Diese Arbeit bezieht sich besonders auf die Hypothese, dass den dadaistischen Aktionskünstlern eine prinzipiell destruktive Haltung zugrunde liegt. Das Hauptinteresse liegt also bei den künstlerischen und zugleich destruktiven Ausdrucksformen vor allem der performativen dadaistischen Aktionskunst.
Nach einem generellen Einblick in den Entstehungskontext sowie in die Intention und Motivation des Dadaismus bzw. seiner Anhänger wird speziell auf die theatralen Aktivitäten und die Beziehung zum Theater eingegangen. Auf Grund der vielen Vertreter des Dadaismus und ihrer vielfältigen Ausdrucksformen muss hier im Rahmen dieser Arbeit eine Einschränkung vorgenommen werden: Im Blickfeld steht die Gründungszeit des Dadaismus, die Zeit des „Cabaret Voltaire“ in Zürich. Denn ohne diese Präsentations- und Aktionsmöglichkeit gleich zu Beginn der dadaistischen Bewegung hätte diese in einer Zeit des Krieges und der Verfolgung wohl kaum eine Chance gehabt, sich zu entwickeln und vor allem die Öffentlichkeit zu erreichen. Weiters werden die dadaistische Theatertheorie sowie die theatralen Ausdrucksformen auf theoretischer Ebene beschrieben; mit Hilfe von poetischen Beispielen wird versucht, einen genaueren Einblick in die damaligen Vorträge und Performances zu geben. Die Texte der relevanten Werke finden sich großteils als Originalzitate im Anhang der Arbeit. Abschließend wird noch einmal grundsätzlich auf die Destruktion und ihre Intentionen eingegangen. Es lässt sich dabei eine grundlegende Unterscheidung zwischen sprachlicher und aktionistischer Destruktion feststellen, deren Formen und deren Wirkung in der Öffentlichkeit ebenfalls beschrieben und veranschaulicht werden.
Ziel dieser Arbeit ist es, die hinter den Aktionen der Dadaisten stehende Einstellung und vor allem die Intention ihrer provokanten Aktivitäten zu erarbeiten. Durch die Anführung eines konkreten Beispiels einer, genauer: der ersten, dadaistischen Performance, wie sie in der Zeit des Ersten Weltkrieges öfters im „Cabaret Voltaire“ oder in der „Galerie Dada“ in Zürich stattfanden, sowie an Hand einiger Quellenverweise auf Originaltexte von Gedichten und Vorträgen soll die Theorie untermauert und bereichert werden.
INHALTSVERZEICHNIS
1. Einleitung
2. Dadaismus allgemein
2.1 Entstehungskontext, Intention und Motivation
2.2 Chronologie der Ereignisse: Dada Zürich
2.3 Das Kunstwerk im Dadaismus
3. Dadaismus und Theater
3.1 Kleine Theatergeschichte des Dadaismus
3.2 Das „Cabaret Voltaire“ und seine Nachwirkungen
3.3 Dadaistische Theatertheorie
3.4 Theatrale Ausdrucksformen
3.5 Die erste dadaistische Theateraufführung: „Sphinx und Strohmann“ von Oskar Kokoschka (1907)
4. Destruktion im Dadaismus
4.1 Sprachliche Destruktion
4.2 Aktionistische Destruktion
5. Schlussbemerkungen
6. Anhang
7. Literatur
1. Einleitung
„Dada ist eine neue Kunstrichtung. Das kann man daran erkennen, dass bisher niemand etwas davon wusste und morgen ganz Zuerich davon reden wird. Dada stammt aus dem Lexikon. Es ist furchtbar einfach. […]
Ein internationales Wort. Nur ein Wort und das Wort als Bewegung. Es ist einfach furchtbar. Wenn man eine Kunstrichtung daraus macht, muss das bedeuten, man will Komplikationen wegnehmen. Dada Psychologie, Dada Literatur, Dada Bourgeoisie und ihr, verehrteste Dichter, die ihr immer mit Worten, nie aber das Wort selber gedichtet habt. Dada Weltkrieg und kein Ende, Dada Revolution und kein Anfang.
