“Dekadenz“, “Niedergang“, “Krise“, “Zusammenbruch“, “Handlungsunfähigkeit“,
“Stagflation“, “Zukunftslosigkeit“, “Pessimismus“, “Werteverfall” - all diesen Schlagwörtern
begegnet man, wenn man Darstellungen über die siebziger Jahre des vergangenen
Jahrhunderts liest. Die Demokratien der westlichen Welt schienen in dieser Zeit allesamt
unmittelbar vor dem Kollaps zu stehen. Die Entwicklung von möglichen Untergangsszenarien
wurde zu einer Lieblingsbeschäftigung von Journalisten und Intellektuellen.
Das Krisenjahr 1973 brachte weltweit eine schwerwiegende Zäsur mit sich. Auf der einen
Seite kam es zu einer gesamtwirtschaftlichen Zäsur nachdem das Weltwährungssystem von
Bretton Woods zusammengebrochen war und die erste Ölkrise die Volkswirtschaften
erschüttert hatte. Auf der anderen Seite ereignete sich eine sozialkulturell-gesellschaftliche
Zäsur, die das Ende der allgemeinen Modernisierungsideologie bedeutete. Für die nächsten
Jahre hatte die Zukunftsangst die Menschen fest im Griff.
Besonders betroffen von diesem globalen Phänomen waren gleichsam die Bundesrepublik
Deutschland und die Vereinigten Staaten von Amerika. Bundeskanzler Helmut Kohl (1982 -
1998) und Präsident Ronald Reagan (1981 - 1989) wurden nicht zuletzt deshalb in ihr Amt
gewählt, weil sie mit ihren beiden Konzepten der “geistig-moralischen Wende” und der
“konservativen Revolution“ Antworten auf die moralisch-ökonomische Doppelkrise
versprachen.
Ziel dieser Arbeit soll es im Folgenden sein, Kohls “Wende” und Reagans “Revolution”
miteinander zu vergleichen und dabei Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden
Programme im Hinblick auf den geschichtlichen Hintergrund, ihre politische Substanz und
ihre Wirkung herauszuarbeiten. Die Darstellung wird sich aufgrund des begrenzten Umfangs
dabei auf die gesellschaftspolitischen und ökonomischen Vorstellungen beschränken. Damit
bleibt der Bereich der Außenpolitik außen vor.
In den beiden ersten Abschnitten soll zunächst das Konzept der “Wende” und danach die
Programmatik der “Revolution” erläutert werden. In den darauf folgenden Kapiteln wird der Frage nachgegangen, inwieweit die beiden Regierungsprogramme überhaupt realisiert werden
konnten. Gab es tatsächlich eine “geistig-moralische Wende“, eine “moralische Revolution“?
In einem letzten Schritt sollen schließlich bilanzierend die Gemeinsamkeiten und
Unterschiede aufgezeigt werden.
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Hauptteil
1. Das Konzept der "geistig-moralischen Wende"
1.1. Wider "Mehr Demokratie wagen"
1.2. Die "Tendenzwende"
1.3. Die "Wende" von 1982
1.4. Die Inhalte der "Wende"
1.5. Die Anhänger und Gegner der "Wende"
2. Das Konzept der "konservativen Revolution"
2.1. Die "Crisis of Confidence"
2.2. Eine Nation wird erschüttert: Vietnam, Watergate und der Church-Ausschuss
2.3. Der 20. Januar 1981 und die "Revolution"
2.4. Die "Reaganomics": Wirtschaftskrise und Abkehr vom Keynesianismus
2.5. Die Anhänger und Gegner der "konservativen Revolution"
3. War die "geistig-moralische Wende" wirklich eine "Wende"?
4. War die "konservative Revolution" wirklich eine "Revolution"?
III. Eine Bilanz: "Geistig-moralische Wende" und "konservative Revolution" im Vergleich
IV. Quellen- und Literaturverzeichnis
I. Einleitung
“Dekadenz“, “Niedergang“, “Krise“, “Zusammenbruch“, “Handlungsunfähigkeit“, “Stagflation“, “Zukunftslosigkeit“, “Pessimismus“, “Werteverfall” - all diesen Schlagwörtern begegnet man, wenn man Darstellungen über die siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts liest. Die Demokratien der westlichen Welt schienen in dieser Zeit allesamt unmittelbar vor dem Kollaps zu stehen. Die Entwicklung von möglichen Untergangsszenarien wurde zu einer Lieblingsbeschäftigung von Journalisten und Intellektuellen.
