Die Verbalklammer oder auch Satzklammer birgt für die meisten Nicht-Muttersprachler Verständnisschwierigkeiten, aber auch viele, die mit der deutschen Sprache aufwachsen haben Probleme mit dieser Erscheinung des deutschen Satzes. Die Grammatik reglementiert die Verwendung von Satzklammern und nennt als Grenze der Klammergröße die Verständlichkeit des Satzes. Im heutigen Zeitungsdeutsch scheint diese Grenze weit oben zu liegen, denn in deutschsprachigen Zeitungen bilden oft solche Satzungetüme, dass Sätze unverständlich werden und Artikel von wenig gutem Deutsch geprägt sind. Es wird ein Bogen innerhalb eines Satzes gespannt, unter dem sich einzelne Teile des Satzes in besonderer Weise aufeinander beziehen. „Spannung bedeutet für den Sprecher/Hörer natürlich auch, dass er das schon Gesagte bis zum Ende des Satzes präsent halten muss.“ Da das Kurzzeitgedächtnis nur innerhalb eines kurzen Zeitraumes Informationen verarbeiten kann, darf in der Klammer auch nur eine bestimmte Anzahl Wörter bzw. Sinneinheiten stehen, um einen Satz auf Anhieb verstehen zu können. Ich möchte anhand zweier Artikel aus zwei unterschiedlichen überregionalen Zeitungen untersuchen, ob die Äußerung Mark Twains zutrifft, in der er behauptet, dass eine deutsche Zeitung lesen oder gar verstehen zu können für einen Ausländer stets unmöglich ist.
Als Untersuchungsgegenstand dient zum einen die "Süddeutsche Zeitung" zum anderen "die tageszeitung". Beide Zeitungen haben den Anspruch ein hohes journalistisches Niveau und eine ebenso hohe sprachliche Qualität zu haben.
Diese Arbeit gibt allenfalls eine Tendenz in der Zeitungssprache und kein repräsentatives Ergebnis wieder.
Inhalt
Einleitung
1 Textverständnis
2 Die Begriffe Vorfeld, linke Satzklammer, Mittelfeld, rechte Satzklammer und Nachfeld
3 Untersuchung
3.1 „3000 US-Soldaten im Irak gefallen“ Süddeutsche Zeitung
3.2 „Ein Meilenstein hin zum Rückzug“ die tageszeitung
4 Schlussbemerkung
5 Materialien
6 Literaturverzeichnis
7 Quellenverzeichnis
Einleitung
„Meine häufige Anwesenheit auf den Brücken hat einen ganz unschuldigen Grund. Dort gibt's den nötigen Raum. Dort kann man einen edlen, langen, deutschen Satz ausdehnen, die Brückengeländer entlang, und seinen ganzen Inhalt mit einem Blick übersehen. Auf das eine Ende des Geländers klebe ich das erste Glied eines trennbaren Zeitwortes und das Schlußglied klebe ich an's andere Ende - dann breite ich den Leib des Satzes dazwischen aus. Gewöhnlich sind für meinen Zweck die Brücken der Stadt lang genug.“[1] Mark Twain, der sich in seiner Rede am 21. November 1897 vor dem Presse-Club in Wien humoristisch kritisch mit der deutschen Sprache auseinandersetzt, spricht hier die Verbalklammer an. Die Verbalklammer oder auch Satzklammer birgt für die meisten Nicht-Muttersprachler Verständnisschwierigkeiten, aber auch viele, die mit der deutschen Sprache aufwachsen haben Probleme mit dieser Erscheinung des deutschen Satzes. Im Duden heißt es, „Die unterschiedlichen Formen der deutschen Sätze lassen sich vielmehr auf ein gemeinsames Grundmuster zurückführen. Es ist geprägt von der Satzklammer. Diese ist bestimmt für die Verbformen des Prädikats. Die Satzglieder besetzen bestimmte Felder, nämlich das Vorfeld und das Mittelfeld. Dabei sind das Vorfeld und die linke Satzklammer zahlenmäßig festgelegt und das Mittelfeld und die rechte Satzklammer ohne Beschränkung. Als Grenze gilt die Verständlichkeit des Satzes.“[2] Diese Regel der deutschen Orthographie wird vor allem in deutschsprachigen Zeitungen so sehr ausgeschöpft, dass Sätze unverständlich werden und Artikel wenig von gutem Deutsch geprägt sind. „Dort wimmelt es vom Gegenteil – als ob es Preise gäbe für die maximale Verrührung und Verquarkung zweier Aussagen mit Hilfe von eingeschobenen Nebensätzen, Klammern, Parenthesen, Attributen und Partizipialkonstruktionen.“[3] Peter Braun merkt an, dass „die besondere Leistung der Klammerformen [...] darin zu sehen [ist], dass die Elemente des Satzes zu einer inhaltlichen Ganzheit zusammengefasst werden.“[4] Es wird ein Bogen innerhalb eines Satzes gespannt, unter dem sich einzelne Teile des Satzes in besonderer Weise aufeinander beziehen. „Spannung bedeutet für den Sprecher/Hörer natürlich auch, dass er das schon Gesagte bis zum Ende des Satzes präsent halten muss.“ Da das Kurzzeitgedächtnis nur innerhalb eines kurzen Zeitraumes Informationen verarbeiten kann, darf in der Klammer auch nur eine bestimmte Anzahl Wörter bzw. Sinneinheiten (Chunks) stehen, um einen Satz auf Anhieb verstehen zu können.
