Jeder Mensch stellt sich häufig Fragen nach dem Warum von Ereignissen, wie beispielsweise „Warum ist mein Kollege so abweisend zu mir?“ „Warum kommt der Auszubildende oftmals zu spät zur Arbeit?“ „Warum ist es in diesem Projekt zum Misserfolg gekommen?“. Diese Suche des Menschen nach den Ursachen von beobachteten Verhaltensweisen ist der Gegenstand der Attributionstheorie.
Der Begriff Attribution kommt aus dem Englischen (to attribute = zuschreiben) und steht für die Ursachenzuschreibung, welche der Alltagsmensch Ereignissen, Objekten und/oder dem Verhalten von Menschen zuordnet und anhand derer er Bewertungen vornimmt. Die Attributionstheorie versucht zu erklären, wie der „Mann auf der Straße als naiver Psychologe“ (MEYER&FÖRSTERLING; 1993) zu Ursachenzuschreibungen oder kausalen Schlussfolgerungen gelangt und welche kognitiven Prozesse dabei zum Einsatz kommen. Darauf aufbauende attributionale Theorien beschäftigen sich mit der Anwendung der Attributionstheorien für die Vorhersage menschlichen Erlebens und Verhaltens (RUDOLPH; 2003).
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit werden die grundlegenden Konzepte der Attributionstheorie(n) vorgestellt, insbesondere die Arbeiten von Fritz HEIDER und Harold KELLEY, Aspekte der darauf aufbauenden weiteren Forschung sowie einige kritische Aspekte der Theorien und eine Reflexion der Erkenntnisse für den betrieblichen oder organisationalen Kontext.
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung
2. Psychologische Modelle der Attribution
2.1. Ursachentypen der Attributionstheorie
2.2. Die Attributionstheorien
2.2.1. HEIDER’s Forschungen zur Attribution
2.2.1.1. Das Konzept der phänomenalen Kausalität
2.2.1.2. Die Differenzmethode
2.2.1.3. Das Erschließen von Absichten: Persönliche Kausalität
2.2.2. Die Weiterentwicklung der Ansätze durch Harold Kelley
2.2.2.1. Das Kovariationsprinzip
2.2.2.2. Konfigurationskonzepte
2.3. Attributionsverzerrungen
2.3.1. Der fundamentale Attributionsfehler
2.3.2. Akteur-Beobachter-Divergenz
2.3.3. Selbstwertdienliche Attribution
2.3.4. Kontrollmotivation
2.3.5. Vernachlässigung der Konsensus-Information
3. Die Attribution im betrieblichen Kontext
3.1. Erscheinungsformen und Auswirkungen der Attribution im betrieblichen Kontext
3.2. Berücksichtigung und Anwendung der Erkenntnisse der Attributionstheorien im betrieblichen Kontext
4. Schlussbemerkung
Literaturverzeichnis
Tabellenverzeichnis:
Tabelle 1: Kombination verschiedener Ursachenkategorien (KANNING, 1999, S. 94)
Tabelle 2: Ideale Informationsmuster nach KELLEY (1967, 1973) (In: MEYER&FÖRSTERLING, 1993, S. 189)
Tabelle 3: Zusammenfassung der Überlegungen GRIMMs zum Kovariationsprinzip (nach GRIMM, 1979, S. 166.) In: (MEYER&FÖRSTERLING, 1993, S. 191)
Abbildungsverzeichnis:
Abbildung 1: Determinanten eines Handlungsergebnisses in der naiven Psychologie (nach HEIDER, 1958) (MEYER, FÖRSTERLING, 1993, S. 179)
1. Einführung
Jeder Mensch stellt sich häufig Fragen nach dem Warum von Ereignissen, wie beispielsweise „Warum ist mein Kollege so abweisend zu mir?“ „Warum kommt der Auszubildende oftmals zu spät zur Arbeit?“ „Warum ist es in diesem Projekt zum Misserfolg gekommen?“. Diese Suche des Menschen nach den Ursachen von beobachteten Verhaltensweisen ist der Gegenstand der Attributionstheorie. Der Begriff Attribution kommt aus dem Englischen (to attribute = zuschreiben) und steht für die Ursachenzuschreibung, welche der Alltagsmensch Ereignissen, Objekten und/oder dem Verhalten von Menschen zuordnet und anhand derer er Bewertungen vornimmt. Die Attributionstheorie versucht zu erklären, wie der „Mann auf der Straße als naiver Psychologe“ (Meyer&Försterling; 1993, S. 175) zu Ursachenzuschreibungen oder kausalen Schlussfolgerungen gelangt und welche kognitiven Prozesse dabei zum Einsatz kommen. Darauf aufbauende attributionale Theorien beschäftigen sich mit der Anwendung der Attributionstheorien für die Vorhersage menschlichen Erlebens und Verhaltens (Rudolph; 2003).
