Afrika im Kalten Krieg war geprägt durch einen Machtkampf zwischen der Sowjetunion und den USA. Am Ende des Zweiten Weltkrieges praktisch noch komplett in den Händen der Kolonialmächte, führte die Dekolonisierung ab den 50er Jahren zu einem Wettlauf um Einfluss, Macht und Stützpunkte auf dem afrikanischen Kontinent. Im Fokus standen vor allem Nordafrika mit seinen Ölvorkommen und seinen langen Mittelmeerküsten, das Horn von Afrika mit seiner strategischen Nähe zum Roten Meer, dem Suezkanal und dem Nahen und Mittleren Osten, sowie das südliche Afrika mit dem Apartheidregime in Südafrika und seinen gewaltigen Rohstoffvorkommen. In den 45 Jahren des Kalten Krieges war Afrika geprägt von Kriegen, die die vielfach willkürlich gezogenen Grenzen in Frage stellten. Die Grenzziehungen auf dem Kontinent gingen häufig noch auf die Berliner Konferenz von 1884/1885 zurück. Mit der einsetzenden Dekolonisierung entdeckten nun die beiden aus dem Weltkrieg hervorgegangenen Supermächte den Kontinent. Das Vakuum, welches nach dem häufig überstürzten Rückzug der Kolonialmächte entstanden war, bot den Supermächten gute Möglichkeiten in die lokalen Konflikte einzugreifen und die zumeist armen Staaten durch Waffenlieferungen und Entwicklungshilfe an sich zu binden und somit im Wettlauf der Systeme einen Gewinn zu erzielen.
Die folgende Arbeit hat zum Ziel, die sowjetischen Interessen an dem Kontinent darzustellen. Kern der Analyse ist dabei Schwarzafrika und nicht das muslimische Nordafrika.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Afrika, die Sowjetunion und der Kalte Krieg
3. Die geostrategischen Interessen
3.1. Strategisches Rennen um den Indischen Ozean und das Horn von Afrika
3.2. Der Sino – Sowjetische Gegensatz
3.3. Nullsummenspiel
4. Ökonomische Faktoren
4.1. Waffenverkäufe
4.2. Der Kampf um Rohstoffe in Afrika
5. Schluss
6. Anhang
7. Literatur
1. Einleitung
Afrika im Kalten Krieg war geprägt durch einen Machtkampf zwischen der Sowjetunion und den USA. Am Ende des Zweiten Weltkrieges praktisch noch komplett in den Händen der Kolonialmächte, führte die Dekolonisierung ab den 50er Jahren zu einem Wettlauf um Einfluss, Macht und Stützpunkte auf dem afrikanischen Kontinent. Im Fokus standen vor allem Nordafrika mit seinen Ölvorkommen und seinen langen Mittelmeerküsten, das Horn von Afrika mit seiner strategischen Nähe zum Roten Meer, dem Suezkanal und dem Nahen und Mittleren Osten, sowie das südliche Afrika mit dem Apartheidregime in Südafrika und seinen gewaltigen Rohstoffvorkommen. In den 45 Jahren des Kalten Krieges war Afrika geprägt von Kriegen, die die vielfach willkürlich gezogenen Grenzen in Frage stellten. Die Grenzziehungen auf dem Kontinent gingen häufig noch auf die Berliner Konferenz von 1884/1885 zurück. Mit der einsetzenden Dekolonisierung entdeckten nun die beiden aus dem Weltkrieg hervorgegangenen Supermächte den Kontinent. Das Vakuum, welches nach dem häufig überstürzten Rückzug der Kolonialmächte entstanden war, bot den Supermächten gute Möglichkeiten in die lokalen Konflikte einzugreifen und die zumeist armen Staaten durch Waffenlieferungen und Entwicklungshilfe an sich zu binden und somit im Wettlauf der Systeme einen Gewinn zu erzielen.
