Das dieser Arbeit zugrunde liegende Thema, bedient sich der „wissenschaftstheoretischen Brille“ des Kritischen Rationalismus, mit der auf die (hermeneutische) geisteswissenschaftliche Pädagogik geblickt wird. Aufgabenstellung ist:
„Erläutern Sie, warum für eine Erziehungswissenschaft auf der Grundlage des Kritischen Rationalismus die sogenannte „geisteswissenschaftliche Pädagogik“ eine „praktische Pädagogik“, aber keine „Wissenschaft“ ist, indem Sie 1. (…) die Unterscheidung von „Erziehungswissenschaft“ und „praktischer Pädagogik“ kennzeichnen und 2. anhand der Hervorhebung von „Bestandteilen der Praktischen Pädagogik“ analysieren, warum die geisteswissenschaftliche Pädagogik eine solche praktische Pädagogik sein kann.“
Nachdem die Begriffe „Geisteswissenschaftliche Pädagogik“, „(Erziehungs-) Wissenschaft“ und „Praktische Pädagogik“ geklärt und zueinander in Beziehung gesetzt worden sind, wird im Einzelnen untersucht, ob die Inhalte einer Praktischen Pädagogik die einer Geisteswissenschaftlichen Pädagogik sein können.
Inhalt
1. Einleitung
1.1. Einbettung des Themas in den Seminarkontext und Erläuterung der Aufgabenstellung
1.2. Begründung der Gliederung
2. Hauptteil
2.1. Die Perspektive und das Wissenschaftsverständnis im Kritischen Rationalismus
2.2. Die Einbettung der Erziehungswissenschaft in den Kritischen Rationalismus
2.3. Geisteswissenschaftliche Pädagogik und wie die empirische Erziehungswissenschaft sie sieht
2.4. Bestandteile der Praktischen Pädagogik in Bezug auf die Geistes-wissenschaftliche Pädagogik
3. Schluss
3.1. Zusammenfassung
3.2. Eigene Stellungnahme
4. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
1.1. Einbettung des Themas in den Seminarkontext und Erläuterung der Aufgabenstellung
Ein ursprüngliches Streben der Menschen scheint die unendliche Neugierde zu sein, das Streben nach dem Wissen, das die Welt erklärt. Dass diesem Erkenntnisdrang (zumindest auf sog. wissenschaftlichem Wege) Grenzen gesetzt sind, formulierte Goethe mit seinem Faust, der „Philosophie, Juristerei und Medizin und leider auch Theologie“ studiert hat, schon Anfang des 19. Jahrhunderts (v. Goethe, S. 20):
„Drum hab’ ich mich der Magie ergeben,
Ob mir durch Geistes Kraft und Mund
Nicht manch Geheimnis würde kund;
Daß ich nicht mehr mit sauerm Schweiß
Zu sagen brauche, was ich nicht weiß;
Daß ich erkenne, was die Welt
Im Innersten zusammenhält,
Schau’ alle Wirkenskraft und Samen,
Und tu’ nicht mehr in Worten kramen.“
Die Absicht des Seminars „Probleme pädagogischer Wissenschaftstheorie“ habe ich so verstanden, dass uns eine Ahnung von den Möglichkeiten und Problemen vermittelt werden sollte, auf die man stößt, wenn man sich nicht nur aus dem Alltagsverständnis heraus sondern „wissenschaftlich“ mit einem Kulturbereich (hier: Erziehung) beschäftigt. Damit bin ich bei dem ersten großen Arbeitsgebiet der Wissenschaftstheorie, nämlich der Philosophie der Wissenschaft. Hier geht es um die Abgrenzung verschiedener Wissenschaften untereinander, darum, was Wissenschaft überhaupt ist und darum, was Wahrheit ist. Wissenschaft ist nicht Religion, nicht Kunst, nicht Technik; sie ist kulturtheoretisch eingebettet und hat den Zentralwert „Wahrheit“. Es geht um die „Akzentuierung methodisch gesammelter Erfahrungen, die wiederholbar und nachprüfbar sind und dem Anspruch von Wahrheit gerecht werden“. Aber was ist Wahrheit? Und wie kann man sie erfahren? An dieser Stelle spalten sich die „wissenschaftstheoretischen Geister“: Für den Kritischen Rationalismus ist nur das erfassbar, was unmittelbar durch Beobachtung oder Experiment, in der Natur oder im Labor, erklärt werden kann. Für die Hermeneutik dagegen ist alles das erfassbar, was Lebensgegebenheiten ausmacht, indem diese zu verstehen versucht werden. Diese beiden wissenschaftstheoretischen Hauptrichtungen haben also einen gänzlich unterschiedlichen Blickwinkel auf ihren Gegenstand. Mit „Gegenstand“ ist hier nicht etwas zum Anfassen gemeint, sondern ein Phänomen, etwas Beobachtbares in der Welt, was wissenschaftlich betrachtet werden soll. Hier knüpft das Thema dieser Hausarbeit an, indem jene beiden unterschiedlichen Perspektiven auf die sogenannte „Praktische Pädagogik“ bezogen und verglichen werden (s.u.).
