Wenn man vom Suffix –(i)tude ausgeht, durch das Abstrakta aus Adjektiven abgeleitet werden, die Zustände oder Eigenschaften beschreiben, heißt Négritude nichts anderes als Schwarzheit, Schwarzsein. Die Négritude als kultur- und literaturtheoretisches Konzept wiederum thematisiert die Probleme und Besonderheiten, die dieses Schwarzsein ausmachen.
Für Césaire bedeutete die Négritude „ la simple reconnaissance du fait d’être noir, et l’acceptation de ce fait, de notre destin de Noir, de notre histoire et de notre culture. " Andere sehen darin einen Sammelbegriff für „schwarze Literatur“ , wobei dies kritisch betrachtet werden muss, wenn damit eine Einheit jeglicher schwarzer Poesie gemeint sein soll. Wie HEINRICHS in „Sprich deine eigene Sprache, Afrika!“ feststellt, divergiert allein schon der Stellenwert, den Literatur in den einzelnen afrikanischen Gesellschaften einnimmt. Während manche Länder, wie der Senegal oder auch die Antillen, über eine sehr hohe Autorendichte, Gattungs- und Stilvielfalt verfügen, spielt Literatur in anderen Gegenden nur eine sehr geringe Rolle.
Im Laufe der Jahrzehnte wurde der Begriff der Négritude für einen personengebundenen Kult und eine Ideologie politisch verwertet und seine Schöpfer selbst, vor allem Aimé Césaire, der ihn als erster prägte, begannen sich zu distanzieren. Nichtsdestotrotz bleibt unumstritten, wie wichtig die Bewegung für die Entwicklung des Selbstbewusstseins Afrikas war, auch wenn sie in sich nicht einheitlich war und ihre Hauptvertreter selbst unterschiedliche Auffassungen davon hatten. Auch für die schwarzafrikanische Literatur im Allgemeinen stellt die Négritude einen wichtigen Reibungspunkt dar, denn unabhängig davon, ob die Autoren Fürsprecher oder Gegner dieses Konzepts waren, so haben sich doch zumindest alle damit auseinandergesetzt, um zu einem eigenen Selbstverständnis zu gelangen. Der Négritude kommt also vielmehr eine initiatorische als eine programmatische Bedeutung zu und ihre Begründer sahen in ihr nicht mehr und nicht weniger als ein spontanes Projekt mit dem dringenden Ziel einer Selbstbewusstwerdung.
Inhalt
1. Einleitung und Aufbau der Arbeit
2. Die Entstehung der Négritude
3. Hauptvertreter
3.1. Aimé Césaire
3.2. Léopold Sédar Senghor
3.3 Léon-Gontran Damas
4. Problemfelder, Grenzen und Weiterentwicklungen der Négritude
Literaturverzeichnis
1. Einleitung und Aufbau der Arbeit
Wenn man vom Suffix –(i)tude ausgeht, durch das Abstrakta aus Adjektiven abgeleitet werden, die Zustände oder Eigenschaften beschreiben, heißt Négritude nichts anderes als Schwarzheit, Schwarzsein. Die Négritude als kultur- und literaturtheoretisches Konzept wiederum thematisiert die Probleme und Besonderheiten, die dieses Schwarzsein ausmachen.
