Rational Choice matters. Die Verwendung von „Rational Choice“-Ansätzen spielt nicht nur in den Wirtschaftswissenschaften, sondern auch zunehmend in der Soziologie und Politikwissenschaft eine immer größere Rolle. In den USA nehmen theoriebezogene Veröffentlichungen zur rationalen Wahl in den wichtigsten politikwissenschaftlichen Zeitschriften bereits einen Anteil von ca. 25 % ein (Vgl. Kunz/Druwe 1996: S. 7).
In dieser Verschriftlichung soll verdeutlicht werden, dass „Rational Choice“-Ansätze auf einer bestimmten Variante des Methodologischen Individualismus – unter Einbeziehung der objektiven Logik der Situation – basieren. Hierzu wird zunächst erklärt, was Methodologischer Individualismus ist, welche Varianten unterschieden werden können und wie demnach sozialwissenschaftliche Erklärungen auszusehen haben. „Rational Choice“-Ansätze sind dabei nur ein Teil im Konzept der soziologischen Erklärung und verdeutlichen die Selektion der Handlungsmöglichkeiten von Individuen. Die geläufigste Variante für diese Form der Selektion ist dabei das Verwenden des Verhaltensmodells des homo oecomomicus, welches einen bestimmten Begriff des Individuums impliziert. In einem zweiten Schritt soll das Verhältnis zwischen gesellschaftlicher Individualisierung und Methodologischem Individualismus bzw. soziologischer Erklärung charakterisiert werden.
Inhalt
1. Einleitung
2. Methodologischer Individualismus, soziologische Erklärung und Rational Choice
3. Das Modell des homo oeconomicus
3.1 Charakteristika des homo oeconomicus
3.2 Menschenbild oder Verhaltensmodell? Empirische Hypothese oder methodologische Fiktion?
3.3 Kritik am homo oeconomicus
5. Zusammenfassung
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Rational Choice matters. Die Verwendung von „Rational Choice“-Ansätzen spielt nicht nur in den Wirtschaftswissenschaften, sondern auch zunehmend in der Soziologie und Politikwissenschaft eine immer größere Rolle. In den USA nehmen theoriebezogene Veröffentlichungen zur rationalen Wahl in den wichtigsten politikwissenschaftlichen Zeitschriften bereits einen Anteil von ca. 25 % ein (Vgl. Kunz/Druwe 1996: S. 7).
In dieser Verschriftlichung soll verdeutlicht werden, dass „Rational Choice“-Ansätze auf einer bestimmten Variante des Methodologischen Individualismus – unter Einbeziehung der objektiven Logik der Situation – basieren. Hierzu wird zunächst erklärt, was Methodologischer Individualismus ist, welche Varianten unterschieden werden können und wie demnach sozialwissenschaftliche Erklärungen auszusehen haben. „Rational Choice“-Ansätze sind dabei nur ein Teil im Konzept der soziologischen Erklärung und verdeutlichen die Selektion der Handlungsmöglichkeiten von Individuen. Die geläufigste Variante für diese Form der Selektion ist dabei das Verwenden des Verhaltensmodells des homo oecomomicus, welches einen bestimmten Begriff des Individuums impliziert. In einem zweiten Schritt soll das Verhältnis zwischen gesellschaftlicher Individualisierung und Methodologischem Individualismus bzw. soziologischer Erklärung charakterisiert werden.
2. Methodologischer Individualismus, soziologische Erklärung und Rational Choice
Es ist umstritten in der Fachliteratur, was der Methodologische Individualismus eigentlich ist. Die hier vorgestellte Übersicht basiert auf den Texten von Esser (2000) und Udehn und ist ein Vorschlag zur Klassifikation. Die Grundlage aller Varianten ist dabei das individuelle Verhalten und Handeln von Menschen, die im Mittelpunkt der Betrachtungen stehen. „Social phenomena must be explained in terms of individuals“ (Udehn 1996: S. 166). Als Konsequenz daraus müssen sozialwissenschaftliche Erklärungen von Makrophänomenen den Umweg über die Mikroebene nehmen.
Das Modell soll dabei das Mikro/Makro-Problem überwinden und gleichzeitig nicht auf der Stufe der Beschreibung stehen bleiben, sondern eine Erklärung für Soziales bieten. Ausgangspunkt der Betrachtungen ist dabei ein Phänomen auf der Makroebene.
Mittels Brückenhypothesen[1] wird auf ein Individualmerkmal geschlossen (Vgl. Abbildung 1).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Anhand einer Individualhypothese (z.B. Frustrations-Aggressions-Hypothese) wird menschliches Handeln auf der Mikroebene erklärt. Die Summe individuellen Handelns erzeugt bzw. erklärt das zweite Makophänomen.
Coleman gibt in seinem Buch „Grundlagen der Sozialtheorie“ ein Anwendungsbeispiel. Er betrachtet zunächst die makrosoziale Behauptung von Weber, dass der Kalvinismus den Kapitalismus begünstigt und erklärt dies über das individuelle Verhalten der einzelnen Gläubigen (Vgl. Abbildung 2).
[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] Die Doktrin der protestantischen Ethik erzeugt in ihren Anhängern bestimmte Werte und setzt neue Motive frei. Die Gläubigen sind von der Heilsgewissheit durch magische Praktiken abgeschnitten und es tritt das neue Motiv der Selbstvergewisserung auf (1). Dieses bindet sich in der Handlungsform der innerweltlichen Askese, weil nur dadurch Heilsgewissheit erlangt werden kann. Die puritanische Lebensweise schreibt vor hart zu arbeiten, auf Genuss zu verzichten und sparsam zu leben. Durch die Prädestinationslehre werden also Werte erzeugt, die vom Individuum rationales, ökonomisches Verhalten verlangen (2). Dieses kollektive Verhalten der Sparsamkeit führt paradoxerweise zur Begünstigung des Kapitalismus (3) (Vgl. Coleman 1991: S. 10f. Kunz/Druwe 1996: S. 16-18).
Allen Varianten des Methodologischen Individualismus beziehen sich auf eine derartige Vorgehensweise. Udehn unterscheidet weiter mindestens zwei Formen (Vgl. Udehn 1996: S. 166-171).
[...]
[1] Brückenannahmen beschreiben dabei, welche Aspekte Akteure für relevant halten und wie sie von ihnen eingeschätzt und bewertet werden. Es gibt vier Möglichkeiten um an Brückenannahmen zu kommen (Vgl. Kunz 2006: S. 104-123): 1) analytische Konstruktion 2) Rückgriff auf Commonsense-Wissen 3) Konzept der sozialen Produktionsfunktion 4) direkte empirische Konstruktion.
- Arbeit zitieren
- Martin Schultze (Autor:in), 2007, Methodologischer Individualismus, soziologische Erklärung, Rational Choice, homo oeconomicus und gesellschaftliche Individualisierung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/84600
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