Im Sommersemester 2005 nahm ich an dem altgermanistischen Seminar Syntax teil.
Thema meines Referates war das des Geblümten Stils.
Diese Arbeit beschränkt sich aber nicht ausschliesslich auf Fragen zu Stilformen.
Ihr Gegenstand ist vielmehr die Beschäftigung mit den umfangreichen Büchern von Gert Hübner (Lobblumen: Studien zur Genese und Funktion der „geblümten Rede“.) einerseits und dem Literaturwissenschaftlichen Klassiker von Ernst Robert Curtius (Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter.) andererseits.
Mein Referat orientierte sich, sowohl aus zeitorganisatorischen als auch aus inhaltlichen Gründen, hauptsächlich auf syntaktische beziehungsweise grammatische Fragestellungen. Dieser Teil fand seinen Platz auch in der vorliegenden Arbeit; zugleich war es mir aber aus literaturwissenschaftlichen Erwägungen heraus, und diese Arbeit ist ja nun einmal eine primär literaturwissenschaftliche, zugleich ein Bedürfnis, mich noch einmal und in tiefgreifenderer Weise mit der Entwicklung und Tradierung literaturtechnischen Wissens zu beschäftigen und diese zu verstehen.
Ziel dieser Arbeit ist es also zu zeigen wie eng die Entwicklung von Grammatik, Rhetorik und letztlich literarischer Bildung verknüpft ist.
Inhalt
Vorwort
1 Einleitung
2 Die Tradition
2.1 Rhetorik
2.2 Das Lob
2.3 „blüemen“
3. Lobblumen
3.1 Formulierungsmuster des Lobblümens
3.2 Von der rhetorischen Tradition zur grammatischen
Resümee
Literaturverzeichnis
Primärliteratur:
Sekundärliteratur:
Nachschlagewerke:
Vorwort
Im Sommersemester 2005 nahm ich an dem altgermanistischen Seminar Syntax teil.
Thema meines Referates war das des Geblümten Stil s. Ich muss gestehen, dass ich von diesem bis dahin noch nie etwas gehört hatte. Zahlreiche Stunden der Lektürerecherche brachten mich nicht wirklich weiter; bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich auf das umfangreiche Buch von Gert Hübner stieß. Der Lektüre dieses Werkes folgten aber zahlreiche weitere Konfusionen. Dort begegneten mir wiederum Begrifflichkeiten, die für das Verständnis des Buches und den Kontext des Geblümten Stils unerlässlich sind; allein mir fehlten wiederum wesentliche Grundlagen, um eine von Verständnis getragene Rezeption zu gewährleisten. Meine Konsequenz bestand nun darin, mich mit dem auch von Hübner zitierten Werk von R. Curtius zu beschäftigen. Von diesem Punkt an begann ich allmählich zu verstehen.
Die vorliegende Arbeit ist nun das Resultat dieser mitunter zähen und langwierigen doch in zunehmenden Maße interessanter werdenden Beschäftigung mit literarischen Entwicklungen.
Mein Referat orientierte sich, sowohl aus zeitorganisatorischen als auch aus inhaltlichen Gründen, hauptsächlich auf syntaktische beziehungsweise grammatische Fragestellungen. Dieser Teil fand seinen Platz auch in der vorliegenden Arbeit; zugleich war es mir aber aus literaturwissenschaftlichen Erwägungen heraus, und diese Arbeit ist ja nun einmal eine primär literaturwissenschaftliche, zugleich ein Bedürfnis, mich noch einmal und in tiefgreifenderer Weise mit der Entwicklung und Tradierung literaturtechnischen Wissens zu beschäftigen und im selben Atemzug zu verstehen.
Ich hoffe, dass dies aus meinen Ausführungen tatsächlich hervorgeht; also wie eng die Entwicklung von Grammatik, Rhetorik und letztlich literarischer Bildung verknüpft ist.
Diese Erkenntnis war die für mich grundlegendste.
