Nach der Öffnung Japans durch den Amerikaner Commodore Matthew C. Perry im Jahr 1853 und den daran anschließenden Zusammenbruch des Bakufu war die neue japanische Regierung mit vielen Problemen konfrontiert. Zum einen ist die innenpolitische Situation zu nennen. Japan war innerhalb weniger Jahre von einem mittelalterlich-feudalistischen Staat gezwungener Weise zu einem modernen Staat geworden. Dadurch veränderten sich die Gesellschaftsstruktur, das politische System und natürlich die Außenpolitik radikal.
Der Hauptaspekt dieser Arbeit liegt auf dem letzteren Punkt. Es wird zu untersuchen sein, wie es Japan gelang, nach über 200-jähriger Isolation in kurzer Zeit nicht nur auf die neue außenpolitische Situation zu reagieren, sondern darüber hinaus das Wirken westlicher Diplomatie zu verstehen und für die eigenen Zwecke zu nutzen. Ende der Meiji-Zeit war Japan die einzige nichtwestliche Großmacht in Ostasien. Die Frage ist nun, wie man sich den imperialistischen Westmächten erwehren und gleichzeitig zu dieser Großmachtstellung gelangen konnte. Historisch ist dies von großer Bedeutung, da in der Meiji-Zeit die außenpolitischen Grundlagen gelegt wurden, die letztlich in einen extremen Expansionismus führten, der wiederum in letzter Konsequenz den Pazifikkrieg auslöste. In dieser Arbeit wird jedoch nur auf die Außenpolitik der Meiji-Zeit, also vom Jahr 1868 bis 1911 eingegangen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die ersten Außenpolitischen Tätigkeiten der Meiji-Regierung
3. Die Iwakura-Mission (Iwakura-shisetsudan岩倉使節団)
4. Die südliche Expansion Japans
5. Die Öffnung Koreas und ihre Konsequenzen
6. Die endgültige Revision der ungleichen Verträge
7. Der chinesisch-japanische Krieg
8. Der japanisch-russische Krieg
9. Die Annexion Koreas
10. Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Nach der Öffnung Japans durch den Amerikaner Commodore Matthew C. Perry im Jahr 1853 und den daran anschließenden Zusammenbruch des Bakufu war die neue japanische Regierung mit vielen Problemen konfrontiert. Zum einen ist die innenpolitische Situation zu nennen. Japan war innerhalb weniger Jahre von einem mittelalterlich-feudalistischen Staat gezwungener Weise zu einem modernen Staat geworden. Dadurch veränderten sich die Gesellschaftsstruktur, das politische System und natürlich die Außenpolitik radikal.
Der Hauptaspekt dieser Arbeit liegt auf dem letzteren Punkt. Es wird zu untersuchen sein, wie es Japan gelang, nach über 200-jähriger Isolation in kurzer Zeit nicht nur auf die neue außenpolitische Situation zu reagieren, sondern darüber hinaus das Wirken westlicher Diplomatie zu verstehen und für die eigenen Zwecke zu nutzen. Ende der Meiji-Zeit war Japan die einzige nichtwestliche Großmacht in Ostasien. Die Frage ist nun, wie man sich den imperialistischen Westmächten erwehren und gleichzeitig zu dieser Großmachtstellung gelangen konnte. Historisch ist dies von großer Bedeutung, da in der Meiji-Zeit die außenpolitischen Grundlagen gelegt wurden, die letztlich in einen extremen Expansionismus führten, der wiederum in letzter Konsequenz den Pazifikkrieg auslöste. In dieser Arbeit wird jedoch nur auf die Außenpolitik der Meiji-Zeit, also vom Jahr 1868 bis 1911 eingegangen. Dazu wird im Folgenden ein Überblick über die ersten außenpolitischen Schritte der neuen Regierung gegeben. Daraufhin schließt sich ein Abschnitt über die Revision der so genannten „ungleichen Verträge“ an. Des Weiteren werden die ersten beiden Kriege Japans nach der Edo-jidai mit den Großmächten China und Russland beleuchtet sowie auf die Kolonisation Koreas eingegangen.
