Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, ob Fußballreportagen im Radio sprachlich anders realisiert werden als im Fernsehen. Im Fokus steht dabei die Benutzung von Metaphern.
Für die Analyse wurde je ein Korpus der zweiten Halbzeit des Spiels um Platz 3 bei der Weltmeisterschaft 2006 – Deutschland gegen Portugal – erstellt. Für die Bestimmung von Metaphern wurden die Metapherntheorien von Lakoff/Johnson (1980) und Weinrich herangezogen. Lakoff/Johnson benutzen eine kognitive Metapherntheorie und Weinrich betrachtet Metaphern als ein kontextabhängiges Phänomen. Beide Theorien bestehen aus ähnlichen Elementen: für Weinrich ergeben sich Metaphern aus der Interaktione von einem Bildspender und einem Bildempfänger, für Lakoff/Johnson aus der Interaktion einer „source domain“ und einer „target domain“.
Ziel ist es herauszufinden, ob im Radio ein anderer Metapherngebrauch herrscht als im Fernsehen, da das Medium Radio nur den akustischen Kanal benutzt. Zwei spezielle Thesen, die in der Arbeit überprüft werden, sind: 1. Im Radio werden mehr dynamisierende Metaphern (Reger 1977) benutzt, um die Dynamik des Spiels darzustellen. 2. Im Radio werden mehr kreative Metaphern benutzt, da das Spiel für den Hörer erst sprachlich erzeugt werden muss.
Inhalt
1 Einleitung
2 Theorie
2.1 Metapherntheorien
2.1.1 Theorie der Metapher nach Weinrich (1976) – die Kontexttheorie
2.1.2 Theorie der Metapher nach Lakoff /Johnson (1980) – die kognitive Theorie
2.2 Sprache in den Medien
2.2.1 Sprache in der Radio-Live-Reportage und die Rolle des Reporters
2.2.2 Die Sprache im Fernseh-Live-Kommentar und die Rolle des Kommentators
2.3 Metaphern in der Fußballberichterstattung – Forschungsstand
2.4 Thesen und Vorgehensweise für die Analyse
3 Das Korpus
3.1 Korpus Radio
3.2 Korpus Fernsehen
4 Vergleichende Analysen der Metaphern in Radio und Fernsehen
4.1 Bildspenderbereich „Krieg/Kampf/Militär“
4.2 Bildspenderbereich „Theater/Musik/Kunst“
4.3 Bildspenderbereich „Weg/Reise“
4.4 Bildspenderbereich „Kommunikation“
4.5 Dynamisierende Metaphern
4.6 Kreative und konventionelle Metaphern
5 Fazit und Ausblick
6 Abstract
7 Nachspielzeit
8 Literaturverzeichnis
9 Anhang
9.1 Korpus Radioübertragung Deutschland – Portugal, 2. Halbzeit
9.2 Korpus Fernsehübertragung Deutschland – Portugal, 2.Halbzeit
9.3 Tabellen „Krieg/Kampf/Militär“- Metaphern
9.4 Tabellen „Theater/Musik/Kunst“-Metaphern
9.5 Tabellen „Weg/Reise“-Metaphern
9.6 Tabelle „Kommunikation“-Metaphern
9.7 Tabellen dynamisierende Metaphern
9.8 Tabellen kreative Metaphern
1 Einleitung
Vom 9. Juni bis zum 9. Juli 2006 fand in Deutschland bereits zum zweiten Mal in der Geschichte eine Fußballweltmeisterschaft statt. In dieser Zeit konnte der Fußball sein kommunikatives Potential voll entfalten, denn er war an jeder Ecke präsent. Es war jedoch nicht nur das Spiel, es war das Ereignis: die Fußballweltmeisterschaft, in deren Gewändern sich der sportliche Aspekt (ver-)kleidete. Verglichen mit einer Artischocke, liegt das eigentliche Fußball-Spiel ganz tief als Kern im Innern einer starken, vielgliedrigen Schale aus Politik, Wirtschaft, Medien und Gesellschaft, die es umwinden und den Blick von außen auf diesen Kern zuweilen brechen wie ein Kaleidoskop. Das Ereignis Fußballweltmeisterschaft als Produkt aus dem Zusammenspiel der vorher genannten Komponenten wurde im Luhmannschen (vgl. Luhmann 1987: 191-242) Sinne zu einem Kommunikationsmedium großer Leistungsfähigkeit. Es produzierte Informationen, Mitteilungen, Verständnis und permanente Anschlussfähigkeit. So wenig Kommunikationsprobleme gab es wahrscheinlich noch nie, denn alle sprachen dieselbe Sprache und die hieß: Fußball! Na gut, sie hieß: „FIFA WM 2006™“. Selbst Domänen, die dem Fußball auf den ersten Blick wenig oder nur indirekt verbunden scheinen, sprachen seine Sprache. Das Online Journal metaphorik.de hat eine eigene Metaphernweltmeisterschaft mit den interessantesten medial verbreiteten metaphorischen Ausdrücken veranstaltet. Dort scheint bewiesen, wie die WM oder ferner der Fußball an sich als Bildspender oder Bildempfänger (siehe Weinrich 1976) in metaphorischer Verbindung mit den unterschiedlichsten Themen gebraucht wird. (siehe auch Gabriel 1998: 78). Warum jedoch wussten so viele Menschen wie nie zuvor, zumindest in Deutschland, so gut bescheid über den Fußball?
Die Antwort überrascht kaum: Die mediale Verbreitung hat ein enormes Ausmaß angenommen. Für das WM-Finale 2006 wurden ungefähr eine Milliarde Fernsehzuschauer erwartet. Die erwartete Zahl der Fernsehzuschauer für die ganze WM wurde auf mindestens 33 Milliarden geschätzt. (vgl. Christoph 2006). Das Erste (ARD) und das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) zahlten zusammen mit dem privaten Fernsehsender RTL 250 Millionen Euro für die Übertragungsrechte. Selbst im Radio gab es die „aufwändigste Hörfunk-Berichterstattung in der deutschen Radiogeschichte“ (ebd.). Die ARD stellte eigens dafür ein Team von 100 Technikern, Redakteuren und Reportern ab. (ebd.). Sogar eine Initiative von 23 privaten Radiostationen schloss sich zusammen um mit geballter Kraft die Spiele der WM zu übertragen (vgl. Seibel-Müller 2006). Man sieht also, je weiter die Technik weiterentwickelt wird, desto mehr Menschen können heutzutage einem Großereignis wie der Weltmeisterschaft beiwohnen ohne dafür selbst im Stadion sein zu müssen.
Bereits die olympischen Spiele 1936 wurden im Fernsehen übertragen und ausschließlich in Berlin in 28 öffentlichen Sälen gezeigt (vgl. Großhans 1997: 22). Das Fernsehen galt neben der propagandistisch gefärbten filmischen Umsetzung des Ereignisses durch Leni Riefenstahl als „stiller Beobachter“ (Engell, Lorenz nach Großhans 1997: 22). Andere Stimmen nannten das Fernsehen damals noch „bebildertes Radio“ (ebd.). Dafür war man den Reporter gewohnt, der in einem der Zeit entsprechenden Duktus die Spiele kommentierte, denn im Radio wurde Sport schon viel früher übertragen. In Deutschland fand die erste Live-Übertragung eines Fußballspiels im Radio am 25. April 1926 von Dresden aus statt.
