Viele Firmen besitzen belastete Grundstücke, auf denen sie ihre Betriebe unterhalten. Auf sie kommen in den nächsten Jahren aufgrund des wachsenden Umweltbewusstseins und der damit verbundenen gesetzlichen Neuregelungen enorme finanzielle Belastungen zu. Diese Aufwendungen müssen deshalb in einer geeigneten Art und Weise steuerlich erfassbar sein. Erste Maßnahmen fanden bereits Anfang der Neunziger Jahre im Rahmen der Privatisierung von ehemaligen volkseigenen Betrieben (VEB) statt. So wurden allein in den DM-Eröffnungsbilanzen, für die Großunternehmen der ehemaligen Treuhandanstalt, Rückstellungen für ökologische Altlasten in Höhe von 45 Mrd. DM gebildet.
Durch eine neue umweltfreundlichere Gesetzgebung, einer neuen Rechtssprechung und aktuellen Statistiken erfährt diese Materie ein neues Diskussionspotential. Das Themengebiet Altlasten umfasst eine Vielzahl von Einzelfragen der bilanzsteuerlichen Behandlung, die für betroffene Konzerne, Körperschaften und Einzelkaufleute von immenser Bedeutung sein werden. Für die Unternehmen gilt es zunächst zu klären, ob ein gesetzlicher Zwang zur Sanierung von Grundstücken besteht. In einem zweiten Schritt soll untersucht werden, ob es Möglichkeiten gibt, die zukünftigen Ausgaben im Jahresabschluss zu berücksichtigen. Es stellt sich dabei die Frage, in welcher Art und Weise eine Bilanzierung der Aufwendungen erfolgen muss. Hierbei soll insbesondere auf die Bildung von Sanierungsrückstellungen eingegangen werden. Geklärt wird, unter welchen Voraussetzungen eine solche Rückstellung gebildet werden kann.
Außerdem steht die Frage nach der Bewertung dieses Bilanzpostens im Raum. Ein weiterer Punkt in der Bilanzierung von Altlasten ist die damit verbundene Bewertung der einzelnen Grundstücke. Es stellt sich die Frage, inwieweit für derartig belastete Grundstücke Abschreibungsmöglichkeiten bestehen. Das Augenmerk wird dabei auf der Möglichkeit der Teilwertabschreibung liegen. Darüber hinaus gilt es im Zuge neuester Rechtssprechung zu untersuchen, inwieweit ein Zusammenspiel von Sanierungsrückstellung auf der einen und einer Teilwertabschreibung auf der anderen Seite möglich ist. Die soll zusätzlich am Beispiel der Betriebsaufspaltung gezeigt werden, die für diese Problematik ein ganz eigenes Lösungsmuster beinhaltet.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Bundes-Bodenschutzgesetz
2.1 Bundes-Bodenschutzgesetz im Überblick
2.2 Begriffsdefinitionen im Bundes-Bodenschutzgesetz
2.3 Verpflichtung zur Sanierung
2.3.1 Betroffener Personenkreis
2.3.2 Kosten der Sanierung
3. Berücksichtigung von Altlasten als Rückstellungen
3.1 Begriff der Rückstellung
3.2 Abgrenzung Verbindlichkeits- oder Aufwandsrückstellung bei Altlasten
3.3 Altlasten als Verbindlichkeitsrückstellung
3.3.1 Öffentlich-rechtliche Verpflichtung bei Altlasten
3.3.1.1 Konkretisierungserfordernisse und die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme
3.3.1.2 Kritische Betrachtungsweise der Literatur zur Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme
3.3.1.3 Mein Standpunkt zur Problematik der Inanspruchnahme
3.3.1.4 Sanktionsmaßnahmen bei öffentlich-rechtlichen Sanierungsverpflichtungen von Altlasten
3.3.2 Privatrechtliche Verpflichtung
3.4 Besonderheiten bei einer Betriebsaufspaltung
3.5 Wirtschaftliche Verursachung bei einer Altlastenrückstellung
3.6 Bewertung und Abzinsung von Rückstellungen für Umweltaltlasten
3.6.1 Bewertung der Altlastenrückstellung
3.6.2 Abzinsung von Rückstellungen
3.7 Auflösung der Rückstellung
3.8 Erfassung von staatlichen Fördermitteln
4. Bewertung von Altlastenflächen mit dem Teilwert
4.1 Allgemeine Aussagen zum Teilwert
4.2 Dauerhaftigkeit der Wertminderung
4.3 Wertaufholung bei Altlasten
5. Konkurrenz zwischen Rückstellung und Teilwertabschreibung
5.1 Unterschiedliche Ansichten in Literatur und Rechtssprechung
5.2 Konkurrenz der Rückstellungsbildung im Rahmen einer Betriebsaufspaltung
6. Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Gesetzesverzeichnis
Urteilsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Mit der Schaffung des Gesetzes zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten[1] wurde erstmalig eine bundeseinheitliche Regelung zum Schutz des Bodens gefunden. Als Grundlage für diese umweltfreundliche Gesetzgebung kann die Einführung von Artikel 20a in das Grundgesetz[2] gesehen werden, der den Umweltschutz fest in der deutschen Verfassung verankert.