[…]
Das heisst (sic!) auf Deutsch: die Gastfreundschaft der Schweiz ist ueber alles zu schaetzen und im Aesthetischen kommt’s auf die Norm an.
Ich lese Verse, die nichts weniger vorhaben als: auf die Sprache zu verzichten. […] Auf die Verbindung kommt es an und dass sie vorher ein bisschen unterbrochen wird. Ich will keine Worte, die andere erfunden haben. Alle Worte haben andere erfunden. Ich will meinen eigenen Unfug, und Vokale und Konsonanten dazu, die ihm entsprechen. […]
Da kann man nun so recht sehen, wie die artikulierte Sprache entsteht. Ich lasse die Laute ganz einfach fallen. […] Ein Vers ist die Gelegenheit, möglichst ohne Worte und ohne die Sprache auszukommen. Diese vermaledeite Sprache, an der Schmutz klebt wie von Maklerhaenden, die die Muenzen abgegriffen haben. […]
Das Wort, das Wort, das Weh gerade an diesem Ort, das Wort, meine Herren, ist eine oeffentliche Angelegenheit ersten Ranges.“
Hugo Ball: „Eroeffnungs-Manifest“ im Rahmen des ersten Dada-Abends am 14. Juli 1914 in Zürich[1]
Ein deutsch-französisches Wörterbuch, ein wahllos zwischen die Seiten gestochenes Federmesser, eine dadurch zufällig aufgeschlagene Seite, ein Wort: dada[2]. Bereits die überlieferte Geschichte über die Namensgebung sagt einiges über den Charakter der so benannten künstlerischen Bewegung Anfang des 20. Jahrhunderts aus. Spontaneität, Unberechenbarkeit und Zynismus sind nur einige Eigenschaften, die in Zusammenhang mit der Dada-Revolte genannt werden können.
Der dem Dadaismus zugrunde liegende aktionistische Charakter impliziert Theatralität und Performance; der öffentliche Auftritt des Künstlers und das Kunstprodukt an sich lassen sich nicht trennen. Aus diesem Grund liegt das Hauptaugenmerk dieser Arbeit auf der Inszenierungsweise der Dadaisten auf die theatralen Ausdrucksformen ihrer Kunst – immer in Bezug auf destruktive Elemente, vor allem geistiger, immaterieller Art.
Diese Arbeit bezieht sich besonders auf die Hypothese, dass den dadaistischen Aktionskünstlern eine prinzipiell destruktive Haltung zugrunde liegt. Das Hauptinteresse liegt also bei den künstlerischen und zugleich destruktiven Ausdrucksformen vor allem der performativen dadaistischen Aktionskunst.
Nach einem generellen Einblick in den Entstehungskontext sowie in die Intention und Motivation des Dadaismus bzw. seiner Anhänger wird speziell auf die theatralen Aktivitäten und die Beziehung zum Theater eingegangen. Auf Grund der vielen Vertreter des Dadaismus und ihrer vielfältigen Ausdrucksformen muss hier im Rahmen dieser Arbeit eine Einschränkung vorgenommen werden: Im Blickfeld steht die Gründungszeit des Dadaismus, die Zeit des „Cabaret Voltaire“ in Zürich. Denn ohne diese Präsentations- und Aktionsmöglichkeit gleich zu Beginn der dadaistischen Bewegung hätte diese in einer Zeit des Krieges und der Verfolgung wohl kaum eine Chance gehabt, sich zu entwickeln und vor allem die Öffentlichkeit zu erreichen. Weiters werden die dadaistische Theatertheorie sowie die theatralen Ausdrucksformen auf theoretischer Ebene beschrieben; mit Hilfe von poetischen Beispielen wird versucht, einen genaueren Einblick in die damaligen Vorträge und Performances zu geben. Die Texte der relevanten Werke finden sich großteils als Originalzitate im Anhang der Arbeit. Abschließend wird noch einmal grundsätzlich auf die Destruktion und ihre Intentionen eingegangen. Es lässt sich dabei eine grundlegende Unterscheidung zwischen sprachlicher und aktionistischer Destruktion feststellen, deren Formen und deren Wirkung in der Öffentlichkeit ebenfalls beschrieben und veranschaulicht werden.