Die folgende Arbeit hat zum Ziel, die sowjetischen Interessen an dem Kontinent darzustellen. Kern der Analyse ist dabei Schwarzafrika und nicht das muslimische Nordafrika. Von besonderem Interesse ist die geostrategische Situation. Schwarzafrika scheint zunächst fern irgendwelcher für die Sicherheit der Supermächte relevanten Regionen zu sein. Wie, nach einer kurzen Einführung zur Entwicklung Afrikas im Kalten Krieg und der Position der Sowjetunion hierzu, zu zeigen sein wird, hatte Schwarzafrika durchaus eine geostrategisch relevante Bedeutung für die Supermächte. Im Fokus stand die Suche nach Stützpunkten für die Luftwaffe und die Marine. Ebenfalls soll in diesem Kapitel untersucht werden, wie sich der Sino – sowjetischen Gegensatz auf die Afrikapolitik der Sowjetunion auswirkte beziehungsweise, ob die Sowjetunion aufgrund dieses Gegensatzes verstärkt in Afrika aktiv wurde. Danach folgt kurz ein Ansatz aus der Spieltheorie, das Nullsummenspiel, zu Erklärung sowjetischer Interessen.
Der zweite Teil der Arbeit befasst sich mit den ökonomischen Interessen der Sowjetunion. Zunächst wird kurz die Wirtschafts- oder Entwicklungshilfe betrachtet, ehe die Waffenexporte und die Rohstoffpolitik analysiert werden. Es ist zu bemerken, dass aufgrund des begrenzten Umfanges dieser Arbeit die genauen Typen von gelieferten Waffen nicht erwähnt werden. Dazu bietet sich das Werk von Michael Brzoska und Thomas Ohlson an.[1] Ferner bekommen die ideologischen Betrachtungen aller Parteien des Kalten Krieges kein eigenes Kapitel und werden auf das Notwendigste reduziert. Die Rolle, welche kommunistische Parteien und die kommunistische Ideologie für Afrika spielten, wäre Gegenstand für eine eigene Analyse. Ebenfalls nur angerissen werden die zahlreichen Berater, die in afrikanischen Ländern tätig waren, sowie das Engagement der Verbündteten der Supermächte und die praktische Entwicklungshilfe, wie der Aufbau von Fischfabriken und ähnlichem. Das Zahlenmaterial für den Wirtschaftsteil ist teilweise schwer zu vergleichen, da die Wechselkurse variieren und häufig nur westliche Quellen zur Verfügung stehen. Die meisten Autoren verwenden Zahlen des amerikanischen Geheimdienstes Central Intelligence Agency (CIA).
Insgesamt ist die Politik der Supermächte in Afrika während des Kalten Krieges nur spärlich untersucht worden. Gelungen und sehr aktuell ist die Abhandlung Odd Arne Westad, die sich auch zur Untersuchung der ideologischen Grundlagen für das Engagement der USA und der Sowjetunion eignet.[2] Ferner zu erwähnen ist der Aufsatzband Robert W. Clawson.[3] Noch älter, aber trotzdem nützlich ist das Werk von Winrich Kühne.[4] Die beiden größten Konflikte in Schwarzafrika – der Krieg zwischen Äthiopien und Somalia und der Bürgerkrieg in Angola – werden sehr gut beschrieben in den Arbeiten von Girma Ghebresillasie und Robert Zischg.[5] In der vorliegenden Arbeit wird nur der Konflikt zwischen Äthiopien und Somalia kurz angerissen, da hier ein relativ spontaner Bündniswechsel von statten ging. Der darauf folgende Krieg der beiden afrikanischen Staaten hielt die Welt in Atem. Das Horn von Afrika war von besonderem strategischem Wert. Für genaure Beschreibungen der Vorgänge sei auf die beiden oben genannten Autoren verwiesen.