Der Drang zu umweltfreundlicherem Handeln rückt nicht zuletzt durch diese verfassungsrechtliche Änderung immer mehr in den Mittelpunkt des Gesellschaftsinteresses. Leider gab es in der Vergangenheit nicht immer solche Bestrebungen, so dass Umweltschutzmaßnahmen das Nachsehen hatten. Die Ausmaße von Umweltsünden treten nach und nach zum Vorschein und werden uns noch eine ganze Weile beschäftigen. Dies gilt vor allem für Grundstücke, die jahrzehntelang durch falsche Lagerung und Handhabung schädlicher Stoffe oder das Fehlen entsprechender gesetzlicher Schutzmaßnahmen nachhaltig verseucht worden.
Das Problem der Verseuchung betrifft insbesondere Bodenflächen in den neuen Bundesländern. Zu DDR-Zeiten war das politische Regime an der wirtschaftlichen Planerfüllung und nicht am Umweltschutz interessiert. So gibt es, bedingt durch die ehemals stark verbreitete Chemie- und Schwermetallindustrie, nach Angaben des BMU, ca. 95.000 erfasste Flächen, bei denen der Verdacht einer nachhaltigen Bodenverseuchung besteht.[3] Im neuesten Gutachten des Umweltministeriums wird für Gesamtdeutschland von einer Anzahl von ca. 220.000 Verdachtsflächen ausgegangen.[4] Allein 27.500 dieser geschädigten Flächen liegen im Freistaat Sachsen.[5] Die Anzahl der Verdachtsflächen dürfte jedoch höher sein, da bisher nicht alle erfasst wurden.
In der Forschung bestehen schon seit längeren Zeiten Bestrebungen, geeignete Sanierungsverfahren für Bodenflächen zu finden und die bisher gängigen Verfahren zu verbessern. Doch die Entwicklungen und die Anwendungen der Verfahren sind mit sehr hohen Kosten verbunden. Anfang der neunziger Jahre sprach man von Aufwendungen für Sanierungsmaßnahmen, die sich in den Größenordnungen von 120 – 130 Mrd. DM bzw. 350 - 400 Mrd. DM bewegen.[6] Zusammen mit der Vielzahl der Verdachtsflächen verdeutlichen diese Zahlen, welch große Bedeutung die Altlastenproblematik besitzt.
Derartige Entwicklungen machen vor dem Steuerrecht nicht halt. Viele Firmen besitzen belastete Grundstücke, auf denen sie ihre Betriebe unterhalten. Auf die Firmen kommen in den nächsten Jahren enorme finanzielle Belastungen zu. Diese Aufwendungen müssen deshalb in einer geeigneten Art und Weise steuerlich erfassbar sein. Erste Maßnahmen fanden bereits Anfang der Neunziger Jahre im Rahmen der Privatisierung von ehemaligen volkseigenen Betrieben (VEB) statt. So wurden allein in den DM-Eröffnungsbilanzen, für die Großunternehmen der ehemaligen Treuhandanstalt, Rückstellungen für ökologische Altlasten in Höhe von 45 Mrd. DM gebildet.[7]
Durch eine neue umweltfreundlichere Gesetzgebung, einer neuen Rechtssprechung und aktuellen Statistiken erfährt diese Materie ein neues Diskussionspotential. Das Themengebiet Altlasten umfasst eine Vielzahl von Einzelfragen der bilanzsteuerlichen Behandlung, die für betroffene Konzerne, Körperschaften und Einzelkaufleute von immenser Bedeutung sein werden. Für die Unternehmen gilt es zunächst zu klären, ob ein gesetzlicher Zwang zur Sanierung von Grundstücken besteht. In einem zweiten Schritt soll untersucht werden, ob es Möglichkeiten gibt, die zukünftigen Ausgaben im Jahresabschluss zu berücksichtigen. Es stellt sich dabei die Frage, in welcher Art und Weise eine Bilanzierung der Aufwendungen erfolgen muss. Hierbei soll insbesondere auf die Bildung von Sanierungsrückstellungen eingegangen werden. Geklärt wird, unter welchen Voraussetzungen eine solche Rückstellung gebildet werden kann.