Das Krisenjahr 1973 brachte weltweit eine schwerwiegende Zäsur mit sich.1 Auf der einen Seite kam es zu einer gesamtwirtschaftlichen Zäsur nachdem das Weltwährungssystem von Bretton Woods zusammengebrochen war und die erste Ölkrise die Volkswirtschaften erschüttert hatte. Auf der anderen Seite ereignete sich eine sozialkulturell-gesellschaftliche Zäsur, die das Ende der allgemeinen Modernisierungsideologie bedeutete. Für die nächsten Jahre hatte die Zukunftsangst die Menschen fest im Griff.
Besonders betroffen von diesem globalen Phänomen waren gleichsam die Bundesrepublik Deutschland und die Vereinigten Staaten von Amerika. Bundeskanzler Helmut Kohl (1982 - 1998) und Präsident Ronald Reagan (1981 - 1989) wurden nicht zuletzt deshalb in ihr Amt gewählt, weil sie mit ihren beiden Konzepten der “geistig-moralischen Wende” und der “konservativen Revolution“2 Antworten auf die moralisch-ökonomische Doppelkrise versprachen.
Ziel dieser Arbeit soll es im Folgenden sein, Kohls “Wende” und Reagans “Revolution” miteinander zu vergleichen und dabei Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Programme im Hinblick auf den geschichtlichen Hintergrund, ihre politische Substanz und ihre Wirkung herauszuarbeiten. Die Darstellung wird sich aufgrund des begrenzten Umfangs dabei auf die gesellschaftspolitischen und ökonomischen Vorstellungen beschränken. Damit bleibt der Bereich der Außenpolitik außen vor.3
In den beiden ersten Abschnitten soll zunächst das Konzept der “Wende” und danach die Programmatik der “Revolution” erläutert werden. In den darauf folgenden Kapiteln wird der Frage nachgegangen, inwieweit die beiden Regierungsprogramme überhaupt realisiert werden konnten. Gab es tatsächlich eine “geistig-moralische Wende“, eine “moralische Revolution“? In einem letzten Schritt sollen schließlich bilanzierend die Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufgezeigt werden.
Eine Arbeit über Helmut Kohl und Ronald Reagan zu schreiben, ist derzeit noch gleichbedeutend mit zeithistorischer Forschung, was durchaus problembehaftet ist. Denn historiographisch sind die 1980er Jahre noch weitgehend spärlich erschlossen. Vielmehr befinden sich die meisten Aspekte der Forschung hier noch im Zustand des “Werdens” und “Entstehens“, da viele staatliche Archive weiterhin mit einer Sperrfrist versehen sind.4 Oft wird der zeithistorischen Forschung zudem der Vorwurf gemacht, nicht über eine hinreichende Distanz zum Gegenstand zu verfügen.
Man muss generell differenzieren zwischen kultur-, gesellschafts-, politik- und sozialwissenschaftlichen Arbeiten auf der einen Seite und wissenschaftlicher Geschichtsschreibung auf der anderen Seite. Während die ersteren Monographien das Ziel verfolgen, einen aktuellen Zustand zu beschreiben und Problemlösungen für die Zukunft aufzuzeigen, haben die historiographischen Werke doch den Anspruch, anhand von Quellen Gründe für das “Warum” einer Entwicklung zu finden.
Über die Kanzlerschaft Helmut Kohls gibt es eine für den Forscher unübersehbare Fülle an Literatur. Jedoch gehört der Großteil dieser Bücher und Zeitschriftenartikel nicht zur wissenschaftlichen Geschichtsschreibung.
