Die Arbeit behandelt die Ermittlung und Bewertung von Lärmimmissionen im Fachplanungsrecht, die vor allem bei großen Verkehrsinfrastruktur-Projekten (Flughafen, Bahntrasse, Straßenbau) eine wichtige Rolle spielt.
Ihr Ziel ist es, neben den rechtlichen Grundlagen auch die physikalischen und naturwissenschaftlichen Kenntnisse darzustellen, die auch für den Juristen bei der Beschäftigung mit Lärmgutachten etc. unverzichtbar ist.
Zunächst zeigt der Autor in einem kurzem Überblick auf, dass die Berücksichtigung von Lärmimmissionen bei der Planung und Genehmigung derartiger Projekte unmittelbar verfassungsrechtlich geboten ist und dem Schutz von Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) und Eigentum (Art. 14 GG) dient.
Die Ermittlung und Bewertung von Lärm ist dabei allerdings zunächst nicht rechtlich determiniert, sondern muss sich an naturwissenschaftlichen, physikalischen Grundlagen orientieren. Daher werden im zweiten Teil der Arbeit die grundlegenden physikalischen Kenntnisse vermittelt, die dem Juristen bei der Auseinandersetzung mit Lärmgutachten etc. geläufig sein müssen. Neben der Definition von Lärm werden dabei Begriffe wie Schall, Frequenz, äquivalenter Dauerschallpegel oder Dezibel erläutert. Daneben werden Erkenntnisse über das menschliche Hören dargestellt, insbesondere wie sich Veränderungen von Lautstärke und Tonhöhe auswirken, was für die Bewertung etwa des Fluglärms von entscheidender Bedeutung ist.
Der dritte Teil bietet einen Überblick über den aktuellen Stand der Lärmwirkungsforschung. Auch diese Kenntnisse sind für den mit dem Fachplanungsrecht befassten Juristen unabdingbar, um einschätzen zu können, welche Beeinträchtigungen und gesundheitlichen Folgen welche Art von Lärmquelle verursachen kann.
Nach der Darstellung dieser naturwissenschaftlichen Erkenntnisse als Hilfsmittel juristischer Bewertung von Lärmimmissionen widmet sich die Arbeit der Bewertung von Lärmimmissionen am Beispiel des Neubaus einer Bundesstraße. Dafür stellt der Autor zunächst das drei-stufige Schutzmodell dar, das den einschlägigen Vorschriften in §§ 41 ff. BImSchG zu Grunde liegt. Weiterhin wird die Verkehrslärmschutzverordnung analysiert, die Immissionsgrenzwerte festlegt. Den Abschluss der Arbeit bildet ein kurzer Überblick über konkrete rechtliche Probleme, die sich aus der Anwendung der dargestellten Rechtsvorschriften ergeben.
Inhaltsverzeicnnis
Teil 1 „Lärm“ im (Planungs-)recht – Übersicht
Teil 2 Was ist Lärm? – Begriffe und Definitionen
A. Physikalische Grundlagen
I. Schall
II. Tonhöhe
III. Lautstärke – Schalldruck
IV. Dezibel
B. Menschliches Hören
I. Dezibel (A)
II. Veränderungen der Lautstärke
C. Wichtige Messwerte – Der Äquivalente Dauerschallpegel
Teil 3 Lärmwirkungsforschung
I. Faktoren der Lärmwirkung
II. Gesundheitliche Folgen des Lärms
1. Unmittelbare Folge des Lärms: Gehörschaden
2. Mittelbare medizinische Folgen des Lärms
3. Methodische Probleme „wissenschaftlicher“ Grenzwerte
Teil 4 Zwischenergebnis:
Naturwissenschaftliche Erkenntnisse als Hilfsmittel juristischer Bewertung von Lärmimmissionen
Teil 5 Bewertung von Lärmimmissionen am Beispiel
des Neubaus einer Bundesstraße
Teil 1 „Lärm“ im (Planungs-)recht – Übersicht
Die nähere Analyse und Bewertung der entstehenden Lärmimmissionen spielt bei Infrastruktur-Projekten eine bedeutende Rolle. Besonders deutlich wird dies beim Neubau bzw. einer Erweiterung eines Flughafens, einer Straße oder Eisenbahnstrecke. Aber auch bei anderen Investitionsprojekten wie Windräder oder eine Müllverbrennungsanlage entstehen Lärmimmissionen.