Außerdem steht die Frage nach der Bewertung dieses Bilanzpostens im Raum. Ein weiterer Punkt in der Bilanzierung von Altlasten ist die damit verbundene Bewertung der einzelnen Grundstücke. Es stellt sich die Frage, inwieweit für derartig belastete Grundstücke Abschreibungsmöglichkeiten bestehen. Das Augenmerk wird dabei auf der Möglichkeit der Teilwertabschreibung liegen. Darüber hinaus gilt es im Zuge neuester Rechtssprechung zu untersuchen, inwieweit ein Zusammenspiel von Sanierungsrückstellung auf der einen und einer Teilwertabschreibung auf der anderen Seite möglich ist.
An den Anfang der Arbeit möchte ich das Bundesbodenschutzgesetz stellen und zusammen mit dem Begriff der Altlasten definieren und gleichzeitig erläutern. Anschließend wird der Frage nach der gesetzlichen Sanierungsverpflichtung für den einzelnen Unternehmer nachgegangen.
2. Bundes-Bodenschutzgesetz
2.1 Bundes-Bodenschutzgesetz im Überblick
Mit dem BBodSchG wird der vorbeugende Bodenschutz und die Altlastensanierung in einem einheitlichen Regelwerk zusammen geführt und tritt damit neben den Schutz der Umweltmedien Wasser und Luft.[8] Ziel dieses Gesetzes ist die nachhaltige Sicherung und Wiederherstellung der Bodenfunktion, § 1 Satz 1 BBodSchG. Zur Erfüllung dieser Zwecke werden im § 1 Satz 2 BBodSchG drei Handlungsziele festgelegt. Das erste Ziel ist die Abwehr schädlicher Bodenveränderungen; das Zweite liegt in der Verpflichtung zur Sanierung bereits vorhandener schädlicher Bodenveränderungen und das Dritte in der Vorsorge für den Schutz des Bodens vor künftigen nachteiligen Einwirkungen. In der Bodenfunktion wird vom Gesetzgeber zum einen die natürliche Funktion als Lebensgrundlage und Lebensraum aller Lebewesen, zum anderen die Nutzungsfunktion als Siedlungsfläche oder Rohstofflagerstätte, aber auch die Funktion als Archiv von Natur- und Kulturgeschichte gesehen, § 2 Abs. 2 BBodSchG.
2.2 Begriffsdefinitionen im Bundes-Bodenschutzgesetz
In § 2 des BBodSchG wurden erstmalig bundeseinheitlich Begriffsdefinitionen verankert, die in der juristischen Terminologie der Landesabfallgesetze und in den bisher vorhandenen Bodenschutzgesetzen der Länder bereits seit längerer Zeit gebräuchlich waren.[9] Es handelt sich dabei um die Begrifflichkeiten der Bodenfunktion, der schädlichen Bodenveränderung, der Altlasten und der Verdachtsflächen, wobei der Begriff der schädlichen Bodenveränderung den Zentralbegriff des Gesetzes darstellt. Dieser wird vom Gesetzgeber in § 2 Abs. 3 BBodSchG erläutert und ist zweistufig ausgestaltet. In einem ersten Schritt gilt es nach dem Gesetzeswortlaut zu klären, ob eine Beeinträchtigung der Bodenfunktionen vorliegt. In einem zweiten Schritt muss untersucht werden, ob die Einschränkung dieser Funktion geeignet ist, Gefahren, Nachteile oder erhebliche Belästigungen für Schutzgüter des Einzelnen oder der Allgemeinheit hervorzurufen.[10]
Der Gesetzgeber definiert diesen Begriff dahingehend, dass eine schädliche Bodenveränderung vorliegt, wenn Grundstücke durch schädliche Verunreinigungen in ihren natürlichen Funktionen eingeschränkt werden. Er legt jedoch nicht den Zeitpunkt fest, wann eine Verunreinigung gegeben ist. In der Gesetzesbegründung findet man lediglich den Vermerk, dass von einer solchen ausgegangen werden muss, wenn sich „tatsächliche Anhaltspunkte“ für den Verdacht ergeben.[11]
Diese Gesetzeslücke gilt es in der praktischen Umsetzung des Gesetzes zu schließen. Die vom Gesetzgeber erlassene BBodSchV[12] erscheint dabei äußerst hilfreich. Hier werden für die verschiedensten Böden bzw. Nutzungsformen explizite Prüf- bzw. Maßnahmenwerte, sowohl für organische als auch anorganische Stoffe aufgeschlüsselt. Bei einer Überschreitung der Prüfwerte liegen in der Regel konkrete Anhaltspunkte vor, die den hinreichenden Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung begründen. Es bedarf in einem solchen Fall einer einzelfallbezogenen Prüfung, die das Vorliegen einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast feststellt, § 8 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BBodSchG. Werden auf Bodenflächen die Maßnahmewerte überschritten, so muss von einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast ausgegangen werden, § 8 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BBodSchG.
