Als Volkskundler stellt man sich immer wieder die Frage, wie man Menschen für kultur-anthropologische Themen begeistern und auf welche Art und Weise man Wissen vermitteln kann. Die Begeisterung für historische Themen in den Medien lässt aufhorchen. Was macht Living History so interessant? Ist es tatsächlich ein vermehrtes Interesse an Historie oder liegt die Motivation anderswo begründet? Diese Arbeit soll untersuchen, was die Menschen an Living History fasziniert und worauf die Erfolge von Living History-Serien im Fernsehen beruhen. Wofür ist diese Entwicklung ein Indiz? Welche Tendenzen lassen sich in der Gesell-schaft erkennen? Worauf lässt der Erfolg von Historie im Fernsehen schließen?
Um diese Fragen zu beantworten, wird die Serie Windstärke 8 – Das Auswandererschiff stell-vertretend für Living History-Reihen untersucht. Windstärke 8 war die erste Living History-Serie, bei der die Protagonisten keine festgelegten Rollen zu erfüllen hatten. Sie gingen als sie selbst an Bord, wurden also nicht dazu eingeteilt, zum Beispiel Magd oder Knecht zu spielen. Der Teilnehmer Hans-Peter Ammann beurteilte die Serie daher im Interview auch als „die erste richtige Living History“, zumal während der Atlantiküberquerung niemand aus dem Projekt aussteigen konnte. Das macht Windstärke 8 besonders interessant unter den deutschen Living History-Projekten und wurde deshalb als Schwerpunkt für diese Arbeit gewählt. Ein weiterer Grund ist die Parallele zur heutigen Zeit: Die Auswandererzahlen steigen wieder, momentan sind es die höchsten seit über 120 Jahren.
Inhalt
1. Einleitung
1.1. Einführung
1.2. Fragestellung
1.3. Quellen und Methoden
1.4. Forschungsstand
2. Die Abbildung der Wirklichkeit? – Hintergründe des dokumentarischen Filmens
2.1. Die Anfänge des Dokumentarfilms
2.2. Dokumentarische Genres und Formate im Fernsehen
2.3. Hybride Formen
2.4. Living History im deutschen Fernsehen
3. Multiperspektivische Untersuchung des Formats Living History am Beispiel von Windstärke 8 – Das Auswandererschiff
3.1. Einführung
3.2. Projektanalyse - Der Versuch einer Zeitmaschine
3.3. Windstärke 8 aus Sicht der Produzierenden
3.4. Windstärke 8 aus Sicht der Mitreisenden
3.5. Windstärke 8 aus Sicht der Wissenschaftler
3.6. Windstärke 8 aus Sicht der Zuschauer
3.7. Zusammenfassung
4. Diskussion und Ausblick
5. Fazit
Anhang
A. Bilder
B. Interviews
C. Interviewleitfäden
D. Literatur
1. Einleitung
1.1. Einführung
„Im 19. Jahrhundert segelten Millionen Auswanderer aus Deutschland nach Amerika. Auf der Suche nach einem besseren Leben wagten sie die gefahrvolle Reise über den Atlantik. Ihren Spuren folgen jetzt 45 Deutsche. Sie brechen auf zu einer Zeitreise ins Jahr 1855.“[1]
Mit diesen Worten versucht die Fernsehserie Windstärke 8 – Das Auswandererschiff die Zuschauer vom ersten Moment an zu fesseln, sie selbst auf die Reise ins 19. Jahrhundert mitzunehmen. Das Fernsehen macht ein solches Abenteuer möglich. Zeitreisen, auswandern, etwas wagen – das sind Schlagworte, die den modernen Menschen zu locken scheinen. Tausende bewerben sich, um an solchen und ähnlichen Projekten teilzunehmen, 15.000 Bewerbungen waren es bei der Serie Abenteuer Mittelalter – Leben im 15. Jahrhundert des Mitteldeutschen Rundfunks. ‚Living History’ nennt sich die Umsetzungsform, bei dem die Bedingungen einer anderen Ära geboten werden sollen. Die Teilnehmer steigen dafür für mehrere Wochen oder Monate aus ihrem Beruf aus, werden in dieser Zeit keinen Kontakt zur Außenwelt haben, verbringen das Projekt mit ihnen völlig fremden Menschen auf engstem Raum. Und die Zuschauer begleiten sie.
Historische Themen werden seit einigen Jahren erfolgreich im Fernsehen präsentiert. Gleich mehrere Formate haben Geschichte zum Schwerpunkt gemacht. „So viel Geschichte war im Fernsehen nie. An jedem beliebigen Fernsehabend kann, wem nach Geschichte zumute ist, durch die Programme zappen, und er wird fündig werden.“[2] Für jeden Geschmack ist etwas dabei: Sachlich dargebrachte Dokumentationen sind genauso beliebt wie unterhaltende Wissensshows, die öffentlich-rechtlichen übertragen ebenso wie die privaten Sender. Seit einigen Jahren jedoch verschieben sich die Abgrenzungen zwischen den einzelnen Genres, die Übergänge werden fließender. Dies gilt nicht nur für das Fernsehen. White stellt ähnliche Tendenzen auch in der Literatur der letzten Jahrzehnte fest.[3] Und auch dort verkauft sich Historie zurzeit gut, was zum Beispiel der Erfolg historischer Romane zeigt.
Seit Beginn dieses Jahrhunderts taucht im Fernsehen eine neue Art und Weise auf, sich mit Geschichte auseinanderzusetzen. Living History überzeugte mit dem ersten Projekt Millionen von Zuschauern, so dass in den letzten fünf Jahren gleich ein halbes Dutzend Living History-Reihen in Deutschland produziert wurden. Doch wie kam es zu dieser Entwicklung?
1.2. Fragestellung
Als Volkskundler stellt man sich immer wieder die Frage, wie man Menschen für kultur-anthropologische Themen begeistern und auf welche Art und Weise man Wissen vermitteln kann. Die Begeisterung für historische Themen in den Medien lässt aufhorchen. Was macht Living History so interessant? Ist es tatsächlich ein vermehrtes Interesse an Historie oder liegt die Motivation anderswo begründet? Diese Arbeit soll untersuchen, was die Menschen an Living History fasziniert und worauf die Erfolge von Living History-Serien im Fernsehen beruhen. Wofür ist diese Entwicklung ein Indiz? Welche Tendenzen lassen sich in der Gesellschaft erkennen? Worauf lässt der Erfolg von Historie im Fernsehen schließen?
Um diese Fragen zu beantworten, wird die Serie Windstärke 8 – Das Auswandererschiff stellvertretend für Living History-Reihen untersucht. Windstärke 8 war die erste Living History-Serie, bei der die Protagonisten keine festgelegten Rollen zu erfüllen hatten. Sie gingen als sie selbst an Bord, wurden also nicht dazu eingeteilt, zum Beispiel Magd oder Knecht zu spielen. Der Teilnehmer Hans-Peter Ammann beurteilte die Serie daher im Interview auch als „die erste richtige Living History“, zumal während der Atlantiküberquerung niemand aus dem Projekt aussteigen konnte. Das macht Windstärke 8 besonders interessant unter den deutschen Living History-Projekten und wurde deshalb als Schwerpunkt für diese Arbeit gewählt. Ein weiterer Grund ist die Parallele zur heutigen Zeit: Die Auswandererzahlen steigen wieder, momentan sind es die höchsten seit über 120 Jahren.[4]
Den Hintergrund für die Serie bildet das Phänomen Auswanderung nach Amerika im 19. Jahrhundert. Etwa fünf Millionen Menschen brachen zu jener Zeit in drei Auswanderungswellen aufgrund von wirtschaftlicher Not, Hunger oder Verfolgung ihre heimatlichen Wurzeln ab, um eine höchst risikoreiche Atlantiküberquerung zu wagen und in den USA ein neues Leben zu beginnen.[5] Sie gaben ihre Existenz auf und gingen in ein Land, das die Wenigsten zuvor gesehen hatten und dessen Sprache sie nicht beherrschten. Das Geld reichte meist nur dazu aus, einen Platz auf dem Zwischendeck eines Segelschiffes zu erhalten, auf dem die Passagiere zu Hunderten in schlecht belüfteten und beleuchteten Frachträumen bei mittelmäßiger Kost zusammengepfercht wurden. Mitte des 19. Jahrhunderts brachen etwa eine halbe Million Menschen von Bremerhaven in die Neue Welt auf.[6] Diese Thematik greift Windstärke 8 auf und versetzt seine Teilnehmer in ähnliche Bedingungen.
