Aus der Einleitung:
Die drei Herrscher, welche die Protagonisten dieser Arbeit sind, gelten
zweifellos im aktuellen kulturellen Gedächtnis als besonders herausragende
Persönlichkeiten. Augustus, der als Erbe Julius Caesars das Principat
begründete, festigte diese praktisch neue Regierungsform durch seine lange
Regierungszeit von 41 Jahren so sehr, dass seine Neuerungen bis ans Ende des
westlichen Reiches eine enorme Wirkung entfalteten und die Entwicklung des
Imperium Romanum entscheidend beeinflussten.
Sein Amtsnachfolger Konstantin der Große, der fast 300 Jahre später lebte
und regierte, reformierte wiederum das Römische Reich, indem er die
Tetrarchie des Diocletian endgültig beseitigte und zahlreiche Rechts- und
Verfassungsreformen durchführte, um die Effizienz der Verwaltung zu
steigern. Seine heute noch von vielen empfundene Größe basiert jedoch vor
allem auf seiner Bedeutung für die Anerkennung und Ausbreitung des
Christentums im Römischen Reich. Mit seiner sich langsam vollziehenden
Hinwendung zu dieser Offenbarungsreligion begann der eigentliche
Konkurrenzkampf zwischen paganen Kulten und dem monotheistischen Christentum,
an dessen Ende die Erhebung des Christentums zur Staatsreligion
steht.
Auch Karl der Große steht uns als ein Herrscher gegenüber, dessen Wirken mit
wichtigen Neuerungen und Veränderungen einherging. Die Festigung der
Herrschaft der Karolinger als Königshaus im Frankenreich ist dabei nur ein
Teilbereich, der schon von seinem Vater angegangen worden war. Die
Ausdehnung der fränkischen Herrschaft bis in das heutige Nordwest- und
Süddeutschland sowie das Erringen der Kaiserkrone sind weitere Steine in
dem Mosaik, das ihn als einen bedeutsamen Herrscher erscheinen lässt. Vor
allem die Kaiserwürde ist es, die ihn darüber hinaus in eine Kontinuitätslinie
mit Augustus und Konstantin dem Großen stellt, als deren Nachfolger er sich
selbst sah.
Im Hinblick auf diese Kontinuität in der Diskontinuität erscheinen diese drei
Herrschergestalten aus heutigem Blickwinkel als entscheidende Marken auf
dem Weg zu einem relativ einheitlichen, europäischen Kulturraum, der heute
zwar von verschiedenen Nationen und deren individuellerGeschichtsschreibung geprägt ist, dessen wirtschaftliches und politisches
Zusammenwachsen jedoch auch ein gesellschaftlich-kulturelles erforderlich
werden lässt.
(...)
Inhalt
1 Einleitung
1.1 Begriffsbestimmung von Mythos und Legende
1.2 Die Schulbuchanalyse als Methode der Geschichtsdidaktik
2 Methodische Vorüberlegungen
3 Schulbuch I: Geschichtsbuch Oberstufe
3.1 Die allgemeine Analyse
3.1.1 Formal
3.1.2 Inhaltlich
3.2 Die spezielle Analyse
3.2.1 Der Kontext der Herrscherdarstellung
3.2.2 Bildliche Darstellungen
3.2.3 Quellentexte
3.2.4 Autorentexte
3.2.5 Arbeitsaufträge
4 Geschichte und Geschehen
4.1 Allgemein
4.1.1 Formal
4.1.2 Inhaltlich
4.2 Speziell
4.2.1 Der Kontext der Herrscherdarstellungen
4.2.2 Bildliche Darstellungen
4.2.3 Arbeitsaufträge
5 Fazit: Kontinuitäten zwischen den Herrscherdarstellungen und ihre Bedeutung für die Konstruktion eines europäischen Gründungsmythos
6 Anhang
7 Quellen- und Literaturverzeichnis
7.1 Quellen
7.2 Literatur
1 Einleitung
Die drei Herrscher, welche die Protagonisten dieser Arbeit sind, gelten zweifellos im aktuellen kulturellen Gedächtnis als besonders herausragende Persönlichkeiten. Augustus, der als Erbe Julius Caesars das Principat begründete, festigte diese praktisch neue Regierungsform[1] durch seine lange Regierungszeit von 41 Jahren so sehr, dass seine Neuerungen bis ans Ende des westlichen Reiches eine enorme Wirkung entfalteten und die Entwicklung des Imperium Romanum entscheidend beeinflussten.