Für Césaire bedeutete die Négritude „ la simple reconnaissance du fait d’être noir, et l’acceptation de ce fait, de notre destin de Noir, de notre histoire et de notre culture. "[1] Andere sehen darin einen Sammelbegriff für „schwarze Literatur“ , wobei dies kritisch betrachtet werden muss, wenn damit eine Einheit jeglicher schwarzer Poesie gemeint sein soll. Wie HEINRICHS in „Sprich deine eigene Sprache, Afrika!“ feststellt, divergiert allein schon der Stellenwert, den Literatur in den einzelnen afrikanischen Gesellschaften einnimmt. Während manche Länder, wie der Senegal oder auch die Antillen, über eine sehr hohe Autorendichte, Gattungs- und Stilvielfalt verfügen, spielt Literatur in anderen Gegenden nur eine sehr geringe Rolle.[2]
Im Laufe der Jahrzehnte wurde der Begriff der Négritude für einen personengebundenen Kult und eine Ideologie politisch verwertet und seine Schöpfer selbst, vor allem Aimé Césaire, der ihn als erster prägte, begannen sich zu distanzieren. Nichtsdestotrotz bleibt unumstritten, wie wichtig die Bewegung für die Entwicklung des Selbstbewusstseins Afrikas war, auch wenn sie in sich nicht einheitlich war und ihre Hauptvertreter selbst unterschiedliche Auffassungen davon hatten. Auch für die schwarzafrikanische Literatur im Allgemeinen stellt die Négritude einen wichtigen Reibungspunkt dar, denn unabhängig davon, ob die Autoren Fürsprecher oder Gegner dieses Konzepts waren, so haben sich doch zumindest alle damit auseinandergesetzt, um zu einem eigenen Selbstverständnis zu gelangen.[3] Der Négritude kommt also vielmehr eine initiatorische als eine programmatische Bedeutung zu und ihre Begründer sahen in ihr nicht mehr und nicht weniger als ein spontanes Projekt mit dem dringenden Ziel einer Selbstbewusstwerdung.[4].
Eine eindeutige Definition des Begriffes Négritude ist schwer und soll nicht Ziel dieser Arbeit sein. Vielmehr geht es darum, die Anfänge der Bewegung nachzuvollziehen und ihr Hauptanliegen zu klären (Kapitel 2), aber auch die Grenzen aufzuzeigen, die letztlich zur Ablösung der Négritude durch andere Konzepte führten (Kapitel 4). Da die Bewegung auf großen Männern fußt, die sowohl literarisch als auch politisch tätig waren und ihre persönlichen Auffassungen der Négritude auf beiden Ebenen darzustellen versuchten, sollen diese im 3. Teil der Arbeit einzeln vorgestellt werden. Hierbei soll jeweils ein ausgewähltes Gedicht helfen, die unterschiedlichen Begriffsdeutungen und Duktus der Autoren zu verdeutlichen.
2. Die Entstehung der Négritude
Der Begriff der Négritude steht für ein kultur- und literaturtheoretisches Konzept, das im Zuge der Dekolonisation im Paris der 30er Jahre entstanden ist. Hier trafen schwarze, frankophone Intellektuelle aus den ehemaligen Kolonien zusammen und gedachten mit Stolz ihrer afrikanischen Wurzeln, allen voran der aus Martinique stammende Aimé Césaire, der Senegalese Léopold Sédar Senghor und der aus Guayana stammende Léon-Gontran Damas. Damit standen sie im Gegensatz zu vielen anderen schwarzen Studenten, Künstlern oder Wissenschaftlern, die sich nach Frankreich emigriert nun als Franzosen sahen und mit Abstand oder gar Verachtung auf ihre eigene Herkunft und für sie nun im Glanze der Großstadt primitiv erscheinenden Afrikaner herabblickten[5]. Angeregt durch die Harlem Renaissance, eine künstlerische Bewegung afroamerikanischer Schriftsteller und Maler zwischen 1920 und 1930, und Ethnologen wie Leo Frobenius[6], der die afrikanische Kultur als der europäischen gleichwertig ansah, was ungewöhnlich für seine Zeit war, entstand ein neues Selbstbewusstsein, das bald durch die Zeitschrift „L’étudiant noir“ öffentlich zum Ausdruck gebracht werden sollte. Damas, Césaire, Senghor u.a. gründeten diese kulturell-literarisch ausgerichtete Zeitschrift 1935 und legten damit den Grundstein für die Négritude. Senghor beschrieb die Beweggründe später wie folgt:
„Mit einigen anderen schwarzen Studenten verfielen wir in eine Art panische Hoffnungslosigkeit. Der Horizont verschloss sich, keine Reform war in Aussicht, und die Kolonisatoren rechtfertigten unsere politische und wirtschaftliche Abhängigkeit mit der Theorie des unbeschriebenen Blattes. Sie meinten, wir hätten bisher niemals etwas erfunden und erschaffen, nichts geschrieben und geforscht, nicht gemalt, nicht gesungen. Um unsere eigene und wirkliche Revolution zu beginnen, mussten wir unsere entliehenen Kleider, die Kleider der Assimilation, ablegen und unser eigenes Sein bejahen, nämlich unsere Négritude.“[7]
Senghor bezieht sich hiermit auf Aussagen anerkannter europäischer Intellektueller, nach denen Afrika „kein geschichtlicher Weltteil“ (Georg W. F. Hegel), ein „Land ohne Geschichte“ (Charles-André Julien) und Synonym für Barbarei und Chaos sei („Negerstämme, Fieber... Defekte. Ich werde sie bekämpfen...“ Johannes R. Becher)[8].