Nun ist „der Durchschnittssatz in einer deutschen Zeitung [...] eine erhebende, höchst eindrucksvolle Sehenswürdigkeit. Er nimmt so ziemlich eine viertel Spalte ein und enthält sämtliche zehn Satzteile, allerdings nicht in regelmäßiger Folge sondern durcheinandergemischt. [...] Der ganze Satz hat vierzehn bis fünfzehn verschiedene Subjekte, von denen jedes in seinem besonderen Nebensatz steht, von dem wieder ein Nebensatz abhängt, auf den sich weitere drei oder vier abhängige Nebensätze beziehen. Zu guter Letzt erkennt man, daß die Nebensätze und die Nebennebensätze zwischen ein paar Hauptsätze eingeschachtelt sind. Das erste Hauptsubjekt steht in der obersten Zeile des majestätischen Satzes, während das zweite erst auf der letzten Zeile nachfolgt. Dann erst kommt das leitende Verbum, aus dem sich ergibt, worüber der Schreiber dieser Zeilen eigentlich hat reden wollen. Hinter dem Verbum aber sind, soweit ich das beurteilen kann, lediglich zum Schmuck noch ein paar Hilfszeitwörter, wie »haben, sind gewesen, gehabt haben, geworden sein« oder ähnliche Wirksame Wörter angehäuft. Damit endet schließlich der monumentale Satz. Ich glaube, diese Schlußhymne hat dieselbe Bedeutung wie der Schnörkel bei einer Namensunterschrift, der zwar nicht notwendig ist, aber hübsch aussieht. Deutsche Bücher kann man immerhin leicht lesen, weil man sie vor den Spiegel halten und ihre Konstruktion sozusagen auf den Kopf stellen kann, eine deutsche Zeitung jedoch lesen oder gar verstehen zu können, wird für den Ausländer stets eine Unmöglichkeit bleiben.“[5]
Ob diese Äußerung Twains tatsächlich auf die Sprache in deutschen Zeitungen zutrifft, möchte ich anhand zweier Artikel aus zwei unterschiedlichen überregionalen Zeitungen untersuchen.
Als Untersuchungsgegenstand dient zum einen die Süddeutsche Zeitung, die als größte deutsche überregionale Abonnement-Zeitung und als liberal kritisches Medium gilt und von deutschen Journalisten als „Leitmedium“ Nummer Eins genannt wurde.
Gegenübergestellt habe ich einen Artikel aus die tageszeitung. Sie ist die siebtgrößte überregionale Tageszeitung in Deutschland, ist ein selbstverwaltetes Zeitungsprojekt und steht politisch traditionell links. Beide Zeitungen haben den Anspruch ein hohes journalistisches Niveau und eine ebenso hohe sprachliche Qualität zu haben.
Im Folgenden möchte ich nun auf diese angesprochenen Artikel eingehen und untersuchen, in welchem Maße die verbale Klammer verwendet wird und sich auf das Textverständnis auswirkt. Ich möchte lediglich eine Tendenz innerhalb dieser Zeitungsartikel herausarbeiten, da der Umfang einer repräsentativen Untersuchung den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. In der Schlussbemerkung fasse ich dann die Ergebnisse zusammen und gebe eine Aussicht auf andere Möglichkeiten einer solchen Untersuchung.