Die fundamentale, verfassungsrechtliche Verpflichtung für eine Berück-sichtigung von Lärm bei der Planung und Genehmigung von derartigen Projekten folgt aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 14 GG. Daneben hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte festgestellt, dass nächtlicher Fluglärm auf seine Vereinbarkeit mit Artikel 8 EMRK zu überprüfen ist[1].
Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistet das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Daraus folgt nicht nur für öffentliche Einrichtungen, dass sie Art. 2 Abs. 1 GG verletzen, wenn der von ihnen ausgehende Lärm zu Gesundheitsbeeinträchtigungen führt[2], sondern auch eine Schutzpflicht des Staates[3], mögliche Gesundheitsbeeinträchtigungen privater Vorhabenträger zu vermeiden und insbesondere des Planungs- und Genehmigungsverfahren so auszugestalten, dass die möglichen Beeinträchtigungen angemessen berücksichtigt werden.
Daneben ist auch die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG anwendbar[4]. Die erhebliche Beeinträchtigung von Wohnräumen durch Verkehrslärm ist ein – ggf. verfassungsrechtlich zu rechtfertigender – Eingriff in den Schutz des Eigentums[5]. Daher ist bei der Zulassung von Verkehrswegen die Schutzpflicht des Art. 14 GG zu Gunsten der betroffenen Eigentümer der angrenzenden Grundstücke zu beachten[6]. Die jeweils einschlägigen Gesetze sind dabei eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums, bei deren Auslegung das Grundrecht zu beachten ist[7].
Der Schutz vor Lärm ist daher im Kern grundrechtlich geboten[8].
Das Grundgesetz zählt die Lärmbekämpfung in Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 ausdrücklich als Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung auf, wovon die Vermeidung, Beseitigung oder Linderung störender Geräusche an ihrer Quelle oder in ihrem Wirkungsbereich umfasst sind[9].
Dieser grundrechtlichen Verpflichtung ist der Gesetzgeber in zahlreichen Fachgesetzen nachgekommen, in denen einfachgesetzliche Vorschriften die Berücksichtigung der Lärmquellen bei der Planung entweder ausdrücklich anordnen oder diese unter einen weiter gefassten, allgemeinen Rechtsbegriff zu subsumieren sind.
So fällt etwa der Fluglärm unter die „Gefahren und Nachteile“ gegen die die Benutzung der benachbarten Grundstücke gemäß § 9 Abs. 2 Luftverkehrsgesetz zu sichern sind. Daneben gilt das Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm.
§ 3 Abs. 2 BImSchG zählt „Geräusche“ ausdrücklich zu den Immissionen, bzw. schädlichen Umwelteinwirkungen vor denen Menschen (u.a.) nach § 1 Abs. 1 BImSchG geschützt werden sollen. Als Umsetzung der EG-Umgebungslärm-Richtlinie[10] ist in den §§ 47a BImSchG eine Lärmminderungsplanung mit der gesetzlichen Verpflichtung zur Ausarbeitung von Lärmkarten und Lärmaktionsplänen gesetzlich verankert[11].
Die §§ 41 – 43 BImSchG enthalten Vorschriften über den Schutz vor Verkehrsgeräuschen beim Bau oder der wesentlichen Änderung öffentlicher Straßen sowie von Eisenbahnen, Magnetschwebebahnen und Straßenbahnen.
Die Lärmbelastung eines Vorhabens zählt auch zu den Belangen, die gemäß § 1 Abs. 6 und 7 BauGB bei der Aufstellung von Bauleitplänen zu berücksichtigen sind.
