Hans Jonas stellt in seinem Werk Organismus und Freiheit. Ansätze zu einer philosophischen Biologie die folgende These auf: In der anorganischen Welt bringt die Freiheit, die sich gegen die diese intentionalisiert, den Organismus hervor.
Die alten Disziplinen kritisch betrachtend, führt Jonas Beweise für diese These mit seiner Philosophie des Lebens, d.h. der Philosophie des Organismus und des Geistes. Die Freiheit des Organismus sei demnach aufgrund der Kausalität möglich.
Das Ziel dieser Arbeit ist, diese These kritisch zu überprüfen, indem die Begriffe Organismus, Freiheit und Geist genauer untersucht werden. Damit wird die ontologische Begründungsressource für Jonas´ spätere Verantwortungsethik vorgeliefert.
INHALTVERZEICHNIS
I. Einleitung
II. Freiheit und Organismus
1. Stoffwechsel und Identitätsentstehung des Lebendigen
2. Kategorien des Konzepts der dialektischen Freiheit
III. Kritische Bemerkung
1. Allgemeine Argumentationsfolge und Klärung der Freiheit
2. Der Begriff Geist
Literatur
I. Einleitung
Hans Jonas stellt in seinem Werk der Philosophie der Biologie, Organismus und Freiheit. Ansätze zu einer philosophischen Biologie,[1] die folgende These auf: Die Freiheit in und gegen die anorganische Welt bringt den Organismus hervor. Ein Organismus zu sein, d.i. das Leben, heißt und ist die Freiheit in der gesamten, anorganischen Welt. Der Prozess beinhaltet darüber hinaus notwendigerweise den Geist.
Das Ziel dieser Hausarbeit ist, diese These zu überprüfen, indem die Begriffe – Organismus, Freiheit und Geist – untersucht werden. Die Relevanz dieser Studie zeigt sich an folgenden Hintergrund:
In der Einleitung dieses Werks umreißt Jonas das Themenfeld seiner Philosophie des Lebens um. Dabei bestimmt er – als „vorgreifende Hypothese“[2] – zunächst den äußeren Umfang dieser Thematik. Eine Philosophie des Lebens besteht nach seiner Auffassung aus der Philosophie des Organismus und aus der Philosophie des Geistes. Die beiden Philosophien sind hierbei nach Jonas miteinander verstrickt und nicht getrennt zu betreiben, genauso wie das Leben tatsächlich nur aus dem Komplex von beiden als solches existiert. Jonas versucht dieses ambitionierte Programm in der Schrift Organismus und Freiheit anhand von der o.g. These zu beweisen.
Das Organische bildet nach Jonas schon auf der niedrigsten Ebene des Einzellers den Geist, wenn auch in der vor-geistigen Form. Der Geist bleibt dennoch bei dem am besten entwickelten Wesen – dem Menschen – noch Teil des Organischen.
Hierzu bezieht sich Jonas auf zwei Disziplinen, die in der philosophischen Geschichte entstanden sind: den Idealismus und den Materialismus.[3] Sie beharrten auf ihrem jeweiligen, begrenzten Standpunkt und blieben als eine Lehre innerhalb ihrer Weltanschauung/-system. Sie vermochten daher nach Jonas die folgende, wichtige Ansicht nicht zu teilen: Das Organische, d.i. der tatsächliche, lebendige Körper, füllt selbst die eigene Existenz im Gegenteil zum Anorganischen aus, indem und weil es sich zugleich im Rahmen der kausalen Naturgesetze befindet. Diese Erkenntnis nicht einbeziehend, konnten die beiden philosophischen Disziplinen die gleichzeitige Existenz der o.g. beiden Entitäten – des Organischen und des Geistes – auch nicht erklären.
Jonas will u.a. aus seiner Analyse der o.g. historischen Disziplinen seine philosophische Überlegung dialektisch ableiten (und somit Ihre Defizite aufdecken) – nämlich, dass die Freiheit des Organismus, seine Geistigkeit und das Organismus-sein überhaupt aufgrund der Kausalität / Naturgesetze möglich waren und sind. In dieser Hausarbeit stelle ich diese Überlegung anhand seiner Studie zum organischen Stoffwechsel dar. Mit dieser versucht Jonas, die Genese der Freiheit des Organismus zu beweisen. Ich stelle dabei seine Argumentation vor, um diese These zu prüfen.