Sein Amtsnachfolger Konstantin der Große, der fast 300 Jahre[2] später lebte und regierte, reformierte wiederum das Römische Reich, indem er die Tetrarchie des Diocletian endgültig beseitigte und zahlreiche Rechts- und Verfassungsreformen durchführte, um die Effizienz der Verwaltung zu steigern. Seine heute noch von vielen empfundene Größe basiert jedoch vor allem auf seiner Bedeutung für die Anerkennung und Ausbreitung des Christentums im Römischen Reich. Mit seiner sich langsam vollziehenden Hinwendung zu dieser Offenbarungsreligion begann der eigentliche Konkurrenzkampf zwischen paganen Kulten und dem monotheistischen Christentum, an dessen Ende die Erhebung des Christentums zur Staatsreligion[3] steht.
Auch Karl der Große steht uns als ein Herrscher gegenüber, dessen Wirken mit wichtigen Neuerungen und Veränderungen einherging. Die Festigung der Herrschaft der Karolinger als Königshaus im Frankenreich ist dabei nur ein Teilbereich, der schon von seinem Vater angegangen worden war. Die Ausdehnung der fränkischen Herrschaft bis in das heutige Nordwest- und Süddeutschland sowie das Erringen der Kaiserkrone sind weitere Steine in dem Mosaik, das ihn als einen bedeutsamen Herrscher erscheinen lässt. Vor allem die Kaiserwürde ist es, die ihn darüber hinaus in eine Kontinuitätslinie mit Augustus und Konstantin dem Großen stellt, als deren Nachfolger er sich selbst sah[4].
Im Hinblick auf diese Kontinuität in der Diskontinuität erscheinen diese drei Herrschergestalten aus heutigem Blickwinkel als entscheidende Marken auf dem Weg zu einem relativ einheitlichen, europäischen Kulturraum, der heute zwar von verschiedenen Nationen und deren individueller Geschichtsschreibung geprägt ist, dessen wirtschaftliches und politisches Zusammenwachsen jedoch auch ein gesellschaftlich-kulturelles erforderlich werden lässt.
Wenn bei diesem Unterfangen von dem Ziel einer europäischen Geschichtskultur gesprochen wird, macht dies unweigerlich deutlich, dass momentan eine solche noch nicht ausgeprägt ist. Auf diesem Hintergrund ist die Diskussion um den Stellenwert von Mythen und Legenden für die Geschichtskultur und das Geschichtsbewusstsein zu betrachten. Denn die Frage stellt sich, auf welchen Gemeinsamkeiten eine europäische Geschichtskultur aufbauen könnte.
Als eine dieser Gemeinsamkeiten ist nun die oben beschriebene Kontinuitätslinie von Augustus über Konstantin bis hin zu Karl zu sehen, welche als Grundlage für die Entwicklung des christlichen, europäischen Abendlandes wichtige Voraussetzungen schufen. Wie die Darstellung der drei Herrscher in aktuellen Geschichtsbüchern der gymnasialen Oberstufe erfolgt und ob diese Kontinuität herausgestellt wird, soll vor allem unter dem Aspekt der Mythen- und Legendenbildung untersucht werden[5].
Als Grundlage soll dazu zunächst eine Begriffsbestimmung der alltagssprachlich oft synonym gebrauchten Begriffe Mythos und Legende erfolgen, um daraufhin die Schulbuchanalyse als Methode der Geschichtsdidaktik zu umreißen. In einem knappen zweiten Kapitel sollen dann methodische Überlegungen angestellt werden, wie diese Methode am besten auf das gewählte Thema angewendet werden kann.