Die Fußballweltmeisterschaft von 1954 wurde erstmalig live aus der Schweiz im Fernsehen übertragen und galt als „erstes europäisches Fernsehgroßereignis“ (Großhans 1997: 18). Dabei gab es erst ca. 27.000 (ebd.: 39) Fernsehgeräte zu dieser Zeit in Deutschland. Die heute bekannten Überlieferungen des Endspiels Deutschland gegen Ungarn vom 4. Juli 1954 und der zum Mythos erhobene Kommentar von Herbert Zimmermann sind unvergessen. Dabei handelt es sich nicht um die Original-Fernseh-Aufnahmen, sondern um Aufnahmen, die mit Filmkameras mitgeschnitten wurden. Zimmermanns berühmte Worte „Aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen. Rahn schießt. TOOOOR! TOOOR! TOOR! TOR!... Tor für Deutschland…“ (Kasza 2004: 117) gehören eigentlich zur Radioübertragung jenes Spiels. Die noch junge Fernsehtechnik hatte keine Möglichkeit zur Speicherung der live gesendeten Bildern und Töne bzw. verlor diese. (vgl. Christoph 2006 u. Seifert 1996: 106f.).
Heutzutage wünschen sich viele Fußballseher statt des Fernsehkommentars zum visuellen Vergnügen den Ton der Reportage aus dem Radio. Offensichtlich besteht ein Unterschied zwischen der Sprache des Radios und der des Fernsehens. Ein Fußballspiel im Fernsehen wird kommentiert (vgl. Rosenbaum 1969: 8) und ein Fußballspiel im Radio wird reportiert. Die Meinungen gehen dahin, dass die Radioreportage mehr Spannung übermittle als der Fernsehkommentar. Dabei hat der Radioreporter eine andere, ungleich schwerere Aufgabe als der Fernsehkommentator: Er muss das Spiel eben nicht nur kommentieren, er muss es für den Hörer erzeugen (vgl. Luhmann 2004), vor dessen innerem Auge sichtbar werden lassen und ihn somit am Geschehen teilnehmen lassen. Dieser Aspekt führt uns direkt zur Sprache in der Radioreportage. Es ist zu vermuten, dass der Radioreporter eine sehr bildliche, eine metaphorische Sprache benutzen muss um seinen Gegenstand adäquat zu beschreiben und dem Hörer ein möglichst genaues Bild davon zu vermitteln, was auf dem Platz und im Stadion gerade passiert. Der Fernsehkommentator hingegen dürfte sich mit dem Gebrauch metaphorischer Sprache zurückhalten, denn er muss das Bild nicht „erzeugen“, sondern „nur“ kommentieren. Er muss Bezüge herstellen zwischen dem, was auf dem Platz geschieht, und dem, was im gleichen Moment gerade nicht dort geschieht, aber in unmittelbarem oder mittelbarem, in engerem oder weiterem Zusammenhang damit steht[1]. Das bedeutet nicht, dass ein Fernsehkommentator nicht auch andere Gründe haben kann, metaphorische Ausdrücke zu benutzen. Das aber ist bereits eine Frage, die es in dieser Arbeit zu beantworten gilt. Die FAZ (Eichler 2004) sagt über den Fußball-Lyriker Robert Gernhardt, „er bewundert, ‚wie dort [in der Radioreportage] die Sache mit Sprache verdichtet, mit Metaphern aufgeladen wird’, während ihm das Fernsehkommentatorendeutsch ‚zu medizinisch’ vorkommt.“ (ebd.).
Anke Michels hat in einer Studie zum Metapherngebrauch in Fußballreportagen des französischen Fernsehens festgestellt, dass sich „Spielszenen in denen das Geschehen auf dem Platz eher uninteressant ist, als besonders metaphernträchtig herausgestellt [haben] – das visuelle ‚leere Bild’ wird mit sprachlichen Bildern gefüllt“ (Michels 2002: 64). Da die Sprache in Fußballreportagen im Fernsehen vielmehr eine kommentierende Funktion hat, kann es dazu kommen, dass langweilige Szenen auf dem Spielfeld den Kommentator zu einem vermehrten Metapherngebrauch einladen um das Spiel im Gegensatz zu den sichtbaren Bildern interessanter zu gestalten und die Zuschauer am Bildschirm zu halten. (vgl. ebd.)
Außerdem stellt Michels im Medienvergleich fest, dass die Bildspenderbereiche von Fernseh- und Presseberichterstattung weitgehend deckungsgleich seien. In ihrem Fazit befürwortet sie eine Untersuchung von Fußballreportagen im Radio und nimmt damit das Forschungsinteresse dieser Arbeit vorweg. Existieren bereits einige Untersuchungen zur Metaphorik und ferner der Sprache der Fußballberichterstattung in den Printmedien (zu Metaphern siehe u.a. Döring u.a. 2002, Gil 1998, Gabriel 1998; zur Sprache in der Fußballberichterstattung Schweickard 1987), so sind ähnliche Arbeiten sowohl zum Fernsehen (zu Metaphern siehe Michels 2002, zur Sprache in Fußballreportagen Regina Quentin 1989) als auch zum Radio (Sprache in Fußballreportagen im Radio Rosenbaum 1969, Cruz-Saco 1987) in der Quantität unterlegen. Cruz-Saco (1987) hat in seiner Dissertation einen Sprachvergleich zwischen deutschen und peruanischen Fußballreportagen im Radio im Hinblick auf die Vertextung von Raumangaben und Spielerverletzungen unternommen. Rosenbaum (1969) untersuchte die Sprache in der Fußballreportage im Radio und Dankert (1969) hat eine Arbeit zur Sportsprache, speziell des Fußballs, für alle drei damals gängigen Massenmedien vorgelegt[2]. Eine Arbeit ausschließlich zur Fußballmetaphorik im Radio liegt meines Wissens aber noch nicht vor.
In dieser empirischen Fallstudie untersuche ich die zweite Halbzeit des Spiels Portugal gegen Deutschland bei der Fußball Weltmeisterschaft 2006 auf die darin vorkommende Metaphorik. Ich werde dabei den Fernsehkommentar und die Radioreportage des gleichen Spiels untersuchen und beide unter besonderer Berücksichtigung der Radioreportage miteinander vergleichen. Zunächst skizziere ich die wesentlichen Merkmale der Metapherntheorien von Weinrich (1976) und Lakoff und Johnson (1980) um eine theoretische Grundlage zum Wesen, zur Identifikation und zur Klassifikation von Metaphern zu erhalten. Außerdem stelle ich theoretische Vorüberlegungen zur Sprache in Radio- und Fernseh-Direkt-Ganzreportagen an. Daraufhin werde ich einen Überblick zum Forschungsstand bezüglich des Metaphernvorkommens in der Fußballberichterstattung in Presse und Fernsehen anhand der Studien von Döring und Osthus (2002), Gabriel (1998), Gil (1998) und Michels (2002) geben. Ausgehend von der Idee des bildlichen Sprechens und der fehlenden Bilder im Radio besteht das Hauptinteresse dieser Arbeit darin herauszufinden, ob und wie dieser „Mangel“ im Radio metaphorisch ausgeglichen wird. In einer quantitativen Analyse werde ich die im Korpus vorkommenden Metaphern in entsprechende Bildspender-Cluster (siehe Weinrich 1976 und Lakoff und Johnson 1980) einteilen und die Verteilungen in beiden Medien zueinander in Beziehung setzen, um die für das jeweilige Medium relevanten Bildspender herauszufinden. In einem weiteren Schritt werden die Bildspender dann qualitativ in Bezug auf das jeweilige Medium analysiert. Weiterhin werden Besonderheiten einzelner Bildspenderbereiche aufgezeigt. Schlussendlich ist es Ziel dieser Arbeit eine Aussage zur Medienspezifik von Metaphern in der Live-Berichterstattung von Fußballspielen leisten zu können.