1 Einleitung
Ein lob geblüemet vert in hôher werdekeite solde,
ez wahset ûf ze berge sam des zêderboumes tolde;
sam gesteine ûz golde
kan ez vil wünneclichen brehen.
ez schînet sam ein lieht juncfrouwe in kiuschem magetuome,
sîn varwe glestet sam der liehte morgensterne in ruome;
sam in touwe ein bluome
lât ez sich wünneclichen sehen.
es [sic!,M.D.] kan glenzen sam dur einen clâren mîol luter wîn,
reht alsam der sunnen schîn
dur blâwen himel schoene,
und kan ouch glesten sam nâch dienste werder wîbe loene:
von Strâzeburc ein Liehtenberger, iuwer lob ich croene,
iu muoz min gedoene
durlûterlicher tugende jehen.
Das ist der Lobpreis Konrad von Würzburgs auf den Straßburger Bischof Konrad von Lichtenberg.[1]
Hübner verweist im Kontext der Erklärung dieses Lobpreises auf die Notwendigkeit der Klärung der Bedeutung des Begriffes: blümen.[2]
Zunächst bleibt wichtig zu erwähnen, dass Hübner den obigen Text seiner Untersuchung zitierend voranstellt; und dies aus folgendem Grund:
Konrads Lichtenberger-Strophe bündelt alle Probleme, die in der älteren deutschen Literaturgeschichte mit dem Begriff „geblümter Stil“ [sic!,M.D.] verbunden sind.[3]
Da der geblümte Stil, zumindest zum Teil, auch Gegenstand meiner Arbeit ist, werde ich mich an Hübners umfassender Arbeit orientieren.
Festzuhalten bleibt, dass Hübner den Begriff geblümter Stil trotz weit verbreiteter Verwendung in seiner Bedeutung für ungeklärt erachtet.[4]
Er führt weiterhin an, dass die Extension dieser Begrifflichkeit nicht klar genug zu umreißen ist und es zu einer eindeutigen Definition derselben in der Tradition der Begrifflichkeit dadurch nicht kommen konnte. Deshalb fühlt er sich auch nicht im Stande diese zu liefern.[5]
Was Hübner zu leisten verspricht, und worin das Hauptaugenmerk meiner Arbeit liegt, ist eine klare Definition des Begriffes der Lobblumen. Aus diesem Grunde werde ich mich im Folgenden sowohl mit dem Begriff des Lobes als auch mit dem Begriff der Blumen in Anlehnung an Hübners Untersuchung beschäftigen. Zunächst verfolge ich jedoch mit Curtius die Traditionslinie literarischer Bildung ausgehend vom Hellenismus bis in das 12. und 13. Jahrhundert hinein.
Im letzten Teil meiner Arbeit werde ich auf die grammatische Struktur der Lobblumen eingehen und infolgedessen deren Bedeutung für die höfische Epik untersuchen.
Dabei wird die Wechselbeziehung zwischen grammatischer Entwicklung und poetischer Sprache deutlich und welche Relevanz das für die Entwicklung eines poetischen Verständnisses insgesamt haben kann.