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit werden die grundlegenden Konzepte der Attributionstheorie(n) vorgestellt, insbesondere die Arbeiten von Fritz Heider und Harold Kelley, Aspekte der darauf aufbauenden weiteren Forschung sowie einige kritische Aspekte der Theorien und eine Reflexion der Erkenntnisse für den betrieblichen oder organisationalen Kontext.
2. Psychologische Modelle der Attribution
„Die Attributionstheorie ist ein genereller Ansatz, der beschreibt, welche Informationen eine Person zu Ursachenzuschreibungen (Kausalattributionen) nutzt“ (Zimbardo, 2003, S. 426).
Als Gegenstand der Attributionstheorie werden „diejenigen Bedingungen und Prozesse, aufgrund derer der Mann auf der Straße Ursachenzuschreibungen (Attributionen) für Ereignisse vornimmt“ (Meyer&Försterling, S. 176) definiert. Die Attribution wird gemäß einer Einteilung von Kelley&Michela (1980) im Rahmen der Attributionstheorie als abhängige Variable verstanden, „die von den unterschiedlichen kognitiven Prozessen und Umweltgegebenheiten determiniert werden“ (Rudolph, 2003, S. 144). Als unabhängige Variable fungiert die Attribution nach dieser Einteilung von Kelley&MichelA (1980) im Rahmen der attributionalen Theorien zur Vorhersage des durch die Attributionen ausgelösten Erlebens (Emotionen) und Verhaltens (Rudolph, 2003, S.144).
Zunächst muss geklärt werden, welche Typen von Ursachen differenziert werden können.
2.1. Ursachentypen der Attributionstheorie
In analoger Weiser zur Auffassung von Kurt LEWIN, Verhalten sei stets eine Funktion von Person und Umwelt, geht HEIDER (1958) davon aus, dass der Alltagsmensch als naiver Wissenschaftler zwei Ursachenkategorien für ein Verhalten unterscheiden kann: Faktoren, welche in der Person liegen und Faktoren, die in der Umwelt liegen (RUDOLPH, 2003, S. 148). HEIDER verwendet die Begriffe „effektive Kraft der Person“ und effektive Kraft der Umwelt“. Er geht davon aus, dass beide Kräfte additiv miteinander verknüpft sind. Ein Handlungsergebnis ist somit ein Ergebnis aus der effektiven Kraft der Person plus der effektiven Kraft der Umwelt. Diese additive Verknüpfung erklärt, warum eine Person einerseits ein Ziel ohne begünstigende Umstände (z.B. mit mehr Anstrengung) erreichen kann, andererseits aber auch ohne etwas dazu zu tun (z.B. bei sehr günstigen situativen Gegebenheiten).
