Die Fehlerhaftigkeit eines Produktes kann neben Beeinträchtigungen am Produkt selbst (sog.
„Mangelschaden“) auch weitergehende Sach-, Vermögens- oder Gesundheitsschäden auslösen
(sog. „Mangelfolgeschaden“). Diese Schäden können den Käufer des Produktes selber,
andere Benutzer des Produktes oder unbeteiligte Dritte betreffen. Dabei kann die Schadenshöhe
den Wert des Produktes um ein Vielfaches übersteigen.
Produkthaftung bezeichnet die Pflicht eines Haftungsadressaten für diese Mangefolgeschäden
einzustehen (vgl. Werder / Klinkenberg / Frese 1990, 11). Sowohl in Europa als auch in den
USA können Hersteller und die einzelnen Vertriebsorgane entlang der Distributionskette
unter bestimmten Voraussetzungen für diese Schäden haftbar gemacht werden.
Für in den USA tätige Unternehmen stellt die dortige Rechtsprechung zur Produkthaftung mit
ihren hohen Haftungsrisiken und exorbitanten Schadensersatzforderungen ein besonders
schwerwiegendes Risiko dar. So wurde z.B. General Motors im Juli 1999 in einem einzigen
Produkthaftungsfall in Los Angeles zur Zahlung von ca. 1,2 Milliarden US-Dollar verurteilt
(vgl. Moran et al. 2000, 337). Seit Verabschiedung der EG-Produkthaftungsrichtlinie
85/374/EWG im Jahr 1985 hat sich aber auch die Haftungssituation für Unternehmen in Europa
verschärft und materiell-rechtlich der amerikanischen Rechtsprechung angeglichen. So
haften bspw. Unternehmen in Deutschland seit Einführung des Produkthaftungssgesetzes am
01.01.1990 nicht mehr nur auf Grundlage der vertraglichen Pflichten und nach dem BGB aus
unerlaubter Handlung, sondern auch auf Basis einer verschuldensunabhängigen Gefährdungshaftung.
Es besteht daher die Befürchtung, dass „amerikanische Verhältnisse“ auch in Europa
einkehren.
Die vorliegende Arbeit vergleicht die Produkthaftungssituation in Europa und den USA.
Hierzu wird in Kapitel 2 die rechtliche Situation in Europa analysiert. Kapitel 3 beschäftigt sich mit der amerikanischen
Rechtsprechung. Hier werden die Besonderheiten des Common Laws herausgearbeitet
um anschliessend einen Überblick die Anspruchsgrundlagen für die Haftung zu geben.
Da die Unterschiede zur Situation in Europa vor allem auf verfahrensrechtliche Besonderheiten
und gesellschaftliche Unterschiede zurückzuführen sind, werden diese kurz dargelegt. In Kapitel 4 werden die Ergebnisse zusammengefasst und kritisch gewürdigt.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Produkthaftung in Europa
- Verschuldenshaftung nach bisheriger Rechtslage der EU-Mitglieder
- Allgemeines
- Deliktische Haftung
- Vertragliche Haftung
- Verschuldensunabhängige Haftung entsprechend EG-Richtlinie 85/374/EWG
- Inhalt, Einschränkungen und Ziele der EG-Produkthaftungsrichtlinie
- Umsetzung der Produkthaftungsrichtlinie in nationales Recht
- ,,Amerikanische Verhältnisse“ in der Europäischen Union?
- Verschuldenshaftung nach bisheriger Rechtslage der EU-Mitglieder
- Produkthaftung in den USA
- Rechtsprechung und Anspruchsgrundlagen
- Das Prinzip des common law
- Fahrlässigkeit („negligence“)
- Gewährleistung (warranty“)
- ,,Strict liability“ und „punitive damages"
- Besonderheiten im Rechts- und Sozialsystem
- Verfahrenskosten
- Beweisaufnahme und Jury-Verfahren
- Soziale Absicherung und gesellschaftliche Unterschiede
- Rechtsprechung und Anspruchsgrundlagen
- Zusammenfassung und kritische Würdigung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert die Unterschiede der Produkthaftungssysteme in Europa und den USA. Sie zielt darauf ab, die rechtlichen Rahmenbedingungen und Unterschiede in der Anwendung der Produkthaftung in beiden Regionen aufzuzeigen. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Entwicklung des Produkthaftungsrechts in Europa im Kontext der EG-Produkthaftungsrichtlinie und der Einführung einer verschuldensunabhängigen Haftung.
- Entwicklung der Produkthaftung in Europa und den USA
- Verschuldenshaftung und verschuldensunabhängige Haftung
- Rechtliche Grundlagen und Anspruchsgrundlagen
- Verfahrensrechtliche Besonderheiten und gesellschaftliche Unterschiede
- Einfluss der EG-Produkthaftungsrichtlinie auf die europäische Rechtslandschaft
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 2 befasst sich mit der Produkthaftung in Europa, insbesondere mit der Entwicklung der Haftungssysteme in den EU-Mitgliedsstaaten. Es werden die traditionellen verschuldensabhängigen Haftungsgrundlagen, die vor der Einführung der EG-Produkthaftungsrichtlinie 85/374/EWG galten, erläutert und anhand des deutschen Beispiels illustriert. Anschliessend wird die EG-Produkthaftungsrichtlinie und deren Umsetzung in den EU-Mitgliedstaaten analysiert.
Kapitel 3 widmet sich der Produkthaftung in den USA. Die Besonderheiten des Common Law werden erläutert und verschiedene Anspruchsgrundlagen, wie Fahrlässigkeit, Gewährleistung und „Strict Liability“, vorgestellt. Anschliessend werden verfahrensrechtliche Besonderheiten wie die Rolle des Jury-Verfahrens und die Frage der Verfahrenskosten beleuchtet. Ausserdem werden soziale Absicherung und gesellschaftliche Unterschiede im Vergleich zu Europa diskutiert.
Schlüsselwörter
Produkthaftung, Verschuldenshaftung, Verschuldensunabhängige Haftung, EG-Produkthaftungsrichtlinie, Common Law, „Strict Liability“, „Punitive Damages“, Schadensersatz, Rechtsvergleichung, Europa, USA, EU.
- Quote paper
- Sebastian Schmidt (Author), 2007, Produkthaftung im Vergleich USA und Europa, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/84287