Der Hauptteil dieser Arbeit wird auf einer qualitativen und quantitativen Analyse der beiden aktuell gebräuchlichen Geschichtsschulbücher „Geschichtsbuch Oberstufe“[6] sowie „Geschichte und Geschehen I, Oberstufe“[7] liegen und bildet die Grundlage für ein abschließendes Fazit. Dieses wird unter dem Aspekt der europäischen Mythenbildung Kontinuitäten in der Darstellung von Augustus, Konstantin und Karl dem Großen in den untersuchten Schulbüchern aufzeigen.
1.1 Begriffsbestimmung von Mythos und Legende
Um abwägen zu können, ob die Darstellung von Augustus, Konstantin dem Großen und Karl dem Großen in den untersuchten Schulbüchern eine Kontinuitätslinie aufweist und inwiefern eine Kontamination mit contrafaktischen Imaginationen vorliegt, ist eine genaue Begriffsbestimmung von Mythos und Legende unabdingbar.
Die ursprüngliche Verortung von Mythen und Legenden im Bereich der Religion, welchem sie in der Antike angehörten, wurde mit der Zeit säkularisiert, sodass heute im alltagssprachlichen Umgang eher eine andere Konnotation vorherrscht: Diejenige der Fiktion.
Der fiktionale Charakter ist das Element, das Mythos und Legende miteinander verbindet und das sie zugleich am schärfsten von der geschichtswissenschaftlichen Erkenntnis trennt, welche diskursiv und rational entwickelt wird[8]. Das sich häufig die von Pandell als „Pseudo-Geschichte“[9] bezeichneten Phänomene mit dem rational beweisbaren Wissen in Geschichtsbewusstsein und Geschichtskultur mischen, ist eine Hauptproblematik der Geschichtsdidaktik.
Doch auch Mythen und Legenden gilt es gegeneinander abzugrenzen, um eine saubere Argumentation zu gewährleisten.
So stellen sich Legenden als Lückenfüller einer unvollständigen Empirie dar, nehmen also mal in spekulativer, mal in schwankhafter Imagination eine sinnstiftende Funktion ein[10]. In dem Sinne erfüllen Legenden eine konkrete soziale Funktion: sie sind Ausdruck und Projektionsfläche von Utopien und sozialen Wunschvorstellungen, was ihre Ausbreitung und Rezeption einer mitunter starken dia- und synchronen Schwankung unterwirft[11].
Ein wesentliches weiteres Merkmal ist, dass die Abfolge von Quellen- und Sinnbildung in umgekehrter Reihenfolge wie in der Geschichtswissenschaft erfolgt, dass also zu vermeintlich konkret bekannten Personen und Begebenheiten Quellen gesucht werden, um ihre Existenz ‚wissenschaftlich’ zu belegen[12]. Pandell führt hierfür einige Beispiele an, unter denen mir die Arthuslegende mit Blick auf ihre starke Rezeption und Historisierung bis heute das beste zu sein scheint[13].
Der Mythos andererseits rekurriert auf eine ähnliche empirische Basis wie die Geschichtswissenschaft und belässt die Sinnbildung als Folge des Quellenbefundes. Wo der Mythos aber in die Fiktionalität gleitet, ist in seiner Funktion, die sich als Weltdeutung konstruiert. Durch Faszination für einen Gegenstand wird so rationales Denken bei der Beschäftigung mit dem Mythos ausgeschlossen. Die Übertragung oder Verallgemeinerung von Eigenschaften oder Vorgängen trägt durch ihren Bezug auf die konkrete Lebenssituation des Menschen zu dieser Faszination bei. Dadurch können Mythen, gerade Gründungsmythen und der Typus der Gründungs- oder Vaterfigur zu Identität stiftenden Faktoren werden, deren Abgrenzung nach außen hin schnell eine Übersteigerung erfahren kann[14].