Da Living History meist unter dem Oberbegriff Dokumentation verwendet wird, wird in Kapitel 2 zunächst die Geschichte des Dokumentarfilms und seiner Untergenres aufgezeigt. Die Entwicklung verschiedener dokumentarischer Formate wird von der Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert bis hin zu Living History-Serien der letzten Jahre dargestellt. In Kapitel 3 wird anschließend Windstärke 8 exemplarisch für Living History-Serien allgemein analysiert. Dabei handelt es sich nicht um eine Fernsehanalyse, die Bildaufbau, Kameratechnik und Handlungsaufbau beurteilt, sondern um eine multiperspektivische Untersuchung, die die verschiedenen Sichtweisen aller beteiligten Personen beleuchtet. Dazu wird in 3.1. und 3.2. das Projekt vorgestellt und illustriert, welche Herausforderungen die Umsetzung bot. Im Anschluss daran beschreiben die Macher in 3.3. aus ihrem Blickwinkel, was das Ziel ihres Unternehmens war und wie sie es realisierten. Dabei werden die Interessen sowohl der Sender als auch der einzelnen Personen deutlich. Ergänzend dazu werden in 3.4. die Motivationsgründe der Mitreisenden vorgestellt. Wie empfanden sie die Reise, warum nahmen sie teil? Zum Thema Geschichte im Fernsehen wurden in 3.5. drei Wissenschaftler verschiedener Museen befragt. In den Gesprächen ging es sowohl um Living History allgemein als auch speziell um Windstärke 8. Schließlich wird in Kapitel 3.6. versucht, das Interesse und die Motivation der Zuschauer herauszuarbeiten. Nach einer kurzen Zusammenfassung werden die Ergebnisse des Kapitels 3 in Kapitel 4 zusammengetragen und die Gründe des Erfolges diskutiert. Zudem werden einige gesellschaftliche Tendenzen beobachtet, auf die durch den Aufschwung historisch-dokumentarischer Fernsehformate zu schließen ist. Anschließend wird ein Ausblick auf die kommenden Jahre gewagt. Die Arbeit schließt mit einem Gesamtfazit in Kapitel 5.
1.3. Quellen und Methoden
Als Quellen dienten die Serie selbst und sämtliches Begleitmaterial: das Buch zur Serie, der Making Of-Film Windstärke 8 – Die Geschichte einer ungewöhnlichen Zeitreise, die Präsentationsmappe des WDR und weiteres Material, das mir die Produktionsfirma Caligari freundlicherweise zur Verfügung stellte.[7] Zudem beinhaltet die ausführlich gestaltete Homepage der Serie viele Informationen zu den Hintergründen der Produktion.
Um für Kapitel 3.6. die Zuschauerresonanz zu untersuchen, war es im Rahmen einer Magisterarbeit nicht möglich, selbst eine repräsentative Studie – beispielsweise mithilfe von Fragebögen – durchzuführen. Daher habe ich auf das Diskussionsforum der Windstärke 8 -Homepage zurückgegriffen. Dabei gilt es zu bedenken, dass die Forumsschreiber keinen repräsentativen Zuschauerquerschnitt widerspiegeln, sondern sich aus einer Gruppe von Personen zusammensetzen, die der Serie zumindest insoweit zugeneigt sind, als sie sich die Mühe machen, sich überhaupt im Forum zu äußern. Ernsthafte Kritiker werden vermutlich schlichtweg den Fernseher ausschalten und sich nicht weiter mit der Serie beschäftigen bzw. ihre Kritik auch auf anderem Wege deutlich machen. Ferner ist zu beobachten, dass sich einige Diskussionsteilnehmer weniger aus Interesse beteiligen, als vielmehr um ihre Meinung in der Öffentlichkeit kundzutun. Zudem wird es viele Zuschauer geben, denen das Forum nicht bekannt ist oder die sich zwar die Serie jedoch nicht die Internet-Homepage anschauen. Dennoch bietet die Diskussionsplattform – wenn auch nur sehr eingeschränkt – Einblicke in die Zuschauermeinungen.
Als Sekundärliteratur dienten kommunikations- und medienwissenschaftliche Untersuchungen zu den in den letzten Jahren entstandenen Fernsehformaten. Living History selbst ist im Fernsehen ein sehr junges Phänomen, weshalb sich die Literatur bisher auf wenige Analysen beschränkt. Daher wird immer wieder Bezug auf ähnliche Formate wie Reality-TV oder Doku-Soaps genommen. Zudem musste mehrfach auf Veröffentlichungen im Internet zurückgegriffen werden.
Um die Umsetzung des Projektes analysieren zu können, bediente ich mich Auswandererbriefen und Monographien über die Amerikaauswanderung im 19. Jahrhundert. Ausführungen zu den historischen Hintergründen werden in dieser Arbeit lediglich angerissen, die für die Umsetzung der Serie wesentlichen Punkte jedoch eingehend analysiert.
Außen vor blieb die in Kapitel 3.5. erwähnte Titelstory über Windstärke 8 im stern („Volle Fahrt zurück“, Nr. 19, 4.5.2005). Auf 16 Seiten (davon sind lediglich dreieinhalb Seiten Text) wird mithilfe vieler Fotos und kurzer, reißerischer Sätze von der Segelreise berichtet. Auch wenn Journalist Alexander Kühn und Fotograf Klaus Andrews während der Überfahrt mit an Bord waren, werden in dem Artikel die Intentionen und Bemühungen der Produzierenden völlig außer Acht gelassen. Stattdessen konzentriert man sich auf Fehler – die jedoch in der Serie selbst thematisiert werden –, stellt Bilder in falsche Zusammenhänge und greift Konflikte auf, die inhaltlich nichts mit der Serie zu tun haben. Gestützt wird das Ganze von Sätzen wie: „Dominik Wessely ist unzufrieden mit seinen Auswanderern. Sie essen, trinken, schlafen. Sie fragen, wie lange die Reise noch dauert.“ oder „Am Abend hängt der Mond als pralle Blutorange überm Schiff.“[8] Diese Quelle schien mir ungeeignet für eine wissenschaftliche Arbeit. Dennoch soll sie an dieser Stelle vorgestellt werden, da sich Interviewpartner auf diesen Artikel stützten.
Der empirische Beitrag der Arbeit bestand aus qualitativen Interviews. Hierin sollte die individuelle Meinung und Wahrnehmung der einzelnen Interviewpartner herausgearbeitet werden. Dies wäre in einer Befragung per Fragebogen schlecht auswertbar gewesen, weshalb die Methode des offenen Interviews gewählt wurde. Dazu orientierte ich mich an Leitfäden, die während der Diskussion flexibel angewandt wurden. Um Living History genau schildern und analysieren zu können, wurden Vertreter dreier Blickwinkel interviewt: stellvertretend für die Produzierenden sowohl der Regisseur als auch der Redakteur der Serie, zur wissenschaftlichen Beratung und Unterstützung drei Museumsdirektoren, außerdem sechs Teilnehmer, darunter Mitglieder der Segelcrew und der Passagiere. Durch die Interviews werden nicht nur Interesse und Motivation der Beteiligten deutlich, sondern auch das gegenwärtige Geschichtsbewusstsein. So geht aus der Untersuchung hervor, wie Geschichte wahrgenommen und wie mit ihr umgegangen wird.
Die Interviews fanden auf der Arbeitsstelle der Gesprächspartner oder bei ihnen zu Hause statt. Sie wurden auf Kassette aufgenommen und anschließend transkribiert. Da der Erste Steuermann Jörg Nowacka zurzeit der Untersuchung auf See war, beantwortete er die Fragen per E-Mail. Die Erhebungen wurden im Zeitraum von Juli bis Dezember 2006 durchgeführt.
1.4. Forschungsstand
Da Living History-Serien ein recht neues Phänomen in der Medienwelt bilden, stehen Forschungsergebnisse aus der Volkskunde bisher aus. Auch wenn die historischen Wissenschaften auf das Thema Geschichte im Fernsehen aufmerksam werden, fehlen bislang einschlägige Studien. Lediglich Michaela Fenske von der Universität Göttingen beschäftigt sich mit dem Fernsehformat und hielt dazu einen Vortrag bei der dgv-Hochschultagung zum Thema „Historizität als Perspektive“ in Münster im Jahr 2006.[9] Der Historiker Hayden White untersucht zudem die Zusammenhänge bei der Geschichtswahrnehmung und -darstellung in Medien und Literatur. Seine Ergebnisse werden in der Diskussion in Kapitel 4 aufgegriffen.
Aufgrund der spärlichen Literatur habe ich für diese Arbeit auf Nachbardisziplinen wie Geschichte, Philosophie oder Kommunikationswissenschaften zurückgegriffen. Dabei spielten die Untersuchungen des Medienwissenschaftlers Fritz Wolf eine große Rolle. Seine Ansätze werden im folgenden Kapitel vorgestellt.
2. Die Abbildung der Wirklichkeit? – Hintergründe des dokumentarischen Filmens
Das Fernsehen spielt heutzutage eine prägende Rolle in unserer Gesellschaft. Eine Unzahl an privaten und öffentlich-rechtlichen Sendern, die uns auf analogem oder digitalem Weg rund um die Uhr via Fernsehapparat erreichen, informieren, unterhalten, begeistern, empören oder langweilen einen Großteil unserer Gesellschaft. Unterschiedliche Sendeformen decken jegliche Zuschauerbedürfnisse ab: Spielfilme und Spielshows stehen für Unterhaltung, Nachrichtensendungen und Dokumentarfilme für Information. Dazwischen befinden sich zahlreiche Unterordnungen, wie Krimis, Western, Liebesfilme, Essays usw. Diese Gruppierungen sind nicht nur in der Film-, sondern auch in der Theater- und Literaturwissenschaft gebräuchlich.
In diesem Kapitel wird die Geschichte des dokumentarischen Films aufgezeigt, der auch in der Visuellen Anthropologie als Quelle, Methode und Präsentationsform in Forschung und Lehre eingesetzt wird.[10] Er spielt aber auch im Fernsehalltag eine große Rolle. So hat der Medienwissenschaftler Fritz Wolf für das Jahr 2002 festgestellt, dass im Monat Oktober etwa 1500 dokumentarische Sendungen im deutschen Fernsehen liefen.[11] Bevor die Hintergründe für eine solche Entwicklung aufgezeigt werden, sollen zunächst einige Begriffe näher definiert werden.
