„Zum Inbegriff der Schrecken des Vietnamkrieges“ wurde die Photographie des Associated Press-Korrespondenten Huyng Cong – genannt Nick – Ut vom 8.Juni 1972. Das Photo zeigt eine Gruppe von fünf Kindern, die nach einem Luftangriff aus dem südvietnamesischen Dorf Trang Bang fliehen. Im Hintergrund sind das brennende Dorf und Soldaten zu erkennen, die den verschreckten und schreienden Kindern folgen.
Das Photo wurde millionenfach reproduziert als authentisches Dokument des Vietnamkrieges und wurde damit zur Ikone. 1973 wurde Nick Ut für das Bild mit dem Putlitzer-Preis ausgezeichnet. Weitgehend unbekannt ist die Tatsache, dass es sich hier nicht um das vollständige Photo handelt, sondern etwa ein Drittel der Schere zum Opfer fiel. Das unbeschnittene Bild entfaltet eine gänzlich andere Wirkung auf den Betrachter und die unterschiedliche Wirkung kann als Zeugnis über die Rolle der Medien im Kriegsgeschehen betrachtet werden.
Am Beispiel der vorgestellten Photographie wird eine Diskussion geführt über die Legitimität der Bildbeschneidung. Im Vordergrund steht die Frage, ob der Bildausschnitt den Betrachter manipuliert oder die Konzentration aufs Wesentliche unter-stützt. Als Grundlage der Diskussion und zum besseren Verständnis der abgebildeten Situation wird der historische Kontext des Photos aufgezeigt. Es schließt sich die Analyse an, auf welchen Elementen die Bildwirkung der beiden Photos basiert. Den Schluss der Arbeit bildet die zusammenfassende Betrachtung.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Historischer Kontext
3 Bildwirkung
3.1 Narrative und zeitlich verdichtende Struktur
3.2 Gebärdefigur
3.3 Synästhetische Wahrnehmung
3.4 Suggestion von Authenzität
4 Schlussbetrachtung: Manipulation oder Konzentration?
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
„Zum Inbegriff der Schrecken des Vietnamkrieges“[1] wurde die Photographie des Associated Press-Korrespondenten Huyng Cong – genannt Nick – Ut vom 8.Juni 1972.[2] Das Photo zeigt eine Gruppe von fünf Kindern, die nach einem Luftangriff aus dem südvietnamesischen Dorf Trang Bang fliehen. Im Hintergrund sind das brennende Dorf und Soldaten zu erkennen, die den verschreckten und schreienden Kindern folgen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Das Foto Nick Uts vom 08. Juni 1972[3]
Das Photo wurde millionenfach reproduziert als authentisches Dokument des Vietnamkrieges und wurde damit zur Ikone. 1973 wurde Nick Ut für das Bild mit dem Putlitzer-Preis ausgezeichnet. Weitgehend unbekannt ist die Tatsache, dass es sich hier nicht um das vollständige Photo handelt, sondern etwa ein Drittel der Schere zum Opfer fiel. Das unbeschnittene Bild entfaltet eine gänzlich andere Wirkung auf den Betrachter und die unterschiedliche Wirkung kann als Zeugnis über die Rolle der Medien im Kriegsgeschehen betrachtet werden.[4]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Das ursprüngliche Photo des Photographen Nick Ut, in unbeschnittener Form[5]
Am Beispiel der vorgestellten Photographie wird eine Diskussion geführt über die Legitimität der Bildbeschneidung. Im Vordergrund steht die Frage, ob der Bildausschnitt den Betrachter manipuliert oder die Konzentration aufs Wesentliche unterstützt. Als Grundlage der Diskussion und zum besseren Verständnis der abgebildeten Situation wird der historische Kontext des Photos aufgezeigt. Es schließt sich die Analyse an, auf welchen Elementen die Bildwirkung der beiden Photos basiert. Den Schluss der Arbeit bildet die zusammenfassende Betrachtung.