Zur Schreibweise russischer Namen ist zu sagen, dass hier die eingedeutschte Version statt der wissenschaftlichen Transliteration verwendet wird. Die heutige Demokratische Republik Kongo mit der Hauptstadt Kinshasa wird nicht der Begriff Zaire benutzt, sondern der heute gebräuchliche Name Kongo. Sollte der kleinere Nachbarstaat Kongo – Brazzaville gemeint sein, wird dies explizit genannt.
2. Afrika, die Sowjetunion und der Kalte Krieg
Aus geopolitischer und strategischer Sicht war der afrikanische Kontinent für die Sowjetunion auf den ersten Blick relativ uninteressant. Das russische Kernland war weit entfernt, wodurch eine direkte militärische Bedrohung entfiel. Von größerer Bedeutung für die Sowjetunion schienen Osteuropa, der Mittlere und Nahe Osten, sowie Indien und China zu sein. Hinzu kam, dass am Ende des 2. Weltkrieges Afrika noch ganz in der Hand der europäischen Kolonialmächte lag. Karte 1 im Anhang stellt die Daten der Unabhängigkeit der afrikanischen Staaten dar.[6] Formal waren 1949 nur Ägypten, Liberia, Südafrika und Äthiopien unabhängig. 1951 wurde Libyen in die Unabhängigkeit entlassen. 1956 folgten der Sudan, Marokko und Tunesien. Ende der 50er Jahre bis Anfang der 60er Jahre erreichte die Dekolonisierung Afrikas ihren Höhepunkt, als fast die gesamten französischen Kolonien ihre Unabhängigkeit erhielten. Die letzten Staaten, die ihre Kolonien aufgaben, waren Spanien und Portugal in den 70er Jahren, nachdem die beiden Diktaturen gestürzt worden waren.[7]
Josef Stalin selbst hatte nur wenig Interesse an dem afrikanischen Kontinent gezeigt. Unmittelbar nach dem Ende des Weltkrieges beschäftigten ihn die Nachkriegsordnung in Europa und der beginnende Kalte Krieg. Allerdings meldete der sowjetische Außenminister Molotow kurz nach dem Ende des 2. Weltkrieges Ansprüche auf Teile der ehemaligen italienischen Kolonien Libyen und Eritrea an, welche die Westmächte jedoch zurückwiesen.[8] Die offizielle sowjetische Sicht der Welt bis zum Tode Stalins am 5. März 1953 war durch die Doktrin der zwei Lager gekennzeichnet.[9] Zwar schrieb Josef Stalin 1924: „Der Weg zum Sieg der Revolution im Westen [führe über die/ d. Verf.] Befreiungsbewegung der Kolonien und abhängigen Länder“[10], jedoch realisierte er dies nie in seiner Politik gegenüber der Dritten Welt.
Erst nach seinem Tod und dem Amtsantritt Nikita Chrustschows änderte sich die sowjetische Position. Ausschlaggebend hierfür war die Konferenz in der indonesischen Stadt Bandung vom 18. April bis 24. April 1955. Die teilnehmenden 29 Staaten distanzierten sich von der Ersten und der Zweiten Welt und deklarierten sich zur Dritten Welt, ein Begriff der noch heute sprachlich verankert ist. Vorrangig distanzierten sich die Teilnehmer vom Imperialismus und Kolonialismus, was der Sowjetunion entgegen kam.[11] Afrika und der Kampf der Schwarzen gegen ihre weißen Unterdrücker bot der Sowjetunion den perfekten Nährboden für ihre anti – imperialistische Propaganda, jedoch fehlte in Afrika der klassische Gegensatz zwischen Kapital und Proletariat, was eine Übernahme des sowjetischen Modells von Klassenkampf verhinderte.[12]
Der XX. Parteitag der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) im Februar 1956 läutete eine neue Ära in der Außenpolitik der UdSSR ein. Die bis dato vorherrschende Zwei – Lager – Theorie wurde durch Chrustschows Drei – Welten – Modell ersetzt. Parallel hierzu gründete die Sowjetunion 1959 das Afrika – Institut, dessen Leiter der Historiker Potechin wurde, eine prägende Gestalt der sowjetischen Afrikaforschung unter Chrustschow.[13] Ebenfalls 1959 wurde auf dem KPdSU Parteitag die Linie Chrustschows in der Außenpolitik bestätigt, wonach Lenins Theorie von der Rolle der Massen ehemals kolonisierter Länder bei der Revolution eine wichtige Funktion haben und unterstützt werden müssten. Artikel 28 der Sowjetverfassung des Jahres 1977 griff dies erneut auf, indem er die Unterstützung des Kampfes der Völker um nationale Befreiung zur Aufgabe der Dritten Welt Politik der Sowjetunion erklärte.[14] Der Leninismus bot zwar den Rahmen für die sowjetische Außenpolitik, war allerdings nie ihr primärer Bestimmungsfaktor. Vielmehr diente er der Legitimierung sowjetischer Politik.[15] Die Ideologie musste und wurde in Afrika häufig an die örtlichen Gegebenheiten angepasst.