Wie schon angedeutet unterscheidet man in der Fernsehanalyse zwischen unterschiedlichen Genres oder Gattungen. Diese setzen sich aus verschiedenen Themen, Motiven und Erzählmustern zusammen und geben ein bestimmtes narratives Grundmuster vor.[12] Ein Liebesfilm wird die Geschichte zweier Personen erzählen, die nach vielen Wirrungen doch noch zueinander finden, während in einem Krimi die Lösung eines Gewaltverbrechens zunächst aussichtslos scheint, die Kommissare jedoch am Ende die Täter hinter Gitter bringen. Genres sind somit „Geschichten generierende Systeme“[13]. Der Zuschauer kann gezielt gewisse Genres verfolgen, um seine Erwartungen erfüllt zu bekommen. „Genres bieten den Rahmen für vertraute, bekannte Abläufe, die Zuordnungen erleichtern.“[14]
Seit privat-kommerzielle Sender in der Mitte der 1990er Jahre auf den Markt getreten sind, verliert die Varietät an Genres für die Sender immer mehr an Wichtigkeit. Orientierten sich die Sender bis dahin an Unterhaltungstraditionen und Genreformen außerhalb ihres Mediums, beschränken sie sich nun vor allem auf interne Programmmaßstäbe.[15] Was zählt, sind die Einschaltquoten. Um die einzelnen Leistungen der Sender besser vergleichen zu können, bildete sich im Zuge des Lizenzhandels der Begriff des ‚Formats’. Äußere Elemente wie Sendungsidee, Sendungskonzept, Inszenierungsstil, Präsentationsform etc. werden dabei nebeneinander gestellt. So lassen sich die Formate nicht nur national, sondern auch international miteinander vergleichen, verhandeln und quotenbezogen optimieren. Als Konsequenz werden
„erfolgreiche Ideen oft mehrfach verwendet, so daß innerhalb der einzelnen Formen und Genres oft mehrere ähnliche Angebote vorhanden sind. […] Nicht mehr der Wechsel zwischen dem Verschiedenen und immer wieder Neuen wird geboten, sondern eine permanente Variation des Ähnlichen und Gleichen, die durch eine synthetische Konstruktion und Mischung der Bestandteile erzeugt wird.“[16]
Heiner Gatzemeier von der Redaktion Dokumentation und Reportagen des ZDF antwortet auf die Frage, was er unter dem Begriff Format verstehe:
„Wiedererkennbares. Der Mars-Riegel ist ein Format. MilkyWay auch. […] Ich weiß, was ich kriege, wenn ich einen Mars-Riegel kaufe. Oder Bounty. Und wenn Bounty plötzlich auch Zartbitter-Schokolade führt, dann heißt das: Sie haben ein neues Format innerhalb ihrer Marke erfunden.“[17]
Für die Sender sind Formate also zur Verhandlungsbasis geworden. Weil erfolgreiche Formate oft kopiert werden, besteht jedoch die Gefahr, dass sie durch die vielen Wiederholungen schnell veralten oder langweilen. Die unterschiedlichen Genres bleiben hingegen erhalten. Im Folgenden wird die Mediengeschichte des Genres Dokumentarfilm aufgezeigt und verschiedene Formate beleuchtet, die sich in den letzten Jahren innerhalb der dokumentarischen Sendungen herausgebildet haben.
2.1. Die Anfänge des Dokumentarfilms
Seit den Anfängen der Filmgeschichte um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert, gibt es dokumentarische Aufzeichnungen.[18] So genannte Shorts zeigten ab den 1880er Jahren kurze Episoden mehr oder weniger bedeutender Ereignisse, so filmte William Friese-Green 1889 Bürger im Hydepark auf dem Weg zur Kirche, 1910 wurde das Begräbnis König Edwards VII aufgezeichnet.[19] 1895 stellten die Brüder Auguste und Louis Lumière ihren ‚Cinétoscope de projection’ vor, der erstmals Filme über einen Projektor auf eine Leinwand übertrug. Auch sie versuchten sich in dokumentarischen Shorts, zum Beispiel mit L’arrivée d’un train à La Ciotat, bei dem die Zuschauer aus Furcht vor dem herannahenden Zug zurückwichen oder in die Ecken des Raumes flüchteten.[20] Ein Meilenstein der Filmgeschichte gelang Robert Flaherty 1922 mit seinem knapp 80-minütigen Film Nanook of the North, einer Dokumentation über eine Inuit-Familie in Alaska, die ein Jahr lang beim Fischen, Jagen und im Alltag beobachtet wurde. Der Film zählt gleichzeitig auch zu den umstrittensten Beispielen. Ohne es kenntlich zu machen, wurden Szenen nachgespielt und manipuliert. So musste der Protagonist Nanook zum Beispiel bei der Jagd sein Gewehr gegen eine Harpune eintauschen. Aber nicht nur inhaltlich, sondern auch technisch wurde in den wahren Alltag der Inuit eingegriffen. Da die Lichtverhältnisse zu schlecht gewesen wären, stand während des Drehs eine Seite des Iglus offen.
Während des Zweiten Weltkrieges wurde der Dokumentarfilm zweckentfremdet und als Propagandamittel eingesetzt, „um die Moral der Bevölkerung zu stärken“[21]. Ab Ende der 1950er Jahre erlaubten tragbare Kameras, die synchron den Ton aufnehmen konnten, eine völlig neue Arbeitsweise. So „wurde mit der neuen Produktionsweise der Anspruch auf Wahrheit bzw. direkten Wirklichkeitsbezug erhoben.“[22]
Wurden Dokumentarfilme bis dahin in Lichtspielhäusern vorgeführt, laufen sie seit der steigenden Bedeutung des Fernsehens immer öfter nur noch dort. Heute werden Dokumentarfilme nur noch selten in den großen Kinoketten gezeigt, Ausnahmen bilden Filmfestivals und Programmkinos. In den Fernsehanstalten hingegen bildeten sich unterschiedliche Formen des dokumentarischen Beobachtens und Aufzeichnens heraus.
2.2. Dokumentarische Genres und Formate im Fernsehen
In der Film- und Fernsehanalyse ist es schwierig, einzelne Genres genau zu benennen, da sie in ihrer Reinform kaum vorkommen. Es haben sich unzählige Misch- und Unterformen gebildet, so dass die Begriffe nur ungenau zu definieren sind. Dennoch sollen hier einige klassische Vorgaben nach Hickethier und Wolf aufgezeigt werden.[23]
Grundsätzlich muss für dokumentarische Genres und Formate herausgestellt werden, dass man sowohl während der Produktion als auch beim Zuschauen zwei unterschiedliche Positionen innehaben kann. Zum einen kann man das im Film Gezeigte als etwas auffassen, das die Wirklichkeit widerspiegelt. Dabei dient „die dokumentierende Kamera […] als eine vornehmlich Realität beobachtende, registrierende Vermittlungsinstanz.“[24] Der Dokumentarist wird in diesem Fall versuchen, nicht in das Geschehen, das er filmt, einzugreifen. Zum anderen gilt es jedoch zu bedenken, dass allein durch die Auswahl der Bilder, des Schnitts, der Interviewpartner etc. immer eine subjektive Perspektive des Autors oder Produzenten in den Film mit einfließt.[25] Dokumentationen können also nie intentionsfrei sein. Dennoch liegt im Ursprung der Versuch, das Gezeigte möglichst objektiv wiedergeben zu wollen.
Die erste dokumentarische Form, das ‚Feature’, kommt ursprünglich aus dem Hörfunk. Es wurde von der BBC entwickelt und kam 1945 nach Deutschland. Das Fernsehen hat diese Form übernommen, bei dem ein Thema durch eine aufgelockerte, leichte Art bearbeitet wird. Wirkte das Feature im Radio durch viele Musikeinlagen verspielt, so bestach es im Fernsehen durch einen „ständige[n] Wechsel zwischen Anschauung und Abstraktion, zwischen Schilderung und Schlussfolgerung“[26]. Heute ist das Feature als Begriff im Fernsehen verschwunden, da es als „belehrend, besserwisserisch, wortlastig und dramaturgisch öde“[27] gilt.
Dokumentationen bzw. Dokumentarfilme bearbeiten ein Thema mithilfe journalistischer Techniken. Meist wird eine These durch genaue Recherche, Interviews mit Experten und Beteiligten, statistische Grafiken oder Ähnliches diskutiert und in einen größeren Zusammenhang eingeordnet. Der Dokumentarist beobachtet, analysiert und erschließt dabei und kann sich selbst als Zeuge in den Film mit einbringen. Zeitgenössische Originalaufnahmen untermalen und belegen das Dargestellte. Dokumentationen basieren auf der „Nichtfiktionalität des Vorfilmischen“[28] und bilden damit den Gegenpol zum Spielfilm. Sie behaupten bzw. machen geltend, „daß das Dargestellte so existiert oder so stattgefunden habe wie gezeigt“[29]. Dadurch wird der Dokumentarfilm „durch seine soziale Funktion dergestalt charakterisiert, daß es bei dieser Art von Film vor allem auch auf Zuverlässigkeit als Sicherung der Wahrheit der Darstellung ankommt.“[30]
Bei der Reportage geht der Autor noch einen Schritt weiter. Hierbei wird versucht, den Zuschauer dadurch zu fangen, dass der Erzähler selbst als Reporter beim Geschehen anwesend war und davon berichtet. Durch die persönlichen Empfindungen wird die Reportage sehr subjektiv. Gleichzeitig hat der Zuschauer durch die Form der „Au-
genzeugenschaft“ oder „eye-witness“[31] das Gefühl, ebenfalls dabei gewesen zu sein. Ganz deutlich wird dies bei einer Live-Reportage.
