In ihrem Standardwerk geben FRIEDRICH und QUAST einen differenzierten Überblick über die verschiedensten Ausformungen der unterschiedlichen Mythos-Konzepte in der Literatur; von den Ursprungserzählungen (Schöpfungsmythen), zu den antiken Mythen und ihrer (Um-) Gestaltung in der mittelalterlichen Literatur.
Das Mythische manifestiert sich z.B. anhand von mythischen Räumen, sog. Anderwelten, die geographisch nicht zu lokalisieren sind. Als Beispiel sei hier die Minnegrotte in Gottfrieds Tristan und Isolde genannt.
Ein umfassender Überblick würde über den zur Verfügung stehenden Rahmen vorliegender Arbeit hinausgehen, deshalb an dieser Stelle nur der Verweis auf o. g. Ausführungen.
Im speziellen Fall des „Armen Heinrich“ (AH) Hartmanns von Aue ist ein Nachweis mythischer Elemente nur sehr schwer zu erbringen.
Ob dem Text ein mythisches Erzählschema zugrunde liegt und ob dieses – wie es WARNING zeigt – mit einem christlichen zusammengeführt wurde, soll in vorliegender Arbeit analysiert werden.
Dass sich z.B. das Opfermotiv in verschiedenen Ausformungen in anderen literarischen Quellen findet und deshalb als mythologisches Moment der Erzählung zu bezeichnen ist, soll anhand der Analyse des Erzählmodells des AH in Kap.2 gezeigt werden.
Ebenso zeigen sich in der Beziehung der beiden Hauptcharaktere christliche bzw. religiöse Tendenzen, die von WARNING dem „Märchenschema“, der mythischen Ebene der Erzählung zugesprochen werden.
Relevante Forschungspositionen sollen nicht nur referiert, sondern kritisch hinterfragt und – soweit möglich – anhand konkreter Textstellen bestätigt bzw. widerlegt werden.
Inhalt
1. Vorbemerkungen
2. Das Erzählmodell
3. Die beiden Hauptcharaktere
4. Theologische Implikationen
5. Mythische und christliche Erzählschemata
6. Schlussbetrachtung
7. Quellenverzeichnis
1. Vorbemerkungen
In ihrem Standardwerk geben FRIEDRICH und QUAST einen differenzierten Überblick über die verschiedensten Ausformungen der unterschiedlichen Mythos-Konzepte in der Literatur;[1] von den Ursprungserzählungen (Schöpfungsmythen), zu den antiken Mythen und ihrer (Um-) Gestaltung in der mittelalterlichen Literatur.
Das Mythische manifestiert sich z.B. anhand von mythischen Räumen, sog. Anderwelten, die geographisch nicht zu lokalisieren sind. Als Beispiel sei hier die Minnegrotte in Gottfrieds Tristan und Isolde genannt.
Ein umfassender Überblick würde über den zur Verfügung stehenden Rahmen vorliegender Arbeit hinausgehen, deshalb an dieser Stelle nur der Verweis auf o. g. Ausführungen.
Im speziellen Fall des „Armen Heinrich“ (AH) Hartmanns von Aue ist ein Nachweis mythischer Elemente nur sehr schwer zu erbringen.
Ob dem Text ein mythisches Erzählschema zugrunde liegt und ob dieses – wie es WARNING zeigt – mit einem christlichen zusammengeführt wurde, soll in vorliegender Arbeit analysiert werden.
Dass sich z.B. das Opfermotiv in verschiedenen Ausformungen in anderen literarischen Quellen findet und deshalb als mythologisches Moment der Erzählung zu bezeichnen ist, soll anhand der Analyse des Erzählmodells des AH in Kap.2 gezeigt werden.
Ebenso zeigen sich in der Beziehung der beiden Hauptcharaktere christliche bzw. religiöse Tendenzen, die von WARNING[2] dem „Märchenschema“, der mythischen Ebene der Erzählung zugesprochen werden.
Relevante Forschungspositionen sollen nicht nur referiert, sondern kritisch hinterfragt und – soweit möglich – anhand konkreter Textstellen bestätigt bzw. widerlegt werden.
2. Das Erzählmodell
Schon vor Hartmanns AH hat die Thematik der Heilung vom Aussatz durch jungfräuliches Blut Einzug in die Literatur gehalten. In erster Linie zu nennen sind in diesem Zusammenhang die Silvesterlegende, die Amicus- und Ameliusgeschichte, sowie die Queste del Saint Graal aus der Lancelot-Gral-Trilogie.
Nach RUH liegt im AH eine Vermischung der Erzählmodelle dieser genannten literarischen Ausgestaltungen der Aussatzlegende vor. Interpretationsschwierigkeiten des AH treten genau „in diesen Nähten“[3] zwischen der Heilsgeschichte Heinrichs und der in ihr eingeschlossenen Erzählung des opferwilligen Mädchens auf, sind aber lösbar, indem man sich eben diese Vermischung vergegenwärtigt.
Die Silvesterlegende zeigt einen vom Aussatz befallenen Kaiser Konstantin. Der Aussatz erscheint als von Gott gegeben. Ebenso verhält es sich im AH: dô man die swaeren gotes zuht ersach an sînem lîbe (120f).
RUH beschreibt dieses Charakteristikum als „konstitutiv für alle christlichen Aussatzlegenden“[4]. Wenn der Aussatz also von Gott auf den Menschen kommt (ob als Strafe oder Prüfung soll hier außen vor bleiben; nähere Erläuterungen dazu siehe Kap. 4), liegt eine christliche Erzählung vor.