2 Theorie
2.1 Metapherntheorien
Für die Untersuchung der vorliegenden Korpora ist es notwendig die beiden geeigneten Metapherntheorien kurz vorzustellen. Harald Weinrichs Textansatz sieht die Metapher als ein textuelles Phänomen, welches vor allem in einem Text auftauchen kann, da es ihn als Kontext benötigt. Lakoff und Johnson hingegen betrachten die Metapher als ein kognitives Phänomen, welches unser alltägliches Denken und Handeln strukturiert. Sie gehen davon aus, dass unser Denken metaphorisch strukturiert ist. Beide Theorien ähneln sich sehr in ihrer Struktur, obwohl sie Metaphern je als verschiedenartige Phänomene betrachten.
2.1.1 Theorie der Metapher nach Weinrich (1976) – die Kontexttheorie
„Was ist eine Metapher?“ So oder so ähnlich beginnen viele Aufsätze zur Theorie der Metapher. Max Black führt in „Die Metapher“ (1996 [1954]) eine Auswahl an möglichen Fragen nach dem Wesen der Metapher an:
„ ‚Wie erkennen wir einen Fall von Metaphorik?’ ‚Gibt es Kriterien für den Nachweis von Metaphern?’ ‚Sind Metaphern in wörtliche Ausdrücke übersetzbar?’ [...] ‚Und was soll schließlich die Verwendung einer Metapher überhaupt?’“ (Black 1996 [1954]: 55).
Aristoteles’ Ideen zur Metapher bestimmen noch heute die allgemeine Vorstellung, nach der es sich bei einer Metapher um einen Vergleich bzw. eine Substitution handele. Demnach würde ein nichtmetaphorischer Ausdruck aufgrund bestehender Analogien durch einen metaphorischen Ausdruck ersetzt. Die Kritik an Aristoteles bezieht sich in der Hauptsache auf dessen Grundannahme, dass zwischen einem nichtmetaphorischen Ausdruck und dessen metaphorischem Ersatz eine Analogie bestehe. (vgl. Osthus 2000: 77f.). Das würde besagen, dass Wortbedeutungen unabhängig von Zeichenbenutzern existieren, und setzt voraus, dass die Namen aller Dinge und Sachverhalte genau wie ihre Beziehungen untereinander eindeutig bestimmbar wären, da sie unabhängig von Sprachbenutzern existieren würden. Gerhard Kurz kritisiert diese These: „Sie beruht auf einer unhaltbaren Wortsemantik“ (2004: 11). Dieser Ansatz erweckt die Vorstellung von Sprache als einer Nomenklatur, vernachlässigt dabei aber die pragmatische Ebene – Sprache im Gebrauch –, die ebenfalls zur Dekodierung von sprachlichen Zeichen notwendig ist.[3]
Nach Ivor Armstrong Richards (1996 [1936]), dem Begründer der Interaktionstheorie und Kritiker der Aristotelischen Vergleichs- bzw. Substitutionstheorie,
„bringen wir beim Gebrauch einer Metapher zwei unterschiedliche Vorstellungen in einen gegenseitigen aktiven Zusammenhang, unterstützt von einem einzelnen Wort oder einer einzelnen Wendung, deren Bedeutung das Resultat der Interaktion beider ist.“ (Richards 1996 [1936]: 34).
In diesem Fall wird eine Analogie zwischen zwei semantisch verschiedenen Begriffen nicht bereits vorausgesetzt, sondern erst durch ihre gegenseitige Überlagerung bzw. Interaktion erzeugt. Die Begriffe geben sich dabei gegenseitig Kontext. Das kann sogar innerhalb eines vermeintlich kontextunabhängigen Kompositums geschehen. Weinrich betrachtet das Wort „Windrose“ als „ein Stück Text, in dem das Element ‚Wind’ dem Element ‚Rose’ Kontext gibt und es zur Metapher determiniert“ (1976: 319). Ausgehend von der Interaktionstheorie und aufbauend auf die Gedanken von Richards und Black, setzt auch Weinrich (1976) seinen textlinguistischen Ansatz an:
„Eine Metapher […] ist ein Wort in einem Kontext, durch den es so determiniert wird, daß es etwas anderes meint, als es bedeutet.“ (Weinrich 1976: 311).
In seiner Überblicksdarstellung der Metapherntheorie deutet Gerhard Kurz (2004: 15) an, dass es keine allgemeingültigen Grundsätze gibt, nach denen Metaphern identifiziert werden können. Im Sinne der Interaktionstheorie ist er der Ansicht, dass erstens die kommunikative Situation, in der Metaphern benutzt werden, und zweitens der geltende Sprachgebrauch maßgebend für das Erkennen von Metaphern sind. Mit anderen Worten werden metaphorische – wie im Übrigen auch nicht-metaphorische – Bedeutungen einerseits zwischen einem Sprecher und einem Hörer ausgehandelt und andererseits vom situativen Kontext beeinflusst. Das gilt für alle Äußerungen von einsilbigen, akustisch realisierten Sprechakten wie „Schwein!“ bis zu langen schriftlich fixierten Romantexten. Überdies ist der „dominierende“ Sprachgebrauch dafür ausschlaggebend, ob ein metaphorischer Ausdruck wörtlich oder eben metaphorisch gemeint ist bzw. verstanden wird.
Metaphern existieren überindividuell und werden in Kommunikation realisiert, wobei jedes Individuum über ein bestimmtes Metaphernwissen aufgrund seines Spracherwerbs und seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten Sprachgemeinschaft verfügt (vgl. Weinrich 1976: 278). Das bedeutet für die Analyse von Sprechakten oder Texten in Hinblick auf Metaphorizität, dass die in einer Sprachgemeinschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt als allgemeingültig anerkannte (Grund-)Bedeutung eines Ausdruckes dessen wörtliche Bedeutung ergibt und daher der Sprachnorm entspricht. Um dem Vorwurf der Subjektivität des Sprachgefühls bei der Festlegung der wörtlichen Bedeutung eines Ausdrucks zu entgehen, empfiehlt Weinrich (1976: 332) die Zuhilfenahme eines Wörterbuchs oder Lexikons um eine intersubjektiv überprüfbare und zeitgemäße Wortbedeutung nachzuschlagen und für eine Text-Analyse anzuwenden.
Im Gegensatz zur Aristotelischen Theorie bilden Metaphern keine Ähnlichkeit zwischen ihren beiden Gliedern ab, sondern sie erzeugen sie erst (Kurz 2004: 21). Es geht nicht darum, einfach synonyme Ausdrücke für größere sprachliche Kreativität zu benutzen. Metaphern entstehen durch eine gegenseitig aufeinander bezogene interaktionale Wirkung zwischen zwei semantisch verschieden strukturierten Bedeutungsfeldern, die in einem metaphorischen Ausdruck zur Geltung kommen. Metaphorik muss also als prozessartige Semiose verstanden werden. Das metaphorische Zeichen (ein Wort, ein Ausdruck, ein Satz usw.) wirkt nicht, indem es auftritt, sondern indem es als solches identifiziert wird.