Damit sich Wissenschaft überhaupt wahrheitsfähig ausdrücken kann, benötigt sie die Sprache. „Sprache und Logik“ ist das zweite große Arbeitsgebiet, mit dem wir uns beschäftigt haben. Mittels der Alltagssprache ergeben sich jedoch Schwierigkeiten, sich wahrheitsfähig auszudrücken, denn mit der Alltagssprache kann man leicht syntaktischen Unsinn formulieren (wie z.B. „Die Katze war Maus“) oder auch unlogisch-logische Folgerungen beschreiben (wie z.B. „Ein Kreter sagt: ‚Alle Kreter lügen immer’“). Im empirischen Sinne muss das „Instrument Sprache“ so bearbeitet werden, dass es Wahrheit aussagen kann. Im hermeneutischen Sinne dagegen wird Sprache als „Haus des Seins“ als Mittel zur Welterfahrung gesehen.
Nun bleibt noch die Methodologie (Methodenlehre) als dritter Arbeitsbereich, in dem untersucht wird, ob, wie und warum bestimmte Methoden für wissenschaftliche Zwecke geeignet sind. Es geht dabei um die Methoden des Beobachtens, Erklärens und Verstehens. In Abgrenzung zu „mehr oder weniger zufälliger Erfahrung“ bedeutet die wissenschaftliche Beobachtung „beabsichtigtes, zielbewusstes Wahrnehmen“ inklusive der Selbstreflexion des Beobachters, was er wirklich beobachtet und was er interpretiert. Die wissenschaftliche Bedeutung des Erklärens bezieht sich auf Ursache-Wirkung-Mechanismen und empirische Zusammenhänge (wie das Hempel-Oppenheim-Schema, s. Kapitel 2.1.). Nicht gemeint ist das Schaffen sozialer Fakten, wie „das Erklären zu Mann und Frau“. Beim Verstehen als wissenschaftlicher Methode kommt es auf das Herausarbeiten von Sinn und Bedeutung an. Erst wenn Differenzen zum bisherigen Bild von der Welt auftreten und man aus dem bisher selbstverständlichen Leben in Sinn und Bedeutung herausgerissen wird, handelt es sich um Verstehen (s. „hermeneutischer Zirkel“ in Kapitel 2.3.).
Das dieser Arbeit zugrunde liegende Thema, bedient sich der „wissenschaftstheoretischen Brille“ des Kritischen Rationalismus, mit der auf die (hermeneutische) Geistes-wissenschaftliche Pädagogik geblickt wird:
„Erläutern Sie, warum für eine Erziehungswissenschaft auf der Grundlage des Kritischen Rationalismus die sogenannte „geisteswissenschaftliche Pädagogik“ eine „praktische Pädagogik“, aber keine „Wissenschaft“ ist, indem Sie 1. (…) die Unterscheidung von „Erziehungswissenschaft“ und „praktischer Pädagogik“ kennzeichnen und 2. anhand der Hervorhebung von „Bestandteilen der Praktischen Pädagogik“ analysieren, warum die Geisteswissenschaftliche Pädagogik eine solche praktische Pädagogik sein kann.“
Nachdem also die Begriffe „Geisteswissenschaftliche Pädagogik“, „(Erziehungs-) Wissenschaft“ und „Praktische Pädagogik“ geklärt und zueinander in Beziehung gesetzt worden sind, soll im Einzelnen untersucht werden, ob die Inhalte einer Praktischen Pädagogik die einer Geisteswissenschaftlichen Pädagogik sein können.
1.2. Begründung der Gliederung
Mit dem Ziel, die Begriffe „Erziehung“ und „Wissenschaft“ in einen sinnvollen und allgemein verständlichen Gesamtzusammenhang zu bringen, habe ich in der Einleitung den Verlauf des Seminars „Probleme pädagogischer Wissenschaftstheorie“ in groben Zügen nachgezeichnet und im Anschluss daran den Inhalt und die Struktur der Aufgabenstellung erläutert.
Da das Thema vor dem Hintergrund der Perspektive des Kritischen Rationalismus bearbeitet wird, halte ich es für notwendig, die wissenschaftstheoretische Perspektive und das Wissenschaftsverständnis des Kritischen Rationalismus im Allgemeinen zu klären. Nachdem dadurch der Rahmen, in dem sich die Fragestellung abspielt, skizziert worden ist, widme ich mich dann der Platzierung der Erziehungswissenschaft im Kritischen Rationalismus. An dieser Stelle gehe ich auf den Unterschied zwischen einer „Praktischen Pädagogik“ und einer „Erziehungswissenschaft“ ein.