Gerade im Hinblick auf die Fiktionalität von Mythen und Legenden scheint eine generelle Ablehnung dieser Textsorten im Geschichtsunterricht sinnvoll, jedoch möchte ich mich der Einschätzung Pandels anschließen, dass das Geschichtsbewusstsein mit Mythen und Legenden konfrontiert werden kann und soll, „[…] aber nur so lange, wie die Fiktion sich als Konstrukt zu erkennen gibt.“[15] Denn „[…] die Gefahr liegt nicht in der Zunahme des Fiktiven, sondern in der Abnahme des Realen.“[16]
In diesem Sinne soll also die Analyse der vier zu untersuchenden Schulbücher unternommen werden.
1.2 Die Schulbuchanalyse als Methode der Geschichtsdidaktik
Als internationaler Standardgeber der Schulbuchforschung kann das Georg-Eckert-Institut gelten, in dessen Publikationsreihe das „Unesco Guidebook on Textbook Research and Textbook Revision“[17] erschienen ist und Kategorien liefert, die allgemein anerkannt sind und weltweite Verwendung finden.
Unterschieden werden kann in der Schulbuchforschung zunächst zwischen qualitativer und quantitativer Methode, wobei vorab schon gesagt sei, dass auch ein integrativer Ansatz existiert, der beide Richtungen zusammenführt.
Der qualitative Ansatz basiert maßgeblich auf der hermeneutischen Textanalyse und fragt nach der Semantik des Textes, was er sagt und was er verschweigt. Der Blick auf die Perspektive spielt dabei ebenso eine Rolle wie die Balance zwischen Wissenschaftlichkeit und didaktischer Reduktion. Gerade die Werte und Normen, die dem Schulbuch zugrunde liegen, können hierdurch herausgestellt werden[18].
Der quantitative Ansatz hingegen geht auf die äußere Form des Textes ein. Die Häufigkeit der Nennung von Begriffen, Personennamen oder Gruppenbezeichnungen sowie die relative und absolute Zuweisung der Raumgröße für ein Thema lassen Schwerpunkte und damit Selektionskriterien erfassbar werden[19].
Um diese beiden Ansätze möglichst fruchtbringend miteinander zu verschmelzen, wurde wie oben bereits erwähnt ein integrativer Ansatz entwickelt, der als kontingente Analyse bezeichnet wird[20]. Hierbei werden nicht nur textimmanente Verfahren eingesetzt, welche die semantische und syntaktische Struktur des Schulbuchs nach den Maßgaben der Linguistik untersuchen[21]. Es werden außerdem diskursanalytische Verfahren angewandt, die das Schulbuch nicht allein betrachten, sondern es in eine Untersuchungsreihe verschiedener Schulbücher stellen, um dadurch eine breitere empirische Basis zu erhalten[22]. Hinzu kommt die Analyse des Schulbuchs auf dem Hintergrund zeitgenössischer Diskurse, die direkte oder indirekte Bezugspunkte zu dem im Schulbuch behandelten Thema aufweisen. Beispielhaft dafür wäre etwa der in der Einleitung angeführte Europadiskurs bzw. der Identifikationsdiskurs. Während das diskursanalytische Verfahren das Schulbuch also in den gesellschaftlichen und geschichtskulturellen Kontext einzubetten versucht, geht die linguistische Analyse z.B. auf die Attributierung von Begriffen, Personen oder Gruppen ein. der Blick auf die Subjekt-Objekt-Beziehung und darauf, ob Einzelpersonen oder Gruppen als Handelnde dargestellt werden, entspricht auf syntaktischer Ebene ebenfalls dem linguistischen Ansatz[23].
2 Methodische Vorüberlegungen
Die Analyse der Schulbücher soll zunächst einzeln erfolgen, wobei zwischen einem allgemeinen ersten Teil und einem spezielleren zweiten Teil unterschieden werden wird. Im allgemeinen Teil werden formale und inhaltliche Aspekte behandelt, die das gesamte Schulbuch betreffen, um damit den Kontext des Untersuchungsgegenstandes zu charakterisieren.
Unter den Formalia interessieren die Herausgeber und Autoren, die Auflage und das Erscheinungsjahr sowie der Gesamtumfang des Schulbuches sowie der den einzelnen Themen[24] zur Verfügung gestellte Platz.
