In einem Brief vom 5. Januar 1801 schreibt Schiller an seinen Freund Körner über seine Arbeit an der Jungfrau von Orléans:
„Schon der Stoff erhält mich warm, ich bin mit dem ganzen Herzen dabei und es fließt auch mehr aus dem Herzen als die vorigen Stücke, wo der Verstand mit dem Stoffe kämpfen musste.“
Der zu diesem Zeitpunkt bereits von Krankheitsanfällen gebeutelte Schiller zeigt sich leicht und froh. Es wäre jedoch trügerisch anzunehmen, dass seine Worte einfach so dahergesagt kämen. Eine tiefere philosophische Bedeutung bindet sich in die Formulierung, die über Schellings These von der Naturemanzipation hin zur Totalidee führt, ohne die kein poetisches Werk entstehen könne, so Schiller.
Unklar ist, welche Totalidee den Autor zur Jungfrau von Orleans veranlasste, aber es stellt sich die Frage, ob sie sich nicht vielleicht in dem Sanften und Barbarischen der Protagonistin, in der verkörperten Einheit von Schönem und Schrecklichem offenbart.
In der vorliegenden Arbeit soll herausgefunden werden wo diese Kategorien wurzeln, wie sie korrespondieren und wie ihre Realisierungen, Krieg und Menschlichkeit, in der Tragödie dargestellt sind. Beide Pole finden sich in zwei Dimensionen, dem Mikrokosmos der Person Johanna und dem Makrokosmos ihrer Umgebung.
Bevor diese Dichotomien analysiert und Schillers Intentionen dazu dargestellt werden sollen, ist jedoch eine realhistorische Einordnung des thematisierten Stoffes angebracht.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Der historische Hintergrund
1.1. Die historische Belagerung von Orléans
1.2. Das Ende des Krieges
2. Warum Krieg und Schrecken im Drama? – Schillers Intention
3. Dichotomien und Dimensionen
3.1. Dichotomien im Makrokosmos
3.2. Dichotomie im Mikrokosmos
3.2.1. Johannas Unmenschlichkeit
3.2.1.1. Die Montgomery-Szene
3.2.2. Johannas Menschlichkeit
3.2.2.1. Die Lionel- Szene
Schlussbemerkung
Literaturverzeichnis
Internetquellen
Einleitung
In einem Brief vom 5. Januar 1801 schreibt Schiller an seinen Freund Körner über seine Arbeit an der Jungfrau von Orléans:
„Schon der Stoff erhält mich warm, ich bin mit dem ganzen Herzen dabei und es fließt auch mehr aus dem Herzen als die vorigen Stücke, wo der Verstand mit dem Stoffe kämpfen musste.“[1]
Der zu diesem Zeitpunkt bereits von Krankheitsanfällen gebeutelte Schiller zeigt sich leicht und froh. Es wäre jedoch trügerisch anzunehmen, dass seine Worte einfach so dahergesagt kämen. Eine tiefere philosophische Bedeutung bindet sich in die Formulierung, die über Schellings These von der Naturemanzipation hin zur Totalidee führt, ohne die kein poetisches Werk entstehen könne, so Schiller.
Unklar ist, welche Totalidee den Autor zur Jungfrau von Orleans veranlasste, aber es stellt sich die Frage, ob sie sich nicht vielleicht in dem Sanften und Barbarischen der Protagonistin, in der verkörperten Einheit von Schönem und Schrecklichem offenbart.
In der vorliegenden Arbeit soll herausgefunden werden wo diese Kategorien wurzeln, wie sie korrespondieren und wie ihre Realisierungen, Krieg und Menschlichkeit, in der Tragödie dargestellt sind. Beide Pole finden sich in zwei Dimensionen, dem Mikrokosmos der Person Johanna und dem Makrokosmos ihrer Umgebung.
Bevor diese Dichotomien analysiert und Schillers Intentionen dazu dargestellt werden sollen, ist jedoch eine realhistorische Einordnung des thematisierten Stoffes angebracht.
1. Der historische Hintergrund
Die Lebens- und Wirkungsgeschichte von Johanna von Orleans ist aufs Engste mit dem hundertjährigen Krieg verbunden. Einer Auseinandersetzung zwischen England und Frankreich, die nicht nur für diese beiden Staaten, sondern für ganz Westeuropa eine äußerst bedeutungsstiftende Wirkung in Hinblick auf das Nationalbewusstsein hatte. Frankreich wurde nach dem hart umkämpften Sieg deutlich, dass das eigene Land nur aufgrund dieser lohnenden Anstrengung als Einheit weiterexistierte und die Engländer erkannten, dass ihr Drang nach Einflussnahme auf dem Kontinent den eigenen Staat vernachlässigte, woraufhin die englischen Monarchen verstärkt ihr Augenmerk auf interne Problem richteten.