2 Die Tradition
Wer sich generell mit der Bedeutung von sprachlichen Ausdrücken beschäftigt, landet zunächst in der wissenschaftlichen Disziplin der Semantik. Geht es bei der Untersuchung von sprachlichen Ausdrücken auch um deren Formen, dann folgt zumindest für den Betrachter, der sich mit der europäischen Kultur beschäftigt, notwendigerweise die Beachtung der antiken griechischen Rhetorik. Einleitend dazu eine Textpassage von Ernst Robert Curtius:
Literatur gehört zur <<Bildung>>. Warum und seit wann? Weil die Griechen in einem Dichter die ideale Spiegelung ihrer Vorzeit, ihres Wesens, ihrer Götterwelt fanden. Sie hatten keine Priesterbücher und keine Priesterkaste. Homer war für sie <<Tradition>>. Seit dem 6. Jahrhundert war er Schulbuch. Seit dem ist die Literatur Schulfach, und die Kontinuität der europäischen Literatur ist an die Schule gebunden. Das Bildungswesen wird Träger der literarischen Tradition: ein Tatbestand, der zur Charakteristik Europas gehört, der aber nicht wesensmäßig bedingt ist. [...] Im Judentum lernt der Schüler das <<Gesetz>>, und die Bücher Mosis sind kein Gedicht. Aber was die Griechen vorgemacht hatten, das machten die Römer nach. Am Anfang der römischen Dichtung steht Livius Andronicus (2. Hälfte des 3. Jahrhunderts). Er übersetzte für die Schule die Odyssee. Seine Zeitgenossen Naevius und Ennius schaffen nationale Epen, die die Stelle der Ilias vertreten konnten. Aber erst Vergil dichtete ein weltgültiges römisches Nationalepos. Es knüpft sachlich und formal an Homer an. Es wurde Schulbuch. Das Mittelalter übernahm die traditionelle Verbindung von Epos und Schule von der Antike. Es hielt an der Aeneis fest und stellte ihr Bibelepen zur Seite, die im Äußerlichen Vergil nachahmten, ihn aber nicht verdrängen konnten. Sie zu lesen ist eine Qual. Vergil blieb das Rückgrat des Lateinunterrichts. Die Klassiker der modernen Nationen sind dann auch Schullektüre geworden, mochten sie dazu auch so wenig geeignet sein wie Shakespeare oder Goethes Faust. Zur Literaturwissenschaft gehört ein elementares Wissen vom europäischen Bildungswesen.[6]
Das Fundament dieses tradierten europäischen Bildungswesens, also die Literatur, hat, wie erwähnt, seinen Ursprung im griechischen Altertum. Der „erste“ Philosoph Platon dagegen sah als einziges Bildungsmittel des wohlhabenden und damit freien Mannes die Philosophie an. Ein ihm wichtiger Punkt war seine Auseinandersetzung mit der sophistischen Rhetorik; anschaulich beschrieben in Otto Baumhauers Buch Die sophistische Rhetorik.[7]
Doch dies eingehender zu verfolgen würde zu weit vom hier behandelten Gegenstand führen. Festzuhalten bleibt, dass Platon die Sophisten in vielen seiner Dialoge durch seine literarische Figur des Sokrates verbal bekämpfen lässt. Die Auseinandersetzung lässt sich auf den Grundkonflikt bringen, dass der Philosoph der eigentliche Wahrheitssucher ist; Philosophie bedeutet Liebe zur Wahrheit. Der Sophist dagegen ist ein sprachartistisch gewandter Verkäufer eigener Reden. Er stellt seine Redekünste all denen zur Verfügung, die ihn dafür bezahlen. Mit seiner Rede ist der Sophist nun im Gegenteil zum Philosophen nicht auf der Suche nach Wahrheit, sondern versucht die ihm Zuhörenden durch geschicktes Sprechen zu überreden. Dafür nötig ist natürlich ein Wissen darum, welche Wirkung die gewählten Wörter beim Publikum entfalten. Dies ist also die Kenntnis, die der Sophist hat oder ihm zugeschrieben wird, und um dessentwillen er für die folgende Untersuchung von Bedeutung ist.
Platons Zeitgenosse, der Redner Isokrates, verstand das gekonnte Reden als Allgemeinbildung und als Vorbereitung (Propädeutikum) zur Philosophie zugleich.[8]
Das Beherrschen der Sprache wurde so zum Fundament jeglicher Bildung und Wissenschaft; ja es wurde zu d e r Bildung schlechthin. Curtius dazu:
In der Spätantike wurde die Voraussetzung hinfällig, die noch Seneca teilen konnte, daß die freien Künste die Propädeutik der Philosophie darstellten. Diese hörte auf, eine wissenschaftliche Disziplin zu sein. Das bedeutet, daß am Ausgang des Altertums die freien Künste als einziger Wissensbestand übrig blieben. Sie waren inzwischen auf die Siebenzahl und auf die Reihenfolge festgelegt worden, die sie im ganzen Mittelalter behalten werden: Grammatik, Rhetorik, Dialektik, Arithmetik, Geometrie, Musik, Astronomie. […]
Die vier letzten (mathematischen) artes werden von Boethius als quadruvium (Vierweg)zusammengefasst, die drei ersten seit dem 9. Jahrhundert als trivium (Dreiweg). Der Begriff ars muß von <<Kunst>> im modernen Sinne streng geschieden werden. Er bedeutet <<Lehre>> in dem Sinn, den das Wort in >>Sprachlehre>> hat. Die antike Etymologie brachte das Wort mit artus <<eng>> zusammen: die artes schließen alles in enge Regeln ein.[Hrvhbg. v. m.,M.D.][9]
Die artes (eigentlich artes liberalis; „liberal“ drückt aus, dass sie eines freien, also finanziell unabhängigen Mannes für würdig galten) wurden, wie Curtius schreibt, im Mittelalter bis zum 12. Jahrhundert zur „Fundamentalordnung des Geistes“.[10]
Dies ist für die Untersuchung, die Hübner vornimmt und der ich folge, von enormer Bedeutung. Die kulturellen und sprachlichen Entwicklungen Europas sind ohne das eben beschriebene tradierte Bildungsverständnis nicht sinnvoll nachzuvollziehen. Wichtig zu beachten bleibt, dass die Grammatik die erste und zugleich wichtigste der sieben artes ist[11] ; gefolgt von der Rhetorik.
