungen und wenden keine Gewalt an. Während früher die Betonung ihrer Arbeit auf Wohltätigkeit und Freiwilligenarbeit lag, haben sich NGOs bis heute professionalisiert, und der feste, bezahlte Mitarbeiterstab ist entsprechend fundiert ausgebildet. Dabei bilden Professionalität und Nichtprofitorientiertheit keine Gegensätze. Des Weiteren sind NGOs unabhängig von staatlichen Finanzierungen und staatlichem Einfluss auf ihre Aktionsprogramme. Daraus ergibt sich das Problem der Finanzierung ihrer Arbeiten. Zudem besteht durch die hohe Vielzahl an NGOs eine große Konkurrenz untereinander, da sich der Großteil des Vermögens aus Spendengeldern und Mitgliedsbeiträgen ergibt. Jede Nichtregierungsorganisation beinhaltet außerdem eine organisatorische Struktur. D.h. es existiert sowohl ein Hauptsitz mit einem festen Mitarbeiterstab als auch eine offiziell verabschiedete Satzung. Trotzdem dass viele NGOs ihre Wurzeln aus einer sozialen Bewegung heraus haben, besitzen diese einen anerkannten juristischen Status (Martens 2002: 35).
2.2 Unschärfen des Begriffs NGO
Die Zusammenarbeit mit privaten Organisationen erhält für staatliche Institutionen sowie multilaterale Entwicklungsagenturen anhaltend größere Bedeutung. In diesem Punkt wird die Schwierigkeit einer genauen Abgrenzung der Nicht-Staatlichkeit deutlich. Die meisten NGOs wollen keine Regierungsverantwortung übernehmen, dennoch sind sie in der politischen Sphäre tätig. Das Merkmal der Nicht-Staatlichkeit betont lediglich, dass die Organisationen nicht Teil eines Staatsapparates sind, jedoch werden von ihnen zunehmend staatliche Aufgaben nach lokalen Bedürfnissen übernommen. Diese werden sogar teilweise dazu vom Staat beauftragt (Beck / Demmler 2000:32). Insofern treten vereinzelt NGOs in einer Grauzone auf, die eine genaue Trennung vom Staat nicht zulassen. Zu einer solchen Sonderform von NGOs zählen beispielsweise QUANGOs (quasi-NGOs), GRINGOs (government run, inspired NGOs), GONGOs (government-organised NGOs) und DONGOs (Donor-Organized NGOs). Diese auch als NGO-Abweichler bezeichneten NGO-Typen (Martens 2002: 42) entsprechen nur zum Teil den Beschreibungen genuiner NGOs.
In QUANGOs werden staatliche Stellen oder Staaten als Mitglieder zugelassen, und ihre Finanzierung ergibt sich hauptsächlich aus staatlichen Mitteln, woraus sich eine so große finanzielle Abhängigkeit ergibt, dass sich die Organisation aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen nicht mehr eigenständig tragen kann. Obwohl ihre Aktivitäten unabhängig von staatlicher Einmischung durchgeführt werden, fällt es schwer, den genauen Unterschied zwischen inhaltlicher Eigenständigkeit und staatlicher Instrumentalisierung auszumachen. Dies wird daran deutlich, dass zunehmend mehr Internationale Organisationen staatliche Aufgaben übernehmen wie z.B. im Fall des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes, das aus öffentlichen Kassen finanziert wird.
GRINGOs werden meist auf eigene Initiative von öffentlichen Mandatsträgern, Politikern oder Verwaltungsbeamten gegründet, die damit politische oder kommerzielle Interessen verfolgen. Da sie eine enge Verbindung zu staatlichen Institutionen eingehen, sollen sie in dieser Arbeit genauso wie alle anderen NGO-Abweichler nicht zu den genuinen NGOs hinzugezählt werden (Wegner 1993: 13).
GONGOs sind aufgrund staatlicher Initiative entstanden. Der Ursprung liegt hier also nicht in einer sozialen Bewegung. Sie unterliegen staatlicher Autorität und führen staatliche Instruktionen aus. Lediglich ihre juristische Position rechtfertigt ihre Bezeichnung als NGO. Während des Kalten Krieges wurden vielfach Organisationen durch kommunistische Regierungen gegründet und finanziert, um den staatlichen Positionen durch jene NGOs noch mehr Gewicht zu verleihen. Aber auch heute sind GONGOs in der Entwicklungszusammenarbeit vertreten (Martens 2002: 43).
DONGOs sind profitorientierte Organisationen, die im Auftrag ihrer (zwischen-)staatlichen Geberorganisation humanitäre Hilfsmaßnahmen oder Entwicklungsprojekte durchführen. Die Weltbank setzt seit den 1970er Jahren intensiv DONGOs als Dienstleister für Projekte und Politiken ein (Bläser 2005: 13).
2.3 Aktivitäten von NGOs in der Entwicklungszusammenarbeit
Angesichts der hohen Vielzahl und Diversität von NGOs ist es nahezu unmöglich, sie in klare Fraktionen einzusortieren. Hinzu kommt, dass zahlreiche NGOs interdisziplinär arbeiten, d.h. dass sich manche ihrer Arbeitsbereiche überschneiden. Daher werden nun die Arbeitsbereiche der NGOs in der Entwicklungspolitik aufgezählt, die typischerweise eine besondere Popularität genießen[2] (nach Kuhn 2005: 135):
- Menschenrechte (wirtschaftliche, politische, soziale und kulturelle Rechte);
- Förderung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Good Governance und Korruptionsbekämpfung;
- Friedensinitiativen, Krisenprävention und Konfliktbearbeitung;
- Humanitäre Hilfe;
- Gesundheit;
- Bildung;
- Umwelt- und Ressourcenschutz;
- Kleinkreditwesen
- Beschäftigungsförderung;
- Landwirtschaft, Wasserwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei;
- Kleine Infrastrukturmaßnahmen (Brücken- und Wegebau, Katastrophenschutz).
[...]
[1] NGOs (Non-Government-Organisations) werden in der deutschen Literatur als NROs (Nicht-Regierungs-Organisationen) bezeichnet. In dieser Arbeit wird ausschließlich der englische Begriff verwendet, da er international im Gebrauch ist.
[2] Die angeführten Aufzählungen können die Realität nur grob vereinfacht wiedergeben. Es fehlen empirische Studien zur Arbeitsweise von NGOs im Hinblick auf ihre Wohlfahrts- und Entwicklungsaktivitäten und auf ihre interne Arbeitsweise (vgl. Neubert 1997: 42f.).
- Quote paper
- Katharina Alt (Author), 2007, Wirkungsgrenzen von NGOs in der Entwicklungszusammenarbeit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/85131
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