Ziel dieser Arbeit ist es, die hinter den Aktionen der Dadaisten stehende Einstellung und vor allem die Intention ihrer provokanten Aktivitäten zu erarbeiten. Durch die Anführung eines konkreten Beispiels einer, genauer: der ersten, dadaistischen Performance, wie sie in der Zeit des Ersten Weltkrieges öfters im „Cabaret Voltaire“ oder in der „Galerie Dada“ in Zürich stattfanden, sowie an Hand einiger Quellenverweise auf Originaltexte von Gedichten und Vorträgen soll die Theorie untermauert und bereichert werden.
2. Dadaismus allgemein
„Dada ist die Sonne, Dada ist das Ei. Dada ist die Polizei der Polizei“[3]
„DADA bedeutet nichts. Wir wollen die Welt mit nichts ändern…“[4]
Richard Huelsenbeck
2.1 Entstehungskontext, Intention und Motivation
Durch die Entwicklungen des Ersten Weltkrieges landeten zahlreiche Emigranten in der neutralen Schweiz, genauer: in Zürich. Darunter befanden sich auch mehrere Künstler, die sich zuvor in den avantgardistischen Kreisen Deutschlands und Frankreichs bewegt hatten. In diesem Zürich der Emigranten, Künstler und Pazifisten herrschte ein geistiges und künstlerisch-avantgardistisches Klima, das eine aktionistische Bewegung entstehen ließ, mit der eine grundsätzliche Revolte aller bisher gültigen Konzepte in Kunst und Literatur ins Rollen brachte: den Dadaismus.
Der Skandal als Wirkungsabsicht, das persönliche Auftreten der Dadaisten als Zielscheibe, sprich: der performative Charakter und die Grenzverschiebung bzw. Grenzverwischung zwischen Leben und Kunst gelten als wesentliche Aspekte dieser Kunstrichtung, die eigentlich keine sein will. Der Dadaismus ist zugleich „anti-künstlerisch, provozierend literarisch, spielerisch musikalisch, radikal politisch aber anti-parlamentär, manchmal auch nur kindisch“[5]. Vor allem aber kann der Dadaismus als reaktionäre Geisteshaltung in Bezug auf die gesellschaftlichen Verwerfungen seiner Zeit gesehen werden, die ihren Widerspruch mit Hilfe von anarchischen, irrationalen, oppositionellen und sinnfreien Aktionen zum Ausdruck bringt. Besonders die Grausamkeit und die Wirren des Ersten Weltkrieges begründeten diese gegensätzliche und in ihrem Innersten stets destruktive Einstellung.
2.2 Chronologie der Ereignisse: Dada Zürich
Im Jahr 1915 kamen Hugo Ball und seine Lebensgefährtin Emmy Hennings, wie auch viele andere frei denkende Emigranten vor und nach ihnen, nach Zürich. Ball war bis dahin bei den Münchner Kammerspielen beschäftigt, Hennings war als freie Mitarbeiterin einer Wochenzeitschrift ebenfalls in München tätig. Am 5. Februar des darauf folgenden Jahres eröffneten Hugo Ball und Emmy Hennings zusammen mit einigen ebenfalls in die neutrale Schweiz ausgewichenen Künstlern, dem deutschen Hans Arp, dem rumänischen Marcel Janco und dem rumänisch-französischen Tristan Tzara, die Künstlerkneipe „Cabaret Voltaire“. Das Programm, bestehend aus Lesungen, Ausstellungen, Kabarett und Soirèen fand großen Anklang, sodass bald jeden Abend Veranstaltungen stattfanden. Wenige Wochen später stießen auch die Deutschen Hans Richter und Richard Huelsenbeck zu der Gruppe. Im April desselben Jahres erwähnte Hugo Ball erstmals den Begriff „Dada“ in seinem Tagebuch und einen Monat später wurde das Wort „Dada“ erstmals in der Anthologie „Cabaret Voltaire“ gedruckt. Am 14. Juli fand bereits der erste Auftritt der Dadaisten außerhalb des „Cabaret Voltaire“ statt, nämlich die erste Dada-Soirée im Zunfthaus zur „Waag“ in Zürich.