Vielmehr lässt sich die Literatur in drei Kategorien einteilen5: Zur ersten Kategorie zählen jene Monographien, die direkt den politischen Auseinandersetzungen und Kontroversen der Ära Kohl entspringen. Diese Arbeiten wurden vornehmlich von politischen Weggefährten, Kritikern und Journalisten verfasst und zeichnen sich durch ihre besondere Nähe zum Gegenstand aus.6 In einer zweiten Kategorie sind jene Werke anzusiedeln, die sich aus kultur- , gesellschafts-, politik- oder sozialwissenschaftlicher Perspektive mit den spezifischen Problemen und Phänomenen der 1980er Jahre beschäftigen. Die Arbeiten der zeithistorischen Forschung, die zunehmend in den letzten Jahren mit einem gewissen zeitlichen Abstand und Distanz zum Gegenstand verfasst wurden, gehören indes zur dritten Kategorie. Auf das größte
Interesse der Forscher sind dabei bisher vor allem die Themenbereiche Außen-, Europa- und Deutschlandpolitik (im Speziellen naturgemäß die Wiedervereinigung) gestoßen.7 Weitere Schwerpunkte lagen im Bereich der Geschichtskulturpolitik und auf dem Gebiet der politischen Entscheidungsprozesse, also dem so genannten “System Kohl“.8
Als Standardwerk zur Kanzlerschaft Helmut Kohls ist Andreas Wirschings Monographie “Abschied vom Provisorium“9 anzusehen. Detailliert und umfassend geht das Buch auf nahezu alle Politikfelder, Themenbereiche und Entwicklungen während der christlichliberalen Koalition ein. Diese Monographie soll denn auch als Grundlage für die hier vorliegende Arbeit in Bezug auf die Ära Kohl dienen.
Helmut Kohls Erinnerungsbände, insbesondere Band 2 über die Zeit von 1982 - 1990, sind eine außerordentlich aufschlussreiche Quelle für die bundesrepublikanische Geschichte der achtziger Jahre.10 Aus diesem Grund werden sie auch in dieser Arbeit als Primärquelle verwendet, um die inneren Beweggründe und Motivationen des Kanzlers zu beleuchten.11
Wie im Falle von Helmut Kohl muss auch bei der Literatur über Ronald Reagan differenziert werden. Es wird geschätzt, dass seit der Wahl Reagans im November 1980 mehr als 900 Bücher über den Präsidenten erschienen sind.12 Gleichsam ist Reagans Präsidentschaft historiographisch wenig erschlossen. Erst seit Reagans Tod am 5. Juni 2004 ist die Historiographie sukzessive dabei den 40. Präsidenten der Vereinigten Staaten für sich zu entdecken und kürzlich freigegebene Archiv- und Bibliotheksbestände zu sichern. In den vergangenen beiden Jahren sind indes zahlreiche Monographien erschienen, die sich mit der Präsidentschaft Reagans beschäftigen.13 Die Reagan-Forschung nimmt also zunehmend “Fahrt” auf.
Wie die politikwissenschaftliche und die zeithistorische Literatur zuvor, haben diese Forschungsarbeiten vornehmlich das Ziel, zwei Fragen nachzugehen: Zum einen geht es um die Strukturbedingungen des politischen Systems der USA und die Frage, mit welchen Mitteln es Reagan in diesem System vermochte, das Präsidentenamt zu revitalisieren. Zum anderen liegt ein Schwerpunkt auf der Untersuchung, ob unter der Reagan-Administration tatsächlich die viel propagierte “konservative Revolution” stattfand, die in ihrer Bedeutung und ihrem Ausmaß vergleichbar mit der “liberalen Revolution” unter Franklin D. Roosevelt wäre.14
Einen ganz neuen Zugang zu der Person Ronald Reagans ermöglichen dabei die in diesem Mai erschienen Tagebücher des Präsidenten.15 Zusammengestellt von Herausgeber Douglas Brinkley wechseln sich auf 784 Seiten Einträge über Staatsgeschäfte mit Notizen zu Persönlichem und Familiärem ab.