In der Praxis werden die dargestellten Formen so kaum verwendet. Stattdessen haben sich – wie oben erwähnt – unzählige Mischformen entwickelt. Dabei werden nicht nur dokumentarische Formen untereinander verbunden, sondern sogar Elemente des Spielfilms mit solchen des Dokumentarbereichs. Im Spielfilm Forrest Gump (Regie: Robert Zemeckis, 1994) begegnet die Hauptfigur dem ehemaligen US-Präsident Kennedy und schüttelt ihm dank Computeranimation die Hand. Es werden also einzelne dokumentarische Sequenzen in den Spielfilm eingebaut und mit der fiktiven Handlung vermischt, ohne dass der Zuschauer es direkt erkennen kann. In einer anderen Form herrscht ein gleichberechtigtes Nebeneinander zwischen authentischen Bildern und fiktiven, nachgestellten Szenen. In Todesspiel (Regie: Heinrich Breloer, 1997), einem Film über die Entführung und Ermordung des Präsidenten des BDI Hanns-Martin Schleyer durch die RAF, wechseln sich authentische Nachrichtenausschnitte mit inszenierten Spielfilmsequenzen ab. Das Format, in dem Dokumentar- und Spielfilmszenen gleichberechtigt eingebaut werden, nennt man Doku-Drama. In Bezug auf Geschichtsdarstellung im Fernsehen ist das Doku-Drama das populärste Fernsehformat.[32]
2.3. Hybride Formen
Aber auch innerhalb des dokumentarischen Genres bildeten sich Mischformen heraus, so genannte ‚Hybrid-Formen’. Ebenso wie bei den oben genannten Genres, sind Be- griffsdefinitionen problematisch, da einige Begriffe synonym gebraucht oder unterschiedlich definiert werden. Außerdem sind sämtliche Fernsehformate der letzten Jahre sehr schnelllebig und unterliegen einem ständigen Wechsel, so dass es schwierig ist, einheitliche Formen zu beobachten. Claas Danielsen, Leiter von Discovery Campus, einer Initiative zur Ausbildung von Dokumentarproduktionen, sagt dazu:
„Ich habe den Eindruck, dass die Genregrenzen zerfließen. Viele Filme auf dem internationalen Markt arbeiten mit Mischformen, so genannten hybriden Formen. Da gibt es Tierfilme mit starken wissenschaftlichen Elementen oder historische Projekte, die durch Spielszenen, so genannten Re-Enactments, angereichert ein höheres ‚Production Value’ erhalten.“[33]
Die erste Mischform wurde mit dem Reality-TV in den 1990er Jahren erfolgreich. Der Ursprung entwickelte sich jedoch schon weit früher; so gibt es seit der Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert den Begriff des ‚tabloid journalism’, auf Deutsch Boulevardpresse.[34] Der Begriff ‚tabloid’ kommt ursprünglich aus der Medizin und bezeichnet eine stark komprimierte Tablette.[35] Auf Journalismus übertragen charakterisiert ‚tabloid journalism’ die überdramatisierte, sensationslüsterne Komprimierung und Darstellungsform von Meldungen, die von Kriminalität, Skandalen, Geld und Tragödien handeln. Anfang der 1970er Jahre erreichte diese Tendenz auch Nachrichtensendungen im Fernsehen. In den nächsten Jahren entwickelten sich daraus in den USA eigene Sendungen, in denen Unfälle und Naturkatastrophen nachgestellt wurden. 1992 erreichte diese Welle auch Deutschland.[36] In Reality-Sendungen erzählen Menschen meist in Interview-Form von ihren Unfällen, Katastrophen oder wundersamen Rettungen, während die erzählten Geschehnisse zusätzlich nachgestellt werden. Fiktive Bilder stellen also reales Geschehen nach.[37]
Zum Reality-TV zählen jedoch auch jegliche andere Formate, bei denen Personen beobachtet werden, sei es bei einem speziellen Ziel – zum Beispiel Sänger einer neu zu gründenden Musikgruppe zu werden – oder in alltäglichen Herausforderungen – zum Beispiel die Renovierung des Hauses oder die Führerscheinprüfung. Je nachdem, ob man die Reality-Elemente mit einer Spielshow oder einem dokumentarischen Stil vermischt, entsteht ein neues Format. Sendungen solcher Art erwirken in ganz Europa und den USA bis zu 50 Prozent Marktanteil.[38] Annette Hill definiert Reality-TV als eine
„catch-all category that includes a wide range of entertainment programmes about real people. Sometimes called popular factual television, reality TV is located in border territories, between information and entertainment, documentary and drama. [...] reality TV has become the success story of television in the 1990s and 2000s. There are reality TV programmes about everything and anything, from healthcare to hairdressing, from people to pets. There are reality TV formats sold all over the world, from the UK to Uruguay.”[39]
Das Zitat macht deutlich, wie schwierig eine eindeutige Definition und wie offen die Programmform ist.
Das erfolgreichste, wenn auch umstrittenste, Reality-Format ist Big Brother, das in knapp 70 Ländern ausgestrahlt wird. Hierbei leben ungefähr ein Dutzend Menschen, die sich vorher nicht kannten, circa 100 Tage in einem Fernsehstudio, dem so genannten ‚Container’. Die Kameras beobachten sie rund um die Uhr, auch in privaten Räumen wie Schlaf- und Badezimmer. Die Gruppe bekommt Tagesaufgaben gestellt und kann sich so Essensrationen oder Luxusartikel verdienen. Ansonsten ist sie von der Außenwelt abgeschottet, d.h. es gibt weder Fernseher, Radio noch Telefon. Die Fernsehzuschauer wählen an bestimmten Tagen einen Kandidaten, der das Projekt verlassen muss; der endgültige Sieger gewinnt eine Geldsumme. Die erste Staffel im deutschen Fernsehen verlief für die letzten Kandidaten so erfolgreich, dass ihnen anschließend Platten- und Werbeverträge angeboten wurden. Erfunden wurde das Konzept 1999 in den Niederlanden, wo 15 Millionen Zuschauer (bei gut 16 Millionen Einwohnern!) die Silvesterausstrahlung verfolgten.[40] Im Jahr 2000 lief die erste Staffel in Deutschland und verbreitete sich dann schnell über den ganzen Globus. Um hohe Einschaltquoten zu garantieren, verschärfte die Produktionsfirma bei jeder weiteren Staffel die Verhaltensregeln, so dass es inzwischen zum Beispiel unterschiedliche „Sozialschichten“ innerhalb der Teilnehmer gibt und damit verbundene Regeln, wer sich an welchen Orten im Container aufhalten darf. Schon im 15-seitigen Bewerbungsbogen zur siebten Staffel[41] werden sehr private und intime Einzelheiten erfragt, die durch die Produktionsfirma leicht ausgenutzt werden könnten, was das ganze Konzept in Verruf geraten lässt.
Ein anderes dem Reality-TV zuzusprechendes Format ist die ‚Doku-Soap’, ein Hybrid aus Dokumentation und ‚Soap Opera’. Soap Operas kamen in den 1930er Jahren in den USA auf und bezeichnen serielle Radio- und Fernsehsendungen, die auf dramatische und fiktionalisierte Art und Weise das Leben „einfacher“ Bürger vorstellen.[42] Die erste Radioserie dieser Art, The Goldbergs (NBC/CBS, im Radio 1929-1950, im TV 1949-1955), wurde von einem Seifen- und Waschmittelhersteller gesponsert, was den Begriff soap opera/Seifenoper prägte. Heute sind Soap Operas vor allem als ‚Daily Soaps’ bekannt, Serien, deren Handlungsspektrum und Personenkreis überschaubar bleibt, die aber dennoch episodisch – teilweise täglich – ausgestrahlt werden. Vermischt man diese dramaturgische Form mit der Dokumentation, entsteht die Doku-Soap. Hierbei werden Menschen bei alltäglichen Herausforderungen beobachtet: in der Fahrschule, während einer Schwangerschaft, auf ihrer Arbeitsstelle etc. Um Kategorien oder Stereotypen zu umgehen, betiteln manche Sender ihre Programme als „Doku-Serie“ (SWR), „dokumentarische Filmerzählung“ (ZDF) oder Ähnliches. Dennoch orientiert sich die Dramaturgie dieses als dokumentarisch angesetzten Formats stark an fiktionalen Fernsehserien, d.h.
„Sie konzentrieren sich nicht, wie oft der klassische Dokumentarfilm, auf eine Person, sondern auf mehrere Personen. Deren Geschichten werden häufig parallel montiert und erzählt – bis hin zu patchworkartigen Erzählweisen. Die einzelnen Handlungsstränge werden in dramaturgische Spannungsbögen gesetzt. Cliffhanger werden platziert, um auf die nächste Folge hinzulenken. Die Geschichten folgen häufig einer Ereignisdramaturgie, einer Abfolge von Höhepunkten.“[43]
Der eigentliche Stoff ist dabei nebensächlich. Im Vordergrund stehen die Erzählstruktur, Emotionen und die Identifikation mit den Figuren.