HEIDER untergliedert die Personen- und Umweltkraft in weitere Faktoren. Die effektive Kraft der Person erklärt er als zusammengesetzt aus Motivations- und Machtfaktoren (RUDOLPH, 2003; MEYER&FÖRSTERLING, 1993). Die Motivation bezeichnet dabei einerseits, welches Ziel eine Person erreichen möchte (Intention) und andererseits, wie intensiv sie sich am Erreichen dieses Zieles engagiert (Anstrengung). Der Machtfaktor beschreibt die geistigen und körperlichen Fähigkeiten einer Person. Diese beiden Faktoren sind multiplikativ miteinander verknüpft, so dass die effektive Kraft der Person gleich null ist, wenn entweder die Person über keine Motivation verfügt, ein Ziel zu erreichen und sich diesbezüglich anzustrengen oder wenn sie keinerlei Macht bzw. Fähigkeit dafür besitzt (RUDOLPH, 2003).
Die effektive Kraft der Umwelt differenziert HEIDER in die beiden Umweltfaktoren (Aufgaben-)Schwierigkeit und Gelegenheit/Zufall. Die Schwierigkeit wird als stabile Ursache dargestellt, während die zufällige Umstände eher variieren können. Die effektive Kraft der Umwelt wird definiert als eine Funktion von Schwierigkeit, Zufall und Gelegenheit.
Nimmt man diese ganzen Faktoren zusammen, so ergibt sich nach HEIDER folgender Gesamtüberblick über die Determinanten eines Handlungsereignisses aus Sicht eines naiven Psychologen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Determinanten eines Handlungsergebnisses in der naiven Psychologie (nach HEIDER, 1958) (MEYER, FÖRSTERLING, 1993, S. 179)
HEIDER stellt in dieser Zusammenfassung das Konzept der „Können“ dar: eine engen Beziehung zwischen der Schwierigkeit einer Aufgabe, den zufälligen situativen Umständen und dem Machtpotenzial einer Person (also ihren Fähigkeiten). „Eine Person wird ein Handlungsziel nur dann erreichen, wenn ihre Fähigkeiten größer sind, als die der Zielerreichung entgegenstehenden situativen Faktoren“ (RUDOLPH, 2003, S. 149).
Auch Motivation und Können sind multiplikativ miteinander verknüpft, so dass eine Person ihr Ziel nur dann erreichen kann, wenn sowohl motivationale Faktoren als auch Können vorliegen (RUDOLPH, 2003). Bezogen auf den Mitarbeiter eines Unternehmens bedeutet dies, er kann die gestellten Aufgaben nur erledigen, wenn er sowohl motiviert ist (Wollen) und über das entsprechende Können verfügt.
Die von HEIDER vorgenommene Unterscheidung der Faktoren in Personen- und Umweltkräfte wird in der modernen Attributionsforschung Lokationsdimension benannt und wurde in zahlreichen nachfolgenden Forschungsarbeiten wieder aufgegriffen (RUDOLPH, 2003). Es wird dabei nach internalen (in der Person liegend) und externale (außerhalb der Person liegenden) Ursachen unterschieden.
Eine weitere Differenzierung der Ursachen bezieht auf die ebenfalls bereits von HEIDER (1958) vorgenommene Differenzierung der zeitlichen Stabilität einer Ursache. Die Unterscheidung wurde in der späteren Attributionsforschung als Stabilitätsdimension aufgegriffen (RUDOLPH, 2003, S. 149). „Von Stabilität ist die Rede, wenn die Ursache dauerhaft erscheint, im Gegensatz zur Instabilität (oder Variabilität), bei der über die Zeit hinweg betrachtet, ein und dasselbe Phänomen auch durch recht unterschiedliche Ursachen erklärbar ist“ (KANNING, 1999, S. 93).
WEINER (1980) differenziert Ursachen zum dritten nach der Kontrollierbarkeit eines Phänomens durch die handelnde Person. „Eine Ursache ist kontrollierbar, wenn die handelnde Person die Folgen ihres Handelns aktiv beeinflussen kann. Ist dies nicht der Fall, so kann die Ursache als unkontrollierbar bezeichnet werden“ (KANNING, 1999, S. 93).
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- Arbeit zitieren
- Marion Kellner-Lewandowsky (Autor:in), 2005, Aspekte der Attributionstheorien und ihre Berücksichtigung im betrieblichen Kontext, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/84427
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