Mit der Philosophie des Lebens will Jonas letztendlich den Organismus als objektive Form des Lebens und die Selbstdeutung des Lebens in der Reflexion des Menschen aufzeigen. Von der philosophischen Analyse des Organischen sollte eine solche Philosophie zum Geist und damit letztendlich zum Moralischen und Metaphysischen „aufsteigen“. Während Jonas diese Philosophie in einzelnen, abgeschlossenen Artikeln in diesen Werk vorlegt, repräsentieren sie dennoch „verschiedenen Facetten einer noch unfertigen Philosophie“ und können als Darstellung der „werdenden Gestalt“ dieser Philosophie, als „Schritte auf dem Wege“ verstanden werden.[4] Daher muss Jonas einerseits nicht unbedingt seine Philosophie als eine fertige und systematische befestigen, sondern sieht sie als einen experimentellen und produktiven Teil in der Gesamtentwicklung der abendländischen Philosophie an. Darum bescheinigt Jonas manchmal seiner Philosophie einen Status der Vermutung, die noch als beweisnotwendig angesehen werden sollte. Andererseits sieht man in seiner Argumentation und Thesen „beherzten Eifer“. Das lässt vermuten, dass er seine zur Ethik aufsteigende Philosophie als eine notwendige Entwicklung in der philosophischen Gesamtgeschichte verstehen will. Für diese Aktion müsste seine Philosophie der Biologie die ontologische, unentbehrliche Begründungsressource für seine Verantwortungsethik werden. Genau hierin liegt die Relevanz, die o.g. These der Freiheit des Organismus zu überprüfen.
II. Freiheit und Organismus
1. Stoffwechsel und Identitätsentstehung des Lebendigen
Jonas´ Ziel ist seine Freiheitsthese des Organismus zu beweisen, womit Jonas das gesamte Programm der Verbindung von Philosophie des Organischen und Philosophie des Geistes verkündet. Zu diesem Zweck wählt Jonas die Deutung des Organismus am Leitbegriff der Freiheit. Jonas greift dabei das Beispiel Stoffwechsel (in Kap. 5 seines Werks), über den jedes Lebendigen – auch der primitivste Organismus – verfügt, auf und stellt die philosophisch implizierte Bedeutung des Stoffwechsels heraus.
Wenn wir zuerst die Frage „Was ist das Leben?“ stellen, wird uns gewahr, dass das Leben ein organisches, aber kein anorganisches ist. Jonas versucht deshalb, den besonderen Status des Organischen gegenüber dem Anorganischen zu verdeutlichen. Er weist dies durch den Vergleich des Verhältnisses von Form und Stoff in anorganischen und organischen Systemen auf. Zu diesem kommt Jonas erstens durch sein Aufspüren des entscheidenden Punktes des Lebens/Organischen: ein Leben ist selbst-zentriert und individuell. Zweitens ist das Anorganische mit seiner mechanischen Struktur völlig der Kausalität unterworfen. Da Jonas beabsichtigt, den Zusammenhang von Leben und der kausalen Gesetze zu durchleuchten, ist der Vergleich des Verhältnisses von Form und Stoff in anorganischen und organischen Systemen in hohem Maße erforderlich. Es ergibt sich bezüglich des Vergleichs daher folgende Differenzen[5]:
Anorganisches:
- Stoff ist seine Substanz ( Form ist akzidentell )
- der Unterschied zwischen Stoff und Form ist bloße Abstraktion ( Konkret ist die Einheit von Stoff und Form, die letztendlich auf den Stoff fungiert ist.)
- befindet sich mit dem Stoff in der räumlichen Simultanität
Organisches:
- der Organismus ist die Form einer bestimmten Mannigfaltigkeit von Stoffen
- die Form ist in der Ganzheit der Funktion des Organismus zu finden, d.h. in der
Zeitlichkeit
Beim Organischen ergibt sich infolgedessen der Unterschied zwischen Stoff und Form als ein realer Unterschied. Die Form erscheint beim Organischen zum ersten Mal als das wirklich Seiende, was beim Anorganischen nicht der Fall ist.
[...]
[1] 1966 veröffentlichte Jonas in Amerika das Werk Phenomenon of life. Toward a Philosophical Biology. 1973 lag das Werk auf Deutsch mit dem o.g. Titel vor. Dieses erscheint seit 1994 mit dem Titel Das Prinzip Leben. Ansätze zu einer philosophischen Biologie.
[2] Jonas 1997, S. 15
[3] Sie sind historisch als „Zerfallsprodukte“ aus dem Dualismus entstanden, der noch vorzeitig vom Standpunktstreit zwischen dem Panvitalismus, der in der anthropologischen Geschichte zuerst entwickelten Weltanschauung, und dem diesen historisch folgernden Panmechanismus ausging. Vgl. Jonas 1997, 1. Kap.
[4] Jonas 1997, S. 21f.
[5] Vgl. Jonas 1997, S. 151ff.
- Arbeit zitieren
- Chise Onuki (Autor:in), 2005, Der Organismus als die bedürftige Freiheit - Hans Jonas´ Philosophie der Biologie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/84561
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