Metaphern sind nach Weinrich (1976: 286) in den meisten Fällen einem Bildfeld zuordenbar, welches überindividuell als Teil der Sprache einer Sprachgemeinschaft respektive eines „Kulturkreises“ (ebd.: 287) existiert und es ermöglicht, Metaphern bereits aufgrund der Sozialisation in einer bestimmten Sprachgemeinschaft verstehen und benutzen zu können. Das Bildfeld gehört zum „objektiven, virtuellen Sozialgebilde der Sprache“ (ebd.: 283). Der Begriff Bildfeld wird dabei analog zum Begriff Wortfeld benutzt (ebd.). Ein Bildfeld ergibt sich aus dem Zusammenspiel zweier semantisch strukturierter „Sinnbezirke“ (ebd.), von denen einer als Bildspender fungiert und der zweite als Bildempfänger. In einem Bildfeld ergibt sich aus der Interaktion eines Bildspender- und eines Bildempfängerbereichs eine unbestimmte Menge metaphorischer Ausdrücke, die diesem Bildfeld zuordenbar sind. Genau wie bestimmte Begriffe immer Teil eines größeren Begriffsfeldes mit bestimmten „nachbarschaftlich“ angeordneten Begriffen sind, sind Metaphern in den meisten Fällen Teil eines größeren Bildfeldes. Demnach ist ein metaphorischer Ausdruck zumeist eine aktualisierte Metapher aus einem Bildfeld. (ebd.: 283ff). Als ein auf den Fußball bezogenes Beispiel kann man als Bildfeld das der „Fußballreligion“ angeben. Darin vorfindbare Metaphern wären unter anderem: der „Flankengott“, der „Fußballgott“, „Toni [Turek], du bist ein Teufelskerl“ (Kasza 2004: 12), der „Gelbsünder“, das „Fußballwunder“ usw. Die zwei interagierenden Sinnbezirke, aus denen sich das Bildfeld ergibt, sind demnach Fußball und Religion. Die semantischen Strukturen des Bildspenderbereiches überlagern den Bildempfängerbereich ohne ihn vollständig zu verdecken. Das bedeutet, dass der Fußballsport hier durch die semantischen Strukturen des religiösen Sinnbezirkes betrachtet wird. Damit treten solche Eigenschaften des Bildempfängers Fußball, die das religiöse Begriffsschema nicht erfassen kann, in den Hintergrund. Die religiösen erscheinen dafür hervorgehoben. An den genannten Beispielen sieht man, dass vor allem Personen bzw. Spielpositionen als Elemente des Spiels zu einer Metaphorisierung durch den Bildspender „Religion“ taugen. Nach Weinrich ist die Metapher sogar „eine widersprüchliche Prädikation“ (1976: 308). Bei der Bezeichnung Toni Tureks als „Fußballgott“ (Kasza 2004: 12) ist ein Widerspruch darin zu finden, dass der Ausdruck „Gott“ der religiösen Terminologie entstammt und logisch nicht auf normalsterbliche Fußballspieler angewendet werden kann. Sonst würde dem „Gott“ seine Einzigartigkeit abgesprochen. Außerdem werden in dieser Metapher göttliche Fähigkeiten auf einen Menschen, einen Fußballtorwart übertragen. Aber genau in dieser eigentlichen Widersprüchlichkeit steckt das metaphorische Potential.
Nach Weinrich wird diese Widersprüchlichkeit durch „Konterdetermination“ (Weinrich 1976: 320) hervorgerufen. Danach haben Wörter einen gewissen Bedeutungsumfang, der weiter aber auch enger sein kann und der der gültigen Sprachnorm entspricht. Dieser Bedeutungsumfang evoziert im Rezipienten eine bestimmte Erwartung an die Bedeutung, die ein Wort (in einem Text) haben kann. Das nennt Weinrich Determinationserwartung. Innerhalb eines Textes wird dieser Umfang an möglichen Bedeutungen durch das Auftreten anderer Wörter mit wiederum je eigenem Bedeutungsumfang eingeschränkt und somit durch den Kontext determiniert. Durch einen bestimmten Kontext kann eine allgemeine Determinationserwartung unerfüllt bleiben bzw. gekontert werden und erfährt dadurch eine Konterdetermination. Als Beispiel gibt Weinrich die Zeile: „Votre âme est un paysage choisi“ aus einem Gedicht von Verlaine an (vgl. Weinrich 1976: 317). Er identifiziert darin das Wort „paysage“ als bildspendenden Teil der Metapher, die vom ganzen Satz gebildet wird. Weiter führt er aus, dass das Wort „paysage“ die Determinationserwartung mit sich bringt, es ginge in dem Text um eine Landschaft. Diese Erwartung wird aber dadurch enttäuscht, dass der Kontext etwas Seelisches zum Inhalt hat. Somit wird der Ausdruck „paysage“ konterdeterminiert und bekommt in diesem Kontext eine andere, eine metaphorische Bedeutung. Osthus (2000: 95) weist an dieser Stelle darauf hin, dass Weinrich sowohl die Kontextdetermination als auch die Konterdetermination durch textimmanente Faktoren realisiert sah. Er plädiert mit Petöfi (1975: 300) dafür, auch textexterne Einflüsse auf die Determination von Textbedeutungen bestimmter Begriffe mit einzubeziehen. Diese Einsicht ist vor allem für die Fußballreportage wichtig, da die Metaphern zusammen mit dem Text im gleichen Moment entstehen und daher vor allem die textexternen, situativen Geschehnisse als determinierend sowohl für die Textbedeutung – bei Weinrich „Meinung“ (1976: 13ff) genannt – nicht-metaphorischer Ausdrücke als auch für Metaphern anzusehen sind. In unserem Korpus müssen also immer das sich abspielende Fußballspiel und seine Zusammenhänge als textexterner Kontext mitgedacht werden, falls der Text selbst das nicht entsprechend erläutert.
Innerhalb eines Textes werden durch die Kontextdetermination einzelner Begriffe textstrukturierende Isotopien ausgebildet. Diese sind textspezifische Begriffsfelder, deren Begriffe innerhalb eines Textes auftauchen und aufgrund der Kontextdetermination mindestens ein semantisches Merkmal gemeinsam haben. Nach diesem Prinzip sind auch bildspendende Isotopien in einem Text vorfindbar und geben Hinweise auf die semantische Struktur eines Textes (vgl. Osthus 2000: 91-94).
Die Identifikation von Metaphern hängt zusätzlich vom lexikalischen Wissen und vom Alltagswissen des Empfängers ab. Konventionalisierte Metaphern werden zumeist nicht mehr als Metaphern erkannt und sind deswegen schwerer zu identifizieren als kreative Metaphern. Die konventionalisierte Metapher ist bereits so gewöhnlich im Gebrauch, dass ihre Metaphorizität einem Rezipienten kaum mehr auffällt. Dennoch müsste sie nach Weinrichs Kontexttheorie solange als (zumindest konventionelle) Metapher zu bezeichnen sein, bis eine metaphorische Bedeutung die nicht-metaphorische Bedeutung in einer Sprechergemeinschaft derartig überlagert, dass die Grundbedeutung des Ausdrucks durch die metaphorische Bedeutung im Wortschatz ersetzt wird. Das lässt sich gut am Beispiel des Wortes „schießen“ demonstrieren: In der normalen Alltagswelt, verbinden wir mit dem Begriff „schießen“ die Handlung, die ein Jäger, ein Polizist oder ein Soldat vollführen, wenn sie an ihrer Waffe den Abzug ziehen und somit eine Kugel in eine zielgerichtete Bewegung versetzen. Benutzen wir den gleichen Begriff im Kontext eines Fußballspiels, so ist die Bedeutung des Begriffes „schießen“ ebenfalls absolut geläufig und wird als Teil der Fußballlexik betrachtet und gilt darin als lexikalisiert. Solange aber die fußballerische Bedeutung von „schießen“ in einer Sprachgemeinschaft nicht dessen kontextlos anerkannte Denotation wird, so lange muss dieser Begriff als konventionalisierte Metapher im Fußballkontext anerkannt werden. Die Semiose einer kreativen Metapher dagegen ist wesentlich evidenter und zwingt den Interpreten sozusagen zum Erkennen ihres metaphorischen Potentials. Sie ist (noch) nicht Teil des üblichen Sprachgebrauchs einer Sprachgemeinschaft und kommt am häufigsten in der poetischen Literatur und der Werbung vor. Ein Beispiel für eine konventionalisierte Metapher ist: „Die Sonne lacht“ (Kurz 2004: 20). Das passende Beispiel zur kreativen Metapher ist: „Die Sonne grinst“ (ebd.). Dennoch gehören beide Begriffe zum selben Bildspender, so dass im Grunde nur eine neue Metapher innerhalb eines Bildfeldes aktualisiert wurde. Die einzigen „kontextunabhängigen“ Metaphern bleiben demnach so genannte Katachresen oder lexikalisierte Metaphern (vgl. Kurz 2004: 19 und Black 1996: 63ff), die eine Leerstelle im Wortschatz besetzen, an der es zu einem existierenden Inhalt noch keinen Ausdruck gibt. Beispiele dafür wären „Motorhaube“ und „Flußbett“ (Kurz 2004: 19). Den Sinn dieser Worte können wir völlig ohne kontextuelle Zusammenhänge identifizieren, weshalb sie auch als „tote“ Metaphern gelten und zuweilen nicht mehr als Metaphern anerkannt werden. Weinrichs „Windrosen“-Beispiel belegt aber das Gegenteil. Auch bei der „toten“ Metapher „Flussbett“ geben sich die Begriffe „Fluss“ und „Bett“ gegenseitig Kontext. Daher muss sie als Metapher anerkannt werden. Dennoch erweisen sich die Abstufungen kreative, konventionelle und lexikalisierte Metapher als sinnvolle Unterscheidungen zur funktionalen Analyse von Metaphern.