Besonderes Augenmerk wird dann unter dem inhaltlichen Aspekt auf den Vorbemerkungen der Schulbücher liegen, welche als konkrete Abbildungen des Anspruchs der Herausgeber eine wichtige Quelle sind. Außerdem wird zu untersuchen sein, welche Themen überhaupt behandelt werden und welche unter Umständen außen vor gelassen wurden. Ob und wie eine epochale Periodisierung vorgenommen wird, interessiert gerade im Hinblick auf den Übergang von Antike zu Mittelalter, da Konstantin als einer der Protagonisten dieser Arbeit an jener Epochengrenze anzusiedeln ist. Darüber hinaus kann auch die zeitliche und örtliche Perspektive erste Hinweise auf eine eher europäisch oder eher national ausgerichtete Sicht auf die Geschichte geben.
Die Darstellung der Subjekt-Objekt-Beziehung im historischen Geschehen muss untersucht werden, um dies in die Beurteilung der Darstellung der einzelnen Herrscher einfließen zu lassen. Wenn nämlich eher soziale Gruppen als Subjekte der Geschichte behandelt werden, erscheint eine Zurücksetzung der Herrscherpersönlichkeiten nur folgerichtig und kann nicht als bewusste Distanzierung von der Idee einer europäischen Kontinuitätslinie im römisch- fränkischen Kaisertum gedeutet werden.
Wendet man sich nun der speziellen Analyse der Schulbuchkapitel zu, welche sich mit den drei Herrschern beschäftigen, ist die Frage grundlegend, in welchem Kontext deren Darstellung erfolgt: wird ihnen je ein eigenes Kapitel zuteil, werden sie als Bestandteil einer Epoche behandelt oder tauchen sie als Akteure in verschiedenen Themenkapiteln auf? Erst auf dem Hintergrund können alle weiterführenden Fragen zu nutzbaren Ergebnissen führen, da quantitative Fragestellungen maßgeblich davon beeinflusst werden.
Die zu untersuchenden Schulbuchabschnitte werden dann zunächst auf ihre relative mediale Zusammensetzung analysiert, um daraufhin die einzelnen Medien ‚bildliche Darstellungen’, ‚Quellentexte’, ‚Autorentexte’ sowie ‚Arbeitsaufträge’ zu untersuchen.
Bei den bildlichen Darstellungen soll zunächst die Art der Bilder und Abbildungen betrachtet werden, um dann die Kommentare hinsichtlich Datierung, Wertung und Beschreibung zu beurteilen. Uneindeutigkeiten, Kritik und historische Parallelisierungen werden dabei einen Untersuchungsschwerpunkt bilden.
In gleicher Weise werden die Kommentierungen der Quelltexte untersucht werden. An die Frage, welche Texte überhaupt als Quellen ausgewählt worden sind, schließt sich die Frage an, ob es sich um Übersetzungen handelt und auf welcher Grundlage diese stehen.
Auch beim Herausgebertext bilden die Kontextuierung der Herrscher und ihre Rolle im Text einen Mittelpunkt. Inwieweit dabei der derzeitige Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis berücksichtigt worden ist und ob dieser als eindeutig und unveränderlich oder vielmehr als Konstrukt bzw. perspektivische Wirklichkeit gezeigt wird, ist unter anderem dann von großer Bedeutung, wenn das Thema Europa angesprochen wird.
Ob der europäische Gedanke und die Wahrnehmung von Kontinuität zu dem Ziel der europäischen Einigung als heutige Wahrnehmung gekennzeichnet wird oder diese unreflektiert und –kommentiert für sich steht, wenn sie denn zu finden ist, ist maßgeblich für die Beurteilung der Mythenbildung in dem jeweiligen Schulbuch.
Konkret auf den einzelnen Herrscher bezogen stellt sich dabei das Problem der ‚Nationalität’, das vor allem Karl den Großen betrifft, aber mit Blick auf seine illyrische Abstammung auch Konstantin berühren kann. Ob Konstantin als Illyrer, Römer oder Grieche bezeichnet wird, ob Karl Franke, Franzose oder Deutscher ist oder eben auch ein römischer Kaiser, wie er sich in seiner Ikonographie selbst dargestellt hat muss auch auf dem Hintergrund der örtlichen Perspektive des jeweiligen Schulbuches betrachtet werden.