Unter den Begriff der Altlast fallen Altablagerungen und Altstandorte, durch die schädliche Bodenveränderungen oder sonstige Gefahren für den Einzelnen oder die Allgemeinheit hervorgerufen werden, § 2 Abs. 5 Nr. 1 BBodSchG. Altstandorte werden begrifflich als Grundstücke stillgelegter Anlagen und sonstige Grundstücke bezeichnet, auf denen mit umweltgefährdenden Stoffen umgegangen worden ist, § 2 Abs. 5 Nr. 2 BBodSchG. Atomanlagen werden von dieser Definition jedoch ausdrücklich ausgenommen. Als altlastenverdächtige Flächen werden die Altablagerungen und Altstandorte benannt, bei denen der Verdacht schädlicher Bodenveränderungen oder sonstige Gefahren für den Einzelnen oder die Allgemeinheit bestehen, § 2 Abs. 6 BBodSchG.
Im Rahmen seiner Legaldefinitionen geht der Gesetzgeber auch auf die Sanierung ein und untergliedert diese in drei verschiedene Sanierungsmaßnahmen, die Dekontaminations-, die Sicherungs- und eine dritte, namenslose, Sanierungsmaßnahme.
Die Dekontaminationsmaßnahme soll Schadstoffe beseitigen oder zumindest vermindern, § 2 Abs. 7 Nr. 1 BBodSchG. Die Sicherungsmaßnahme soll eine Ausbreitung der Schadstoffe langfristig verhindern oder vermindern, ohne dabei die Schadstoffe zu beseitigen, § 2 Abs. 7 Nr. 2 BBodSchG. Die dritte Maßnahme soll die schädliche Veränderung der physikalischen, chemischen oder biologischen Bodenbeschaffenheit vermindern oder beseitigen, § 2 Abs. 7 Nr. 3 BBodSchG.
2.3 Verpflichtung zur Sanierung
2.3.1 Betroffener Personenkreis
Die Verpflichtung zur Sanierung wird, nach Prüfung der geschädigten Böden, durch die zuständigen Behörden mittels einer Verfügung erlassen. Die Verantwortlichkeit für die Durchführung einer Sanierung regelt § 4 BBodSchG. Wenn schädliche Bodenveränderungen drohen, sind sowohl der Grundstückseigentümer als auch der Inhaber der tatsächlichen Gewalt verantwortlich, Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zu ergreifen, § 4 Abs. 2 BBodSchG. Zur Sanierung von Grundstücken ist der Verursacher, dessen Gesamtrechtsnachfolger, der Grundstückseigentümer und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück verpflichtet, § 4 Abs. 3 BBodSchG.
Diese Aufzählung lässt für den Betrachter den Schluss zu, dass eine Auswahl seitens der Behörden besteht, wer für die Sanierung herangezogen wird. Dieses Ermessen wird vom Gesetzgeber jedoch auf ein Minimum reduziert. Die Erklärung dafür befindet sich in der Gesetzesbegründung, wo es wie folgt heißt: „Die in Absatz 3 festgelegte Reihenfolge der Verantwortlichen bestimmt im Regelfall auch die Rangfolge der Verpflichtung“.[13] Demzufolge ist die Sanierungsverfügung – in dieser Reihenfolge – an den Verursacher der schädlichen Bodenveränderung oder Altlast, dessen Gesamtrechtsnachfolger, den Grundstückseigentümer oder den Inhaber der tatsächlichen Gewalt zu richten.[14] In der Praxis erscheint es in vielen Fällen unmöglich, jedenfalls aber sehr zeitraubend und damit uneffektiv, den Verursacher der Bodenkontamination bzw. Altlast zu ermitteln. Daher werden die zuständigen Behörden primär auf den Grundstückseigentümer zurückgreifen.