Doch wo liegen die Ursachen für den Hintergrund, der das Leben der Jeanne d’Arc kennzeichnete?
Zunächst ist schon die zeitliche Einordnung eher unscharf, da der Krieg nicht durchgehend und exakt hundert Jahre anhielt. Die Auseinandersetzung ist geprägt durch eine Vielzahl von Regentenabfolgen auf beiden Seiten und weniger zahlreiche Zäsuren. Ein Beginn kann nicht klar definiert werden, da der historische Krieg nur die Kulmination mehrerer kleiner Disputationen ist. Um eine Einordnung zu ermöglichen, wird die Reaktivierung der Kontinentalpolitik durch den englischen König Edward III., der im Jahre 1337 als Enkel Philipps IV. die französische Krone beanspruchte, als Anlass fixiert. Sporadische Auseinandersetzungen zwischen den beiden Staaten reichen aber bis ins 12. Jahrhundert zurück. Das Ende markierten der Friedensschluss von 1453 und die Räumung der gesamten französischen Gebiete, bis auf Calais, durch die englischen Truppen im selben Jahr. Der offizielle Frieden wurde 1475 in Picquigny geschlossen.
Zwischen diesen beiden Punkten gab es immer wieder Kämpfe, die durch die englischen Thronansprüche in Frankreich entflammten. Nachdem sich die Burgunder während des Bürgerkrieges gegen die orléanstreuen Armagnacs auf die englische Seite geschlagen hatten, kontrollierte diese Allianz ganz Nordfrankreich bis an die Loire heranreichend, und somit auch Paris.
1.1. Die historische Belagerung von Orléans
Nach dem Tod der beiden Regenten, Henry V. und Karl VI., 1422 sollte es Karl VII. ermöglicht werden den französischen Thron zu besteigen. Die damalige Krönungsstadt Reims war jedoch besetzt und die englische Belagerung reichte bis an Orléans heran. 1428/29 jedoch markierten die Belagerung und die Befreiung der Stadt den militärischen Wendepunkt im hundertjährigen Krieg.
Sie wurde begonnen von Thomas de Montacute, Earl of Salisbury, der stromauf- und stromabwärts wichtige Stellungen erobern sowie direkt gegenüber der Stadt einen englischen Brückenkopf errichten konnte. Am 14. Oktober 1428 erlag er jedoch seinen Kampfverletzungen und William de la Pole, Earl of Suffolk, übernahm seine Kommandonachfolge. Dieser jedoch unternahm nichts, bis im Dezember John Talbot, der spätere Earl of Shrewsbury, und Thomas Scales eintrafen, die die Operation mit dem Bau von Belagerungsfestungen vorantrieben. Im Februar wurde ein Versuch, die Nachschub- und Versorgungslinien der Belagerer zu kappen, zurückgeschlagen und die Verteidiger unter dem Kommando von Jean d’Orleans, dem Grafen von Dunois, stellten sich auf eine Kapitulation ein. Zur gleichen Zeit gelang es dem Bauernmädchen Jeanne d’Arc Karl VII. davon zu überzeugen, eine Nachschubmission zu entsenden, um die Stadt zu unterstützen. Ein Ablenkungsangriff auf eines der englischen Belagerungsforts ermöglichte es Jeanne d’Arc am 30. April 1429 von Chézy her, fünf Meilen stromaufwärts, Orléans mit Nachschub zu erreichen. Infolgedessen konnten die Hauptbelagerungsfestungen der Engländer gestürmt werden, woraufhin Suffolk wiederum die Belagerung aufgab.
1.2. Das Ende des Krieges
Zwei Jahre später wurde Jeanne d’Arc in einem Wald bei Compiègne von den Burgundern gefangen genommen und an England für 10000 Franken verkauft. Anschließend wurde ihr in Rouen ein viermonatiger Prozess gemacht und sie anschließend wegen Häresie hingerichtet.
1435 sah der noch immer mit England alliierende Burgunderführer Philipp der Gute ein, dass England eine Vormachtstellung in ganz Frankreich ohne weitere Unterstützung des französischen Adels nicht erlangen, geschweige denn halten könne und wechselte daraufhin die Seiten, womit Paris wieder unter königliche Autorität fiel. Die Engländer verloren einen wichtigen Verbündeten auf dem Kontinent, wodurch es Karl VII. 1453 gelang die Normandie und Aquitanien zurückzuerobern. Bis auf Calais, das sie 1558 zurückgaben, hatten die Engländer alle Gebietsansprüche in Frankreich verloren.
[...]
[1] zitiert nach Safranski, S. 481
- Citar trabajo
- MA Björn Fischer (Autor), 2006, Krieg und Humanität in Friedrich Schillers "Jungfrau von Orleans", Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/82854
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