Halten wir also fest: Metaphern gehören nach Weinrich in den meisten Fällen zu einem übergeordneten Bildfeld, welches Teil der überindividuellen Sprachnorm (bei Weinrich „langue“) einer Sprechergemeinschaft ist. Bildfelder sind demnach kulturell determiniert. Außerdem bestehen diese Bildfelder – und demnach auch einzelne Metaphern – immer aus einem Bildspenderbereich und einem Bildempfängerbereich. Die Metaphorizität entsteht dadurch, dass ein bildempfangendes Glied eines metaphorischen Ausdrucks durch bestimmte semantische Eigenschaften des bildspendenden Gliedes betrachtbar wird. In der Regel besteht zwischen beiden eine semantische Inkongruenz, aus der der Interpret in einem Interpretationsprozess eine Analogie herstellen muss.
2.1.2 Theorie der Metapher nach Lakoff /Johnson (1980) – die kognitive Theorie
„Metaphern sind eine Möglichkeit, Menschen, die anders ticken, einen Zugang zum eigenen Denken zu eröffnen.“ (taz, Nr. 8066 vom 05.09.2006: 17).
Die Theorie Lakoff/Johnsons (2004 [1980]) ist der kognitiven Metapherntheorie zuzuordnen und damit Teil der kognitiven Linguistik. Sie betrachten Metaphern nicht originär als einen Bestandteil von Texten, sie verorten sie in der menschlichen Kognition mit Auswirkungen auf das menschliche Denken, Wahrnehmen und Handeln. Wenn man so will, geschieht das also auf einer Ebene, die der Textproduktion im Idealfall vorhergeht und in sämtlichen Alltagssituationen auftritt, zumeist ohne das Bewusstsein eine metaphorische Äußerung zu tätigen, denn Metaphern strukturieren sowohl unsere Sprache, unser Denken als auch unser Handeln (vgl. Lakoff und Johnson 2004 [1980]: 11). „Unser alltägliches Konzeptsystem, nach dem wir sowohl denken als auch handeln, ist im Kern und grundsätzlich metaphorisch“ (ebd.). Lakoff/Johnson überprüften anhand alltagssprachlicher Ausdrücke die Validität ihrer Aussagen. So haben sie festgestellt, dass viele Alltagshandlungen metaphorisch konzipiert sind. Als Beispiel dient das metaphorische Konzept „ARGUMENTIEREN IST KRIEG“[4] (ebd.: 12). Die Sprechhandlungen, die wir tätigen, während wir argumentieren oder diskutieren, ähneln partiell denen kriegerischer Handlungen. Das bedeutet, dass das kognitive Konzept des Argumentierens von dem des (Be-)Kriegens bzw. Kämpfens überlagert wird. Die sprachliche Evidenz bilden Aussagen, die wir beim Argumentieren tätigen, wie z.B. „Seine Kritik traf ins Schwarze“, „Ihre Behauptungen sind unhaltbar“, „Eine Position angreifen“ (alle Beispiele ebd.) usw. Daher sind Konzeptmetaphern immer als Teil der Kognition zu betrachten, die sichtbaren Bestätigungen der Kognition sind sprachliche metaphorische Ausdrücke.[5] Konzeptsysteme sind kulturspezifisch und damit auch überindividuell. Sie sind eine Grundlage der zwischenmenschlichen Kommunikation, da sie als gemeinsam geteilte Konzepte einer Kultur inhärent sind. Interessanterweise sind die genannten Beispiele ganz leicht in allgemein bekannte Fußballausdrücke übersetzbar („ins Schwarze treffen“, „ein Tor schießen“, „der Schuss war unhaltbar“ usw.), so dass man aus der Metapher „Argumentieren ist Krieg“ auch die Metapher „FuSSball ist Krieg“ ableiten könnte. Es drängt sich nun die Frage auf, ob Fußball gleich Argumentieren ist? Im Prinzip kann man diese Analogie genau über das auf beide Domänen projizierte Konzept „Krieg“ herstellen. Somit hat die Mannschaft, die zwei Tore mehr in einem Spiel schießt, auch die besseren Argumente (im Notfall einfach nur quantitativ mehr – nämlich zwei). Es ist sogar vorstellbar, dass einige Individuen den Angriff eines diskursiven Standpunktes gar nicht als kriegerisch sondern als fußballerisch denken, da ihnen dieses Konzept im Alltag viel vertrauter ist. Hieran sieht man auch, dass die in einem metaphorischen Konzept zusammengefassten sprachlichen Metaphern sich gegenseitig und damit auch die übergeordnete Konzeptmetapher stützen. Zudem werden durch diese Projektionen bestimmte Elemente der Zieldomäne hervorgehoben und andere verdeckt. Das Konzept Fußball hat ja auch noch Seiten, die mit kriegerischen Begriffen nicht dargestellt werden können. So kann man z.B. auch sagen „FUSSBALL IST EIN GESCHÄFT“ und dann „ein Tor kassieren“.
Kommen wir zu einer Definition für die Metapher von Lakoff/Johnson:
„Das Wesen der Metapher besteht darin, dass wir durch sie eine Sache oder einen Vorgang in Begriffen einer anderen Sache bzw. eines anderen Vorgangs verstehen und erfahren können.“ (Lakoff/Johnson 2004 [1980]: 13).
Diese Begriffe werden einer „source domain“ und einer „target domain“ (siehe Kurz 2004: 24 und Döring/Osthus 2002: 21) zugeordnet. Diese Domänen sind – analog dem Weinrichschen Bildspender und Bildempfänger – in sich kohärent. Hierbei strukturiert das Konzept der source domain das der target domain. Die Richtung dieser Projektion wird von einigen Theoretikern als „unidirektionaler Prozess“ (siehe Döring/Osthus 2002: 21), ausgehend von der source domain hin zur target domain, betrachtet. Diese Aussage bezieht sich vorrangig auf die primäre Funktionsweise des Modells von Lakoff/Johnson. Mit dem Wissen aus der Weinrichschen Theoriebildung kann man die metaphorische Projektion auch hier als gegenseitig betrachten. Für Lakoff/Johnson aber ist vor allem die erste Variante maßgebend. Das ihnen übergeordnete Paradigma ist die so genannte Konzeptmetapher, die mit dem Bildfeld bei Weinrich vergleichbar ist. (vgl. Michels 2002: 43). Es gibt drei Typen von Konzeptmetaphern: strukturierende („structural“), ontologische („ontological“) und orientierende („orientational“).