2. Die ersten Außenpolitischen Tätigkeiten der Meiji-Regierung
Bei der Ausgestaltung einer modernen Außenpolitik ergaben sich für die Meiji-Regierung historische Hypotheken, die es zu beseitigen galt. Im Hinblick auf die ostasiatischen Nachbarn, hierbei besonders China und Korea, bestand das hauptsächliche Problem darin, dass die außenpolitischen Kontakte immer unter der Vorraussetzung einer „chinesischen Weltordnung“[1] zu begreifen waren. Dieses System sah eine klassische Diplomatie in westlichem Sinne nicht vor. Die Prinzipien der ostasiatischen Außenbeziehungen waren eindeutig konfuzianisch geprägt und somit einer strengen Hierarchie unterworfen. Westliche Begriffe wie staatliche Souveränität, Nation oder Gleichheit verschließen sich dieser Weltordnung.[2] Im Mittelpunkt der staatlichen Hierarchie Ostasiens stand China als „Reich der Mitte“. Der chinesische Kaiser wurde als Bindeglied zwischen Kosmos und Erde angesehen, daher rührt der chinesische Überlegenheitsgedanke gegenüber seinen Nachbarn. Die ebenfalls konfuzianisch geprägten Staaten an den Grenzen Chinas, Korea, Vietnam, das Inselkönigreich Ryûkyû (琉球)sowie Japan, wurden als Vasallenstaaten Chinas angesehen, die China auch Tribut entrichten mussten. Alle übrigen Staaten und Völker wurden von chinesischer Sichtweise aus darunter angesiedelt und als „Barbaren“ betrachtet.
Nun muss jedoch angemerkt werden, dass sich Japan selbst nicht als Vasallenstaat Chinas betrachtete und sich auch in der Hierarchie nicht als China unterlegen empfand. Die Begründung dafür liegt darin, dass Japan ebenfalls einen Kaiser an der Spitze des Staates besaß, der sich als direkten Nachkommen des Himmels ansah und somit nicht unterhalb des chinesischen Kaisers rangieren konnte, sondern ihm mindestens ebenbürtig, eigentlich sogar überlegen war.
Dennoch hatte das chinesische Weltbild selbstverständlich erheblichen Einfluss auf die japanischen Außenbeziehungen, weil alle Nachbarstaaten Japans dieses Weltbild und somit auch Chinas Verantwortung und Einfluss auf die Politik dieser Staaten akzeptierten.
Die andere historische Hypothek in der japanischen Außenpolitik war das Verhältnis zu den westlichen Staaten. Die Japaner waren aufgrund ihrer 200-jährigen Isolation sowie der Zugehörigkeit zum oben erwähnten chinesischen Weltbild nicht in der Lage adäquat auf die neuen Herausforderungen, die sich durch das Auftauchen der westlichen Staaten ergeben hatten, zu reagieren. Durch die Unkenntnis der westlichen diplomatischen Gepflogenheiten sowie die technische und militärische Unterlegenheit Japans gegenüber dem Westen war es den Europäern und Amerikanern gelungen Handelsverträge mit Japan abzuschließen, die die Souveränität Japans extrem einschränkten. Auf diese „ungleichen Verträge“ wird in dieser Arbeit noch detaillierter eingegangen.