2 Historischer Kontext
Nachdem sich 1954 die Kolonialmacht Frankreich aus Vietnam zurückgezogen hatte, spaltete sich das Land in das kommunistische Nordvietnam und eine Militärdiktatur in Südvietnam. Unter Verweis auf die drohende kommunistische Gefahr griffen die USA seit 1964 den Norden mit zunehmender militärischer Wucht an. Nach einer Waffenstillstandsvereinbarung vom 28. Januar 1973 war die unmittelbare Kriegsbeteiligung der USA beendet. Am 30. April 1975 rückten nordvietnamesische Truppen in die südvietnamesische Hauptstadt Saigon ein und erklärten am 02. Juli 1975 die Vereinigung von Nord- und Südvietnam als „Demokratische Republik Vietnam.“[6]
Das vorliegende Photo vom 08. Juni 1972 entstand somit in einer Phase der so genannten „Vietnamisierung“ des Krieges, d. h. der Abzug des US-Militärs war bereits weit fortgeschritten. An dem konkreten Ereignis waren offenbar keine US-amerikanischen Truppen beteiligt.[7]
Schauplatz des Photos ist das Dorf Trang Bang, das 25 Kilometer vor der südvietnamesischen Hauptstadt Saigon liegt. In dem Dorf hielten sich nordvietnamesische Soldaten versteckt, um die wichtigste Verbindungsstraße zwischen Hanoi und Saigon zu kontrollieren. Etliche Zivilisten hatten aus Angst vor Kampfhandlungen ihre Häuser verlassen und campierten seit Tagen außerhalb des Dorfes.
Soldaten der südvietnamesischen Armee umstellten das Dorf und drangen ins Dorfinnere vor, um die nordvietnamesischen Straßensperre zu bekämpfen. Da es nicht gelang, die gegnerischen Soldaten aufzuspüren, forderte der Kommandeur die Unterstützung der südvietnamesischen Luftwaffe an. Während eine knappe Stunde später zwei südvietnamesische Militärflugzeuge das Dorf mit Napalm-Bomben und schwerem Maschinengewehr-Feuer angriffen, versammelte sich eine Gruppe von zehn Bildjournalisten vor dem Dorf, um den Luftangriff zu photographieren.[8]
Als der Flugzeuglärm in der Ferne verschwunden war und der Rauch sich etwas gelichtet hatte, rannten die ersten Dorfbewohner und einige von dem Angriff überraschte südvietnamesische Soldaten aus dem Dorf, frontal auf die wartenden Journalisten zu. Eine Gruppe von Reportern lief den verängstigten und teilweise stark verwundeten Fliehenden entgegen. Das rechte Drittel des (unbeschnittenen) Original-Photos zeigt einen Reporter, der seinen Film wechselt, während die schreienden Kinder an ihm vorbei rannten. Auch Nick Ut, auf den die Kinder frontal zukommen, und etwa acht hinter ihm stehende Journalisten griffen nicht helfend ein. Erst nachdem sie die besten Bilder gemacht und die Szenen gefilmt wurden, kümmerten sich die Reporter um die Kinder. Vor der Veröffentlichung wurde das rechte Drittel des Photos abgetrennt.[9]
Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Perspektive der Kinder: sie müssen die Journalisten für Soldaten gehalten haben, denn sie waren mit Kampfanzügen gekleidet und ihre Kameras mit den langen Objektiven waren von weitem leicht mit Gewehrläufen zu verwechseln.[10]
[...]
[1] Sontag 2003, S. 68.
[2] Das Photo hat keinen einheitlichen Titel. Es ist unter verschiedenen Namen bekannt: „Napalmangriff“, „Nacktes Mädchen vor brennendem Dorf“ und „Kim Phúc“ (Name des Mädchens) sind die am häufigsten verwendeten Namen.
[3] Quelle: Associated Press.
[4] Vgl. Paul 2005, S. 1.
[5] Quelle: Kim Foundation International.
[6] Vgl. Kleine-Brockhoff (2005), Sp. 3-4.
[7] Die Verantwortung für den Luftangriff auf Trang Bang war lange umstritten. Insbesondere von Kriegsgegnern wurde der Angriff der US-Luftwaffe zugeordnet. Heute kann es als relativ sicher angesehen werden, dass dieser Angriff in der Verantwortung der südvietnamesischen Armee liegt. Vgl. hierzu Timberlake (1997).
[8] Vgl. Fass / Fulton (ohne Jahr), S. 1-2.
[9] Vgl. Chong (1999), S. 19-22.
[10] Vgl. Paul (2005), S. 3-4.
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