Der Ursprung von Doku-Soaps liegt in Großbritannien, wo die BBC Anfang der 1990er Jahre die ersten Serien ausstrahlte, u.a. Children’s Hospital, Vet’s School oder The House über das Royal Opera House. Den größten Erfolg feierte jedoch Driving School mit 12,45 Millionen Zuschauern, d.h. 53 Prozent Marktanteil. 1998 liefen bereits 75 verschiedene Reihen im britischen Fernsehen, teilweise mit über zehn Millionen Zuschauern.[44] Dieses Überangebot hatte jedoch zur Folge, dass der Erfolgszenit zumindest in Großbritannien inzwischen wieder überschritten ist. In Deutschland gilt Der wahre Kir Royal von Christian Bauer (ARD und arte, 1999) als erste Doku-Soap, obwohl es in den Jahren zuvor mit Fussbroichs – Die einzig wahre Familiengeschichte (Ute Diehl, WDR, 1991) und OP – Schicksale im Klinikum (Heiner Gatzemeier, Ingeborg Jacobs, ZDF, 1998) schon Vorläufer gab. Daraufhin folgten sowohl auf öffentlich-rechtlichen als auch privaten Sendern eine Welle von weiteren dokumentarischen Mehrteilern. Ein Sommer und eine Liebe von Dieter Bongartz (WDR, 2000), Abnehmen in Essen von Claudia Richarz (WDR, 2000) und Frankfurt Airport von Bodo Witzke und Ulli Rothaus (ZDF, 1999/2000) wurden jeweils von öffentlich-rechtlichen Sendern produziert. Die privat-kommerziellen hingegen kopierten mit Clubschiff oder Die Fahrschule (Susanne Abel, SAT 1, 1999) die britischen Reihen und lösten damit eine heftige Diskussion um die Qualität von Doku-Soaps aus.
Reality-TV ist also eine weit definierte Fernsehmachart, die mit ihren unterschiedlichen Formen in den letzten Jahren zu großer Beliebtheit gelangte. Stephanie Lücke unterscheidet dabei die Reality Soap von der Doku-Soap. Dabei sind Reality Soaps Serien, in denen Menschen „in ein künstlich arrangiertes soziales Setting, d.h. […] aus ihrer natürlichen Umgebung in eine eigens für die Reality Soap entstandene Umgebung versetzt“[45] werden. In Doku-Soaps hingegen werden „die zu beobachtenden Menschen in ihrer gewohnten privaten oder beruflichen Umgebung begleitet“[46]. Die beiden Arten fasst Lücke unter dem Begriff ‚Real Life Soap’ zusammen.
Das letzte Beispiel, das hier vorgestellt werden soll, ist wiederum ein Hybrid aus den bisher genannten. Das Format Living History kam, wie die Doku-Soap, innerhalb der letzten Jahre aus Großbritannien nach Deutschland. In der Literatur werden auch hier unterschiedliche Begriffe synonym verwendet, zum Beispiel Life History oder Extreme History. Bei diesem Format wird eine Gruppe von Personen für einen gewissen Zeitraum in eine andere Epoche „versetzt“, indem ein bestimmter Raum (ein Haus, eine Burg, ein Schiff) so umgebaut wird, dass er dieser gewissen Epoche entspricht. Der Reiz dabei liegt darin, einen Zugang zum Innenleben der Protagonisten zu erhalten und so nicht nur wissenschaftliche Fakten, sondern auch Gefühle vermittelt zu bekommen. Channel 4 strahlte 1999 mit 1900s House die erste Living History-Serie aus. Drei Monate lebte eine Familie in einem viktorianisch umgebauten Haus. Diese Herausforderung führte die Familie an ihre Grenzen, so dass sie die Regeln brachen und modernes Shampoo kauften bzw. Freunde über Telefon anriefen.[47] 1900s House war ein solch großer Erfolg, dass ähnliche Reihen folgten: u.a. The Edwardian Country House oder 1940s House, bei der eine Londoner Familie unter den Umständen des Zweiten Weltkriegs lebte. Das Format wurde schnell in die USA exportiert und mit Frontier House, Manor House, Colonial House oder Texas Ranch House innerhalb weniger Jahre mehrfach produziert.
Die Fernsehsender präsentieren diese Machart als geschichtsträchtig und wissenschaftlich fundiert. Die von ihnen ermöglichte „Zeitreise“ sei „Geschichtsunterricht, wie ihn nur das Fernsehen liefern kann“[48]. Dramaturgisch setzt sich Living History aus Elementen sämtlicher Genres zusammen: aus der Spielshow (eine Gruppe muss sich bewähren), aus Reality-TV (eine soziale Gruppe wird unter Extrembedingungen beobachtet), aus der Doku-Soap (in Bezug auf Aufbau und Dramaturgie) und aus dem Doku-Drama bzw. der Dokumentation (Einschübe mit geschichtlichen Hintergründen). In mehreren Folgen werden die Geschehnisse der Protagonisten auf Soap-typische Art erzählt, d.h. es stehen einzelne Personen im Vordergrund, deren Geschichten parallel montiert werden, es gibt viele Höhepunkte und Cliffhanger, die zur nächsten Folge überleiten. Inhaltlich wird bei Living History immer wieder auf den geschichtlichen Hintergrund verwiesen und einzelne Themen näher besprochen. In der deutschen Serie Windstärke 8 – Das Auswandererschiff gab es so genannte Wissensinseln: Einschübe, die mit Originalzitaten oder Bildern aus dem 19. Jahrhundert einzelne Phänomene der Auswanderung erläuterten. Die Protagonisten werden meist so ausgewählt, dass sie keine Experten auf dem jeweiligen Themengebiet sind, womit die Projekte für sie zu einer großen, persönlichen Herausforderung werden. Dies schafft gleichzeitig größeres Spannungspotential.
Der deutsch-französische Kultursender arte hat eine führende Rolle in der Produktion von Doku-Soaps. Das liegt nicht nur an dem Wunsch, dokumentarisches Arbeiten zu fördern, sondern auch an einem interkulturellen Unterschied, den der Sender im Hinblick auf seine Zielgruppe zu bewältigen hat. Während der Fernsehabend für deutsche Zuschauer gegen 20 Uhr beginnt, gilt dies für Franzosen etwa eine Stunde später. So muss der Sender diese Zeit überbrücken, wofür sich Serien anbieten.
Der Begriff Living History wird nicht nur in den Medien verwendet. Im musealen Bereich verweist er auf die didaktische Form, Geschichte zu präsentieren, indem so genannte Interpreter in historischen Kostümen Themenkomplexe simulieren und erklären.[49] Gleichzeitig tritt der Begriff als Phänomen so genannter Reenactment-Gruppen auf, die geschichtliche Epochen und Ereignisse in ihrer Freizeit nachspielen.
2.4. Living History im deutschen Fernsehen
Im Dezember 2002 strahlte die ARD mit Schwarzwaldhaus 1902 die erste Living History-Serie im deutschen Fernsehen aus. Zehn Wochen lang musste die fünfköpfige Familie Boro den Kaltwasserhof im Münstertal unter den Bedingungen von 1902 bewirtschaften und sich auf dem umgebauten Hof ohne Strom und fließendes Wasser selbst versorgen. Von fünf Uhr morgens bis 23 Uhr abends mussten Schweine, Hühner und Vieh versorgt, das Feld bestellt, Haus- und Küchenarbeit geleistet werden. Selbst hergestellte Produkte wie Butter, Käse oder Bürsten wurden auf dem zehn Kilometer entfernten Markt in Staufen verkauft. In vier Folgen erzählt die Serie von den Problemen, die in den zehn Wochen auftraten: Vater Ismail erleidet einen Leistenbruch, die Kartoffeln werden von Kraut- und Knollenfäule befallen, die Milch darf nicht verkauft werden, da die einzige milchgebende Kuh an einer Euterentzündung erkrankt ist, während der Heuernte setzt heftiger Regen ein, ein Kalb muss zur Welt gebracht werden. Durchschnittlich sechs Millionen Zuschauer verfolgten, wie sich Ismail, Werkstoffwissenschaftler, Marianne, Erzieherin und Heilpraktikerin, und ihre drei Kinder im bäuerlichen Alltag versuchten.[50] 1902 wäre der Hof im nächsten Winter mit großen Sorgen konfrontiert gewesen, da Familie Boro in ernste wirtschaftliche Probleme geriet und die Lebensmittelvorräte für den Winter verdarben.