Dieser lässt sich ganz einfach und ohne großen Bürokratieaufwand über das jeweilige Grundbuchamt feststellen.[15] In Anbetracht dieser Tatsache kann ein Unternehmen auch dann zur Sanierung seines Betriebsgrundstückes herangezogen werden, wenn es den Schaden selbst nicht verursacht hat.
2.3.2 Kosten der Sanierung
Die Kosten für die Durchführung einer Sanierung haben die Verpflichteten zu tragen, § 24 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG. Dabei stellt die Dekontamination die aufwendigste und kostenintensivste Maßnahme dar. Allerdings wird sie vom Gesetz als Regelfall vorgesehen, § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG, während Sicherungsmaßnahmen nur dann angewandt werden, wenn sie die Ausbreitung der Schadstoffe langfristig verhindern können, § 4 Abs. 3 Satz 2 BBodSchG.
Falls ein Grundstückseigentümer zur Beseitigung vom Umweltschäden verpflichtet wird, hat er die Aufwendungen auch dann zu tragen, wenn er nicht den Schaden verursachte. Diese Unbilligkeit kann vom Gesetzgeber nicht geduldet werden, so dass in § 24 Abs. 2 BBodSchG ein Ausgleichsanspruch nach den privatrechtlichen Normen, speziell § 426 BGB, geschaffen wurde. Diese Vorschrift ermöglicht dem Eigentümer, den nicht herangezogenen Verursacher in Anspruch zu nehmen. Ein Ausgleichsanspruch besteht aber nur dann, wenn zwischen dem Anspruchsgläubiger und dem Anspruchsschuldner keine Gewährleistungsausschlüsse oder ähnliche vertragliche Vereinbarungen gelten.[16]
Die Höhe der Gesamtinvestition für eine Bodensanierung ist allerdings nur schwer abschätzbar. Auf eine Anfrage beim BMU wurde mir geantwortet, „ ...dass sich die Kosten für die Sanierung der festgestellten Altlast erst im Zuge einer konkreten Sanierungsplanung abschätzen lassen. Pauschale Angaben sind daher kaum möglich.“[17] Bisher kann man lediglich Vergleichswerte von bereits durchgeführten Maßnahmen zu Rate ziehen, vorausgesetzt, dass sich die Grundstücke in Form, Größe, Bodenbeschaffenheit sowie Art und Umfang der Grundstücksbelastung ähneln.
3. Berücksichtigung von Altlasten als Rückstellungen
3.1 Begriff der Rückstellung
Rückstellungen sind dem Grunde nach Passivposten, die zur Berücksichtigung heutigen Aufwands, aber bestimmter künftiger Ausgaben, gebildet werden. Grundvoraussetzung für die Bildung einer Rückstellung ist das Vorliegen eines Tatbestandes nach § 249 Abs. 1 HGB.[18] Aus handelsrechtlicher Sicht sind Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten, bei drohenden Verlusten aus schwebenden Geschäften, für im abgelaufenen Wirtschaftsjahr unterlassene Instandhaltungen und für Gewährleistungen ohne rechtliche Gründe zu bilden. Der Wortlaut des Gesetzes verdeutlicht, dass es für die Bildung kein Wahlrecht gibt, sondern die Rückstellungen einem handelsrechtlichen Ansatzzwang unterliegen. Dieser Zwang gilt aufgrund des Maßgeblichkeitsgrundssatzes der Handelsbilanz auch für die Steuerbilanz, § 5 Abs. 1 EStG.
3.2 Abgrenzung Verbindlichkeits- oder Aufwandsrückstellung bei Altlasten
Für die weitere Arbeit gilt es im Vorfeld abzugrenzen, ob es sich bei den möglichen Altlastenrückstellungen um Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten oder um sogenannte Aufwandsrückstellungen gemäß § 249 Abs. 2 HGB handelt. Eine gesetzliche Definition der ungewissen Verbindlichkeit sieht das Handelsrecht nicht vor. In erster Linie soll dies, unter Beachtung der Grundsätze der ordnungsgemäßen Buchführung, durch den gewissenhaften, ordnungsgemäßen Kauf-mann entschieden werden, ob eine derartige Verbindlichkeit vorliegt.