Neben diesem sehr speziellen sind andere, allgemeine Attribute, die den Herrschern vom Autor zugeschrieben werden im Hinblick auf ihre individuelle Bewertung interessant, welche eng damit verbunden ist, welche Leistungen der einzelnen Herrscher im Darstellungsmittelpunkt stehen[25].
Mit Blick auf die Kontinuität muss auch auf das Vorhandensein oder das Fehlen von gemeinsamen Nennungen des Augustus, Konstantins und Karls herausgestellt und die Deutung ihres Wirkens als Bruch, Wende oder Kontinuität analysiert werden. Dazu kann auch die etwa vorgenommene Unterscheidung zwischen Principat und Kaisertum herangezogen und der Frage nachgegangen werden, ob diese nun lediglich durch die implizite Verwendung der unterschiedlichen Begriffe oder eine explizite Erläuterung gegeben ist.
Schließlich bleiben die Arbeitsaufträge darauf zu untersuchen, inwieweit hier nur gelerntes reproduziert oder ob das erworbene Wissen auch übertragen und angewendet werden muss. Gerade die Übertragung auf die Epochen oder Themen, in denen die anderen Herrscher eine Rolle spielten, würde eine Vernetzung der Persönlichkeiten zeigen. Im Hinblick auf die Kommentierung der Quellentexte und bildlichen Darstellungen ist die Aufgabenstellung zudem auf Anregungen zu quellenkritischem Verhalten zu untersuchen, welche Hinweise auf eine kritische Beschäftigungsabsicht mit Mythen und Legenden im Geschichtsunterricht gäben.
3 Schulbuch I: Geschichtsbuch Oberstufe
3.1 Die allgemeine Analyse
3.1.1 Formal
Das ‚Geschichtsbuch Oberstufe’ wird in einer zweibändigen Ausgabe herausgegeben, von denen hier der erste Band untersucht wird, welcher mit dem Untertitel ‚Von der Antike bis zum Ende des 19. Jahrhunderts’ schon auf den ausgesprochen großen zeitlichen Rahmen verweist, welchen dieses Buch umfasst. Im Jahr 1995 erschienen, ist dieses Schulbuch das ältere der beiden untersuchten. Verantwortlich zeichnen sich hierfür die Herausgeber Prof. Dr. Hilke Günther-Arndt, Dr. Dirk Hoffmann und Prof. Norbert Zwölfer, welche als Geschichtsdidaktiker die Herausgeberschaft für das Geschichtsbuch innehaben.
Mit einem Gesamtumfang von 496 Seiten entspricht dieser weitestgehend dem im Untertitel angekündigten epochalen Umfang.
Die Untergliederung des Geschichtsbuches erfolgt ambivalent, einerseits nach Epochen strukturiert, darüber hinaus jedoch auch thematisch, sodass sich folgende Gliederung ergibt:
a0: Was ist und wozu betreiben wir „Geschichte“?