II. Hauptteil
1. Das Konzept der “geistig-moralischen Wende”
1.1. Wider “Mehr Demokratie wagen”
Die “geistig-moralische Wende” ist in seinem Ursprung kein intellektuelles Produkt der Regierung Kohl oder der 1980er Jahre. Das Konzept reicht vielmehr bis in die Mitte der 1970er Jahre zurück. Nach der ernüchternden Niederlage bei der vorgezogenen Bundestagswahl im November 197216 und dem darauf folgenden Rücktritt von Rainer Barzel als Partei- und Fraktionsvorsitzender (Anfang 1973) blieb die CDU weitgehend orientierungslos zurück. Die erneuerte Parteispitze um den Barzel-Nachfolger Helmut Kohl suchte nun nach einem neuen Profil, um die Union wieder mehrheitsfähig zu machen. Dazu stellte man sich in starke Opposition zur regierenden sozialliberalen Koalition.17
Das Konzept der “geistig-moralischen Wende” bildete den christlich-demokratischen Gegenentwurf von Politik und Gesellschaft zu der bisherigen Regierungspolitik. Man stellte auf fast allen Politikfeldern die Leistungen der SPD-/FDP-Regierung in Frage. Zielscheibe der “Wende“-Kritik war dabei insbesondere die Reformpolitik der sozialliberalen Koalition unter Kanzler Willy Brandt (1969 - 1974).
Brandt hatte den “Machtwechsel” von einer Unions- hin zu einer SPD-geführten Regierung unter den Leitgedanken “Mehr Demokratie wagen” gestellt. In seiner Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 führte Brandt aus: "Wir stehen nicht am Ende unserer Demokratie, wir fangen erst richtig an. Wir wollen ein Volk von guten Nachbarn werden, im Innern und nach au ß en."18 Damit erhob man den Anspruch eines Neubeginns, einer Zäsur in der bundesdeutschen Geschichte. Innere Reformen sollten Republik und Gesellschaft von Grund auf modernisieren, den “Mief” der CDU-Jahre beseitigen, neuen Lebensformen wie Single-Haushalten und homosexuellen Paaren zu gesellschaftlicher Anerkennung verhelfen; Optimismus und Fortschrittsdenken hielten Einzug. Schlagwörter wie “Mitbestimmung“, “Mitverantwortung“, “Partizipation“, “Modernisierung“, “soziale Demokratie“, “Planung“, “Steuerbarkeit” und “Modernisierung” wurden analog zum sich vollziehenden Wertewandel zum Kern der Reformpolitik.19
Die sozialliberale Koalition konzentrierte sich auf den Ausbau des Sozialstaates20 und auf die Motivation der Bevölkerung zu aktivem politischem Engagement, was jedoch nicht ohne Folgen blieb: Zwischen Befürwortern (in erster Linie Intellektuelle, Liberale und Studenten) und Gegnern (insbesondere konservative Kräfte) entwickelte sich die Atmosphäre eines erbitterten Kulturkampfes mit parteipolitischer Polarisierung und Ideologisierung.21
1.2. Die “Tendenzwende”
Mit der Ölkrise von 1973/74 erlebte die Bundesrepublik ihre erste schwere Wirtschaftskrise. Die Bundesregierung sah sich nun gezwungen, verschiedene Reformvorhaben aufzuschieben bzw. ganz zurückzunehmen, da sie vorerst nicht finanzierbar waren. Ein starker Anstieg bei Inflation und Arbeitslosigkeit22 schwächten erheblich das Vertrauen in die sozialliberale Koalition. Die letzten Jahre der SPD-/FDP-Regierung waren schließlich gekennzeichnet von wirtschaftlicher Rezession, steigender Arbeitslosigkeit, wachsender öffentlicher Verschuldung, hoher Inflation, unpopulären Leistungskürzungen und wachsenden gesellschaftlichen Spannungen.