700 Familien hatten sich für das Experiment beworben, das die Wissenschaftsredaktion des Südwestrundfunks zusammen mit der Produktionsfirma zero südwest, einer Tochterfirma von zerofilm Berlin, entwarf. 2003 wurden Rolf Schlenker (Buch/Redaktion), Volker Heise (Buch/Regie) und Jörg Jeshel (Kamera) für Schwarzwaldhaus 1902 mit dem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnet. Die Jury begründete dies folgendermaßen:
„Die vierteilige ‚teilinszenierte’ Dokumentation ‚Schwarzwaldhaus 1902’ vermittelt Geschichte ‚von unten’, ohne den belehrenden Zeigefinger zum wichtigsten pädagogischen Mittel werden zu lassen. Der Überlebenskampf der Bauern wird plastisch, hautnah erfahrbar. Die Mitspieler waren außerordentlich gut gewählt – die Boros wachsen an der Aufgabe, ohne sie zu bestehen. Eine geschickte Verknüpfung ihrer Erlebnisse mit zusätzlichen Info-Happen zu Themen wie Auswanderung, Pflanzenfäule und Geschlechterrollen sorgt für die richtige Balance zwischen Individualität und historischem Überbau. Selten gelang die Vermittlung von Alltagskultur auf derart perfektem und zudem unterhaltsamem Niveau.“[51]
Ebenfalls von zerofilm wurde das Abenteuer 1900 – Leben im Gutshaus produziert.[52] Für diese Serie lebten 20 Frauen, Männer und Kinder für zwei Monate in einem Herrenhaus, dem Gutshaus Belitz, in Mecklenburg-Vorpommern. Dieses wurde, wie das Schwarzwaldhaus, auf den Stand der damaligen Bedingungen umgebaut, d.h. es gab kein fließendes Wasser und keinen Strom. Kleidung und Requisiten wurden ebenfalls angepasst. 2004 strahlten ARD und arte die 16 Folgen von Regisseur Volker Heise aus. Die 20 Protagonisten hatten im Gutshaus festgelegte Rollen und damit verbundene Aufgaben; so gab es den Gutsherrn, seine Frau und ihre sechs Kinder, einen Hauslehrer, eine Gouvernante, einen Sommergast und neun Hausangestellte. Die Serie hebt die Hierarchie im Haus hervor. Die Aktivitäten der Herrschaften stehen in deutlichem Gegensatz zur Arbeit der einfachen Bediensteten. Dies wird sowohl im Alltag deutlich, als auch bei besonderen Anlässen wie einem Ausflug ins Ostseebad Ahlbeck oder einem Sommerball auf dem Gut. Zwei fest installierte Kameras, die die Protagonisten selbst ein- und ausschalten konnten, gaben die Möglichkeit, eine Art Videotagebuch zu führen. Ansonsten gab es feste Drehzeiten, abends verließ das Fernsehteam das Haus.
Nachdem das Projekt 1900 abgeschlossen worden war, wurde das Gutshaus Belitz noch einmal umgebaut und auf den Stand von 1927 gebracht, so dass 2005 das Folgeprojekt Abenteuer 1927 – Sommerfrische gedreht und ausgestrahlt wurde.[53] Die äußeren Bedingungen blieben die gleichen: wieder war es Volker Heise, der für zerofilm und Das Erste 16 Folgen produzierte und wieder waren es 20 Teilnehmer. Diesmal verbrachte eine Gutsherrin den Sommer mit einigen Gästen und zwölf Angestellten auf dem Gut. Innerhalb von sechs Wochen werden Diners gegeben, Reitunterricht genommen, Charleston gelernt und der Filmpalast besucht. Diener Tinko Weibezahl bekommt Nachhilfeunterricht von einem englischen Butler, während die Gutsbesitzerin durch einen „Lebensreformer“ neue Einsichten erhält. Die größten Herausforderungen bilden jedoch die Geburt eines Fohlens, die Vorbereitung einer Hochzeit und die Einführung von Strom im Gutshaus.
Hatten die Serien im Gutshaus noch rund 2000 Teilnehmerbewerbungen, so bemühten sich für Abenteuer Mittelalter – Leben im 15. Jahrhundert (MDR für ARD und arte, 2005) innerhalb von drei Wochen 15.000 Menschen um eine Teilnahme.[54] Unter der Regie von Susanne Aernecke versuchten schließlich zwölf Personen sechs Wochen lang auf Schloss Burgk im Thüringerwald ein Leben wie im Mittelalter zu bestreiten. Auch hier hatten die Protagonisten feste Rollen einzuhalten: Burgvogt, Knappe, Küchenmeister, Mönch, Knecht oder Magd. Während der vier Folgen kommt es zu ernsten Sorgen um verdorbene Lebensmittel und Hunger. Eine große Herausforderung ist außerdem der Umgang mit den Tieren.
Die 1950er Jahre wurden gleich in zwei Serien behandelt. Das ZDF strahlte 2005 die vierteilige „Erlebnisdokumentation“Die harte Schule der 50er Jahre aus (Regie: Marcus Olschewski), während Das Erste Die Bräuteschule 1958 in 16 Folgen zum Thema machte (Das Erste, 2007, Regie: Susanne Abel).[55]
Schließlich produzierten Das Erste und arte zusammen mit Caligari im Jahr 2005 Windstärke 8 – Das Auswandererschiff. Diese Serie wird in Kapitel 3 im Detail vorgestellt. Alle im deutschen Fernsehen gesendeten Living History-Serien sind auf DVD erhältlich und haben ausführliches Zusatzmaterial wie Bücher, Homepages und sogar Unterrichtsmaterial für Schulen.[56] Auf den Homepages führen Zuschauer Diskussionsforen und informieren sich über Tagesabläufe, Preise oder Anstandssitten der dargestellten Zeit.
Auch Living History hat schon einen Nachfolger. Der MDR sendete im Jahr 2006 Abenteuer Postkutsche – Paris-Leipzig in 30 Tagen. Hierbei fuhren zwei Sachsen mit einer historischen Postkutsche die Route nach, die der Droschkenkutscher Gustav Hartmann („der Eiserne Gustav“) 1928 aus Protest gegen den Niedergang seines Gewerbes hinter sich legte. Diese Reihe ist nicht zu Living History zu zählen, da die Protagonisten durch Autos unterstützt wurden und in modernen Quartieren übernachteten.
3. Multiperspektivische Untersuchung des Formats Living History am Beispiel von Windstärke 8 – Das Auswandererschiff
3.1. Einführung
Im Jahr 2005 produzierten der WDR, arte und die Caligari Film GmbH München die Serie Windstärke 8 – Das Auswandererschiff in Kooperation mit dem Deutschen Auswandererhaus Bremerhaven, gefördert durch die Filmstiftung Nordrhein-Westfalen.[57] Im selben Jahr wurden in der ARD sechs Folgen à 45 Minuten, auf arte fünf Folgen à 30 Minuten ausgestrahlt. 19 „Auswanderer“ und 18 Seeleute wurden dabei begleitet, wie sie unter den vermeintlichen Bedingungen von 1855 auf einem Dreimastschoner von Bremerhaven nach New York segelten. Die Passagiere sollten dabei Auswanderern im Zwischendeck entsprechen. Die Serie kann als typisch für Living History bezeichnet werden. Eine soziale Gruppe muss sich bewähren (Element der Spielshow), indem sie mehrere Wochen auf engem Raum unter Bedingungen, die nicht mehr den heutigen Standards entsprechen, zusammen leben müssen. Dabei stehen einzelne Mitreisende im Vordergrund, deren Geschichten parallel montiert sind. Zwecks einer übersichtlicheren Struktur werden oft mehrere Personen als Gruppe beobachtet, so etwa Familie Schneider, die beiden Handwerker und der Landwirt (Ingo Hoß und Frank Jäcklein sowie Clemens Stadler) oder das inzwischen verheiratete Paar Kexel. Hierbei geht es einerseits um die Aufgaben und Tätigkeiten an Bord, vor allem aber um die Emotionen während der Reise, die immer wieder zu eskalieren drohen. So bricht zum Beispiel Streit unter den Passagieren aus, eine Flaute zehrt an den Nerven und droht, die Ankunft auf Weihnachten zu verschieben, oder Heimweh lässt zu Tränen verzweifeln. Dramatische Emotionen in den Vordergrund zu stellen, entspricht – wie oben erläutert – dem Reality-TV. Die Mitglieder der Mannschaft und ihre Tätigkeiten rücken im Gegensatz zu den Passagieren nur an einzelnen Stellen bzw. zu bestimmten Anlässen ins Blickfeld, zum Beispiel wenn nautische Hilfsmittel aus dem 19. Jahrhundert erklärt oder im Sturm Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden. Der Kommentartext der Serie wird von Manfred Lehmann und Matthias Brandt gesprochen. Letzterer kommentiert historische Hintergründe bzw. liest Zitate. Manfred Lehmanns Stimme ist bekannt als deutsche Synchronstimme des Actionfilm-Darstellers Bruce Willis, was dem Kommentar eine zusätzliche, wenn auch ungewollte, Dramatik verleiht.
Die einzelnen Folgen werden durch Cliffhanger miteinander verbunden, also dramatischen Momenten, bei denen der Zuschauer die Auflösung ersehnt, zum Beispiel „Der Atlantik ist erreicht. Doch die stürmische Biskaya wird auch das Seglergrab genannt. Nicht nur an Deck schlagen die Wellen hoch…“[58] Gleichzeitig ist eine Vorschau mit stürmischer See und Streit unter den Passagieren zu sehen, die durch aufbrausende Musik untermalt wird. Wenn der Zuschauer eine Folge versäumt, wird er die Serie dennoch gut weiterverfolgen können; Rückblenden auf die vorherige Episode am Anfang jeder Folge lassen ihn leicht wieder einsteigen. Ein Videotagebuch wie bei anderen Living History-Serien gab es nicht, jedoch wurden Einzelinterviews geführt, was einen ähnlichen Effekt hatte.