1 Textverständnis
„Sobald sprachlich zusammengehörende Teile ,zerrissen‘ sind, steuern sie die Aufmerksamkeit der Rezipienten in erhöhtem Maße. Sie müssen das rechts liegende Kontextfeld nicht nur nach logisch determinierenden, sondern vor allem nach überhaupt passenden Teilen absuchen.“[6] „Der Leser/Hörer muß seine Aufmerksamkeit und Konzentration auf das Ganze einstellen; der letzte Teil des Satzes könnte noch Überraschungen bringen.“[7] Die Informationen die im Mittelfeld stehen werden mit der linken Satzklammer und der rechten Satzklammer zu einer Sinneinheit verknüpft. Nun muss der Rezipient während der Aufnahme eines Satzes diese Sinneinheit zusammenfügen. Dabei werden die Informationen im Arbeitsgedächtnis gespeichert. Die Kapazität dieses Arbeitsgedächtnisses ist jedoch außerordentlich begrenzt. Es „bewältigt im Durchschnitt eine Strecke von drei Sekunden, und in diesem Zeitraum liest der Durchschnittsmensch sechs Wörter oder zwölf Silben.“[8] Man spricht auch von 5 - 9 Informationseinheiten oder Chunks.[9] Die Informationen sind zeitlich geordnet und werden überschrieben, das heißt vergessen, wenn die Kapazität überschritten wird. Hält man sich diese Tatsache vor Augen, so sollte einleuchten, dass Satzklammern mit einem überfülltem Mittelfeld für den Lesefluss und das Textverständnis nicht besonders förderlich sind. Als Grundregel für die Satzklammer gilt:
1. „Ausgangspol und Endpol müssen ein Mindestmaß an Tragfähigkeit haben.
2. Der Ausgangspol muß so beschaffen sein, daß er den Leser/Hörer unmißverständlich in Richtung auf den Inhalt des Endpols einstellt.
3. Die Pole dürfen nicht durch zu viele Innenstücke voneinander getrennt sein.
4. Von den Innenstücken darf keines leitungsunfähig sein.“[10]
Wolf Schneider formuliert das in seiner Stillehre in „Satzbau-Regel 3“ eindeutig: „Was im Satz zusammenhängt, darf nie um mehr als sechs Wörter oder zwölf Silben auseinander gerissen werden. Und was hängt zusammen?
- Der Hauptsatz. (Am besten sollte er durch nichts unterbrochen werden, maximal aber durch einen Einschub von zwölf Silben.)
- Die Bestandteile des Verbums.
- Subjekt und Prädikat.
- Artikel und Substantiv.“[11]
Schneider gibt zahlreiche Beispiele für den unangebrachten Gebrauch von Satzklammern. Als Funktionsleichte Klammerform ist die Ausklammerung zu nennen, die in der gesprochenen Sprache häufig Anwendung findet und den Informationsfluss geordnet und anschaulich macht. Sie bietet dazu die Möglichkeit auf etwas deutlicher hinzuweisen. Peter Braun verweist diesbezüglich auf die Duden-Grammatik von 1966 nach der „die Ausklammerung in einer ganzen Reihe von Fällen nicht nur zulässig, sondern empfehlenswert [ist]:
1. Ausklammerung eines Gliedsatzes oder eines Satzwertigen Infinitivs.
2. Ausklammerung eines Satzgliedes in Verbindung mit einem Gliedsatz.
3. Ausklammerung einzelner Satzglieder bei der verbalen Klammer.
4. Ausklammerung einzelner Satzglieder im Gliedsatz.
5. Ausklammerung von Vergleichsgliedern und Vergleichssätzen.“[12]
[...]
[1] http://gutenberg.spiegel.de/twain/speeches/schreckn.htm.
[2] Duden – Die Grammatik. Mannheim 2005. S. 874.
[3] Schneider, Wolf; Raue, Paul-Josef: Das neue Handbuch des Journalismus. Hamburg 2003. S.195.
[4] Braun, Peter: Tendenzen in der deutschen Gegenwartssprache: Sprachvarietäten. 4. Auflage. Stuttgart u.a. 1998. S. 125.
[5] Twain, Mark: Die schreckliche deutsche Sprache. In: Mark Twain: Ein Bummel durch Europa. Frankfurt a. Main u.a. 1969. S. 172.
[6] Eroms, Hans-Werner: Hierarchien in der deutschen Satzklammer. In: Marillier, Jean-François (Hrsg.): Satzanfang – Satzende. Syntaktische, semantische und pragmatische Untersuchungen zur Satzabgrenzung und Extraposition im Deutschen. Tübingen 1993. S.18.
[7] Braun, Peter: Tendenzen in der deutschen Gegenwartssprache. S. 126.
[8] Schneider, Wolf: Das neue Handbuch des Journalismus. S. 198.
[9] Vgl. dazu George A. Miller: The magical number seven, plus or minus two: Some limits on our capacity for processing information. 1956.
[10] Braun, Peter: Tendenzen in der deutschen Gegenwartssprache. S. 126.
[11] Schneider, Wolf: Das neue Handbuch des Journalismus. S. 198.
[12] Braun, Peter: Tendenzen in der deutschen Gegenwartssprache. S. 128.
- Citar trabajo
- Frank Jakobs (Autor), 2007, Sprache in den Massenmedien - Die Satzklammer in der überregionalen Zeitung, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/82717
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