Schon im April 1862, also noch während der Bakumatsu-Zeit(幕末時代), war es dazu gekommen, dass das traditionelle chinesische Weltbild von Japan versucht wurde aufzulösen und eine Außenpolitik westlicher Prägung zu etablieren. Eine japanische Delegation reiste damals nach Shanghai, um einen Handelsvertrag zwischen Japan und China abzuschließen. Dieser wurde aber von chinesischer Seite abgelehnt. Daraufhin versuchte sich Japan als Vermittler zwischen Korea und den westlichen Mächten. Korea hatte sich gegenüber dem Westen zu einer Abschließungspolitik entschieden. Da die Japaner ein militärisches Eingreifen der Westmächte gegenüber Korea befürchteten, boten sie sich 1867 als Vermittler in diesem Konflikt an. Sie sandten Botschafter nach Korea. Diese wurden vorerst abgelehnt, da das japanische Vorgehen völlig den traditionellen Kontakten beider Länder widersprach. Vorher hatte es nur in Pusan Handelstätigkeiten beider Länder gegeben, die auf japanischer Seite vom Han Tsushima aus organisiert wurden. Nachdem die japanischen Gesandten von den Koreanern abgelehnt worden waren, plante das Bakufu(幕府) eine Gesandtschaft direkt in die koreanische Hauptstadt Seoul zu entsenden. Sie nahm dabei in Kauf, dass es eine militärische Auseinandersetzung mit Korea hätte provozieren können, da das japanische Vorgehen einen starken Bruch mit der ostasiatischen Tradition bedeutete. Soweit kam es aber aufgrund der sich zuspitzenden innenpolitischen Krise in Japan nicht. Dennoch werden aus diesen beiden ersten außenpolitischen Handlungen nach der Landesöffnung die Grundprinzipien der japanischen Außenpolitik deutlich:
1. politische Einflussnahme auf China und Korea
2. eine auf Sicherheit fokussierte Außenpolitik in Bezug auf den Westen
3. eine mögliche Südexpansion Japans
Um diese Probleme zu überwinden, sollte die westliche Diplomatie studiert werden und man gelangte zu der Einsicht, dass sich Japan nur dann gegenüber den neuen Herausforderungen behaupten konnte, wenn man selbst seinen Machtbereich expandierte.[3] Als Motto fungierte dabei der Ausspruch „Fukoku-Kyôhei“(富国強兵Reiches Land-Starke Armee).
Am Anfang der Meiji-Zeit war die neue Regierung zu einer solch aggressiven Außenpolitik nicht im Stande. Da sie nicht über Geld oder eine verlässliche Armee verfügte, war ihr Handlungsspielraum anfangs stark eingeschränkt.[4] Daher fielen die ersten Handlungen außenpolitischen Ausmaßes eher bescheiden aus. Die erste war der Umzug der kaiserlichen Residenz von Kyôto nach Edo, das daraufhin in Tôkyô umbenannt wurde. Die Namensgebung lässt jedoch schon auf die Stoßrichtung der neuen Außenpolitik schließen. Bei der Benennung der neuen Hauptstadt folgte man nämlich den Empfehlungen des Bakumatsu-Gelehrten Satô Nobuhiro, der diesen Namen in seinem Plan erwähnte, dass Japan die Weltherrschaft erringen solle.[5]
Die zweite außenpolitische Aktivität war die Einrichtung eines Büros für auswärtige Angelegenheiten im Februar 1868 (gaikokukan外国間). Sein erster Leiter war der ehemalige Daimyô von Uwajima Date Munenari.
1869 wurde das Büro dann offiziell in Außenministerium (gaimushô外務省) umbenannt. Der neue Leiter wurde Sawa Nobuyoshi. Dieses Ministerium war in der Folge für alle Außenbeziehungen Japans zuständig, abgesehen von denen zu Korea, die vorübergehend weiterhin von Tsushima aus gestaltet wurden. Diese Aufrechterhaltung der traditionellen Werte in den Außenbeziehungen endete zwischen den Jahren 1872-1873. In diesem Zeitraum wurde Tsushima als Zwischenstation bei Verhandlungen mit Korea abgeschafft und völlig dem Außenministerium unterstellt. Korea antwortete auf diesen Bruch der Tradition mit einer totalen Abschließung gegenüber Japan. Man ließ von japanischer Seite vorerst von Korea ab.
Zeitgleich war man bestrebt, die Beziehungen auf eine neue diplomatische Grundlage zu stellen. Durch die Entsendung Yanagihara Sakimitsus nach China im September 1870 durchbrach Japan den Zustand der offiziellen „Nicht-Beziehung“[6] zwischen beiden Staaten. Er war nach China gereist, um einen Freundschaftsvertrag zwischen China und Japan auszuhandeln, der auf dem Prinzip der Gleichrangigkeit basierte. Dies war ein erneuter Bruch mit den konfuzianischen Traditionen. In China löste dieser japanische Vorstoß eine heftige Kontroverse zwischen Traditionalisten, die auf die Einhaltung des chinesischen Weltbildes pochten und pragmatischen Beamten, die in Japan einen potenziellen Bündnispartner gegenüber dem Westen sahen, aus. Da Japan offen ein japanisch-westliches Bündnis androhte, für den Fall, dass China das Ersuchen ablehnte, stimmte China schließlich Verhandlungen zu.