Nach dem goldenen ökonomischen Zeitalter der 1950er und 1960er Jahre kam es um 1973/74 zu einer Tendenzwende im Zeitgeist. Auf die Jahre der Wachstumseuphorie und den Glauben an die Machbarkeit und Steuerbarkeit wirtschaftlicher und sozialer Prozesse folgte in der Mitte der 1970er Jahre zunehmende Ernüchterung. In Wirtschaft und Gesellschaft machte sich verstärkt ein großer Pessimismus breit. Der Fortschrittsglaube wich einer ausgemachten Zukunftsangst, man verlor das Vertrauen in die Regierung, die Zukunft des Landes erfolgreich gestalten zu können. Denn mit der zweiten Ölkrise von 1979/80 schienen sich die krisenhaften Entwicklungen schienen immer weiter zuzuspitzen, die Grenzen des Wachstums schienen erreicht. Der erneute Ölpreisschock führte zwischen 1980 und 1982 zu einer neuen schweren Rezession mit einem starken Anstieg von Arbeitslosigkeit und Inflation.23
1.3. Die “Wende” von 1982
In dieser Situation gelang es der CDU mithilfe des “Wende“-Konzeptes eine umfassende “Krisendiagnose”24 in Politik und Kultur, Wirtschaft und Gesellschaft zu stellen, die in der Realität Bestätigung fand. Mit dem Regierungswechsel von 1982 wurde die “Wende” denn auch zum Zeichen eines Neuanfangs. In seiner Regierungserklärung vom 13. Oktober 1982 malte der neue Bundeskanzler Helmut Kohl ein düsteres Bild von der wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Situation des Landes. So begann Kohl seine Rede mit den Worten:
"Die Koalition der Mitte beginnt ihre Arbeit in der schwersten Wirtschaftskrise seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland.25 Diese Krise hat das Vertrauen vieler Menschen, vieler Mitbürger in die Handlungsfähigkeit unseres Staates erschüttert" .26
Für Helmut Kohl war die wirtschaftliche Krise mithin nur die Folge und nicht die Ursache für den Vertrauensverlust und den Zukunftspessimismus der Deutschen. Die “geistig- moralische Wende” musste demnach vor die ökonomische gesetzt werden, um ein hinreichendes Ergebnis zu erzielen.27 So schreibt Kohl denn auch in seinen Erinnerungen:
"Alles, was der Staat, was eine handlungsfähige Regierung in der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik besser machen konnte, würde wirkungslos bleiben, wenn es nicht gelänge, auch im Denken und Handeln unserer Mitbürger eine Wende, eine grundsätzliche Neubesinnung einzuleiten."28
Laut Kohl war die geistig-moralische Krise das Resultat einer seit über einem Jahrzehnt betriebenen Verunsicherung durch die linken und intellektuellen Kräfte des Landes.29 Es sei zu einer allgemeinen Verunsicherung im Verhältnis zur deutschen Geschichte, zu vielen elementaren ethischen Werten und sozialen Tugenden, zu Staat und Recht, und letztlich auch zu einer Verunsicherung im nationalen Selbstverständnis gekommen. Kurzum: Die Bundesrepublik war in moralisch-ethischer Hinsicht völlig verunsichert und orientierungslos. Für Kohl hatte somit die Mobilisierung der geistig-moralischen Kraft Deutschlands die absolute Priorität, um die Krisensymptomatik zu überwinden.30
[...]
1 Zum Krisenjahr 1973 mit dem Umschlag der Modernisierungsideologie vgl. Rödder, 2004, S. 50 f.
2 Synonym werden im Folgenden ebenfalls die Bezeichnungen "moralische Revolution" und "Reagan- Revolution" verwendet.
3 Dennoch gilt anzumerken, dass ein Schwerpunkt der konservativen Revolution auch die US-Außenpolitik betraf, die sich nach dem Vietnam-Krieg, dem sowjetischen Einmarsch in Afghanistan (1979) und dem Geiseldrama in der amerikanischen Botschaft in Teheran (1979 - 1981) in einer tiefen Krise befand.
4 Meist gilt eine 30-jährige Sperrfrist, was jedoch von Fall zu Fall und den involvierten Personen abhängt. Erfahrungsgemäß wird ein Großteil der Archive nach dem Tod aller der darin vorkommenden Protagonisten der Forschung überantwortet.
5 Vgl. Wirsching, 2006, S. 13 f.
6 Ein Beispiel ist die Biographie des Journalisten Klaus Dreher (Dreher, 1998), der Kohl für die Süddeutsche Zeitung fast 20 Jahre lang kritisch begleitete.