a1: Die antike Welt
a2: Die mittelalterliche Welt
a3: Staaten und Staatensysteme in der frühen Neuzeit
a4: Die Europäische Zivilisation in der frühen Neuzeit
a5: Die Revolutionen der frühen Neuzeit
a6: Die Herausbildung des Industriekapitalismus im 19. Jahrhundert
a7: Parlamentarisierung und Demokratisierung im 19. Jahrhundert
a8: Nationalismus und Nationalstaatsbildung im 19. Jahrhundert
a9: Internationale Politik im 19. Jahrhundert
a10: Methodenarbeitsteile
a11: Anhang[26]
Die thematischen und epochalen Kapitel werden also von einem theoretisch-methodischen Teil umrahmt, der einerseits „einführend“[27] wirken soll. Andererseits bietet er auch andere Herangehensweisen an die gebotenen Materialien[28] sowie eine methodische Grundausrüstung für den Umgang mit[29]. Deutlich tritt derweil zu Tage, dass das Hauptaugenmerk des Schulbuches auf der neueren Geschichte liegt und dabei besonders auf dem 19. Jahrhundert. So umfasst das Kapitel zur Antike lediglich 45 Seiten, das Kapitel zum Mittelalter 49, während die Kapitel zur Frühen Neuzeit insgesamt 151 und zum 19. Jahrhundert gar 194 Seiten aufweisen. Diese Präferenz für die neuere Geschichte spiegelt sich aber nicht nur in der Quantität der Seiten wider, sondern auch in der Darstellungsweise der Epochen. Während eher allgemein und weitestgehend unbestimmt von der antiken bzw. mittelalterlichen „Welt“ gesprochen wird, werden die Epochen Frühe Neuzeit und 19. Jahrhundert mit offensichtlichen thematischen Schwerpunkten versehen und durch Kapitel in drei bzw. vier Bereiche aufgeteilt. Das suggeriert nicht nur eine größere Wichtigkeit der neueren Geschichte, sondern auch eine größere Dynamik. Denn Antike und Mittelalter werden als „Welten“ behandelt, also als allumfassende und in sich stimmige Gebilde, während die Kapitelüberschriften der neueren Zeit Dynamik, Wandel und Modernisierung signalisieren[30]. Dies wird in den Untergliederungen der Kapitel a1 und a2 durchgehalten, wenn in a1 die Antike auf die Attische Demokratie, die Römische Republik und die Römische Kaiserzeit reduziert wird und erst mit der Spätantike „Wandel von Herrschaft, Macht und Religion“ einsetzen[31]. In a2 wird das Mittelalter gar in eine archaische Zeit und eine alteuropäische Zeit untergliedert, wobei die Grenzziehung im 11. Jahrhundert stattfindet. Wiederum wird diese undifferenziert dargestellte Epoche durch einen „Aufbruch“[32] beendet, mit dem die Neuzeit beginnt.
Sind die Epochen quantitativ und qualitativ unterschiedlich unterteilt, so ist die Gliederung der einzelnen Kapitel im Geschichtsbuch Oberstufe immer gleich und wird von Becker in Teilen als typisch für Schulbücher der 90er Jahre bezeichnet[33]. Eine doppelseitige ‚Auftaktseite’ weist eine illustrative Abbildung sowie einen Autorentext auf, welcher zur Fragestellung und zur Relevanz des Themas für die Gegenwart Stellung nimmt. Daran schließen sich ‚Grundinformationen’ an, die Zeittabellen, Überblicke über Ereignisse und Strukturen sowie eine an ein Lexikon erinnernde Begriffsliste aufweisen, in welcher Begriffe bezogen auf das Kapitel[34] erläutert werden. Den größten Anteil am Kapitel nehmen die Darstellungen ein, in denen mithilfe von Autorentexten argumentativ auf die Problemstellung eingegangen wird, die auf den Auftaktseiten anklingt. Aufgrund einer weiteren Unterteilung der Autorentexte sind diese auch Auszugsweise lesbar.
[...]
[1] Offiziell wurde die Republik nicht abgeschafft, der Princeps kulminierte aber zahlreiche Ämter in seiner Person.
[2] R 306-337
[3] Unter Theodosius dem Großen, Zwangstaufe des römischen Senats 394/395 n. Chr.
[4] Der Begriff der translatio imperii spielt in diesem Zusammenhang die entscheidende Rolle.
[5] Die negativen Folgen von Mythenbildung für das Geschichtsbewusstsein hat Pandel behandelt; vgl. Pandel, Hans-Jürgen: Legenden – Mythen – Lügen. Wieviel Fiktion verträgt unser Geschichtsbewusstsein? In: Geschichte lernen Heft 52 (1996), S. 15-19 [im Folgenden zitiert als Pandel 1996].
[6] Günther-Arndt, Hilke/Hoffmann, Dirk und Norbert Zwölfer (Hg.): Geschichtsbuch Oberstufe, Bd. 1, Von der Antike bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. Berlin 1995 [im Folgenden zitiert als Geschichtsbuch Oberstufe].
