"Es ist kein Satz des Heraklit, den ich nicht in meine Logik aufgenommen" : mit diesem Ausspruch würdigt G.W.F. Hegel seinen philosophischen Vorgänger und Vordenker Heraklit von Ephesos, der zwischen 535 und 475 v. Chr. im vorsokratischen Griechenland in völliger Abgeschiedenheit lebte. Er wird gemeinhin als der erste dialektische Denker angesehen, indem er eine Einheit der Gegensätze lehrt - auch damit übt er auf die Philosophie Hegels nachweislich einen substantiellen Einfluss aus. Das allem zugrunde liegende Prinzip des Werdens findet sich bei Hegel ebenso wieder, wie ein Hang zu einer dunklen, verworren erscheinenden Sprache.
Gelegentlich wird behauptet, dass "Hegel zu verstehen, Mystik erfordert" - sein Anspruch, dass das Wahre nur in der Ganzheit repräsentiert sei, führte zu einer überaus komplexen, systematischen Abhandlung über nahezu alle sprachlich greifbaren geistigen und gegenständlichen Bereiche, oftmals resultierend in einer verwickelten Sprache an den Grenzen des syntaktisch Möglichen.
Als in seiner Wirkung auf die Philosophie und Philosophiegeschichte oft neben Größen wie Kant, Platon oder Aristoteles gestellter Denker erscheint es mir interessant die Herkunft und Inspirationsquelle der basalen Überzeugungen Hegels näher zu beleuchten. Dazu werde ich einige der Fragmente Heraklits gesondert betrachten, sowie Interpretationen anderer Denker zu Rate ziehen.
Dabei werde ich hauptsächlich der Frage nachgehen, inwiefern Hegels Sichtweise der Fragmente Heraklits plausibel erscheint, auch und gerade hinsichtlich differierender Interpretationsmöglichkeiten.
Inhaltsverzeichnis
1. EINLEITUNG
2. DIE FRAGMENTE
2.1. QUELLENLAGE UND FORMALE ASPEKTE
2.2. DAS GRUNDPRINZIP UND DESSEN INTERPRETATIONEN
3. FAZIT
Literaturverzeichnis
1. EINLEITUNG
"Es ist kein Satz des Heraklit, den ich nicht in meine Logik aufgenommen"[1]: mit diesem Ausspruch würdigt G.W.F. Hegel seinen philosophischen Vorgänger und Vordenker Heraklit von Ephesos, der zwischen 535 und 475 v. Chr. im vorsokratischen Griechenland in völliger Abgeschiedenheit lebte. Er wird gemeinhin als der erste dialektische Denker angesehen, indem er eine Einheit der Gegensätze lehrt - auch damit übt er auf die Philosophie Hegels nachweislich einen substantiellen Einfluss aus. Das allem zugrunde liegende Prinzip des Werdens findet sich bei Hegel ebenso wieder, wie ein Hang zu einer dunklen, verworren erscheinenden Sprache.
Gelegentlich wird behauptet, dass "Hegel zu verstehen, Mystik erfordert"[2] - sein Anspruch, dass das Wahre nur in der Ganzheit repräsentiert sei, führte zu einer überaus komplexen, systematischen Abhandlung über nahezu alle sprachlich greifbaren geistigen und gegenständlichen Bereiche, oftmals resultierend in einer verwickelten Sprache an den Grenzen des syntaktisch Möglichen.
Als in seiner Wirkung auf die Philosophie und Philosophiegeschichte oft neben Größen wie Kant, Platon oder Aristoteles gestellter Denker erscheint es mir interessant die Herkunft und Inspirationsquelle der basalen Überzeugungen Hegels näher zu beleuchten. Dazu werde ich einige der Fragmente Heraklits gesondert betrachten, sowie Interpretationen anderer Denker zu Rate ziehen.
Dabei werde ich hauptsächlich der Frage nachgehen, inwiefern Hegels Sichtweise der Fragmente Heraklits plausibel erscheint, auch und gerade hinsichtlich differierender Interpretationsmöglichkeiten.
2. DIE FRAGMENTE
2.1. QUELLENLAGE UND FORMALE ASPEKTE
Eine genaue Rekonstruktion der Hinterlassenschaft Heraklits ist nach heutigem Stand der Dinge nicht möglich. Vermutet wird jedoch, dass etwa die Hälfte der Fragmente überliefert sei[3]. Uneinig ist sind sich die Forscher jedoch darüber, ob es eine Ordnung gibt, und wenn ja welche. Lediglich einigen Fragmenten, wie etwa dem ersten, kann vermutlich zweifelsfrei sein intendierter Platz zugewiesen werden - zwar sieht die Mehrheit der Literatur die Sammlung der heraklitischen Sprüche als ein homogenes Werk an[4], ist sich jedoch uneinig darüber, ob es ursprünglich eine Sammlung von Aphorismen war, oder ein durchgängiger Text. Die Kompaktheit und innere thematische Abgeschlossenheit der Textstellen lässt jedoch die wahrscheinlichere
Interpretation zu, dass es sich jeweils um Aphorismen gehandelt haben muss.
Die Übersetzungen weisen zum Teil erhebliche Unterschiede auf, so etwa Diels/Kranz im Vergleich zu Mansfeld, was darauf schließen lässt, dass zu einem gewissen Teil die Meinung der jeweiligen Doxographen einen Einfluss auf die Übersetzung hatte - was oft leider nicht zu vermeiden ist[5].