Neben diesen Elementen aus Spielshow, Reality-TV und Soap Opera existieren zudem Elemente aus dem Dokumentarfilm. In so genannten Wissensinseln werden dem Zuschauer Themen und Informationen aus den Jahren um 1855 näher gebracht. Historische Bilder und Zitate aus zeitgenössischen Briefen und Tagebüchern untermalen die Einschübe. Unklar bleibt dabei jedoch, woher die in schwarz-weiß gehaltenen Bilder stammen. Pro Folge gibt es ein bis drei solcher Informationsblöcke über Themen wie Bremerhaven und Auswanderung im 19. Jahrhundert, Gefahren im Ärmelkanal und bei der Atlantiküberquerung, Seekrankheit und Verpflegung an Bord. Sie sind jeweils etwa 30 Sekunden lang und bilden somit nur einen sehr kleinen Teil innerhalb der 45-minütigen Folgen. Neben diesen dokumentarischen Einschüben erklären auch die Protagonisten selbst historische Phänomene wie Damenhygiene oder Toilettengang.
Es gilt also festzuhalten, dass Windstärke 8 – Das Auswandererschiff dem Format Living History zuzurechnen ist, da die in Kapitel 2 aufgestellten Kriterien erfüllt werden und Elemente aus sämtlichen Genres wieder zu finden sind.
Hauptverantwortlich waren für die Serie Produzentin Gabriele M. Walther (Geschäftsführerin der Caligari GmbH) sowie die WDR-Redakteure Wiel Verlinden (Programmgruppe Inland) und Wolfgang Landgräber (Programmgruppe Gesellschaft/Dokumentation FS). Die Hauptdurchführung lag bei der Produktionsfirma Caligari. Sie produziert seit 1986 erfolgreich Filme und Serien in den Bereichen Animation, dokumentarische Formate und Comedy.[59] In der Sparte Dokumentation zählen die Reihen Naturgewalten (ZDF) und Abenteuer Wissen (ZDF) zu den bekanntesten. Gabriele M. Walther studierte an der Münchener Filmhochschule und arbeitete lange mit späteren Hollywood-Regisseuren, bevor sie 1986 die Caligari Film GmbH gründete. Sie ist außerdem als Gastdozentin an nationalen wie internationalen Filmhochschulen tätig.
Konzept und Idee stammen von Friedrich Steinhardt (Leiter Dokumentation). Er studierte Germanistik und Philosophie an der Universität München, arbeitete gleichzeitig jedoch als freiberuflicher Autor, Regieassistent und Produktionsleiter. Nach seinem Studium war er als Stipendiat am International Film Seminar in New York. Seit 1992 arbeitet er für Caligari, wo er 1999 den Geschäftsbereich Dokumentation übernahm.
Dominik Wessely führte für Windstärke 8 während des Drehs Regie. Er studierte Regie/Dokumentarfilm an der Filmakademie Baden-Württemberg. Seit 1996 ist er als freiberuflicher Autor und Regisseur für Dokumentarfilme, Serien und Spielfilme tätig. 2002 wurde er für seine Doku-Serie Broadway Bruchsal (SWR) mit dem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnet. Bei Windstärke 8 war er für die Vorbereitung und den kompletten Dreh verantwortlich.
Noch während der Segelreise wurden bei England und Teneriffa die ersten Videobänder von Bord geholt und nach Deutschland geschickt. So konnte Arne Sinnwell, der die Regie im Schneideraum übernahm, schon zu diesem Zeitpunkt zusammen mit der Cutterin Katja Hahn eine Konzeption entwickeln und mit dem Schnitt beginnen.[60] Arne Sinnwell ist Diplom-Ingenieur für Medientechnik und vielseitig tätig, u.a. als Regisseur, Autor, Producer, Cutter. Er hat Erfahrung in TV-Animationsserien, Dokumentationen, Reportagen, Kino- und Imagefilmen.[61]
Die historischen Hintergründe für Windstärke 8 recherchierten Dr. Simone Eick (Deutsches Auswandererhaus Bremerhaven) und Tilmann Schönecker (Caligari). Eine Requisiten-Firma stellte das Szenenbild zusammen. Während des gesamten Projektes stand das Deutsche Auswandererhaus Bremerhaven (DAH) als historische Beratung zur Seite. Das Besondere daran war, dass sich das Haus zu diesem Zeitpunkt noch im Bau befand. Zwei Wochen bevor die Segelreise begann, wurde der Grundstein für das Museum gelegt. Wie Dr. Simone Eick, heutige Leiterin des DAHs, im Interview erklärt, gab es damals nur die Bremerhavener Entwicklungsgesellschaft Alter/Neuer Hafen mbH & Co. KG (BEAN), die zuständig war für die Projektbetreuung „Deutsches Auswandererhaus in Bremerhaven“, sowie das Architektur- und Designbüro Studio Andreas Heller, den Generalplaner des Deutschen Auswandererhauses. Also recherchierte Eick zwar für die Serie, jedoch flossen jegliche Ergebnisse gleichzeitig in die Realisation des Hauses ein. So tragen heute zum Beispiel die Auswandererfiguren im Museum die Kostüme der Protagonisten von Windstärke 8. Im August 2005 wurde das „Erlebnismuseum“ schließlich eröffnet. Es „steht in Bremerhaven an einem historischen Standort. Es liegt direkt am Neuen Hafen, der 1852 eröffnet worden ist und von dem bis 1890 knapp 1,2 Millionen Menschen in die Neue Welt aufbrachen.“[62] Das Museum besticht weniger durch seine historischen Exponate als vielmehr durch unzählige Rekonstruktionen und die Vielseitigkeit, mit der die Besucher angesprochen werden. Am Eingang erhält jeder Besucher eine so genannte iCard, auf der jeweils die Lebensgeschichte eines authentischen Auswanderers gespeichert ist. Mithilfe dieser elektronischen Karte werden an Hör- und Lesestationen allgemeine Informationen zur Auswanderung und zu dem Auswanderer, dessen Lebensgeschichte man verfolgen kann, gestartet. Der Besucher gibt sich geradezu selbst auf eine Reise, wenn er dem Rundgang folgt. Zunächst muss er die rekonstruierte Wartehalle der Reederei Norddeutscher Lloyd passieren, bevor er vor der Bordwand des Schnelldampfers „Lahn“ steht, die sich auf und ab bewegt. Ebenso schwankt der Raum, der das Zwischendeck eines Segelschiffes aus dem 19. Jahrhundert präsentiert. Gleichzeitig sind Stimmengewirr, Meeresrauschen, hustende und seekranke Menschen zu hören. Insgesamt werden Atlantiküberquerungen per Schiff aus drei Epochen vorgestellt. Anschließend betritt der Besucher die nachgestellte Wartehalle von Ellis Island, dem Ort an dem zwischen 1892 und 1924 ca. 16 Millionen Menschen auf ihre Einreisegenehmigung warteten.[63]
Weitere Besonderheiten des Museums sind die ‚Galerie der 7 Millionen’, das ‚Ocean Cinema’ und das ‚Forum Migration’. Die ‚Galerie der 7 Millionen’ und das ‚Ocean Cinema’ bilden den Rahmen des Museumsbesuches. Zu Beginn erhält man Hintergrundinformationen zu den historischen, politischen und persönlichen Umständen und Gründen für eine Emigration nach Amerika. Die Berichte beziehen sich sowohl auf Auswanderung allgemein als auch auf die persönlichen Geschichten der Auswanderer, die mithilfe der iCard verfolgt werden können. Deren Nachfahren sind im Ocean Cinema am Ende des Rundgangs zu sehen, wo eine Dokumentation über ihr heutiges Leben in den USA bzw. in Deutschland präsentiert wird. Im ‚Forum Migration’ wird eine Brücke zur Gegenwart geschlagen mit Informationen über die aktuelle weltweite Auswanderungssituation. Außerdem sind hier für die Besucher mehrere Datenbanken zugänglich, die die Recherche nach Passagierlisten und ausgewanderten Vorfahren ermöglichen.
[...]
[1] Intro zu jeder Folge von Windstärke 8 – Das Auswandererschiff.
[2] Wolf, Fritz: Der Weitererzähler. Fernsehen und Geschichtserzählung. In: Jahrbuch Fernsehen. Hrsg. vom Adolf Grimme Institut, dem Gemeinschaftswerk der Evang. Publizistik und dem Kath. Institut für Medieninformation in Zusammenarbeit mit HMR International. Marl 2004. S. 28.
[3] Vgl. White, Hayden: Das Ereignis der Moderne. In: Hohenberger, Eva und Judith Keilbach (Hg.): Die Gegenwart der Vergangenheit. Dokumentarfilm, Fernsehen und Geschichte. Texte zum Dokumentarfilm 9. Berlin 2003. S. 194.
[4] So Dr. Simone Eick, Deutsches Auswandererhaus Bremerhaven. Vgl.: Fischermann, Thomas: Nix wie weg! Wo landen Deutsche, die das Land verlassen, wenn sie erfolgreich sind? Die Zeit online, 28.9.2006. Abgerufen unter <http://www.zeit.de/online/2006/39/auswanderer> (23.2.2007).
[5] Vgl. hierzu Kocka, Jürgen: Das lange 19. Jahrhundert. Arbeit, Nation und bürgerliche Gesellschaft. Handbuch der deutschen Geschichte, Bd. 13. 10., völlig neu bearb. Aufl. 1. Nachdruck der 10. Aufl. Stuttgart 2004. S. 70f.
[6] Vgl. Benscheidt, Anja und Alfred Kube: Brücke nach Übersee. Auswanderung über Bremerhaven 1830-1974. Geschichte in Bildern, Bd. 4. 1. Aufl., Bremerhaven 2006. S. 16.
[7] Mein herzlicher Dank gilt vor allem Friedrich Steinhardt.
