Seit dem Beginn der 80er Jahre finden sich in den Medien immer mehr Berichte über eine "okkulte Welle" bei Jugendlichen. Ein Viertel, nach manchen Studien auch fast die Hälfte sollen sich mit Gläserrücken, Pendeln und anderen, paranormalen Aktivitäten beschäftigen. In dieser Hausarbeit will ich in erster Linie der Frage nachgehen, ob man bei diesem Phänomen wirklich von einer okkulten Jugendbewegung ausgehen kann, oder ob es sich nicht eher um eine spannende Freizeitbeschäftigung handelt, die keine weiteren Konsequenzen für die Einstellungen und das Weltbild der Jugendlichen hat. Auch werde ich auf die verschiedenen soziologischen, psychoanalytischen und entwicklungstheoretischen Ansätze eingehen, die sich um eine Erklärung der Begeisterung der Jugend für esoterische Ereignisse bemühen. Weitere Schwerpunkte sind die Kritik an der medialen Berichterstattung und die Faktenlage, die sich durch Umfragen ergeben.
Inhaltverzeichnis
1. Einleitung
Exkurs: Was ist Okkultismus
2. Hauptteil
2.1. Die Berichterstattung über Jugendokkultismus in den Medien
2.2. Fakten und Statistiken
2.3. Erklärungsansätze für den Jugendokkultismus
2.3.1. Psychoanalytische Erklärungsansätze
2.3.2. Entwicklungstheoretische Erklärungsansätze
2.3.3. Soziologische Ansätze
3. Fazit
4. Literatur
1. Einleitung
Seit dem Beginn der 80er Jahre finden sich in den Medien immer mehr Berichte über eine "okkulte Welle" bei Jugendlichen. Ein Viertel, nach manchen Studien auch fast die Hälfte (vgl. Stern 8/96) sollen sich mit Gläserrücken, Pendeln und anderen, paranormalen Aktivitäten beschäftigen. In dieser Hausarbeit will ich in erster Linie der Frage nachgehen, ob man bei diesem Phänomen wirklich von einer okkulten Jugendbewegung ausgehen kann, oder ob es sich nicht eher um eine spannende Freizeitbeschäftigung handelt, die keine weiteren Konsequenzen für die Einstellungen und das Weltbild der Jugendlichen hat. Auch werde ich auf die verschiedenen soziologischen, psychoanalytischen und entwicklungstheoretischen Ansätze eingehen, die sich um eine Erklärung der Begeisterung der Jugend für esoterische Ereignisse bemühen. Weitere Schwerpunkte sind die Kritik an der medialen Berichterstattung und die Faktenlage, die sich durch Umfragen ergeben.
Um mich mit der Frage nach einer kritischen Betrachtung im folgenden Hauptteil differenziert auseinander setzen zu können, werde ich zunächst einen kurzen Überblick über die Bedeutung der Begriffe Esoterik und Okkultismus geben; die Erläuterung der einzelnen okkulten Praktiken füge ich bei dem Abschnitt des Hauptteiles ein, bei dem es um die statistische Verbreitung dieser Beschäftigungen geht.
Exkurs: Was ist Okkultismus
Der Begriff des Okkulten ist leider nicht besonders genau definiert. Im Alltag, besonders in der Boulevardpresse, weckt er meist die Assoziation zu Satanismus, düsteren Hexenriten und schwarzen Messen. In einem Lexikon (Seibert/Wendleberger, S.3692) wird unter Okkultismus alles verstanden, "für das es heute noch keine wissenschaftlichen Erklärungen gibt und (...) sogar naturwissenschaftliche Gesetze umzustoßen" scheint. Die Erscheinungsformen gliedern sich auf in:
1) Hellsehen
2) Telepathie
3) Präkognition
4) Psychokinese
Allerdings widersprechen viele Autoren einer dermaßen weitreichenden Definition von Okkultismus, deutet doch auch schon der Wortstamm (okkult = geheim, verborgen) auf eine bestimmte Art von unerklärlichen Phänomenen hin. So stammt der Ausdruck Esoterik (der eigentlich synonym mit dem Begriff Okkultismus ist) von dem griechischen Wort esoterikos ab, das das Sonderwissen von Philosophenzirkeln bezeichnete, das der Masse nicht zugänglich war (Bochinger, S.372). Bochinger definiert Esoterik (bzw. Okkultismus) als "Sammelbegriff für verschiedene alte und geheime Wissenstraditionen und die daraus abgeleiteten Praktiken, die nur durch besondere Schulung und Einweihung zugänglich sind. Andere Deutungen der Begriffe sehen den Schwerpunkt von Esoterik nicht in der Heimlichkeit, sondern in der Innerlichkeit als Gegensatz zu der nach außen gerichteten modernen Wissenschaft, eine Lehre, die den Menschen im kosmischen Zusammenhang sieht (Bochinger, S. 373).