Strukturmetaphern lassen uns bestimmte Dinge durch die Struktur anderer Dinge erkennen. Wie beim Beispiel „FuSSball ist Krieg“ wird das Fußballspiel in Begriffen des Konzeptes Krieg erfasst und dadurch strukturiert: „Wir stürmen auf das gegnerische Tor“, „Der FC Bayern hat der Hertha eine vernichtenden Niederlage beigebracht“, „Wie eine Granate schlug der Ball im gegnerischen Tor ein“ und viele mehr.
Ontologische Metaphern dienen dazu, Dinge oder Sachverhalte, die nicht „eindeutig Einzelgebilde sind oder scharfe Grenzen haben, […] so, als ob sie diese Eigenschaften besäßen“ (Lakoff/Johnson 2004 [1980]: 35) zu kategorisieren. Z.B. Landschaftseinteilungen wie „Gebirge“ (ebd.) werden metaphorisch realisiert, da es in der Realität schwer ist, festzulegen, wo ihr Anfang und ihr Ende sind. Noch klarer wird das Beispiel, wenn wir die ontologische Metapher „DER GEIST IST EINE MASCHINE“ benutzen. Metaphorische Ausdrücke dieser Konzeptmetapher können z.B. sein: „Meine Denkmaschine ist heute nicht in Betrieb“, „Mein Gedankengang ist heute eingerostet“, „Vor lauter Denken rauchen uns schon die Köpfe“ usw. (Lakoff/Johnson 2004 [1980]: 38). Es ist möglich, sich etwas absolut Abstraktes vorzustellen, indem man es metaphorisch verdinglicht. Auch Personifizierungen werden als ontologische Metaphern verstanden. (vgl. Lakoff/Johnson 2004 [1980]: 35-45). Ein Fußballspiel kann als eine ontologische Gefäßmetapher verstanden werden: „Ein FuSSballspiel ist ein GefäSS“ dessen metaphorische Ausdrücke z.B. „im Spiel sein“, „den Ball aus dem Spiel befördern“ wären.
Bei Orientierungsmetaphern strukturiert nicht ein Konzept ein anderes – Orientierungsmetaphern sind solche, bei denen „ein ganzes System von Konzepten in ihrer wechselseitigen Bezogenheit strukturiert wird“ (ebd.: 22). Diese metaphorischen Konzepte entspringen hauptsächlich der menschlichen Erfahrung mit Orientierungen im Raum. Unter diese Orientierungsmetaphern fallen Konzepte wie: „WACH SEIN IST OBEN“ und „SCHLAFEN IST UNTEN“. Ihnen kann man die sprachlichen Metaphern „Ich stehe auf“, „Wach auf“ auf der einen und „Er versank in tiefen Schlaf“, „Er fiel ins Koma“ auf der anderen Seite zuordnen (alle Beispiele ebd.: 23). Eine andere Orientierungsmetapher, die nach der oben-unten-Orientierung arbeitet, wäre „GUT IST OBEN“ und „SCHLECHT IST UNTEN“. So sagt man z.B.: „Die Entwicklung zeigt nach oben“, „Letztes Jahr haben wir eine Spitze erreicht, aber nun geht es wieder bergab“ (ebd: 25).
In der weiteren Entwicklung werden alle Arten von Konzeptmetaphern zu so genannten „ICMs“ (Idealized Cognitive Models) (Lakoff 1987: 68) deklariert und in einen größeren, strukturellen Zusammenhang mit anderen ICMs[6] gebracht, die andere Arten der kognitiven Strukturierung benennen. Im Rahmen dieser Arbeit kann darauf aber nicht weiter eingegangen werden. Ich werde daher weiterhin den Begriff Konzeptmetapher für das übergeordnete Paradigma benutzen.
Generell ist zu sagen, dass alle metaphorischen Konzepte einerseits in kulturellen Erfahrungen und andererseits in physischen Welterfahrungen gründen. (ebd.: 71). Im Unterschied zu Weinrich sind für Lakoff/Johnson nicht die einzelnen metaphorischen Ausdrücke entscheidend. Für ihre Theorie sind die übergeordneten generalisierenden Konzeptmetaphern bedeutend. Dieses Faktum wird häufig kritisiert: „Problematisch ist vor allem die Ausschließlichkeit der Zentrierung auf die Ebene der übergeordneten Kognition, die […] der Gefahr unterliegt, dass alles in den Kopf verlagert und damit essenzialisiert [sic!] wird“ (Döring/Osthus 2002: 23). Die metaphorischen Ausdrücke, die wir in unserer Analyse finden wollen, interessieren nach Lakoff/Johnson nur am Rande und zwar in der Hinsicht, wie sie für übergeordnete Konzeptmetaphern Evidenzen bilden. Für unsere Untersuchung wird die Strukturmetapher am wichtigsten sein, da wir eine textfunktionale Metaphernanalyse durchführen werden. Aufgrund der strukturellen Ähnlichkeit von Krieg und Fußball, zumindest in unserer Kultur, ist davon auszugehen, dass kriegerische Begriffe in beiden Korpora gehäuft vorkommen werden.
Weinrichs und Lakoff/Johnsons Konzepte sind in ihrer Struktur sehr ähnlich. Sie unterscheiden sich aber hinsichtlich ihres Gegenstandsbereichs. Während Weinrich Metaphern in Texten untersucht und dabei eher Rückschlüsse auf ihre kommunikative Funktion zieht bzw. den (poetischen) Effekt von Metaphern und diesen dem lexikalischen Wissen des Metapherninterpreten überlässt, sind Lakoff/Johnson daran interessiert, die Verknüpfung von Kognition und Sprache als metaphorisch zu belegen. Ihre Theorie impliziert, dass der Mensch durch seine metaphorisch strukturierte Kognition quasi gezwungen ist, metaphorisch zu sprechen. Er ist demnach nicht in der Lage, während eines natürlichen Sprechaktes seinen metaphorischen Sprachgebrauch zu kontrollieren, um bestimmte Metaphern etwa intentional zu benutzen. So ist auch Lakoff/Johnsons Begriff der kreativen und der konventionellen Metapher ein anderer. Im Grunde genommen gibt es bei ihnen nur konventionelle Alltagsmetaphern. Kreative Metaphern entstehen nur mit der Schöpfung einer neuen Konzeptmetapher, da diese den Angelpunkt der Theorie bildet.
Gemeinsamkeiten zwischen Lakoff/Johnsons und Weinrichs Theorie bestehen darin, dass sie erstens von zwei in sich semantisch strukturierten Domänen ausgehen, die sich überlagern: Bildspender – Bildempfänger bzw. source domain – target domain. In beiden Theorien werden diese Domänen einem übergeordneten Paradigma untergeordnet: Bildfeld und Konzeptmetapher. Diese Paradigmen enthalten die ihnen untergeordneten sprachlichen Metaphern bzw. metaphorische Ausdrücke, die in der Alltagssprache oder in Texten materialisiert vorfindbar sind. Dabei stützen sich die metaphorischen Ausdrücke gegenseitig und stabilisieren somit auch die Paradigmen, in die sie eingeordnet sind. Durch diese gegenseitige Projektion werden in beiden Fällen bestimmte Eigenschaften des Zielbereichs (Bildempfänger oder target domain) hervorgehoben und andere verdeckt. Zudem sind Bildfelder und Konzeptmetaphern nicht eindeutig abgrenzbar von ihren benachbarten Bildfeldern und Konzeptmetaphern (vgl. Michels 2002: 43). Die notwendige Unterscheidung beider Metapherntheorien besteht nach wie vor im Gegenstandsbereich, wonach die Metapher für Weinrich (1976) ein Phänomen ist, das nur in einem Text existiert und funktioniert. Für Lakoff/Johnson (1980) existieren Metaphern als die Kognition strukturierende Phänomene, die einer Textproduktion vorhergehen. Da meine Analyse auf einem Text basiert, muss wird eine funktionale Metaphernanalyse vorgenommen. Kognitive Schlussfolgerungen ergeben sich aus der Auswertung der Verteilung der gefundenen source domains.