Die Rechtssprechung hat dafür folgende Anhaltspunkte geschaffen, an denen sich der Kaufmann bei der Bildung einer derartigen Rückstellung zu orientieren hat. Die Pflicht zur Bildung von Verbindlichkeitsrückstellungen gemäß § 249 Abs. 1 Satz 1 HBG setzen im Allgemeinen voraus:
- das Bestehen oder die Wahrscheinlichkeit des künftigen Entstehens einer Verbindlichkeit dem Grunde und/ oder der Höhe nach[19],
- die wirtschaftliche Verursachung der Verbindlichkeit in der Zeit vor dem Bilanzstichtag[20],
- dass der Schuldner mit der Inanspruchnahme ernsthaft rechnen muss; die bloße Möglichkeit des Be- oder Entstehens einer Verbindlichkeit reicht nicht aus.[21]
Außerdem dürfen Rückstellungen nach § 249 Abs. 2 HGB, die Aufwandsrückstellungen, für ihre Eigenart genau umschriebene, dem Geschäftsjahr oder einem früheren Geschäftsjahr zuzuordnenden Aufwendungen gebildet werden, wenn sie am Abschlussstichtag wahrscheinlich oder sicher, aber hinsichtlich der Höhe oder dem Zeitpunkt des Eintritts unbestimmt sind. Im Gegensatz zu den Verbindlichkeitsrückstellungen dominiert bei den Aufwandsrückstellungen nicht der Schadenscharakter, sondern die Möglichkeit zur Verteilung von Aufwandsansammlungen.[22] Handelsrechtlich besteht nach dem Wortlaut des Gesetzes für solche Aufwands-rückstellungen jedoch nur ein Passivierungswahlrecht, so dass steuerrechtlich das Passivierungsverbot greift.[23] Eine Aufwandsrückstellung für Altlasten scheidet somit aus.
Im weiteren Verlauf dieser Arbeit gilt es zu ergründen, wann die einzelnen Voraussetzungen der Verbindlichkeitsrückstellung bei einem Altlastenfall erfüllt sind und somit die Bildung einer Altlastenrückstellung möglich ist.
3.3 Altlasten als Verbindlichkeitsrückstellung
Im Steuerrecht setzt die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten eine Verpflichtung gegenüber einem Dritten oder eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung voraus, R 31c Abs. 3 Sätze 1 und 2 EStR. Mit Urteil vom 19.10.1993[24] verfasste der BFH allgemeine Grundsätze, ab welchem Zeitpunkt von einer derartigen Verpflichtung gegenüber der öffentlich-rechtlichen Hand ausgegangen werden muss. Die Finanzverwaltung schloss sich dieser Rechtsauffassung an.
3.3.1 Öffentlich-rechtliche Verpflichtung bei Altlasten
3.3.1.1 Konkretisierungserfordernisse und die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme
Nach der jahrelang entwickelten Rechtssprechung des BFH[25] kann eine Verbindlichkeitsrückstellung für öffentlich-rechtliche Verpflichtungen erst dann gebildet werden, wenn diese Verpflichtung hinreichend konkretisiert ist. Es muss ein inhaltlich bestimmtes Handeln durch ein spezielles Gesetz oder einen Verwaltungsakt vorgeschrieben sein. Darüber hinaus muss das Handeln innerhalb eines Zeitraumes gefordert werden und an die Verletzung dieser Maßnahme entsprechende Sanktionsmaßnahmen geknüpft sein. Zusätzlich müssen die die Verpflichtung begründeten Tatsachen der zuständigen Fachbehörde bekannt geworden sein oder dies unmittelbar bevorstehen.
Im angesprochenen Urteil des BFH[26] wurde eine Rückstellung für zu erwartende Bodensanierungskosten eines Galvanikunternehmens seitens der Finanzverwaltung und der Rechtssprechung abgelehnt. In der Begründung hieß es, dass sich weder aus dem Gesetz noch aus einer konkreten Verwaltungsverfügung eine Beseitigungsverpflichtung ergäbe, zumal die zuständige Behörde von der Umweltbelastung des Grundstücks noch keine Kenntnis erlangt hatte.