[8] Kühn, Alexander und Klaus Andrews: Volle Fahrt zurück. s tern, Nr. 19, 4.5.2005. S. 56 bzw. 54.
[9] Meinen herzlichen Dank an Dr. Michaela Fenske für die freundliche Unterstützung.
[10] Vgl. Studienbeschreibungen für Visuelle Anthropologie. Abgerufen unter <http://www.uni-muenster.de/Volkskunde/film.htm> und <http://www.kaee.uni-goettingen.de/projekte/ballhaus/visuelle anthro_inh.htm> (jeweils 15.11.2006).
[11] Vgl. Wolf, Fritz: Alles Doku – oder was? Über die Ausdifferenzierung des Dokumentarischen im Fernsehen. Zusammenfassung und zentrale Ergebnisse der Expertise. Abgerufen unter <http://www.lfm-nrw.de/downloads/allesdoku-zusam.txt> (3.10.2006).
[12] Vgl. Hickethier, Knut: Film- und Fernsehanalyse. 3., überarb. Aufl. Sammlung Metzler, Bd. 277. Stuttgart, Weimar 2001. S. 213.
[13] Ebd., S. 214.
[14] Wolf (2004), S. 42.
[15] Zur Geschichte des ‚Formats’ vgl. Hickethier, Knut: Geschichte des deutschen Fernsehens. Stuttgart, Weimar 1998. S. 526f.
[16] Ebd., S. 526.
[17] Aus einem Interview Fritz Wolfs mit Heiner Gatzemeier. Wolf, Fritz: Alles Doku – oder was? Über die Ausdifferenzierung des Dokumentarischen im Fernsehen. Expertise des Adolf Grimme Instituts im Auftrag der Landesanstalt für Medien NRW, der Dokumentarfilminitiative im Filmbüro NRW, des Südwestrundfunks und des ZDF. LfM-Dokumentation, Bd. 25. Düsseldorf 2003. S. 127.
[18] Zu den Anfängen des Dokumentarfilms vgl. Arriens, Klaus: Wahrheit und Wirklichkeit im Film. Philosophie des Dokumentarfilms. Pommersfeldener Beiträge, Bd. 10. Würzburg 1999. S. 10-17. Außerdem Interview mit Regisseur Dominik Wessely.
[19] Vgl. Arriens (1999), S. 12.
[20] Vgl. Barsam, Richard M.: Nonfiction film. A Critical History. Revised and expanded. Bloomington [u.a.] 1992. S.3.
[21] Arriens (1999), S. 13.
[22] Ebd., S. 14.
[23] Vgl. im folgenden Abschnitt die Genredefinitionen bei Hickethier (2001), S. 203-207 und Wolf (2003), S. 30f. und 88-99.
[24] Hickethier (2001), S. 201.
[25] Vgl. Arriens (1999), S. 11 und Hickethier (2001), S. 201f.
[26] zu Hüningen, James und Hans J. Wulff: Feature. In: Wulff, Hans J. und Theo Bender: Lexikon der Filmbegriffe (Online). Abgerufen unter <http://www.bender-verlag.de/lexikon/index.php>. (Stand: Lfg. 70-04, 19.11.2006).
[27] Wolf (2003), S. 88.
[28] Wulff, Hans J. und Ursula von Keitz: Dokumentarfilm. In: Wulff, Hans J. und Theo Bender: Lexikon der Filmbegriffe (Online). Abgerufen unter <http://www.bender-verlag.de/lexikon/index.php>. Stand: (Lfg. 70-04, 19.11.2006).
[29] Kiener, Wilma: Die Kunst des Erzählens. Narrativität in dokumentarischen und ethnographischen Filmen. Close Up, Bd. 12. Konstanz 1999. S. 17.
[30] Arriens (1999), S. 7.
[31] Beide Begriffe bei Hickethier (2001), S. 202 und Wolf (2003), S. 30.
[32] Vgl. Wirtz, Rainer und Thomas Fischer: Popularisierung der Geschichte im Fernsehen? Folgen für die Geschichtswissenschaft? Abstract des Referates vom 46. Deutschen Historikertag. Abgerufen unter <http://www.uni-konstanz.de/historikertag/programm.php?menu=programm&sektion=ng&veranstaltun g=ng26&id=179&abstract=1> (3.10.2006).
[33] Zitiert nach Wolf (2003), S. 111.
[34] Zum Ursprung des Reality-TVs vgl. Winterhoff-Spurk, Peter, Veronika Heidinger, Frank Schwab: Reality TV. Formate und Inhalte eines neuen Programmgenres. Schriften der Landesanstalt für das Rundfunkwesen Saarland, Bd. 3. Saarbrücken 1994.
[35] Vgl. Stichwort: tablet/tabloid. In: Chantrell, Glynnis (Ed.): The Oxford Dictionary of Word Histories. Oxford [u.a.] 2002.
[36] Vgl. Lücke, Stephanie: Real Life Soaps. Ein neues Genre des Reality TV. Münster 2002. S. 21.
[37] Wolf, Fritz: Die Docu-Soap. Renaissance oder Ende des Dokumentarfilms im Fernsehen? In: Ballhaus, Edmund (Hg.): Kulturwissenschaft, Film und Öffentlichkeit. Münster u.a. 2001. S. 294.
[38] Vgl.: Hill, Annette: Reality TV. Audiences and popular factual television. London, New York 2005. S. 2.
[39] Ebd.
[40] Vgl. Ebd., S. 4.
[41] Abzurufen unter <http://www.bigbrother.de/BB7_start/BB7_Castingbogen.pdf > (22.11.2006).
[42] Vgl. Kaczmarek, Ludger: Soap/soap opera. In: Wulff, Hans J. und Theo Bender: Lexikon der Filmbegriffe (Online). Abgerufen unter <http://www.bender-verlag.de/lexikon/index.php>. (Stand: Lfg. 70-04, 22.11.2006).
[43] Vgl. Wolf (2003), S. 95.
[44] Zu den britischen Ursprüngen vgl. Lücke (2002), S. 64f. und Wolf (2001), S. 290. Außerdem zu Hüningen, James: Docu-Soap. In: Wulff, Hans J. und Theo Bender: Lexikon der Filmbegriffe (Online). Abgerufen unter <http://www.bender-verlag.de/lexikon/index.php>. (Stand: Lfg. 70-04, 22.11.2006).
[45] Lücke (2002), S. 63.
[46] Ebd.
[47] Vgl. <http://www.pbs.org/wnet/1900house> (24.11.2006).
[48] Wiel Verlinden, WDR, im Gespräch auf <http://www.wdr.de/tv/w8/10_aktuell/news/detail.phtml? file=200603041200> (23.2.2007).
[49] Vgl. Pachali, Sabine: „A sense of Another World“: Living-History-Interpretation im amerikanischen Freilichtmuseum. In: Dittmar, Jürgen, Stephan Kaltwasser, Klaus Schriewer (Hgg.): Betrachtungen an der Grenze. Gedenkband für Peter Assion. Arbeitskreis Volkskunde und Kulturwissenschaften, Schriften, Bd. 7. Marburg 1997. S. 309-333.
[50] Vgl. <http://www.swr.de/schwarzwaldhaus1902/index.html> (19.11.2006).
[51] Jahrbuch Fernsehen. Hrsg. vom Adolf Grimme Institut, dem Gemeinschaftswerk der Evang. Publizistik und dem Kath. Institut für Medieninformation in Zusammenarbeit mit HMR International. Marl 2003. S. 210.
[52] Vgl. dazu <http://www.daserste.de/abenteuer1900> (24.11.2006).
[53] Vgl. dazu <http://www.daserste.de/abenteuer1927> (24.11.2006).
[54] Vgl. dazu <http://www.mdr.de/abenteuer-mittelalter> (24.11.2006).
[55] Vgl. <http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/7/0,1872,2289575,00.html> bzw. <http://www.daserste.de/
braeuteschule> (beide 7.2.2007).
[56] Arbeitsblatt zum Thema Mittelalter unter <http://www.cornelsen.de/teachweb/1.c.385275.de?parent ID=1.c.162545.de> (25.11.2006).
[57] Vgl. Vademecum der Caligari Film GmbH.
[58] Folge 2, Minute 43’10-43’20. Hierbei orientiere ich mich an der im Handel erhältlichen DVD mit sechs Folgen und Zusatzmaterial.
[59] Zur Caligari Film GmbH vgl. <http://www.caligari-film.de> (3.12.2006).
[60] Vgl. Sinnwell, Arne: Arne Sinnwell – Regisseur im Schneideraum – über sein persönliches Abenteuer am Schnittplatz. In: Steinhardt, Friedrich (Hg.): Windstärke 8 – Das Auswandererschiff. 1. Aufl. Köln 2005. S. 141.
[61] Vgl. <http://www.sinnwell-media.de> (3.12.2006).
[62] <http://www.dah-bremerhaven.de/german/hauptseite.html> → Geschichte → Deutsches Auswandererhaus (3.12.2006).
[63] Vgl. Eick, Simone: Die deutsche Amerikaauswanderung von ihren Anfängen bis in die Gegenwart. In: Steinhardt, Friedrich (Hg.): Windstärke 8 – Das Auswandererschiff. 1. Aufl. Köln 2005. S. 26.
- Citar trabajo
- Magistra Artium Judith Schwellenbach (Autor), 2007, Geschichte light zum Mitmachen? – Das TV-Format Living History am Beispiel der Serie "Windstärke 8 – Das Auswandererschiff", Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/83780
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