2.2 Sprache in den Medien
Aufgrund der vorliegenden Untersuchungskorpora beziehen sich die folgenden Überlegungen sowohl zur Sprache im Fernsehen als auch im Radio in erster Linie auf die Textform der Direktganzreportage eines Fußballspiels. Hier sind für die Textkonstitution vor allem die Gleichzeitigkeit von Geschehen und der Reportage maßgebend. Z.B. bei Nachberichten können andere Faktoren ausschlaggebend sein. „Die Art der Berichterstattung und das übertragende Medium nehmen also wesentlichen Einfluss auf das Bild, welches der Zuschauer von einem Sportereignis bekommt“ (Michels 2002: 46).
2.2.1 Sprache in der Radio-Live-Reportage und die Rolle des Reporters
Bei einer Fußballdirektreportage überträgt ein Radio
„die Emotionen eines Sprechers, der das Spiel im Stadion erfasst. Mit seiner Stimme verwandelt der Reporter die Ereignisse im Moment ihres Geschehens in Gefühle und überträgt diese mit Worten, Lautstärke, Tonlage, Sprechtempo, Ausrufen und Pausen auf seine Hörer. Wer der Stimme im Radio zuhört, gehört in diesem Moment dem Sprecher.“ (Gebauer 2006: 64).
Zunächst einmal ist das Radio eine massenmediale Institution, in unserer Untersuchung eine öffentlich-rechtliche, die, wie alle Massenmedien, per Gesetz einen bestimmten gesellschaftlichen Auftrag verfolgt: Informations- bzw. Nachrichtenbeschaffung, -verbreitung und Meinungsbildung. (BbgPG[7]: §3). Außerdem wird den Massenmedien zusätzlich eine unterhaltende Funktion zugesprochen.[8] Diese Aspekte werden mit Hilfe eines technischen und eines redaktionellen Apparates größtmöglich zur Geltung gebracht. Dabei sind für einen störungsfreien Sendeablauf, analog einer reibungslosen Kommunikation, Techniker notwendig, die die erforderliche Aufnahme-, Schnitt-[9] und Übertragungstechnik so konfigurieren und bedienen, dass rein akustisch ein einwandfreies Signal beim Radiogerät des Hörers ankommt und von diesem ausgestrahlt wird. Die Redaktion ist für die inhaltliche Gestaltung einer Sendung zuständig. Sie sollte inhaltliche Elemente einer Sendung nach bestem Wissen und Gewissen recherchieren, so dass es auch in dieser Hinsicht zu keinem ungewollten Kommunikationsproblem mit dem Rezipienten kommt. So sollten für eine Fußballreportage z.B. Fakten über die Spieler verfügbar sein, mit denen der Reporter zusätzliche Aussagen zu den Spielern treffen kann. Dabei sind gemeinsames Faktenwissen von Hörer und Reporter genauso Grundlage der Kommunikation, wie geteilte kognitive Konzepte (siehe Lakoff/Johnson 2004 [1980]). Auch die Bedeutung bspw. eines bestimmten Spiels kann durch vorherige Recherche[10] adäquat eingeschätzt und in der Reportage dann in Beziehung zu bestimmten Situationen gesetzt werden.
Die wichtigste Figur im Radio und insbesondere in der Fußball-Live-Reportage ist aber derjenige, dem die Stimme aus dem Radio gehört: der Moderator (der Sendung) bzw. der (Live-) Reporter des Spielgeschehens. Er ist, nach Abzug aller technisch zwischengeschalteten Mittel, die direkte Verbindung zum Zuhörer und muss für diesen in einseitig gerichteter Kommunikation ein Fußballspiel erzeugen. Von seinem Sprachvermögen hängt es hauptsächlich ab, was beim Zuhörer vom Spiel ankommt und womit der Zuhörer „arbeiten“ kann. Denn schließlich ist Verstehen eine Sache des Empfängers und unter Umständen sogar sein Beitrag, den er zum Gelingen der Kommunikation einzubringen hat. (siehe Luhmann 1987). Der Reporter jedoch muss mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln – verbale (Worte), nonverbale (Pausen) und paraverbale (Lautstärke und Tonlage) Zeichen – den akustischen Kanal ausfüllen und das Geschehen so anschaulich (verstehbar) wie möglich wiedergeben und damit die Verstehensarbeit des Hörers vereinfachen.[11]
Gunter Gebauer macht in seinem relativ kurzen Abschnitt zum Thema Fußball im Radio ein paar treffende Beobachtungen. So beschreibt er den Effekt der Stimme des Reporters beim Zuhörer folgendermaßen: „Ihren Bericht begleitet der Hörer mit inneren Bildern, die er aus seinen Imaginationen erzeugt“ (Gebauer 2006: 64). Dankert setzt den Reporter in den Fokus, der „die ihm gestellte Aufgabe gelöst [hat], wenn er dem Zuhörer die Wirklichkeit eines sportlichen Geschehens so plastisch schildert, dass der Zuhörer diese Realität zu sehen meint“ (1969: 94). Sowohl Gebauer als auch Dankert beziehen sich auf die Idee, reale Vorgänge mit Hilfe der Sprache zu verbildlichen (vgl. auch Rosenbaum 1969: 18ff u. 45). Vor allem, wenn Aktionen auf dem Spielfeld direkt wiedergegeben werden müssen, ist der Reporter auf seine sprachlichen Fähigkeiten und spontanes Sprechen angewiesen. „Der Sprecher übersetzt Bewegung in Sprache, etwas sinnlich Wahrnehmbares in die Abstraktion des Lautzeichens“ (Rosenbaum 1969: 17). Um dem Informationsanspruch des Zuhörers gerecht zu werden, ist das Hauptziel des Reporters das Entstehenlassen von Bildern in der Form der Sprache. Und innerhalb der Sprache sind es u.a. Metaphern, die dem bildlichen Sprechen eine Form geben. (siehe u.a. Weinrich 1976: 318 u. Gebauer 2006: 64). Die Schwierigkeit besteht darin, dass der Reporter das spontan und unmittelbar erfüllen muss. (vgl. Dankert 1969: 94). Die Gleichzeitigkeit des Spielablaufs und seine Vertextung machen es dem Reporter eigentlich unmöglich eine durchdachte Textplanung vorzunehmen. Hinzu kommt die Ungewissheit über das, was als Nächstes passieren wird. Ein Sportreporter kann zwar aufgrund seiner Erfahrung einige Varianten antizipieren, aber er kann dennoch nie absolut sicher sein, welche Spielsituation sich an eine vorherige anschließen wird. Im Grunde kann sich der Reporter nur auf seine Erfahrung und seine Intuition während der Reportage verlassen.