Diese verschiedenen Definitionen werfen die Frage auf, ob es überhaupt rechtens ist, bei der Beschäftigung von Jugendlichen mit Dingen wie Gläserrücken oder Pendeln von okkulten, also geheimen Praktiken zu sprechen. Dies wäre zwar dem Alltagsverständnis, das sich auch in der Definition des Lexikons widerspiegelt, nach legitim, doch kann man wohl nicht wirklich von einem komplexen ideologischen Gedankengebäude ausgehen, das die Jugendlichen zu solchen Praktiken treibt. Jene Orden, die ohne Zweifel als okkult bezeichnet werden können, sind nur sehr wenig verbreitet und nur Erwachsenen zugänglich (z. B. Golden Dawn, O.T.O., Satanische Kirche, etc.). Trotz der Unschärfe des Begriffes Okkultismus werde ich auf den folgenden Seiten weiterhin von okkulten Praktiken sprechen, da diese ja auch wirklich den ehemals geheimen Wisse entlehnt wurden; allerdings halte ich den Ausdruck "Jugendokkultismus" in diesem Zusammenhang für etwas irreführend, denn was wäre es für ein verstecktes Geheimwissen, wenn es annähernd ein Drittel einer Altersstufe praktizieren und ungefähr 80 % kennen ?
2. Hauptteil
2.1. Die Berichterstattung über Jugendokkultismus in den Medien
In den Medien wird, nicht nur bei dem Fall Jugendokkultismus, Wert auf eine möglichst spannende - was normalerweise bedeutet, blutrünstige - Darstellung dieses Themas gelegt. Der Schwerpunkt der Berichterstattung liegt meist auf Satanismus, schwarzen Messen und Menschenopfern (vgl. Helsper, S.13 f. / S.77 f.), obwohl diese Praktiken beim jugendlichen "Alltagsokkultismus" fast keine Rolle spielen. Ein Bereich, den Helsper in seinem Buch leider nicht anspricht, ist die Berichterstattung in den Medien, die für Jugendliche konzipiert wurden, den Jugendmagazinen, vor allem der Zeitschrift "Bravo" und dem Pendant für junge Mädchen, "Bravo Girl".
Das Thema Übersinnliches wird in solchen Magazinen oft und gerne aufgegriffen. Eher spielerisch wird erklärt, wie okkulte Praktiken funktionieren, und obwohl auch manchmal eine Warnung zu finden ist, so gleicht das ganze doch eher einer Gebrauchsanweisung. Ein besonderer Schwerpunkt in den Anleitungen liegt auf "Charakterstudien" durch Astrologie oder Handlesen; auch das Ausprobieren von okkulten Praktiken wie Tischerücken wird angeregt.
Interessant sind die Stellungnahmen der Jugendlichen, die hier durch Umfragen oder Leserbriefe zu Wort kommen (Bravo 49/86, Girl 13/89, etc.). Zwar meinen viele, alles wäre nur Einbildung, und bei ihnen hätten Versuche mit dem Übersinnlichen nichts ergeben; doch äußern sich auch manche Jugendliche sehr kritisch und verweisen auf den "teuflischen" Charakter des Okkultismus (" Der Teufel wird es euch danken, daß ihr für ihn Werbung macht! "). Ich glaube, daß hier ganz sicher auch die zum Teil etwas hysterische Okkultismusaufklärung von Seiten der Kirchen eine Rolle spielt, die den Kindern einreden, Gläserrücken führe direkt in die Hölle.
Insgesamt ist mir aufgefallen, daß sich Parallelen zwischen der Berichterstattung über Drogen und über Okkultismus finden; Panikmache und Beschwichtigungen sind beide zu finden, eine objektive Dokumentation, die auch nicht-übersinnliche Erklärungen für okkulte Phänomene heranzieht, ist in den Jugendzeitschriften selten zu finden ( vgl. Girl 13/89 ).
2.2. Fakten und Statistiken
Bei einer Durchsicht verschiedener Untersuchungen und Statistiken aus dem Bereich Jugend und Okkultismus fällt auf, daß nur wenige in irgendeiner Weise repräsentativ sind (vgl. Helsper, S. 77ff). Oft wurde nur eine sehr kleine Stichprobe befragt, manchmal nur eine Schulklasse oder eine kleine Gruppe einer Kirchengemeinde. Dennoch kann man, wenn man die verschiedenen Daten vergleicht, gewisse Trends wahrnehmen, die ich hier aufzeigen werde.
Bevor ich auf die Verbreitung der einzelnen Phänomene eingehe, werde ich kurz schildern, um was es sich bei den häufigsten Praktiken handelt, da das Wissen hierüber meiner Meinung nach nicht automatisch vorausgesetzt werden kann.
Okkulte Praktiken
- Gläserrücken
Beim Gläserrücken werden die Buchstaben des Alphabetes, oft auch Zahlen, JA und NEIN kreisförmig auf eine glatte Unterlage, z. B. einen Tisch geschrieben. Ein umgedrehtes Glas wird in die Mitte gestellt, die Teilnehmer legen ihre Fingerspitzen darauf und, "ganz von alleine", wandert das Glas von Buchstabe zu Buchstabe und bildet eine Botschaft.
- Pendeln
Ein Pendel, ersatzweise auch ein Ring an einem Haar, wird befragt; die Richtung und Art des Ausschlages wird als bestätigend oder ablehnend gedeutet. Manchmal wird über Photos gependelt, manchmal über Landkarten, um Bodenschätze aufzuspüren. Seltener wird über den Buchstaben des Alphabetes gependelt, um Botschaften zu empfangen.
- Tischrücken
Mehrere Teilnehmer setzen sich um einen Holztisch, legen die Fingerspitzen an den Tischrand und versuchen, einen Geist zu beschwören, der sich durch Klopfgeräusche oder Bewegungen des Tisches bemerkbar macht.
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- Citar trabajo
- Dr. Katja Gesche (Autor), 1996, Jugendokkultismus, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/84953
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