Zunächst verzeichnete die UdSSR in Schwarzafrika einige Erfolge. Ghana, Guinea und Mali waren die ersten Ziele sowjetischer Avancen. Einen ersten Rückschlag erlitt sie Anfang der 60er Jahre im Kongo, wo die UdSSR Patrick Lumumba unterstützte, der aber 1961 ums Leben kam, womit die UdSSR ihre Einflussmöglichkeiten im Kongo zunächst verlor. Weitere Niederlagen folgten. Für das Ende des Jahrzehnts konstatiert Robert Zischg:
„In Schwarzafrika hatte die Sowjetunion bereits Ende der sechziger Jahre ihren Einfluss fast vollständig eingebüßt. Der Verlust Ghanas und Malis und das eher auf tönernen Füssen stehende Verhältnis zu Guinea veranlassten den Kreml zu einem vorsichtigen Vorgehen in diesem Teil des Kontinents.“[16]
Mitte der 70er Jahre brachte die Revolution in Portugal neue Bewegung in die Afrikapolitik der KPdSU. Mit der Entlassung der portugiesischen Kolonien in die Unabhängigkeit 1975 gelang es der UdSSR ihren Einfluss in Afrika gewaltig zu erweitern. Zu den mit Moskau verbündeten Staaten konnten von nun an Mosambik und Angola gezählt werden, wobei gerade in Angola der Kampf um Einfluss mit dem Westen deutlich zu Tage trat. In dem blutigen Bürgerkrieg unterstützten die USA, das mit dem Westen kooperierende Südafrika, und die UdSSR jeweils unterschiedliche Parteien. Die Movimento Popular de Libertação de Angola (MPLA) wurde von der Sowjetunion gefördert und stellte bis 1990 die Regierung in Angola.
Mit der Übernahme des Generalsekretärspostens des Zentralkomitees der KPdSU durch Michail Gorbatschow im Jahre 1985 änderte sich die Afrikapolitik der Sowjetunion grundlegend und an die Stelle der Konfrontation trat der Versuch der Kooperation mit dem Westen.[17] Doch stellt sich die Frage, was die konkreten Interessen der Sowjetunion in Afrika waren.