Die Bewegung der Négritude wandte sich gegen diese rassistische, eurozentristische Vorstellung eines geschichtslosen und kulturell wertlosen Afrikas[9], also der Bewertung eines außereuropäischen Kulturkreises auf Grundlage europäischer Normen und Wertvorstellungen. So werden z.B. im afrikanischen Busch oder auch anderswo außerhalb der „westlichen Welt“ entdeckte Völker gern „Naturvölker“ genannt im Gegensatz zu europäischen „Kulturvölkern“, wobei vom „Kulturvolk“ als dem „Normalem“ ausgegangen wird, während das „Naturvolk“ das Fremdartige, Abweichende vom Normalen ist. Solche Begrifflichkeiten, wie auch der Gegensatz zivilisiert – primitiv, stellen keine wertungsfreien Binaritäten dar, sondern Zentrum und Peripherie. Während das Zentrum weiß, zivilisiert, vernunftgesteuert ist, werden der Peripherie Attribute wie schwarz, primitiv oder triebhaft zugeschrieben.
Gegen diese Begrifflichkeiten wandten sich die Vertreter der Négritude und gingen dabei davon aus, dass Afrikaner grundsätzlich kulturell und geschichtlich anders als ihre Kolonisatoren geprägt sind, ohne dieses anders aber negativ zu werten[10]
- Sie gaben einer Art Revolte Anstoß, einer leidenschaftlichen Identitätssuche, die sich ebenso auf politischer Ebene als auch in literarischer Form äußerte[11]
- Hinter dem Konzept der Négritude steckte der Versuch, den Kolonialismus ideell zu überwinden[12]
und das durch diesen geprägte Verhältnis zwischen der afrikanischen und europäischen Kultur unter Beachtung der Eigenart und Würde der Afrikaner zu klären[13]
Jean-Paul Sartre, der die Négritude 1948 in seinem Essay L’orphee noire analysierte und als „racisme antiraciste“ bezeichnete, verschaffte der Bewegung zusätzliches Gehör über Paris hinaus, indem es z.B. mit Begeisterung in seiner englischen Übersetzung in den Vereinigten Staaten gelesen wurde[14]
„Qu’est-ce donc que vous espériez, quand vous ôtiez le bâillon qui fermait ces bouches noires ? Qu’elles allaient entonner vos lounages ? Ces têtes que nos pères avaient courbées jusqu’à terre par la force, pensiez-vous, quand elles se relèveraient, lire l’adoration dans leurs yeux ?" [15]
[...]
[1] http://www.ville-verson.fr/fr/negritude.htm (10.07.2007)
[2] Heinrichs (1992: 71f.)
[3] ebd (1992: 8f)
[4] Vgl. ebd (1992: 195)
[5] Eckert (2007:3)
[6] Meyers Lexikon
[7] Senghor, L’Esprit de la civilisation ou des lois de la culture Negro-Africaine (1956), zit. n. Eckert
(2000:3)
[8] zit. n. Heinrichs (1992:13)
[9] Meyers Lexikon
[10] Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/N%C3%A9gritude (12.07.2007)
[11] Revue de la Presse, Supplément Thématique: France d’outre mer, S. 34
[12] Eckert (2007:3)
[13] Bundeszentrale für politische Bildung (2001): Dossier Afrika. Politische Ideen der
Unabhängigkeitsbewegung h ttp://www.bpb.de/themen/9GE2QK.html (10.07.2007)
[14] Senghor (1969: 8)
[15] Sartre in Senghor (1969: 9)
- Quote paper
- Nadine Seidel (Author), 2007, La Négritude, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/84848
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