Solche „Konkretisierungserfordernisse“ werden vom Schrifttum stark kritisiert. Es wird argumentiert, dass weder das Handelsrecht noch das Steuerrecht ein Sonderrecht für öffentlich-rechtlich bedingte Verpflichtungen zulässt.[27] Der BFH macht in diesem Urteil jedoch deutlich, dass für die Bildung einer Rückstellung hinreichende Anhaltspunkte für die Inanspruchnahme vorliegen müssen. Für die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme schuf der BFH bereits in einem früheren Urteil die sogenannte „51 von Hundert Formel“, nach der mehr Gründe für als gegen eine Geltendmachung des Anspruches bestehen müssen.[28] Eine wichtige Rolle spielt dabei die Kenntnis des Gläubigers über die bestehende Verbindlichkeit.
Jede Verbindlichkeit – auch eine ungewisse – setzt eine Verpflichtung gegenüber einem anderen voraus. Es genügt nicht allein, dass es einen Sanierungsgläubiger gibt. Er müsse vielmehr auch wissen, dass er einen Anspruch gegen den Sanierungsverpflichteten besitzt. Erst wenn dieser Anspruch dem Gläubiger bekannt wird oder die Bekanntgabe kurz bevor steht, ist eine Inanspruchnahme des Schuldners wahrscheinlich. Von diesem Zeitpunkt an bestehe deshalb eine inhaltliche und wirtschaftliche Last mit der Folge, dass erst dann eine Rückstellung gebildet werden könne.[29]
Demnach kann ein Unternehmen ohne (unmittelbar bevorstehende) Kenntnis der Behörde allenfalls eine handelsrechtlich, nicht jedoch steuerrechtlich zulässige Aufwandsrückstellung vornehmen. Eine derartige Rückstellung würde jedoch keinem Unternehmer helfen, da die Steuerschuld anhand der Steuerbilanz und damit ohne die Berücksichtigung dieser sonst gewinnmindernden Rückstellung ermittelt wird.[30]
In seinem Urteil versucht der BFH einen parallelen Ansatz von Verbindlichkeiten aufgrund öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen und von Verbindlichkeiten aufgrund zivilrechtlichen Verpflichtungen zu finden. Bereits in einem früheren Urteil[31] geht der BFH bei vertraglichen Verbindlichkeiten davon aus, dass der Gläubiger von seinen Rechten Gebrauch macht, weil er sie als Vertragspartner kennt. Eine derartige Kenntnis durch die zuständige Behörde sei im Gegensatz dazu, bei öffentlich-rechtlich bedingten Verpflichtungen, insbesondere Altlastensanierungs- verpflichtungen, aber üblicherweise gerade nicht gegeben.[32]
Von der Parallelität zwischen einer privatrechtlichen und einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung kann erst nach Kenntniserlangung der zuständigen Fachbehörde auf ihren Anspruch gesprochen werden, weil dann die Behörde gezwungen ist, die öffentlich-rechtlichen Ansprüche auch tatsächlich geltend zu machen. Der Wille eines Unternehmers zur Sanierung muss dabei, rechtlich objektivierbar, nach außen hin in Erscheinung treten. Der Ansatz einer Verbindlichkeitsrückstellung für Altlasten allein reicht als Bekanntmachung einer Altlastenfläche an die Behörden nicht aus.
Die Feststellung für das Vorhandensein von Altlastenflächen kann nicht den Finanzbehörden, im Rahmen der Bearbeitung von Jahresabschlüssen, überlassen werden. Diese müssen durch die zuständigen Fachbehörden vorgenommen werden. Gemäß der höchstrichterlichen Rechtssprechung muss der Sanierungswille des Unternehmers „den für die Rechtsfolgen zuständigen Behörden“ bekannt gemacht werden oder bekannt sein.[33] Das werden in der Regel die örtlichen Umweltbehörden sein.
Nach Auffassung des BFH wird, entgegen der Literaturmeinung, durch die Forderung nach Kenntnisnahme durch die Behörde kein Sonderrecht von Rückstellungen für öffentlich-rechtliche Verbindlichkeiten begründet. Sie soll auch nicht als eine rechtliche Voraussetzung der Verbindlichkeitsrückstellungen i.S.d. § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB verstanden werden. Die Norm verlangt lediglich, dass eine ernsthafte Gefahr – d.h. eine (überwiegende) Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme des Schuldners gegeben sein muss.[34] Bei einer fehlenden (unmittelbar bevorstehenden) Kenntnis besteht die schwer widerlegbare tatsächliche Vermutung dafür, dass keine Inanspruchnahme des Sanierungsverpflichteten droht.[35]
[...]