3. Die geostrategischen Interessen
Auf den ersten Blick scheint Schwarzafrika aus sowjetischer Perspektive von geringer Bedeutung zu sein. Die Sowjetunion engagierte sich trotzdem. Gleiches gilt für die USA mit ihren europäischen Verbündeten. Es wird deutlich, dass Afrika vielleicht unwichtiger war als andere Weltregionen, aber „it matters because its geographical position gives it an inescapable importance in geopolitical strategies, particularly those of the seas and oceans.“[18] Eines der wichtigsten geostrategischen Argumente für Afrika war die Seekriegsführung. Lange Zeit war die Marine der Sowjetunion vor allem auf die eigenen Küsten beschränkt und wurde zu deren Sicherung unterhalten. Ein wichtiger Wendepunkt in der Geschichte der sowjetischen Seefahrt war Sergej Gorschkows (Kommandeur der Sowjetflotte von 1956 bis 1985) Seemacht – Strategie von 1967. Zentraler Punkt seines Planes war der Aufbau einer Hochseeflotte, die mit der der USA konkurrieren kann, um den Weltmachtstatus auch zur See zu untermauern. Ferner sollte die aufzubauende Flotte der westlichen qualitativ und quantitativ überlegen sein, und sie sollte auch eingesetzt werden.[19] Jedoch spielte die Flotte nach Gorschkows Ideen nicht nur eine Rolle in einem potenziellen Krieg mit den USA – indem der sowjetischen Flotte die Aufgabe zugekommen wäre, den amerikanischen Nachschub an Truppen nach Europa über den Atlantik, beziehungsweise nach Asien über den Pazifik zu verhindern – sondern auch in Friedenszeiten: „Official visits and the working calls of our ships to foreign ports make a substantial contribution to the improvement of mutual understanding between states and peoples and to the enhancement of the international authority of the Soviet Union.“[20] Die Marine war Mittel zum Zweck, um die eigene Macht zu demonstrieren und den besuchten Staaten zu zeigen, dass die Sowjetunion zur Weltmacht aufgerückt und damit in der Lage war seine Klientelstaaten zu unterstützen. Zur Verdeutlichung dienen die Zahlen der besuchten Häfen in der Dritten Welt. Vor der Verkündung der Seemacht – Strategie durch Gorschkow 1967 besuchte die Sowjetmarine in dem Zeitraum 1953 bis 1966 gerade einmal 16 Häfen in den weniger entwickelten Staaten (LDC). Für den Zeitraum 1967 bis 1976 verzehnfachte sich die Zahl fast. In den ersten acht Jahren nach Gorschkows Ankündigung lief sie stattliche 140 Häfen an.[21] Der 1964 zum Parteichef ernannte Leonid Breschnew bezog den Indischen Ozean in seinen Vorschlag eines kollektiven Sicherheitssystems ein. Er erwog die wirtschaftliche Nutzung des Indischen Ozeans durch Fischerei und Handel, die Einflussnahme in der Region für weitere Expansionsvorhaben, sowie eine Präsenz aufgrund der Spannungen mit China zur Sicherung Südasiens.[22]
3.1. Strategisches Rennen um den Indischen Ozean und das Horn von Afrika
Während durch die geografische Lage der UdSSR der Nordatlantik und der Nordpazifik natürliche Operationsgebiete für die Marine waren, lag der Indische Ozean fern ab vom sowjetischen Kernland. Die UdSSR hatte keine Küstenlinie am Indischen Ozean und somit auch keine eigenen Häfen. Ganz anders die westlichen Staaten. Zum einen gab es Häfen der Westeuropäischen Mächte, die die USA im Verteidigungsfall hätten nutzen können. Außerdem kaufte Großbritannien kurz nach der Unabhängigkeit Mauritius’ von der jungen Republik die Chagos Inseln. Auf der größten dieser Inseln, Diego Garcia, errichteten die Briten gemeinsam mit den Amerikanern einen Militärstützpunkt. Damit hatte die US Marine einen strategisch günstig gelegenen Stützpunkt zwischen Afrika, Indien und der Arabischen Halbinsel. Ferner verfügten die USA über Stützpunkte Frankreichs. Wenn Frankreich seit 1966 zwar nicht mehr in den militärischen Apparat der NATO integriert war, so musste doch angenommen werden, dass bei einem Kriegsausbruch die USA französische Stützpunkte hätte nutzen dürfen, wovon es im Indischen Ozean einige gab. Bis 1977 gehörte Paris das heutige Dschibuti und bis 1975 waren die Komoren französische Kolonie.[23]