Schon dieser kurze und unvollständige Überblick zeigt, dass „Lärm“ in zahlreichen rechtlichen Fallkonstellationen relevant ist. Aufgabe des Immissionsschutzrechtes ist es, festzustellen, welche Immissionen objektiv betrachtet (noch) geduldet werden müssen und welche nicht mehr. Es bedarf daher objektiv erfassbarer Komponenten, mit denen die rein subjektiv als Lärm empfundenen Geräusche deutlich von denen, die Lärm im objektiven Sinne darstellen, abgegrenzt werden können. Diese Frage nach der Erfassung und Bewertung von Lärm, ist zunächst einmal nicht rechtlich determiniert, sondern muss sich an naturwissenschaftlichen, physikalischen Grundlagen orientieren.
Teil 2 Was ist Lärm? – Begriffe und Definitionen
Damit stellt sich zunächst einmal die Frage, was Lärm überhaupt ist, wie er gemessen und bewertet werden kann.
Eine gängige Definition beschreibt Lärm als „ein als störend empfundenes Gewirr von lauten, durchdringenden Geräuschen“[12], an anderer Stelle ist von „lästigen, erschreckenden und oft sogar schmerzhaften Attacken auf das Trommelfell“ zu lesen. Etymologisch lässt sich ein Zusammenhang mit dem „Ruf zu den Waffen“ (alarme) nachweisen[13].
A. Physikalische Grundlagen
I. Schall
In der Physik, genauer gesagt der Akustik, bezeichnet man Geräusche als Lärm, wenn sie einen bestimmten Schalldruckpegel überschreiten.
Schall ist ein physikalisches Phänomen[14]. Es bezeichnet mechanische Schwingungen von Stoffen. Diese Schwingungen stammen von einer Schallquelle, die durch ihre eigene Bewegung ihre Umgebung in Bewegung setzt – vor allem die Luftmoleküle. Dabei wird Energie übertragen – die Umgebung bewegt sich daraufhin im selben Rhythmus wie die Schallquelle. Wird eine Schallquelle aktiv, stößt sie mit einem Luftmolekül zusammen. Dieses Luftmolekül stößt anschließend mit dem nächstfolgenden Luftmolekül zusammen und wird dann durch den Aufprall wieder zurückgestoßen[15]. Je heftiger sich die Schallquelle bewegt, desto stärker sind die Luftmolekülaufpralle und je nach Aufprallstärke bewegen sich die Luftmoleküle in größeren Abständen über ihrer Ausgangsposition hin und her. Diese Druckschwankungen werden vom menschlichen Ohr wahrgenommen und schließlich über das Gehirn zum subjektiven Eindruck „Lärm“ verarbeitet.
[...]
[1] EGMR, Urteil vom 8.7.2003, ZLW 2003, 638 ff.; dazu Hobe/Giesecke, ZLW 2003, 501 ff.
[2] BVerwGE 79, 254 (257).
[3] Grundlegend zur Schutzpflichtfunktion von Art. 2 Abs. 2 GG: BVerfGE 56, 54 (78); 77, 381 (402 f.)
[4]
[5] BVerwGE 61, 295 (303); BVerwG, NJW 83, 640; BGHZ 64, 220 (223 ff.).
[6] BVerwGE 107, 350 (357).
[7] Ausführlich dazu im Hinblick auf den Fluglärm, M. Hermann, Schutz vor Fluglärm, S. 166 ff.
[8] BVerfGE 79, 174 (201); Jarass/Pieroth, GG, Art. 2 Rn. 99.
[9] Jarass/Pieroth, GG, Art. 74 Rn. 58.
[10] Richtlinie 2002/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Juni 2002 über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm, ABl. EG Nr. L 189, S. 12.
[11] Näher zur EG-Umgebungslärmrichtlinie und ihre Umsetzung ins deutsche Recht Feldmann, ZUR 2005, 352 ff.; Söhnlein, NuR 2006, 276 ff.
[12] DUDEN, Bedeutungswörterbuch, Stichwort: Lärm.
[13] DUDEN, Herkunftswörterbuch.
[14] Vgl. zum Folgenden Hoffmann/ von Lüpke, Einführung, S. 21 ff.
[15] Faber, Planung von Flughäfen, S. 12.
- Citation du texte
- Thomas Traub (Auteur), 2007, Ermittlung und Bewertung von Immissionen im Fachplanungsrecht: Lärmimmissionen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/82688
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