Bereits Platon und andere monierten Heraklits Unverständlichkeit, womit er sich den Beinamen 'der Dunkle' einhandelte, und seine Fragmente als "seltene Edelsteine, hart und voll dunklen Feuers"[6] umschrieben werden. Hegel sieht die Ursache der schweren Verständlichkeit der heraklitischen Texte als "Folge von vernachlässigter Wortfügung und der unausgebildeten Sprache, was auch Aristoteles meint. Er setzt in grammatischer Hinsicht das Dunkle in Mangel an Interpunktion: man wisse nicht, ob ein Wort zum Vorhergehenden oder Nachfolgenden gehöre"[7]. Und infolgedessen sind auch die Interpretationen seiner Schriften höchst unterschiedlich: Platon sieht Heraklit "als Ontologen, den zufolge alles fließt, also Werden sei, so dass in Folge sicheres und festes Denken und Sprechen unmöglich seien"[8], Aristoteles seinen Interpretationsschwerpunkt jedoch anders setzt, indem er ihn als "monistischen Naturphilosophen [begreift], der den Kosmos auf das Element 'Feuer' zurückführe"[9].
Trotz der mannigfaltigen Schwierigkeiten bei der Interpretation der Schriftstücke Heraklits, und der unter anderem daraus resultierenden großen Differenzen, sind sich viele Interpreten über die ungewöhnliche Tiefe seines Denkens einig. So schrieb etwa Diogenes Laertius, dass es eines delischen Tauchers bedürfe um Heraklits Lehre auszuloten[10]. Auch wird Heraklit als erster reflektierter Philosoph beschrieben, als erster Denker, der über das Denken nachdachte. Hegel gar sieht sich zu der Aussage veranlasst, dass von ihm "der Anfang der Existenz der Philosophie zu datieren"[11] sei.
Heraklit schrieb nicht in der damals durchaus üblichen Versform, sondern verfasste eine "technisch vielfältige Prosa, wobei eine Vorliebe für Wortspielereien, Etymologien und Gleichnisse deutlich wird"[12], die dem Leser die Interpretation erheblich erschwert, wenngleich Mansfeld verdeutlicht, dass Heraklits Lehre von nur wenigen, in fast allen Fragmenten wieder erkennbaren Grundgedanken getragen wird, "die seinen detaillierten Ausführungen Zusammenhang"[13] verleihen.
2.2. DAS GRUNDPRINZIP UND DESSEN INTERPRETATIONEN
Zunächst lässt einen die Lektüre der Fragmente ratlos zurück - nicht nur, dass einzelne Sätze oder Fragmente wenig Sinn machen, einige Aussagen erscheinen gar contraintuitiv. Auch sind einige widersprüchliche Sätze zu finden, die paradox erscheinen, sie sind "para doxan, 'wider die geläufige Meinung'"[14], der tiefere Sinn erschließt sich erst bei Loslassen von gewohnten Ansichten und der Bereitschaft, die Aussage in der eigenen Lebenswelt praktisch zu erforschen.
Darüber hinaus wird der von Mansfeld angesprochene innere Zusammenhang prima facie nicht offensichtlich. Auffällig ist jedoch die scharfzungige Kritik Heraklits, die überaus häufig angebracht wird: "Andere Denker werden als Schwindler diffamiert, Dichter sollen verprügelt und vertrieben werden und ganze Stadtbevölkerungen werden zum Selbstmord aufgefordert. Niemand bleibt verschont: Menschen allgemein, die Menge, Dichter, Sänger, Denker, Naturforscher, Politiker, alle versagen in den Augen Heraklits"[15]. Dabei beschränkt er sich in seiner Kritik nicht auf einen Gegenstandsbereich, die Aussagen drehen sich um buchstäblich jeden denkbaren Bereich der damaligen Zeit[16]. Diese fundamentale und universelle Kritik an der Falschheit, dem mangelhaften Wissen der Menschen sticht besonders ins Auge.
Zwar habe es nach Held kaum je ein Interpret versäumt, die mannigfache Polemik des Heraklit gegen die Vielen ['hoi polloi'] mehr oder weniger ausführlich darzustellen und nach den Gründen oder Motiven dafür zu fragen, warum diese Polemik bei ihm eine so auffallend große Rolle spielt. Oft jedoch "hat man diese Frage mit dem Hinweis auf Heraklits aristokratische Herkunft und Gesinnung oder gar sein iraszibles Temperament beantwortet"[17]. Auffällig hierbei ist, dass Hegel diesem oberflächlich erscheinenden Eindruck der Fragmente keinerlei Wichtigkeit beimisst. Lediglich im Nebensatz kommentiert er, dass das Verhältnis zu Heraklits Landsleuten jenes war: "dass sie ihn verachtet haben, aber noch tiefer von ihm verachtet worden sind - ein Verhältnis, wie gegenwärtig in der Welt, wo jeder für sich ist und alle anderen verachtet"[18]. Und als Begründung führt er an, dass in "diesem edlen Geiste [..] diese Verachtung entstanden aus dem tiefen Gefühl von der Verkehrtheit der Vorstellungen und des gemeinsamen Lebens seiner Landsleute"[19].
[...]
[1] Hegel, S. 320
[2] Schulte, Kap. 3: Mystik
[3] vgl. van Ackeren, S. 8
[4] vgl. Held, S. 128
[5] vgl. van Ackeren, S. 15
[6] Hirschberger, S. 314
[7] Hegel, S. 320f.
[8] van Ackeren, S. 14
[9] ebda.
[10] vgl. van Ackeren, S. 15
[11] Hegel, S. 336
[12] van Ackeren, S. 16
[13] Mansfeld, S. 232
[14] Held, S. 170
[15] van Ackeren, S. 19
[16] vgl. van Ackeren, S. 20
[17] Held, S. 128
[18] Hegel, S. 320
[19] ebda.
- Arbeit zitieren
- Leonard Ameln (Autor:in), 2006, Philosophie Heraklits und Hegels Rezeption, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/84416
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