2.1 Rhetorik
Die Rhetorik als Kunstlehre (ars) hat fünf Teile: inventio (εΰρεσις, Findungslehre), dispositio (τάξις, Anordnung), elocutio (λέξις, Ausdruck), memoria (μνήμη, Gedächtnis), actio (νπόχριοις, Vortrag).
Den Gegenstand der Rhetorik (materia artis) bilden die drei Arten der Beredsamkeit:
Gerichtsrede (genus iudiciale, γένος διχανιχόν), beratende Rede (genus deliberativum, γένος συμβουλευτιχόν), Lob- und Prunkrede (genus demonstrativum, γένος έπιδειχτιχόν oder πανηγυριχόν).[12]
[...]
[1] Konrad von Würzburg. Leiche, Lieder und Sprüche. In: Kleinere Dichtungen. Hrsg. v. Edward Schröder. Berlin: Weidmansche Buchhandlung 1926. Bd. 3, S. 68 (32,361-375).
[2] Hübner, Gert. Lobblumen: Studien zur Genese und Funktion der „geblümten Rede“. Tübingen; Basel: Francke Verlag 2000.
[3] Ebd. S. 4.
[4] Ebd.
[5] Ebd. S. 5.
[6] Curtius, Ernst Robert. Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter. Tübingen; Basel: Francke
Verlag 1993. 11. Auflage, S. 46.
[7] Baumhauer, Otto A. Die sophistische Rhetorik. Eine Theorie sprachlicher Kommunikation. Stuttgart: Metzlersche Verlagsbuchhandlung 1986.
[8] Curtius, Ernst Robert. Vgl. Anm. 6, S. 47; Isokrates: Athen 436, †ebd. 338, griech. Rhetor und Schriftsteller. [...] Das Programm der sophist. Wanderprediger vollendend, gründete er um 390 eine Rhetorenschule, die die meistbesuchte und bedeutendste in Athen wurde. [...] I. galten ausgefeilte, vollendete sprachl. Formkunst, Schönheit des Stils, Wohllaut, rhythm. Durchgestaltung der Rede mehr als gedankl. Tiefe.[Hrvhbg.v.m.,M.D.] Zit. aus: Der Literatur-Brockhaus: in acht Bänden/ hrsg. von Werner Habicht, Wolf-Dieter Lange und der Brockhaus-Redaktion. Mannheim: Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG 1995. Bd. 4, S. 254.
[9] Ebd.
[10] Ebd. S. 52.
[11] Ebd.
[12] Ebd. S.77f.; Curtius fügt dieser Ausführung folgende Anmerkung hinzu: „Der Terminus έπιδειξις (ostentatio) geht auf den Prunkcharakter, der Terminus πανηγυριχός auf den äußeren Anlaß (festliche Versammlung – πανηγυρις – z.B. bei den olympischen oder anderen Spielen) zurück.“
- Quote paper
- Marco Dietze (Author), 2005, Formulierungsmuster in der 'Geblümten Rede', Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/84998
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