Die UdSSR hatte zunächst keinen vergleichbaren Stützpunkt im Indischen Ozean. Die Sowjetunion rechtfertigte die Entsendung einer ersten Flotte in den Indischen Ozean mit dem Schutz kommerzieller Aktivitäten. Seit dem Jahr 1969 waren ständig 14 bis 20 sowjetische Schiffe im Indischen Ozean präsent.[24] Mit entscheidend für ein stärkeres Engagement der UdSSR in der Region waren Vorgänge im Nahen und Mittleren Osten. Seit jeher waren Nordwestafrika und das südliche Arabien miteinander verknüpft. Ein Nadelöhr ist das Rote Meer mit dem am nördlichen Ende gelegenen Suezkanal, wichtigstes Verbindungsstück zwischen dem Indischen Ozean und dem Mittelmeer, und dadurch von hoher militärischer und ökonomischer Bedeutung, speziell für Westeuropa, welches einen Großteil seines Erdöls über den Suezkanal bezog. Nachdem Moskau Ägypten unter Nasser ab 1955 unterstützte, kam es zur militärischen Intervention von Israel und kurz darauf von Großbritannien und Frankreich. Erst als Chrustschow mit einem Atomkrieg drohte und sowohl die UdSSR als auch die USA Druck auf die beteiligten Staaten ausübten, kam es zum Rückzug der Truppen, der Suezkanal wurde jedoch von Ägypten verstaatlicht.[25] Während des Sechstagekrieges zwischen den arabischen Staaten Ägypten, Syrien und Jordanien auf der einen und Israel auf der anderen Seite im Juni 1967, wurde der Suezkanal für kurze Zeit geschlossen. Kurz darauf wird der Südjemen unabhängig. 1969 putschten sich in Somalia, dem Südjemen und im Sudan die Militärs an die Macht. Alle drei Putsche wohl mit sowjetischer Unterstützung.[26] Verbunden mit der bereits erwähnten Seemachtsstrategie Gorschkows bot sich den Sowjets nun die Möglichkeit am Golf von Aden Ankerrechte zu bekommen, und somit strategisch günstig gelegene Stützpunkte an einer der wichtigsten Schifffahrtsrouten der Welt zu errichten. Unmittelbar nach Gründung der Somalischen Demokratischen Republik und dem Beginn des Versuches einen sozialistischen Staat am Horn von Afrika aufzubauen, entsendete Somalia eine Handelsflotte in Richtung Vietnam, um das kommunistische Nordvietnam zu unterstützen. Dies konnten die USA jedoch erfolgreich unterminieren.[27] Die Sowjetunion suchte in Ostafrika und Südarabien nach strategisch günstig gelegenen Ankerplätzen, um die eigenen, seit 1967 im Indischen Ozean kreuzenden Schiffe aufzutanken, notfalls zu reparieren, sowie um die Besatzung mit Nachschub versorgen zu können. Ferner musste Munition aufgefüllt werden. Das somalische Berbera am Golf von Aden war so ein Ort. Hier lagerte die UdSSR als bald jede Menge Öl und Waffen.[28] Hinzu kam, dass trotz des technischen Fortschrittes die Marine und die Luftwaffe der UdSSR nicht allzu große Reichweiten besaßen, was die Suche nach Stützpunkten noch notwendiger machte. Es gab auch nicht die Möglichkeit Flugzeuge in der Luft zu betanken, wie es die USA konnten.[29] Die sowjetische Luftwaffe hingegen konnte auf Naturpisten landen, was in Afrika von nicht unerheblicher Bedeutung war. Des Weiteren verfügten Flugzeuge der UdSSR über Kurzstartfähigkeiten und die Marine über autarke Entladesysteme, was die Abhängigkeit von Häfen und Flugplätzen geringfügig vermindert, eine Tatsache die bis zum Ende des Kalten Krieges bestehen blieb.[30]
[...]
[1] Brzoska, Michael; Ohlson, Thomas : Arms Transfers to the Third World – 1971 – 1985, Oxford 1987.
[2] Westad, Odd Arne: The Global Cold War - Third World Interventions and the Making of our Times, Cambridge u.a. 2005.