7 Beispiele zur Außen-, Europa- und Deutschlandpolitik: Fröhlich, 2001, Korte, 1998, Potthoff, 1999, Zolnhöfer, 2001.
8 Beispiele zur Geschichtskulturpolitik: Kirsch, 1999, Wolfrum, 1999. Zum "System Kohl" auch Fröhlich, 2001 und Korte, 1998. Überblicksdarstellungen zur Geschichte der Bundesrepublik gehen auf die Ära Kohl nur am Rande ein. Einen guten Überblick und eine erste Bilanz der Forschung liefern neben Wirsching, 2006, vor allem Rödder, 2004, S. 75 - 105, und Möller, 2003. Einen guten Einblick in die zeitgenössische Perzeption gibt es bei Filmer, 1990.
9 Wirsching, 2006.
10 Kohl, 2005.
11 Gleichwohl soll an dieser Stelle daran erinnert werden, dass Erinnerungsbände niemals als einzige Quelle herangezogen werden können, da sie im Sinne der Quellenkritik mit Vorsicht zu genießen sind.
12 Vgl. Reeves, 2005, S. XVII.
13 Seit Januar 2005 sind alleine in den USA 19 größere Monographien zum Thema "Ronald Reagan" erschienen: Collins 2007, Diggins, 2007, Kirkpatrick, 2007, Longley, 2007, Schaller, 2007, Arquilla, 2006, Evans, 2006, Kengor, 2006, O' Sullivan, 2006, Woodard, 2006, Busch, 2005, Ehrman, 2005, Kengor, 2005a, Kengor, 2005b, Lettow, 2005, Reeves, 2005, Shirley, 2005, Troy, 2005, Tygiel, 2005.
14 Eine kommentierte - wenngleich mittlerweile sich nicht mehr auf dem neuesten Stand befindliche - Bibliographie zur Präsidentschaft Reagans liefert Lösche, 2002, S. 464 f., einen guten Überblick gibt auch Reeves, 2005, S. 537 - 545.
15 Reagan, 2007.
16 Mit 45, 8 Prozent der Stimmen stellte die SPD zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik die größte Fraktion im Bundestag; die CDU erzielte mit 44, 9 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis seit 1949 (31 Prozent).
17 Vgl. Darstellung bei Wirsching, 2006, S. 50.
18 Vgl. Bracher, 1986, S. 25.
19 Vgl. Darstellung bei Bracher, 1986, S. 24 - 26.
20 u. a. Reform des Rentengesetzes, der gesetzlichen Krankenversicherung, des Bildungswesens, Einführung des BAFöG, usw.
21 Vgl. Bracher, 1986, S. 154.
22 Die Arbeitslosigkeit stieg von 273 498 (1973), über 582 481 (1974) bis auf 1. 074 217 (1975); die Inflation von 5,5 Prozent (1972) über 6,9 Prozent (1973) und 7 Prozent (1974) bis auf 6 Prozent (1975). Quelle: Statistisches Bundesamt Deutschland .
23 Die Wachstumsraten gingen auf ein (1981) bis - 1,1 Prozent (1982) zurück, die Arbeitslosenstatistik zählte nun 1,8 Millionen Beschäftigungslose und überschritt 1983 gar die zwei Millionen-Marke. Quelle: Statistisches Bundesamt Deutschland.
24 Vgl. Wirsching, 2006, S. 50.
25 Gemeint war damit die schwere Rezession von 1980 - 1982 nach dem zweiten Ölpreisschock von 1979/80 (s.o.).
26 Kohl, 1982.
27 Vgl. zu den Beweggründen der Wende Kohl, 2005, S. 50 ff.
28 Kohl, 2005, S. 50.
29 Kritik sparte Kohl indes weitgehend an dem Part der FDP in der sozialliberalen Koalition aus. Da die FDP 13 Jahre mit in der Regierungsverantwortung gestanden hatte, konnte man in der damaligen politischen Konstellation nicht alles verdammen, was der jetzige Koalitionspartner jahrelang mitgetragen hatte. Vgl. dazu Kohl, 2005, S. 50.
30 Vgl. Kohl, 2005, S. 51.
- Arbeit zitieren
- Claudia Wößner (Autor:in), 2007, Die gesellschaftspolitischen und ökonomischen Vorstellungen von Helmut Kohl und Ronald Reagan: Die "geistig-moralische Wende" und die "konservative Revolution" im Vergleich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/84348
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