Im Juli 1871 begannen die Verhandlungen, die auf japanischer Seite von Date Munenari und auf chinesischer Seite von Li Hung-chang geführt wurden. Japan hatte entgegen ihren Ankündigungen, einen Vertrag unter gleichgestellten Partnern aushandeln zu wollen, unter westlicher Mithilfe einen Vertragstext entworfen, der Japan mit dem Westen in Bezug auf China auf eine gleiche Stufe gestellt hätte. Dies schloss die so genante „Meistbegünstigtenklausel“[7] mit ein, die besagte, dass alle Privilegien, die anderen Staaten gewährt werden, auch für Japan gelten sollten. Zur Überraschung Japans hatte China aber seinerseits einen Vertragstext erarbeitet, der auf den ursprünglichen Forderungen der Japaner nach Gleichheit zwischen Japan und China beruhte. Nach zähen Verhandlungen wurde am 13. September 1871 der Freundschafts- und Handelsvertrag von Tientsin unterzeichnet. Er drückte dabei die Gleichheit der Vertragspartner aus. Japan konnte sich also mit seinen Forderungen nicht durchsetzen. Dennoch war dieser Vertrag der erste Schritt, die ideologische Vormachtstellung Chinas in Ostasien zu brechen. Gleichzeitig stellte er die Grundlage für künftige Konflikte zwischen Japan und China dar. Darüber hinaus war es der erste Vertrag nach westlichem Vorbild für beide Parteien.
In Japan wurden die Ergebnisse dieses Vertrages scharf kritisiert, da man in außenpolitischen Fragen einen Wandel vollziehen wollte und sich nicht China, sondern den westlichen Mächten gleichstellen wollte. Um die westliche Diplomatie zu studieren setzte man die Iwakura-Mission auf die Agenda des außenpolitischen Handelns.
3. Die Iwakura-Mission (Iwakura-shisetsudan岩倉使節団)
Die Iwakura-Mission, die nach ihrem Leiter Iwakura Tomomi benannt wurde, verfolgte zwei Ziele. Erstens sollten wertvolle Erfahrungen im Umgang mit westlicher Diplomatie gewonnen werden und zweitens sollte mit den USA und den europäischen Großmächten über eine Revision der ungleichen Verträge verhandelt werden, die wie ein Damokles-Schwert über dem außenpolitischen Handeln Japans schwebte. Ingesamt wurden drei Grundlegende Ziele der Delegation formuliert:
1. Die Übermittlung des japanischen Wunsches nach Gleichberechtigung mit den westlichen Staaten, was auch die Rückgabe der juristischen Hoheit in Japan, also die Revision der Exterritorialität der Ausländer in Japan sowie die Rückgabe der Zollautonomie einschloss;
2. Japan erhoffte sich Unterstützung beim Umbau des Staatswesens nach westlichem Vorbild;
3. die Bitte um eine Verschiebung des Verhandlungstermins, bis Japan diese inneren Reformen abgeschlossen habe.[8]
[...]
[1] Vgl. Wagner, Wieland: Japans Außenpolitik in der frühen Meiji-Zeit, Stuttgart 1990, S.29.
[2] Vgl. ebd., S.29.
[3] Vgl. ebd., S. 52f.
[4] Vgl. ebd., S. 55.
[5] Vgl. ebd., S. 56.
[6] Vgl. ebd., S. 69.
[7] Ebd., S. 70.
[8] Vgl. Araki, Tadao Johannes: Geschichte der Entstehung und Revision der ungleichen Verträge mit Japan, Marburg 1959, S. 86.
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- Magister Artium Kai Schulze (Autor), 2004, Die Außenpolitik der Meiji-Zeit, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/83263
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