Der Reporter gibt dabei nicht das gesamte Spiel in Echtzeit wieder, sondern hebt bestimmte Situationen hervor, wie „Bildfetzen“ (Gebauer 2006: 64), die eine gewisse Plötzlichkeit besitzen. Da das Spiel im Verhältnis zur menschlichen Sprechfähigkeit viel zu viele potentielle Informationen (große Spieleranzahl, ständige Positionswechsel usw. (vgl. Dankert 1969: 99)) produziert, ist der Reporter gezwungen, eine Auswahl zu treffen und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Seine fachliche Kenntnis sollte ihm dabei helfen, einschätzen zu können, welche Szenen wichtig sind und warum gerade diese Szenen über den Äther transportiert werden sollten.[12] Neben den vielen Informationen, die ein Spiel gleichzeitig bietet, laufen die Ereignisse zusätzlich in hoher Geschwindigkeit ab und erschweren es dem Reporter zusätzlich, eine Auswahl an erzählenswerten Szenen zu treffen. Rosenbaum unterscheidet daher zwischen „Aktionstext“ (1969: 28f) und „Nachtragstext“ (ebd.:29), wobei Ersterer produziert wird, während das Spiel läuft, und der Letztere in den Spielunterbrechungen vom Reporter produziert wird, um verpasste Momente „nachzutragen“ bzw. um nachzuholen, was im Eifer des „Gefechts“ nicht sagbar war.
Laut Dankert (1969) gibt es zwei „Orientierungshilfen“ für den Reporter: Erstens hat das Spiel einen normierten und geregelten Ablauf. Auch wenn es sich jedes Mal um ein neues Spiel handelt, so sind viele Handlungsabläufe im Fußballsport sowohl dem Sprecher als auch den meisten Hörern so geläufig, dass bestimmte Spielvarianten eine so geringe Eintreffenswahrscheinlichkeit besitzen, dass sie vom Sprecher nicht mitgedacht werden müssen (vgl. Dankert 1969: 95). Zweitens sind selbst mehrere Varianten, die auf bestimmte Spielzüge folgen können, in der Sportsprache, auch in Form von Metaphern, erfasst, so dass der Reporter davon ausgehen kann, verstanden zu werden (vgl. Dankert 1969: 95).
Eine zusätzliche Aufgabe des Reporters ist es, Gefühle zu evozieren, denn: „Das Ideal der Sportreportage ist nicht die Übereinstimmung der Worte mit der Wirklichkeit, sondern eine Übereinstimmung der Emotionen“ (Gebauer 2006: 64). Der Zuhörer soll nicht nur informiert werden, er soll miterleben und das unmittelbar. (vgl. Dankert 1969: 93). Über sprachlich und paraverbal transportierte Emotionen soll der Hörer befähigt werden, sich ein Bild von der Situation, die er nicht sehen kann, zu machen. Der Reporter löst im Hörer Spannung aus, um diesen zum Teil des Geschehens werden zu lassen und das in einer „der Spannung und Dynamik des Sportereignisses angemessenen Sprache“ (Dankert 1969: 94). Rosenbaum (1969: 17) vergleicht die Leistung des Reporters mit der eines Simultandolmetschers. Wobei er diesen Vergleich selbst relativiert, indem er zum einen die wesentlich größere Selektionsleistung des Reporters hervorhebt und zum anderen betont, dass der Reporter eine „sprachschöpferische Aufgabe hat“ (ebd.), indem er aus einem anderen Sinnesbereich (Sehen und Hören) in die Sprache übersetzen muss, wohingegen der Dolmetscher im „gleichen (geistigen) Seinsbereich“ bleibt (ebd.), da sein Ausgangsmaterial bereits von Sprache gebildet wird.
Die Versprachlichung der Geschehnisse durch den Reporter wird im Wesentlichen von zwei Hauptmerkmalen beeinflusst – zum einen vom Sprecher selbst und zum anderen von der Sprechsituation. (Rosenbaum 1969: 18ff).
Die Sprechsituation wird charakterisiert durch a) Ort und Zeit des Geschehens, b) Witterungsbedingungen, c) handelnde Gruppen und Personen, deren Zusammensetzung sich permanent ändert, d) das Geschehen selbst in seinen multiplen Gestalten und seiner Unwiederholbarkeit, e) die „moralische Hypothek“ bzw. die Spannung, die sich aus der Einbettung des Spiels in einen übergeordneten Bedeutungskontext ergibt und schließlich f) den Zuschauermassen, die eine „akustische Kulisse“ (ebd.) bilden und den Zuhörern eine Art Kontrolle über die Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit der Aussagen des Reporters geben (ebd.).[13]
Neben den äußeren Faktoren der Sprechsituation wird die Versprachlichung auch von dem Sprecher immanenten Faktoren beeinflusst. Diese sind: a) sein Temperament, b) seine sprecherischen Anlagen wie Klangfarbe und Artikulationsschärfe, c) vom Sprachinhalt abhängige Kennzeichen wie: Tempo, Dynamik, Melodieführung, d) sein Sprachvermögen, aufgeteilt in den aktiven Wortschatz und aktive Satzmodelle. Außerdem wirken auch persönliche Einflüsse auf den Sprecher bei seiner Realisation der Sprechsituation wie z.B. seine soziale Herkunft und sein augenblicklicher seelischer Zustand und natürlich sein thematischer Wissenstand ein. (ebd.).
All diese Merkmale können je nach Situation und Sprecher unterschiedlich gewichtet sein, wobei die Faktoren sich auch gegenseitig beeinflussen können. Sie sind außerdem uneingeschränkt auf das Fernsehen übertragbar, haben dort aber wieder eine andere Gewichtung als im Radio.
[...]
[1] Der Kommentator kann während des Spiels in seinem Kommentar z.B. auf die Bedeutung des Spielausgangs innerhalb eines Turniers hinweisen und somit eine Spannung erzeugen, deren Ursprung außerhalb des kommentierten Spiels liegt.
[2] Radio, Fernsehen und Printmedien.
[3] Charles W. Morris (2000) setzt zur Dekodierung von (sprachlichen) Zeichen die Analyse der Beziehung des Zeichens zu drei Ebenen voraus: der syntaktischen, der semantischen und der pragmatischen Ebene.
[4] In der deutschen Übersetzung ist dieser Term angegeben. Besser wäre es „argument is war“ mit „Streit ist Krieg“ zu übersetzen. Osthus (2000: 103) übersetzt es als „Debatte ist Krieg“.
[5] Lakoff/Johnson (2004 [1980]) betonen die unterschiedlichen Elemente visuell, indem sie Konzeptmetaphern nur in GroSSbuchstaben schreiben und sprachliche metaphorische Ausdrücke in „normaler Rechtschreibung“ realisieren.
[6] Die anderen ICMs sind „propositional“, „image-schematic“ oder „metonymic“ (Lakoff 1987: 68).
[7] Brandenburgisches Landespressegesetz vom 13. Mai 1993.
[8] Die unterhaltende Funktion ist nicht zu unterschätzen, da sie ein ausschlaggebender Faktor für die Medienwahl der Rezipienten sein kann.
[9] Auch in Radio-Live-Reportagen wird Schnitttechnik benötigt, da auch hier analog zum Fernsehen auf besondere Vorkommnisse während des Spiels in den Halbzeitpausen noch einmal rekurriert wird. Siehe auch Kapitel 5 „Korpus“.
[10] Diese dürfte nicht aufwendig sein, da Fußball zumindest in der europäischen Gesellschaft so präsent ist, dass die Bedeutung großer Fußballspiele schon im Vorhinein meist breit diskutiert wird.
[11] Siehe auch Zitat auf Seite 16 (Gebauer 2006).
[12] Meist ist es der Reporter, der durch seine Beobachtung und sprachliche Wiedergabe erst festlegt, welche Spielereignisse als Szene gelten. Er hat die Deutungshoheit.
[13] Zu detaillierten Ausführungen der einzelnen Faktoren der Sprechsituation und des Sprechers siehe Rosenbaum 1969: 18ff.
- Citar trabajo
- Bachelor of Arts Sebastian Möring (Autor), 2006, Metaphern in der Fußball-Berichterstattung im Radio und Fernsehen, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/83312
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