[3] Clawson, Robert W. (Hrsg.): East-West Rivalry in the Third World - Security Issues and Regional Perspectives, Wilmington 1986.
[4] Kühne, Winrich: Die Politik der Sowjetunion in Afrika – Bedingungen und Dynamik ihres ideologischen, ökonomischen und militärischen Engagements, Baden – Baden 1983.
[5] Ghebresillasi, Girma: Kalter Krieg am Horn von Afrika – Regional-Konflikte – Äthiopien und Somalia im Spannungsfeld der Supermächte 1945-1991, Baden – Baden 1999. Und: Zischg, Robert: Die Politik der Sowjetunion gegenüber Angola und Mozambique, Baden – Baden 1990.
[6] siehe Karte 1, S. 22.
[7] ausführlich zur Geschichte Afrikas: Ansprenger, Franz: Politische Geschichte Afrikas im 20. Jahrhundert, München 1992.
[8] Campbell, Kurt M.: Soviet Policy Toward South Africa, London 1986, S. 56f.
[9] Lüders, Klaus: Tansania in der Sicht der Sowjetunion – Eine Studie zur sowjetischen Schwarzafrika-Politik, Hamburg 1978, S. 11.
[10] zitiert nach: Breyer, Karl: Moskaus Faust in Afrika, Stuttgart 1979, S. 137.
[11] Lüders: Tansania, S. 12/13.
[12] Kühne: Die Politik der Sowjetunion, S.59.
[13] Calvocoressi, Peter: Independent Africa and the World, London² 1986, S. 89.
[14] Kühne: Die Politik der Sowjetunion, S. 23 – 29.
[15] Duncan, Raymond W.; McGiffert – Ekedahl, Carolyn: Moscow and the Third World under Gorbachev, Boulder 1990, S. 15.
[16] Zischg: Angola und Mozambique, S. 28.
[17] Whitaker, C.S.: An Agenda for Cooperative Action in Africa, in: Gromyko, Anatoly A.; Whitaker, C.S. (Hrsg.): Agenda for Action – African-Soviet-U.S. Cooperation, Boulder 1990, S. 1 – 10, S. 4.
[18] Calvocoressi: Independent Africa, S. 67.
[19] Ghebresillasie: Kalter Krieg am Horn, S. 122.
[20] Gorschkow, Sergej G.: The Sea Power of the State, Annapolis 1979, S. 251. Zitiert nach: Andolino, Louis J.; Eltscher, Louis R.: Soviet Naval, Military and Air Power – Projecting Influence in the Third World, in: Clawson, Robert W. (Hrsg.): East-West Rivalry in the Third World – Security Issues and Regional Perspectives, Wilmington 1986, S. 55 – 76, S. 67.
[21] Andolino; Eltscher: Soviet Naval, S. 67.
[22] Ghebresillasie: Kalter Krieg am Horn, S. 118.
[23] zur Dekolonisierung siehe Karte 1, S. 22.
[24] Kühne: Die Politik der Sowjetunion, S. 169.
[25] Stöver, Bernd: Der Kalte Krieg, München 2003, S. 48 – 50.
[26] Ghebresillasi: Kalter Krieg am Horn, S. 137.
[27] Ebenda: S. 136/137.
[28] Ebenda: S. 142 – 145. Sowie: Albright, David: Moscow ’s African Policy of the 1970s, in: Albright, David (Hrsg.): Africa and International Communism, London 1980, S. 35 – 66, S. 50/51.
[29] Clawson, Robert W.: The Soviet Union, the Warsaw Pact, and the Third World – Security Issues in Historical Perspective, in: Clawson: East-West Rivalry, S. 23 – 39, S. 33.
[30] Kühne: Die Politik der Sowjetunion, S. 166.
- Arbeit zitieren
- Sven Däschner (Autor:in), 2007, Die Interessen der Sowjetunion in Afrika während des Kalten Krieges, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/85048
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