[7] Bernlocher, Ludwig/ Birk, Giselher u.a.: Geschichte und Geschehen I Oberstufe, Ausgabe A. Leipzig, Stuttgart, Düsseldorf 2001 [im Folgenden zitiert als Geschichte und Geschehen].
[8] Pandel 1996, S. 18.
[9] Ebd., S. 18.
[10] Ebd., S. 18.
[11] Ebd., S. 18.
[12] Ebd., S.18.
[13] Als neuestes Werk sei auf den Film „King Arthur“ verwiesen, der die Geschichte um die Ritter der Tafelrunde an den Zeitpunkt des Abzugs des Imperium Romanum aus Britannien setzt und die Ritter als Sarmatische Hilfstruppen, Arthurus als halbbritischen römischen Offizier zeigt. Dieser schützt die britische Bevölkerung nach dem Abzug der Römer vor den einfallende, barbarische Sachsen. Vgl. dazu Fuqua, Antoine (Regie): King Arthur. USA 2004.
[14] Rüsen, Jörn: Europäisches Geschichtsbewusstsein als Herausforderung an die Geschichtsdidaktik. In: Demantowsky, Mark und Bernd SChönemann (Hg.): Neue geschichtsdidaktische Positionen. Dortmunder Arbeiten zur Schulgeschichte und zur historischen Didaktik 32. Bochum 2002 [im Folgenden zitiert als Rüsen 2002], S. 61
[15] Pandel 1996, S.19.
[16] Ebd., S. 19.
[17] Pingel, Falk: Unesco Guidebook on Textbook Research and Textbook Revision. In: Becher, Ursula (Hg.): Studien zur Internationalen Schulbuchforschung. Schriftenreihe des Georg-Eckert-Instituts, Bd. 103. Hannover 1999 [im Folgenden zitiert als Pingel 1999].
[18] Pingel 1999, S. 45.
[19] Ebd., S.45.
[20] Pingel 1999., S. 45.
[21] Ebd., S. 47.
[22] Ebd., S. 47.
[23] Ebd., S. 47.
[24] Welche Themen unterschieden werden, d.h. ob es eine epochale oder sachthematische Einteilung gibt, soll ebenfalls herausgestellt werden.
[25] Stehen z.B. Religion oder Reichsreform, Eroberungen nach außen oder Machtsicherung nach innen, kultureller oder technologischer Fortschritt im Zentrum? Hierzu ist die Thematik der Quelltexte und der bildlichen Darstellungen zusätzlich heranzuziehen.
[26] Geschichtsbuch Oberstufe, S. 3ff.
[27] So ist der Teil a0 mit der Zusatzangabe „Zur Einführung“ verbunden; vgl. Geschichtsbuch Oberstufe, S. 3.
[28] Z.B. das Unterkapitel „Anregungen für thematische Längsschnitte“, S. 477-488.
[29] Z.B. das Unterkapitel „Zum historischen Umgang mit Bauwerken“, S. 457-461.
[30] Z.B. Revolutionen, Industriekapitalismus, Parlamentarisierung, Nationalstaatswerdung.
[31] Geschichtsbuch Oberstufe, S. 3.
[32] Ebd., S.3.
[33] Becher, Ursula A.J.: Schulbuch. In: Pandel, Hans-Jürgen und Gerhard Schneider (Hg.): Handbuch Medien im Geschichtsunterricht. Schwalbach/Ts. 2005, S. 45-68 [im Folgenden zitiert als Becher 2005], S. 56.
[34] So ist z.B. in a1 und a2 der Eintrag „Patrizier“ zu finden und erklärt diesen in a1 für die römische Antike, in a2 für das städtische Mittelalter. Leider fehlen aber Hinweise darauf, dass es eine doppelte Verwendung des Begriffes gibt, wodurch Verwechslungen nicht ausgeschlossen werden können; vgl. Geschichtsbuch Oberstufe, S. 15 und S. 62.
- Citar trabajo
- Daniel Tatz (Autor), 2006, Drei Kaiser, drei Legenden - drei Gründungsfiguren?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/83182
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