Sowohl in Silvesterlegende als auch im AH wird das Blutopfer eines unschuldigen Kindes als einziges Heilmittel gesehen. Der Unterschied liegt in der (Un-)Freiwilligkeit des Opfers. Während in der Silvesterlegende das Opfer unfreiwillig ist und der Kranke letztlich nur auf Grund der Klagen der betroffenen Mütter auf das Opfer verzichtet, handelt die maget im AH selbstbestimmt: ich bin ein wîp und hân die kraft (1128).
In der Amicus- und Ameliusgeschichte ist Amicus der von Aussatz Befallene. Auch hier wird die Krankheit von Gott verhängt. Die Heilung „soll nach himmlischer Botschaft [...] das Blut der beiden Knaben des Freundes Amelius bringen“[5].
Im Gegensatz dazu wird Heinrich nicht durch eine himmlische Botschaft, sondern auf ganz irdischem Wege, nämlich durch die Mitteilung eines Arztes in Salerno über die mögliche Heilung in Kenntnis gesetzt: so enhoert ouch anders niht dar zuo niuwan der maget herzebluot (230f.).
In der Queste -Episode ist eine Schlossherrin vom Aussatz befallen, der auch hier von Gott kommt. Die Opferbereite ist Percevals Schwester. Bemerkenswert ist, dass hier keine persönliche Bindung zwischen der Opferwilligen und dem Empfänger des Opfers besteht. Die „reine Caritas“[6] bewegt sie zu ihrem Opferentschluss.
Die ständig präsenten Analogien zur christlichen Heils- und Erlösungsgeschichte machen die Queste -Episode auch für die AH-Forschung methodisch wertvoll, denn es wird evident, dass „der Tod des Opferwilligen zu den Möglichkeiten christlich-mittelalterlicher Erzählthematik gehörte“ (ebd.).
Zur Veranschaulichung folgendes Schema: (verändert nach RUH)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Im AH sind also zwei verschiedene Erzählmodelle zu einem zusammengefügt worden. Nicht nur eine Person ist das Subjekt der Handlung (wie in der Silvesterlegende), sondern Heinrich und das Mädchen haben gleichen Anteil an dem Geschehen. Das Mädchen bleibt dabei jedoch keineswegs passiv. Es sind ihre Entscheidungen, die die Motivation für Heinrichs Handeln liefern. Ihr entschlossenes Auftreten v .a. in der Rede an ihre Eltern (663-854) zeugt von einem hohen Maß an Umsicht und Durchsetzungsvermögen. Mir mac daz nieman erwern zewâre, ich enwelle ernern mînen herren unde mich (841-43).
Der AH erzählt somit sowohl die Heilsgeschichte eines Kranken als auch die eines opferwilligen Mädchens und fügt so die Modelle I und II zu einem neuen zusammen.
Zu präzisieren ist die von RUH gewählte Bezeichnung „Heilsgeschichte“. Der von Hartmann beschriebene Heilungsprozess ist primär ein Erkenntnisprozess, der mit einer Willensänderung Heinrichs, also einem Wandel des inneren Menschen einhergeht.
Allerdings führt genau diese Integration zweier Modelle zu Interpretationsschwierigkeiten, die „präzis in diesen Nähten des Modells“[7] lokalisiert sind.
Als größte Schwierigkeit sieht RUH in diesem Zusammenhang, die für das jeweilige Modell konstituierenden Momente der Opferannahme (Modell II) bzw. des Opferverzichtes (Modell I) zu vereinen. Dieses ist nur möglich unter Berücksichtigung des Faktors Zeit, d.h. erst Annahme, dann Verzicht. Wenn Heinrich also seine Entscheidung, das Opfer der maget anzunehmen, korrigiert, bedarf es dazu einer bestimmten Veranlassung. Heinrich sieht in Salerno durch einen Spalt die maget auf dem Operationstisch des Arztes liegen:
Und ersach sî durch die schrunden
nacket und gebunden.
Ir lîp der was vil minnelich.
Nû sach er sî an unde sich
und gewan einen niuwen mut:
in dûhte dô daz niht guot,
des er ê gedâht hâte
und verkêrte vil drâte
sîn altez gemüete
in eine niuwe güete (1231-40).
Die Konfrontation mit der Schönheit und Reinheit des Mädchens führt also zu Heinrichs Sinneswandel, zu seinem niuwen muot.
Erst die Vereinigung der beiden statischen Modelle schafft genügend erzählerische Spannung, um sowohl Heinrich als auch dem Mädchen ausreichend Raum für eine eigene Geschichte innerhalb des AH zu geben.
Sekundär ist die Frage, ob Hartmann die o.g. Modelle gekannt und sie bewusst für seinen AH herangezogen hat. Von Bedeutung ist allein die Existenz dieser Erzählmodelle, die sich im AH nachweisen lassen.
[...]
[1] Friedrich,Quast: Präsenz, S. IX-XXXVII.
[2] Warning: Hybriden, S.20.
[3] Ruh: Erzählmodell, S. 322.
[4] Ruh: Erzählmodell, S. 317.
[5] Ruh: Erzählmodell, S. 318.
[6] Ruh: Erzählmodell, S. 319.
[7] Ruh: Erzählmodell, S.322.
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