[1] Bundes-Bodenschutzgesetz vom 17.03.1998 (BGBl. I 1998, S. 502), in Kraft getreten am
01.03.1999
[2] Eingefügt durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetztes vom 27.10.1994, BGBl I, S. 3146
[3] BMU-Information zum Bundesbodenschutzgesetz vom 06.02.1998, S. 9
[4] Die Zahlen sind jedoch mit Vorsicht zu genießen, da der Bericht vom Bundesumweltamt noch
nicht bestätigt wurde und nicht alle Bundesländer erfasst wurden.
[5] Umweltgutachten des BMU 2004, S. 384 ff
[6] Kühnberger/Faatz, Zur Bilanzierung von Altlasten, in: BB 1993, S. 98-107, mit Hinweis auf
Meyerhoff, Wasser, Luft und Boden 1991, S. 74f. und Jeßberger,
Tagesspiegel vom 22.04.1992, S. 7
[7] Stuhr/Bock, Steuerrechtliche Behandlung öffentlich-rechtlich bedingter
Umweltschutzverpflichtungen, in: DStR 1995, S. 1134-1141
[8] Holzwarth/Radtke/Hilger, Bundes-Bodenschutzgesetz, Handkommentar, 2. Auflage 2000,
Einführung Rn. 2
[9] Dr. Schwartmann, Das neue Bundes-Bodenschutzgesetz: Altlastenrisiko, Konzernhaftung und
Gesamtschuldnerausgleich, in: DStR 1999, S. 324-329
[10] Holzwarth/Ratdke/Hilger, a.a.O., § 2 Rn. 26
[11] BR-Drs. 702/96, S. 87
[12] Bundesbodenschutzverordnung vom 12.07.1999 (BGBl I 1999, S. 1554)
[13] BT-Drs. 13/6701, S. 35
[14] Eilers/Geisler, Bundes-Bodenschutzgesetz: Bilanz- und steuerrechtliche Erfassung von
Umweltschutzmaßnahmen, in: BB 1998, S. 2411-2415
[15] Eilers/Geisler, a.a.O., S. 2414
[16] Knopp/Albrecht, Das neue Bundes-Bodenschutzgesetz und Altlasten, in: BB 1998,
S. 1853-1858, bezugnehmend auf BT-Dr. 13/6701, S. 46
[17] Information aus dem Bereich Öffentlichkeitsarbeit des BMU
[18] Horschitz/Groß/Weidner, Bilanzsteuerrecht und Buchführung, 9. Auflage, Stuttgart 2002,
S. 431
[19] BFH vom 12.12.1990, I R 18/89, BStBl. II 1991, S. 479
[20] BFH vom 03.12.1991, VIII R 88/87, BStBl. II 1993, S. 89
[21] BFH vom 17.07.1980, IV R 10/76, BStBl. II 1981, S. 669
[22] Herrmanns, Die Behandlung von Altlasten im Jahresabschluss, in: DStR 1995, S. 1971-1976
[23] BFH vom 12.12.1991, IV R 28/91, BStBl. II 1992, S. 600 und BFH vom 08.11.2000, I R 6/96,
BStBl. II 2001, S. 570
[24] BFH vom 19.10.1993, VIII R 14/92, BStBl II 1993, S. 891
[25] BFH vom 19.10.1993, a.a.O., man kann von einer gefestigten Rechtssprechung des BFH
ausgehen, da dieses Urteils mehrfach in Folgeentscheidungen zitiert wurde
[26] BFH vom 19.10.1993, a.a.O.
[27] Kühnberger/Faatz, a.a.O., S. 103, ebenso Kupsch, Bilanzierung von Umweltlasten in der
Handelsbilanz, in: BB 1992, S. 2320-2329
[28] BFH vom 01.08.1984, I R 88/80, BStBl. II 1985, S. 44
[29] Stuhr/Bock, a.a.O., S. 1136
[30] Eilers/Geisler, a.a.O., S. 2413
[31] BFH vom 17.11.1987, IV R 175/85, BStBl. II 1988, S. 430
[32] Stuhr/Bock, a.a.O., S. 1136
[33] Luig, Ein Vorbescheid des Bundesfinanzhofs zu den Rückstellungen für Altlasten, in: BB 1993,
S. 2051-2056
[34] BFH vom 11.12.2001, VIII R 34/99, BFH/NV 2002, S. 486
[35] Schreiber in Blümisch, Kommentar zum EStG-KStG-GewStG, 77. Ergänzungslieferung,
Februar 2002, § 5 Rz. 793
- Citar trabajo
- Michael Stets (Autor), 2005, Die bilanzsteuerliche Behandlung von Altlasten, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/84237
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