Da es sich in der Aufgabenstellung um die Frage nach der „Eingliederung“ der Geisteswissenschaftlichen Pädagogik in die Praktische Pädagogik handelt, beschreibe ich kurz den theoretischen Hintergrund der Geisteswissenschaftliche Pädagogik und wie die empirische Erziehungswissenschaft sie sieht.
Im eigentlichen Hauptteil, dem Vergleich der Anforderungen an eine „Praktische Pädagogik“ und an eine „Geisteswissenschaftliche Pädagogik“, komme ich zur inhaltlichen Begründung der Aussage, dass eine Geisteswissenschaftliche Pädagogik eine Praktische Pädagogik sein kann.
Nach der obligatorischen Zusammenfassung möchte ich mich dann über den wissenschaftstheoretischen Rahmen hinaus zu der kritischrationalen Perspektive äußern und offene Fragen nennen.
2. Hauptteil
2.1. Die Perspektive und das Wissenschaftsverständnis im Kritischen Rationalismus
Zur begrifflichen Klärung des „Kritischen Rationalismus“ versuche ich, „Rationalismus“ von „Irrationalismus“ und „Kritischen“ Rationalismus von „naivem“ Rationalismus abzugrenzen: Zum Unterschied zwischen Rationalismus und Irrationalismus sei soviel gesagt, dass im Irrationalismus durch Gefühle, Offenbarungen oder Intuitionen Erkenntnisse über die Wirklichkeit gewonnen werden (KROMPHARDT 1979, S. 53), während im Rationalismus mittels der Vernunft versucht wird, rationale Konstrukte zur Erklärung der Wirklichkeit zu entwerfen (GUDJONS 1993, S. 36). Im naiven (auch: übertriebenen, unkritischen) Rationalismus existiert der „Wunsch, nichts zu akzeptieren, was nicht durch Argumente oder die Erfahrung gestützt und bewiesen werden kann“, so beschreibt es zumindest KROMPHARDT mit den Worten Poppers (ebd., S. 54). Wendet man allerdings dieses Prinzip auf die Grundannahmen des Rationalismus (Glauben an die Kraft der Vernunft) an, kommt man schnell zu dem Schluss, dass man das Bekenntnis zum Rationalismus selbst nicht mit Argumenten begründen kann, sondern dass schon der Entschluss für die kritisch-rationale Perspektive auf eine wertende Entscheidung zurückgeht. Der Kritische Rationalismus ist sich sehr wohl dieser wertenden Entscheidungen bewusst, die sich aber lediglich auf die Wertbasis wissenschaftlichen Vorgehens beziehen (ALBERT in: KÖNIG/ZEDLER 2002, S. 49), nicht jedoch auf die eigentlichen Werturteile (normative Sätze, die innerhalb einer Wissenschaft entstehen). Im Unterschied zum naiven Rationalismus meint man im Kritischen Rationalismus, dass die Bewährung einer Aussage keineswegs ein Wahrheitsbeweis ist. Die Aussage (Hypothese, Gesetzesaussage) kann in der Zukunft immer noch falsifiziert werden (s.u.). Mittels der Vernunft kann man zwar mit Hilfe rationaler Argumente Kritik an Aussagen üben, aber man kann niemals absolute Gewissheit über die Wahrheit gewinnen (KROMPHARDT 1979, S. 56).
Aufgrund des bisher beschriebenen Verständnisses des Kritischen Rationalismus vom „Umgang mit der Welt“ lässt sich Poppers Kritik an der Methode der Induktion im traditionellen Empirismus leicht nachvollziehen: „Bekanntlich berechtigen uns noch so viele Beobachtungen von weißen Schwänen nicht zu dem Satz, dass alle Schwäne weiß sind.“ (POPPER 1994 in: KÖNIG/ZEDLER 2002, S. 47). Mit anderen Worten sind also generelle Gesetzesaussagen grundsätzlich nicht verifizierbar, da sie über die bisherige Erfahrung hinausgehen (ebd.). Daraus entwickelte Popper das Prinzip der Kritischen Prüfung, wonach man nicht versucht, Gesetzesaussagen zu verifizieren, sondern sie als Hypothesen versteht, die einer möglichst strengen Prüfung unterzogen werden (ebd.).
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- Bettina Soethe (Autor), 2003, Erziehungswissenschaft im Kritischen Rationalismus. Warum ist die "geisteswissenschaftliche Pädagogik" eine "praktische Pädagogik"?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/83160
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