Der Gründer Hugo Ball begann bereits zu dieser frühen Zeit der Dada-Vereinigung, sich von seinen Kollegen zu distanzieren und vom Dadaismus abzukehren. Trotzdem war er wieder dabei, als im März 1917 die „Galerie Dada“ in Zürich eröffnet wurde, um dadurch auch der bildenden Kunst mehr Bedeutung zuzuerkennen. Die folgenden fünf von insgesamt acht Dada-Soiréen fanden in der „Galerie Dada“ statt, zumeist als geschlossene Veranstaltungen. Im Juli desselben Jahres erschien die erste von ebenfalls acht Ausgaben der Zeitschrift „Dada“, die meist in Deutsch und Französisch veröffentlicht wurde. Doch das frühe Ende der Züricher bzw. Schweizer dadaistischen Bewegung ließ sich nicht aufhalten: Hugo Ball verließ Zürich noch innerhalb des Jahres 1917, Marcel Janco und Hans Arp taten es ihm zwei Jahre später gleich. Als 1920 schließlich auch Tristan Tzara nach Paris abreiste, fand der „aktive“ Dadaismus in Zürich definitiv sein Ende.
2.3 Das Kunstwerk im Dadaismus
Walter Benjamin beschäftigt sich in seinem Text „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“[6] aus dem Jahr 1936 unter anderem mit der dadaistischen Auffassung des Begriffs „Kunstwerk“ (Kap. XIV)[7]. Er vergleicht die Kunst des Dadaismus zwar mit der Filmkunst und führt einige filmische Ausdrucksweisen auf dadaistische Grundlagen zurück, beschreibt dadurch aber auch treffend die Haltung und die Grundsätze des dadaistischen Kunstschaffens.
Benjamin ist der Auffassung, dass es eine der wichtigsten Aufgaben der Kunst im Allgemeinen ist, eine Nachfrage zu erzeugen, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht vollständig befriedigt werden kann. Der Dadaismus hat in diesem Sinn versucht, die Effekte des heutigen[8] Films mit den Mitteln der Malerei und der Literatur zu erzeugen und ist damit bezüglich der Nachfrage natürlicherweise über sein Ziel hinausgeschossen. Die Dadaisten opferten den „Marktwert“ ihrer Kunstwerke zugunsten der Darstellung ihres Entstehens und ihres Verwerfens. Die Vermarktung von Kunst war bei weitem nicht so wichtig wie die dahinter stehende Intention: die grundsätzliche Entwürdigung des Materials sowie die „Unverwertbarkeit als Gegenstände kontemplativer Verwertung“[9].
Die Dadaisten haben das Kunstwerk in ihrem Sinn zum Geschoss gemacht, das auf den Betrachter bzw. auf das Publikum losgelassen wurde. So enthält es sowohl taktile als auch schockierende Elemente, welche auch beim Film angewandt werden und zum Ausdruck kommen. Während diese Schockwirkung beim Dadaismus vor allem moralischer Natur ist, kommt sie im Film auch physisch zum Ausdruck.
[...]
[1] In: Riha/Wende-Hohenberger (Hg.), 1992. S. 30. (Die Ausgeschriebenen Umlaute wurden dem Original entnommen, Anmerkung der Verfasserin)
[2] „Dada [dada] m 1 enf Hottepferd n; 2 F fig Lieblingsthema n; Steckenpferd n“ In: Langenscheid Maxi-Wörterbuch Französisch, 2002.
[3] Auf: http://www.dadadata.de/definition.htm. Zugriff: 16.05.06.
[4] In: Elger/Grosenick, 2004. S. 17.
[5] Ebd. S. 6.
[6] Vgl. Benjamin, 1936 und 1955. In: Helmes/Köster, 2002. S. 163-189.
[7] Vgl. Ebd. S. 183f.
[8] „heutig“ wird auf den Film zur Entstehungszeit des Textes, also in den 20er und 30er Jahren bezogen. (Anmerkung der Verfasserin)
[9] Benjamin, 1936 und 1955. In: Helmes/Köster, 2002. S. 183.
- Quote paper
- Katrin Parigger (Author), 2006, DADA Zürich, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/83358
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